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OGH vom 07.02.1962, 1Ob23/62

OGH vom 07.02.1962, 1Ob23/62

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Zweiten Präsidenten Dr. Fellner als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gitschthaler, Dr. Heidrich, Dr. Backofner und Dr. Feistmantel als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anton H*****, vertreten durch Dr. Engelbert Kiechl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1.) Gerta R***** und 2.) Walter P*****, beide vertreten durch Dr. Alfons Leuprecht, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung des Nichtbestehens eines behaupteten Fensterrechtes infolge der Revisionen der klagenden und beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom , GZ R 221/61-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom , GZ 5 Cg 136/60-14, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

I.) Der Revision des Klägers wird Folge gegeben; das angefochtene Urteil wird abgeändert wie folgt:

Es wird den Beklagten gegenüber festgestellt, dass eine Dienstbarkeit im Sinne eines Fensterrechtes mit dem Anspruch auf Licht und Luft zugunsten der Liegenschaft Haus S*****, F***** Nr. 17 mit Bp 171 KG S***** zu Lasten des Klägers oder des jeweiligen Eigentümers ob der Liegenschaft Bp 172 und Pz 161 KG S***** nicht zu Recht besteht. II.) die Beklagten werden mit ihrer Revision auf die Entscheidung zu I.) verwiesen.

III.) Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger die mit 3.545,33 S bestimmten Kosten des Verfahrens von dem Gerichte erster Instanz, die mit 1.359,64 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 925,48 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger behauptet, dass sich die Beklagten an den Fenstern des ersten und zweiten Stockes des Hauses S*****, F***** Nr. 17, eine Dienstbarkeit, und zwar ein Fensterrecht mit dem Anspruch auf Luft und Licht anmaßten. An der Feststellung, dass ein solches Recht nicht bestehe, habe er ein rechtliches Interesse, weil er sein Haus in S*****, F***** Nr. 15, zu erweitern beabsichtige. Diesem Vorhaben würden die Beklagten mit dem Einwand entgegentreten, dass sie durch die geplante Bauführung in ihrem Fensterrecht beeinträchtigt würden. Die Beklagten bringen dagegen vor, dass sie das Recht ersessen hätten, die Fensterflügel und Jalousien ihres Hauses F***** Nr. 17 in den Luftraum des klägerischen Grundstückes zu öffnen; in diesem Umfang sei auch der Anspruch auf Licht und Luft gegeben. Die schon seit jeher bestehende Übung der Öffnung der Fenster und Jalousien des Hauses F***** Nr. 17 in den Luftraum des klägerischen Grundstückes sei von den Eigentümern dieses Grundstückes immer respektiert worden. Beim Ankauf des Hauses durch den Kläger im Jahre 1931 seien ihm die angeführten Umstände genau bekannt gewesen.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren, es werde den Beklagten gegenüber festgestellt, dass eine Dienstbarkeit im Sinne eines Fensterrechtes mit dem Anspruch auf Licht und Luft zugunsten der Liegenschaft des Hauses S*****, F***** Nr. 17, mit der Bauparzelle 171 KG S***** zu Lasten des Klägers oder des jeweiligen Eigentümers an der Liegenschaft Bauparzelle 172 und Parzelle 161 KG S***** nicht zu Recht bestehe, abgewiesen.

Festgestellt ist folgender Sachverhalt: Der Kläger ist Eigentümer der Bauparzelle 172, Haus F***** Nr. 15, und der daran angrenzenden Grundparzelle 161 EZ 93 II der KG S*****. Die Beklagten sind je zur Hälfte Eigentümer der benachbarten Bauparzelle Nr 171, Haus F***** Nr. 17, EZ 94 II der KG S*****. Die beiden Häuser F***** 15 und 17 sind an der Straßenfront (Südseite) zusammengebaut. Nach Norden schließt sich an das Haus F***** Nr. 15 ein Hofraum an, während das Haus F***** Nr. 17 bis zur nördlichen Grenze dieses Hofraumes reicht. Im Verfahren 1 Nc 59/60 des Bezirksgerichtes Schwaz wurde mit Beschluss vom die Grenze zwischen dem Wohnhaus der Beklagten und dem Hofraum des Klägers in der Weise festgelegt, dass sie entlang der Dachtraufe der Bp 171, somit an ihrem südlichsten Punkte 44 cm, an ihrem nördlichsten Punkte 68 cm westlich der Mauer des Hauses F***** Nr. 17 verläuft. Die Jalousien und äußeren Fenster des ersten und zweiten Stockes des Hauses der Beklagten werden nur in den Hofraum des Klägers hinein geöffnet. Hiebei reichen die äußeren Fenster, wenn sie im rechten Winkel zur Hausmauer geöffnet werden, 59 cm, die Jalousien 64 cm in den Hofraum, und maximal 19 cm über die lotrecht unter der Dachtraufe verlaufenden Grenze hinaus. Die Fenster und Jalousien wurden während der letzten Jahrzehnte nicht erneuert, sondern nur frisch gestrichen.

Die Eigentümer des Hauses F***** Nr. 17 in S***** öffneten seit Menschengedenken die hofseitigen Fenster und Jalousien des ersten und zweiten Stockes in den Luftraum des angrenzenden Hofes Gp 161 in EZ 93 II KG S***** hinein, ohne von den Eigentümern der letztgenannten Liegenschaft je daran gehindert worden zu sein.

Das Erstgericht ist der Rechtsauffassung, dass die Beklagten nach den §§ 480, 1470 und 1477 ABGB durch Ersitzung außerbücherlich eine Servitut des Inhalts erworben hätten, ihre Fenster und Jalousien in den klägerischen Luftraum hinein öffnen zu dürfen. Diesem Rechte gegenüber könne sich der Kläger nicht auf das Vertrauen in die öffentlichen Bücher nach § 1500 ABGB berufen, weil er seinen eigenen Angaben zufolge den wahren Sachverhalt kennen musste und auch tatsächlich kannte. Überdies sei bei einer offenbaren Dienstbarkeit ein gutgläubiger Erwerb im Sinne des § 1500 ABGB ausgeschlossen. Das Recht, das die Beklagten somit durch Ersitzung erwarben, sei zwar nicht ein Fensterrecht im Sinne des § 475 Abs 1 Z 3 ABGB, jedoch immerhin eine Servitut. Dem stehe nicht entgegen, dass ein Recht dieser Art in den §§ 475, 476 ABGB nicht ausdrücklich erwähnt werde; denn die Aufzählung in diesen beiden Gesetzesstellen sei eine bloß beispielsweise. Der Oberste Gerichtshof habe die Möglichkeit eines Rechtes, die Fensterflügel und -läden in den Hof des Nachbarn zu öffnen, in vielen Entscheidungen anerkannt. Ein solches Recht könne nur dann sinnvoll sein, wenn damit auch ein Recht auf Licht und Luft wenigstens innerhalb und oberhalb des Kreises, den die Flügel beim Öffnen beschreiben, verbunden sei. In diesem Sinne habe der Oberste Gerichtshof auch mit seinem Urteil vom 12. 3. 1889, GlU 12623 erkannt. Im Widerspruch dazu stehe allerdings die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom , ZBl 1906 S 1025, doch sei das Erstgericht der Meinung, dass die erstgenannte Entscheidung sinn- und zweckvoller sei. Der Umfang des Rechtes auf Licht und Luft sei in solchem Falle auf den Raum innerhalb und oberhalb des Halbkreises, den die Fensterflügel und -läden beim Öffnen beschreiben, eingeschränkt. Dieses, aber auch nur dieses Ausmaß könne den Beklagten nicht abgesprochen werden, wenn ihr Fensteröffnungsrecht nicht wert- und sinnlos sein solle. Eine Aussichtsgerechtigkeit stehe den Beklagten hingegen nicht zu.

Wenn die Beklagten einwendeten, der Kläger könne gegen sie mit der Negatorienklage vorgehen, da die behauptete Dienstbarkeit von ihnen nicht nur verbal in Anspruch genommen, sondern tatsächlich ausgeübt werde, daher die Feststellungsklage fehl am Platze sei, so treffe dieser Einwand nicht zu; denn das Feststellungsbegehren sei nur dann ausgeschlossen, wenn das mögliche Leistungsbegehren all das biete, was mit dem Feststellungsbegehren angestrebt werde. Da der Kläger das Nichtbestehen eines Rechtes auf Licht und Luft festgestellt wissen wolle, dieses Recht von den Beklagten aber nur behauptet werde, gehe das Feststellungsbegehren über das mögliche Leistungsbegehren hinaus. Aus den angeführten Gründen sei das klägerische Begehren abzuweisen gewesen.

Der Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht teilweise Folge und änderte das Urteil des Erstgerichtes in der Weise ab, dass es wörtlich lautet: "Es wird festgestellt, dass zugunsten des jeweiligen Eigentümers der Bp 171 (Haus F***** 17) in EZ 94 II der KG S***** hinsichtlich der an der Westseite dieses Hauses im 1. und 2. Stock bestehenden Fensteröffnungen die Dienstbarkeit des Fensterrechtes mit dem Anspruch auf Licht und Luft zu Lasten des jeweiligen Eigentümers des dienenden Grundstückes, das ist der Bp 172 (Haus F***** 15) und der Gp 161 beide in EZ 93 II KG S***** mit der Maßgabe zusteht, dass der Zutritt von Licht und Luft innerhalb und oberhalb des je von den beiden Fensterfügeln und -läden beim Öffnen und Schließen beschriebenen Halbkreises nicht behindert werden darf; das Klagebegehren auf Feststellung des Nichtbestandes einer Dienstbarkeit des Fensterrechtes in diesem Umfang wird somit abgewiesen. Hingegen wird dem weiteren Begehren, das ist auf Feststellung des Nichtbestandes eines Fensterrechtes über den vorbeschriebenen Umfang hinaus Folge gegeben.

Die Streitkosten werden gegeneinander aufgehoben."

Der Kläger wolle, so führt das Berufungsgericht aus, das den Beklagten zustehende Recht bestenfalls als Dienstbarkeitsrecht, die Fenster und Läden ihres Hauses gegen den klägerischen Grund hin und zum Teil, nämlich soweit diese beim Öffnen und Schließen über die Falllinie des äußeren Dachtraufenrandes hinausgreifen, auch über dem klägerischen Grund wie bisher zu Öffnen, gewertet wissen. Es sei aber seiner Meinung nach mit diesem Rechte nicht auch der Anspruch auf Licht und Luft aus dem Eigentumsbereich des Klägers verbunden. Er berufe sich dabei auf eine Reihe älterer oberstgerichtlicher Entscheidungen, die mit dem Fensteröffnungsrecht mangels einer besonderen Vereinbarung oder Ersitzung eines Untersagungsrechtes gegenüber den belasteten Eigentümern nicht auch das Recht auf Licht- und Luftbezug aus dem belasteten Grundstücke anerkennen würden. Diese Frage sei jedoch nach der Lage des einzelnen Falles zu beantworten. Bei den Fenstern und Läden des Hauses der Beklagten handle es sich um eine seit unvordenklicher Zeit bestehende Anlage, deren unverkennbarer einziger Zweck nur der sein könne, Licht und Luft in dieses Haus einströmen zu lassen. Da diese Anlage und deren Benützung unbestrittenermaßen durch die ganze Ersitzungszeit von der Klägerseite trotz Offenkundigkeit ihres Zweckes unbeanständet geduldet und dementsprechend auch niemals gehindert wurde, sei folgerichtigerweise das untrennbar damit verbundene Einströmen von Licht und Luft aus dem klägerischen Raume zumindest in den durch die Betätgigung der Anlage gegebenen engsten Grenzen hingenommen und stillschweigend anerkannt worden. Weil aber Dienstbarkeitsrechte einschränkend auszulegen seien, könne dieses mit dem Fensteröffnungsrecht der Beklagten zusammenhängende Recht auf den Bezug auf Licht und Luft unter Ausschluss weitergehender Rechte wie jenes auf Aussicht (§ 476 Z 11 ABGB) oder dergleichen mangels eines weitergehenden Erwerbstitels nur auf den allein mit Sicherheit feststellbaren bestimmten Bereich innerhalb und oberhalb jenes Raumes bezogen werden, der im Sinne des Spruches beim Öffnen und Schließen der Fenster und Läden beansprucht werde. Nur soweit sei dieses Recht ein unzertrennlicher Bestandteil des Rechtes, die gegen den Nachbargrund gekehrte Fensteranlage zweckentsprechend zu benützen. In diesem Sinne könne mit dem Erstrichter von einer ein bejahendes und ein verneinendes Element enthaltenden Mischform einer Dienstbarkeit gesprochen werden, bei der mit dem Anspruch auf Duldung auch ein wenngleich äußerst beschränkter Anspruch auf Unterlassung gegenüber dem Eigentümer der dienstbaren Liegenschaft zwangsläufig verbunden sei. Soweit die Fenster und Läden vom Hause der Beklagten in den klägerischen Luftraum hineinreichen, sei der jeweilige Eigentümer des klägerischen Hauses in seinem Rechte, über seinem Grunde zu bauen, in der vorerwähnten Weise beschränkt. Soweit sei daher in Bestätigung des Ersturteiles sein Klagebegehren auf Feststellung des Nichtbestandes eines Fensterrechtes mit dem Anspruch auf Licht und Luft abzuweisen gewesen. Bezüglich der Abweisung des weitergehenden Begehrens, dass nämlich dem jeweiligen Eigentümer des Hauses der Beklagten über den vorbeschriebenen Umfang hinaus ein Fensterrecht mit dem Anspruch auf Licht und Luft zustehe, sei jedoch das angefochtene Urteil abzuändern und der Klage stattzugeben gewesen, weil in Ansehung einer solchen rein negativen Dienstbarkeit von Seiten der Beklagten der Erwerb eines entsprechenden Untersagungsrechtes im Sinne des § 313 ABGB durch Vertrag oder Ersitzung weder behauptet noch nachgewiesen wurde.

Das Berufungsurteil fechten der Kläger aus den Revisionsgründen der Nichtigkeit, Aktenwidrigkeit und unrichtigen rechtlichen Beurteilung und die Beklagten aus dem Revisionsgrund der irrigen rechtlichen Beurteilung mit Revision an; der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass der Klage vollinhaltlich stattgegeben werde, in eventu das Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur Behebung der die Nichtigkeit und Aktenwidrigkeit begründenden Gebrechen an die erste Instanz zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen, allenfalls die Kostenentscheidung dahin abzuändern, dass die Beklagten dem Kläger sämtliche Kosten des Verfahrens zu ersetzen haben. Die Beklagten begehren Abänderung des angefochtenen Urteils in der Weise, dass das erstgerichtliche Urteil wieder hergestellt werde.

In ihren Revisionsbeantwortungen beantragen die Revisionsgegner, der Revision der Gegenseite keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Zur Revision des Klägers: Das Berufungsgericht stellt in seinem Urteil ein Dienstbarkeitsrecht der Beklagten fest, das von keiner Seite beantragt wurde. In diesem Teil ist der Urteilsspruch verfehlt, weil er über das Begehren der Parteien hinausgeht, somit eindeutig gegen § 405 ZPO verstößt. Dieser Umstand hindert jedoch nicht eine Abänderung des angefochtenen Urteils zur Gänze; denn die Entscheidungen der Untergerichte sind schon aus rechtlichen Erwägungen nicht haltbar.

Die bloße Behauptung eines die Freiheit des Eigentums beschränkenden Rechtes ist noch keine Anmaßung, daher nicht mit der actio negatoria abzuwehren (1. 4. 1897, JBl 1897 S 297; GlUNF 5.395); sie kann aber eine negative Feststellungsklage begründen (, Slg XIV 5395; Klang2 2. Bd, S 602). Mit Rücksicht auf das festgestellte Bauvorhaben des Klägers einerseits und die Stellungnahme der Beklagten hiezu sowohl im gegenwärtigen Rechtsstreit wie auch im Streite C 75/60 des Bezirksgerichtes Schwaz, in welchem sie als Kläger gegen Anton H*****, der Kläger im gegenwärtigen Streit auftreten, andererseits ist das in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfenden Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Nichtbestandes einer Dienstbarkeit, wie im Begehren des Klägers umschrieben, zu bejahen.

Bei Rechten, die auf ein Unterlassen eines anderen gerichtet sind (Verbotsrechte, zB verneinende Dienstbarkeiten) genügt nicht schon die vielleicht rein zufällige Tatsache der Unterlassung, diese muss vielmehr als Folge der Rechtsausübung erscheinen. Daher ist erforderlich entweder die Verhinderung eines Entgegenhandelns durch Einspruch, Gewalt oder Erwirkung eines richterlichen Verbots (§ 313 ABGB) oder eine vorausgehende, auf künftige Unterlassung gerichtete Willenserklärung. A erlangt also zB den Besitz einer Aussichtsgerechtigkeit, wenn ihm der Nachbar B die Aussicht deshalb nicht verbaut, weil es ihm A verboten hat, oder auch, weil er sich dem A gegenüber verpflichtet hat, dies zu unterlassen. In welchem Umfang der Besitz erworben wird, ist eine Auslegungsfrage. Es kommt darauf an, welches Recht der eine Teil ausüben und der andere anerkennen oder dulden wollte. Dabei ist immer nur der erkennbare oder nach den Umständen anzunehmende Wille zu beachten (Ehrenzweig, Sachenrecht, § 178, S 80 f; Klang2, 2. Bd, S 78; Swoboda, Sachenrecht, S 291). Der bloße Bestand eines Fensters im eigenen Haus, das tatsächlich dem Nachbar Licht oder Luft und Aussicht verschafft, bedeutet an sich noch nicht Besitz einer negativen Dienstbarkeit des § 476 ABGB (Klang aaO Fußnote 31). Mit der Lehre im Einklang steht auch die herrschende Rechtsprechung. Die Rechtsansicht, dass im Rechte, Fenster in den benachbarten Luftraum zu öffnen, implicite auch das Recht auf Licht und Luft innerhalb und oberhalb des Kreises, den die Fensterflügel beim Öffnen beschreiben, gelegen ist, wird mit Recht als unrichtig bekämpft. Es handelt sich um die im § 476 Z 10 ABGB vorgeshene Hausservitut, wodurch der Besitzer des dienstbaren Grundes verpflichtet wird, dem herrschenden Gebäude Licht und Luft nicht zu benehmen. Als Erwerbstitel wird Ersitzung in Anspruch genommen; der hiezu erforderliche Rechtsbesitz (§ 1460 ABGB) wird im unbestrittenen Besitz des Fensteröffnungsrechtes und als natürliche Folge desselben gesehen. Dies jedoch zu Unrecht. In den Besitz von Rechten kommt man durch den Gebrauch derselben im eigenen Namen (§ 312 ABGB). Der Gebrauch eines Verbotsrechtes, als welches sich die in Rede stehende Servitut darstellt (§ 476 erster Satz ABGB), wird gemacht, wenn auf fremdes Verbot ein anderer das, was er sonst zu tun befugt wäre, unterlässt (§ 313 ABGB). Die Tatsache dieser Unterlassung muss also als Ausfluss einer Rechsausübung erscheinen; als solcher Ausfluss einer Rechtsausübung ist, wie schon die Ausführung der Lehre erwähnt, die Verhinderung des Entgegenhandelns, zB durch Einspruch, Erwirkung eines richterlichen Verbotes (§ 313 ABGB) anzunehmen, ebenso aber auch eine vorausgehende, auf künftige Unterlassung gerichtete Willenserklärung. Voraussetzungen dieser Art liegen gegebenenfalls nicht vor. Wenn die Beklagten das Recht auf Licht und Luft nur aus der Tatsache ableiten, dass die in ihrem Hause angebrachten Fenster nach außen in den benachbarten klägerischen Luftraum geöffnet werden, unterliegen sie einem Rechtsirrtum; denn in Wahrheit haben sie damit nur das Fensteröffnungsrecht, nicht aber darüber hinaus auch das Recht auf Licht und Luft erworben, da sie nicht nachweisen konnten, dass sie in den Besitz dieses Rechtes auf die oben angeführte, gesetzlich zulässige Art gelangten, da ferner das Einströmen (Eindringen) von Licht und Luft eine notwendige Folge des gegenwärtigen Bestandes der Fenster ist, und da demzufolge beim Abgang eines Rechtsbesitzes von einer Erwerbung dieses Rechtes auf Licht und Luft im Wege der Ersitzung keine Rede sein kann (§ 1460 ABGB). Der faktische Bestand der fraglichen Fenster kann somit, vom Fensteröffnungsrecht abgesehen, dem Nachbarn (Kläger) das Recht, sein Eigentum nach freiem Ermessen auszuüben, nicht beeinträchtigen (§§ 313, 362 ABGB). Da einem Fensteröffnungsrecht der Beklagten mit dem Klagebegehren, das doch nur auf die Verneinung einer Dienstbarkeit im Sinne eines Fensterrechtes mit Anspruch auf Licht und Luft gerichtet ist, kein Eintrag getan wird, steht der Stattgebung des Klagebegehrens kein Hindernis entgegen (, GlUNF 3528). Es ist weder behauptet noch nachgewiesen, dass die Beklagten schon vor Jahrzehnten die Gestattung der Benützung der Fenster zum Bezug von Licht und Luft aus dem Raum über dem Grundstück des Klägers ausdrücklich gefordert haben oder je in die Lage gekommen sind, eine Beeinträchtigung im Bezug von Licht und Luft zu untersagen (8. 8. 1882, GlU 9074). Die Herstellung eines Fensters in der eigenen Mauer ist nichts anderes als Ausfluss des Eigentumsrechtes, woran der Eigentümer von niemandem gehindert werden darf. Sie stellt keinen Eingriff in die Besitzsphäre des Nachbarn dar; mit ihr erwirbt er noch nicht das Fensterrecht, d. i. das Recht, Luft und Licht aus dem nachbarlichen Hofraum zu benützen (§ 488 ABGB), weil man in den Besitz von Rechten eben nur durch den Gebrauch derselben nach den §§ 312 und 313 ABGB gelangen kann. Die Beklagten haben nie behauptet, geschweige denn bewiesen, dass sie dem Kläger seinerzeit verboten hätten, ihnen Licht und Luft durch die Fensteröffnung zu benehmen und dass der Kläger sich einem solchen Verbot gefügt hätte; dies allein würde sich als Besitzergreifung, als Gebrauch eines Untersagungsrechtes nach den §§ 312 und 313 ABGB erkennbar gemacht haben (20. 12. 1883, GlU 9711; 13. 2. 1884, GlU 11920; 13. 5. 1884, GlU 11921; 17. 11. 1885, GlU 10791; 26. 5. 1886, GlU 11053; 29. 9. 1891, GlU 13931; 3. 2. 1892, GlU 14097; 26. 1. 1898, GlUNF 10; , GlUNF 1510 ua). Die von den Untergerichten bezogene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 12. 3. 1889, GlU 12623, mit der sie ihren rechtlichen Standpunkt zu decken suchen, steht im Gegensatz zur herrschenden Rechtsprechung und ist vereinzelt geblieben. Von ihr ist entgegen der Annahme des angefochtenen Urteils der Oberste Gerichtshof in der späteren Judikatur mit der dem Gesetz gemäßen Begründung wieder abgegangen.

Aus vorstehenden Überlegungen ergibt sich, dass der Revision des Klägers Erfolg zuzuerkennen und die untergerichtlichen Urteile im Sinne des zuerst gestellten Revisionantrages abzuändern waren.

Zur Revision der Beklagten:

Die Revisionswerber werden mit ihrer Revision auf die Entscheidung über die Revision des Klägers im Pkt I und die obige Begründung hiefür verwiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 ZPO bzw auf den §§ 41, 50 ZPO.