Anspruch auf Familienbeihilfe für ein in einem anderen EU-Staat lebendes Kind.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***2***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ***1*** vom , betreffend Abweisung des Antrages vom auf Ausgleichszahlung (zur Familienbeihilfe) für Jän. 2013 bis Sep. 2015 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Bisheriger Verfahrensgang
Der beschwerdegegenständliche im Spruch näher bezeichnete Bescheid wurde begründet wie folgt:
"Da Sie trotz mehrmaligen Abverlangens und obwohl Sie auf die Rechtsfolgen hingewiesen worden sind, die abverlangten Unterhaltsleistungen 1/2013-9/2015 nicht vorgelegt haben, konnte über Ihren Antrag nur anhand der vorhandenen Aktenlage entschieden werden (lt. neu vorgelegter Meldebestätigung besteht erst ab ein gemeinsamer Haushalt). In der Folge war Ihr Antrag teilweise abzuweisen."
In der im Spruch näher bezeichnete Beschwerde führte der Beschwerdeführer (Bf) im Wesentlichen wie folgt aus:
"Begründet wird der Bescheid damit, dass ich trotz mehrmaliger Abverlangen, die abverlangten Belege/Nachweise über die Unterhaltsleistungen 1/2013-9/2015 nicht
vorgelegt habe, weshalb der Antrag teilweise abzuweisen war.
Zu meiner Beschwerde lege ich folgendes bei:
Erklärung meiner Ehegattin vom über überwiegende Unterhaltszahlungen meinerseits trotz abweichender Anmeldeadressen bis samt einer Übersetzung und Kopie ihres polnischen Personalausweises; Aktuelle Meldebescheinigungen meiner Angehörigen vom samt Übersetzungen vom .
Aus den angefiihrten Gründen stelle ich daher die BESCHWERDEANTRÄGE auf Aufhebung des Abweisungsbescheids sowie Gewährung der Familienleistung (Ausgleichszahlung) für den restlichen Zeitraum (Anmerkung des Bundesfinanzgerichts [BFG]: für den oben im Spruch angeführten Zeitraum über die nunmehr beschwerdeanhängige Abweisung des Antrages).
Die abweisende Beschwerdevorentscheidung(BVE) vom wurde begründet wie folgt:
"Es wurde Ihnen die Familienbeihilfe (FB) für Zeitraum ....(Anmerkung des Bundesfinanzgerichts [BFG]: für beschwerdegegenständlichen im Spruch dieses Erkenntnisses angeführter Zeitraum) aberkannt, weil Sie keine Unterhaltsbestätigungen nachweisen konnten. Ihre Beschwerde begründen Sie damit, dass Sie zwar eine abweichende Meldeadresse haben, aber 350 €-450 € Unterhalt leisten.
Sie wurden mittels Ergänzungsersuchens vom aufgefordert Ihre Kosten in Österreich sowie die Lebenshaltungskosten des Kindes in Polen nachzuweisen. Diese Unterlagen langten am ha. ein.
Rechtliche Grundlagen: Gemäß § 2 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.
Anspruch auf Familienbeihilfe/Ausgleichszahlung haben Sie bei fehlender Haushaltszugehörigkeit nur dann, wenn Sie eine lückenlose monatliche Kostentragung, mindestens in Höhe der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages, mit entsprechenden Belegen (Daueraufträge, Überweisungsbelege, etc.) nachweisen können. Diese Kosten müssen sich mit dem Einkommen decken.
Würdigung:
2013:
Ihr Einkommen betrug 2013 2982 € (=248 €/mtl).
Ihre Lebenshaltungskosten in Österreich übersteigen mit 250 € mtl. Ihr Einkommen in Österreich, daher ist es denkunmöglich, dass Sie noch zusätzlich Unterhalt für das Kind in Polen geleistet haben.
2014:
Ihr Einkommen lag 2014 bei 1780 € (=148 €/mtl.). Ihre Lebenshaltungskosten in Österreich übersteigen mit 250 € mtl. Ihr Einkommen in Österreich, daher ist es denkunmöglich, dass Sie noch zusätzlich Unterhalt für das Kind in Polen geleistet haben.
2O15
Sie hatten 2015 ein Einkommen in Höhe vom 4569 € (=380 € mtl.) Im Gegenzug dazu Ausgaben in Höhe von 200 € monatlich. Erfahrungen des täglichen Lebens zeigen, dass Lebenshaltungskosten in Österreich nicht nur aus Miete, Energie, Essen und Kleidung bestehen. 200 € monatlich scheinen daher sehr niedrig angesetzt.
Das Kind benötigt It. Bestätigung der Gattin 200 € monatlich zum Leben.
Die Bestätigung der Gattin über 350-450 € wird daher als Gefälligkeitsbestätigung angesehen, denn eine glaubwürdige Weitergabe dieses Betrages geht sich rechnerisch überhaupt nicht aus.
Ein glaubwürdiger Nachweis über die Leistung des notwendigen Unterhaltes für das Kind wurde daher für 2013-2015 nicht erbracht. Ihre Beschwerde war daher abzuweisen."
Im Antrag auf Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht(Vorlageantrag) vom führte der Bf aus wie folgt:
"In Ihrer Begründung schreiben Sie u. a: Anspruch auf Familienbeihilfe/Ausgleichszahlung haben Sie bei fehlender Haushaltszugehörigkeit nur dann, wenn Sie eine lückenlose monatliche Kostentragungnachweisen können.
Dazu möchte ich nochmals ausdrücklich erklären, dass ich trotz abweichender Meldeadressen immer mit meiner Ehefrau und unserem Kind im gemeinsamen Haushalt (Adresse siehe im Akt) gewohnt habe, und daher bei mir kein Zwang für eine überwiegende Kostentragung bestand bzw. besteht.
Mein tatsächliches Einkommen im Jahre 2013 betrug nicht € 2.982,00, sondern mehr, weil die jährliche Beitragsgrundlage in diesem Jahr € 6.704,28 allein war. Siehe im beigelegten Datenauszug.
Mein tatsächliches Einkommen im Jahre 2014 betrug nicht nur € 1.780,00, sondern um € 3.634,40 (Gewinn aus meinem Gewerbebetrieb) mehr (siehe Beilagen).
Mein tatsächliches Einkommen im Jahre 2015 war nicht € 4.569,00, sondern betrug allein aus unselbständiger Erwerbstätigkeit € 7.716,39 (Summe aus allen beigelegten Lohnzetteln 2015 netto) .
Daher möchte ich anführen, dass ich im strittigen Zeitraum ausreichend aus diversen Verfügungsgeldern (Einnahmen aus meiner sonstigen selbständigen Erwerbstätigkeit, Lohn aus unselbständigen Arbeit, eigenen Ersparnissen aus früheren Einkommen - besseren Jahren 2010-2012) disponiert habe, um meine eigene Erhaltungskosten (Wohnung samt Energieverbrauchskosten, Essen, Gewand, etc.) sowie die Erhaltungskosten meines Kindes zu decken (s. Beilagen im Akt)."
Im Bericht zur Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (Vorlagebericht) führte das Finanzamt (FA) aus wie folgt:
"Art. 11 VO(EG) 883/2004
Der Bf ist polnischer Staatsbürger. Am Antrag vom , eingebracht am , sowie auf den Beilagen gab der Bf seine polnische Wohnadresse mit "***3***" an. Als Wohnadresse der Gattin und seines Sohnes geb.***4*** wurde "***7***" angegeben.
Am Antrag vom , eingebracht am für die Jahre 2012 bis 2015 wurde als gemeinsame Wohnadresse ***7*** angegeben.
Im Schreiben vom (der Beschwerde beigelegt) erklärte die Gattin, sie habe von Jänner 2013 bis September 2015 gemeinsam mit dem Bf. an der Adresse ***8*** ***5*** gewohnt, obwohl die Gattin selbst erst am in das Haus ***5*** verzogen ist (siehe Bestätigung vom ). Eine gemeinsame amtliche Meldung in ***8*** ***5*** liegt erst ab dem vor (siehe Ergänzungsersuchen vom ).
Im Schreiben vom , welches der Beschwerde beigelegt war, erklärte die Gattin, sie habe monatliche Unterhaltsleistungen zwischen 350.- Euro und 450.- Euro vom Bf. erhalten. Diese Aussage wurde mit Schreiben vom (siehe Ergänzungsersuchen vom ) revidiert und Unterhaltsleistungen von nur mehr 200.- Euro bestätigt.
Vom bis war der Bf. bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft versichert. Am legte er die Gewebeberechtigungen "Abdichten gegen Feuchtigkeit und Druckwasser" und "Verspachteln von Gipskartonwänden" zurück.
Im Jahr 2013 stellte er fünf Honorarnoten mit einem Gesamterlös von 9.050.- Euro aus, wobei die Honorarnote mit der Nummer 2014/1 vom i.H.v. 1.950.- Euro für Abdichtungsarbeiten in ***9*** im Jänner 2014 an die Firma ***10*** ***11*** ausgestellt wurde. Weitere Rechnungen wurden am , , und ausgestellt. In der Beilage zur Einkommensteuererklärung 2013 wurden Erlöse i.H.v. nur 7.450.- Euro erklärt. Der Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit betrug 2013 3.749,54 Euro.
Im Jahr 2014 wurden vier Honorarnoten mit einem Gesamterlös von 6.500.- Euro ausgestellt, die auch in die Einkommensteuererklärung 2014 Eingang gefunden haben. Rechnungen an die Fa. ***10*** ***11*** wurden für Arbeiten im Jänner 2014 und im April 2014 ausgestellt. Wann Leistungen im Hotel ***13*** (Rechnung Nr. 02 ohne Ausstellungsdatum) und bei ***12*** (Rechnung aus 2014) mit einer dem Bf. nicht zugeordneten Steuernummer durchgeführt wurden, ist nicht ersichtlich. Die Honorarnote mit der Nummer 2014/2 wurde am ebenso wie die vom für Abdichtungsarbeiten in ***9*** im Jänner 2014 i.H.v. 1.950.- Euro ausgestellt. Als Gewinn für 2014 wurde ein Betrag von 3.634.- Euro angegeben.
Die Rechnungen entsprechen nur teilweise den Formerfordernissen des § 11 UStG.
Laut Versicherungsdatenauszug war der Bf. von bis bei der Firma ***6*** GmbH mit einer laufenden Beitragsgrundlage von 6.677,19 Euro und Sonderzahlungen von 712,01 Euro gemeldet. Die ursprüngliche Anmeldung erfolgte mit einem monatlichen Bruttolohn von 2.170.- Euro. Am wurde ein Lohnzettel mit einem Bruttolohn von 2.900.- Euro für den Zeitraum bis übermittelt. Die Ungereimtheiten bei der Firma ***6*** GmbH wurden bereits geprüft.
Im Jahr 2015 war der Bf. von 20.01. bis 21.07. bei der Firma ***15*** und von 02.09. bis 31.12. bei der Firma ***14*** GmbH nichtselbständig tätig. Im August 2015 war der Bf. nicht beschäftigt.
Der Antrag von , eingebracht am wurde mit Bescheid vom für den Zeitraum Jänner 2013 bis September 2015 abgewiesen. Ab Oktober 2015 wurde die Ausgleichzahlung ohne Abzüge polnischer Leistungen zuerkannt. Die gegen den Abweisungsbescheid am eingebrachte Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom abgewiesen. Der Fall wurde am genehmigt und anschließend mit RSb versendet. Ein Zustellnachweis ist nicht aktenkundig. Am wurde ein Vorlageantrag eingebracht.
Stellungnahme:
Nach Ansicht des Finanzamtes übte der Bf. keine Beschäftigung iSd VO (EG) Nr. 883/2004 aus, da Leistungen aus selbständiger Tätigkeit in nur geringem Ausmaß und nur über kürzere Zeiträume erbracht wurden und deshalb als untergeordnet anzusehen ist. Ob Leistungen überhaupt erbracht wurden, kann aufgrund der dem Finanzamt vorgelegten, nicht den Formerfordernissen entsprechenden Rechnungen nicht nachvollzogen werden.
Ebensowenig kann eine nichtselbständige Tätigkeit bei der ***6*** AT GmbH angenommen werden.
Zudem liegen Ungereimtheiten aufgrund der divergierenden Aussagen und Beweismittel zum Aufenthaltsort in Polen und zur Höhe der Unterhaltsleistungen vor, weshalb die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Familienleistungen in Österreich nicht festgestellt werden konnten."
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Bf hat seinen Hauptwohnsitz seit iSd Meldegesetzes durchgehend in Wien (vgl. ZMR-Abfrage). Laut Aktenlage ist der Bf seit als gewerblich selbständiger Erwerbstätiger (bis ) und danach als Arbeiter (Angestellter) in Österreich erwerbs- bzw. berufstätig.
Wie aus der oben angeführten Aktenlage hervorgeht, machte der Bf immer wieder geänderte bzw. adaptierte Angaben bspw zu/m behaupteten Wohnsitz/en in Polen bzw. zur Höhe der Zahlungen für das Kind.
Rechtliche Würdigung
zu Spruchpunkt I.
Unionsrecht ist anzuwenden
Die Bf ist Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der Europäischen Union (EU) und fällt damit - ebenso wie sein Sohn und dessen näher bezeichnete Mutter - nach Art. 2 Abs. 1 VO 883/2004 in den persönlichen Anwendungsbereich der Grundverordnung. Ebenso sind die Familienbeihilfe nach dem FLAG 1967 und der Kinderabsetzbetrag nach dem EStG 1988 eine Familienleistung i. S. d. Art. 1 Buchst. z VO 883/2004, weshalb auch deren sachlicher Anwendungsbereich nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. j VO 883/2004 eröffnet ist.
Österreichische Rechtsvorschriften sind nach Unionsrecht zufolge Erwerbstätigkeit des Bf anzuwenden:
Zufolge der Erwerbstätigkeit des Bf in Österreich ist in Bezug auf den in Polen wohnhaften beschwerdegegenständlichen Sohn Österreich Beschäftigungsmitgliedstaat.
Aus dem Versicherungsdatenauszug der Österreichischen Sozialversicherung geht hervor, dass der Bf als gewerbl. selbständige Erwerbstätiger von bis und danach als Arbeiter im Angestelltenverhältnis in Österreich berufstätig bzw. erwerbstätig war bzw. bis dato ist. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass laut Abfrage beim Zentralen Melderegister Österreich der Zuzug des Bf aus dem EU-Raum nach Österreich ebenso wie seine Hauptwohnsitzmeldung in Wien bereits am erfolgt sind.
Hingegen ist Wohnortstaat der Mutter des Sohnes des Bf bzw. Frau des Bf sowie des gemeinsamen Kindes Polen. Ein Anhaltspunkt für eine allfällige Erwerbstätigkeit der Mutter außerhalb Polens ist nicht ersichtlich. In Bezug auf Familienleistungen für den Sohn des Bf an dessen Mutter ist daher grundsätzlich Polen als Wohnortmitgliedstaat zuständig.
Wohnortklauseln des FLAG 1967 bei Unionsbezug nicht anzuwenden
Der Verwaltungsgerichtshof hat in mehreren Erkenntnissen unmittelbar nach dem , Romana Slanina, die Ansicht vertreten, einer in einem anderen Mitgliedstaat der Union im gemeinsamen Haushalt mit dem Kind lebenden Unionsbürgerin (in der Schweiz lebenden Schweizer Bürgerin) stehe nach nationalem Recht die Bestimmung des § 2 Abs. 1 FLAG 1967 entgegen. Personen hätten nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, und sei daher § 2 Abs. 2 Satz 2 FLAG 1967 anzuwenden, wonach eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, dann Anspruch auf Familienbeihilfe hat, wenn keine andere Person nach § 2 Abs. 2 Satz 1 FLAG 1967 anspruchsberechtigt ist (vgl. ; ; ; ; ; ; ; ; ).
Diese Auffassung ist spätestens seit den Urteilen , B, und , Tomisław Trapkowski, als überholt anzusehen (vgl. ; ).
In seinem Erkenntnis , hat der Verwaltungsgerichtshof (ohne Bezug auf die ,B, und , Tomisław Trapkowski) klargestellt, dass im Anwendungsbereich des Unionsrechts die Wohnortklauseln des FLAG 1967 nicht anzuwenden sind:
Die Mutter des Kindes wie auch der gemeinsame Sohn und der Bf sind nach dem Beschwerdevorbringen iVm dem gesamten Akteninhalt polnische Staatsangehörige. Der Bf lebte und arbeitete im Beschwerdezeitraum in Wien, sodass für ihn die Verordnung Nr. 883/2004 gemäß deren Art. 2 Abs. 1 gilt.
Daher finden die auf Wohnortklauseln beruhenden Bestimmungen des § 2 Abs. 1 FLAG, welche den Familienbeihilfenbezug auf den Wohnort im Bundesgebiet abstellt, des § 2 Abs. 8 FLAG, welche auf den wesentlich durch den Wohnort bestimmten Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet abstellt, und des § 5 Abs. 3 FLAG, das einen vom Wohnort abhängigen Ausschluss der Familienbeihilfe bei ständigem Aufenthalt des Kindes im Ausland vorsieht, zufolge des Art. 7 der Verordnung Nr. 883/2004 und dessen Anwendungsvorrangs insoweit keine Anwendung. Zufolge des in Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 normierten Gleichbehandlungsgrundsatzes für Personen, für die diese Verordnung gilt, finden die durch den Anwendungsvorrang dieser Bestimmung verdrängten Bestimmungen des § 3 Abs. 1 und 2 FLAG mit besonderen Voraussetzungen für Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, keine Anwendung (vgl. das VwGH-Erkenntnis vom , 2012/16/0066).
Anzuwendende Rechtsvorschriften
Der Gerichtshof hat in seinem Erkenntnis , weiter ausgeführt: Für den Anspruch auf Familienleistungen nach Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach Art. 11 Abs. 3 lit a leg. cit. auf die in Polen beschäftigte Mitbeteiligte die Rechtsvorschriften Polens anzuwenden sind, sodass ihr nach § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG die Familienbeihilfe oder eine Ausgleichszahlung nicht zusteht. Der leibliche Vater hingegen unterliegt gemäß Art. 11 Abs. 3 lit a der Verordnung Nr. 883/2004 zufolge seiner Beschäftigung in Österreich den österreichischen Rechtsvorschriften. Nach dem FLAG kann ein Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs. 2 zweiter Satz leg. cit. bestehen. Nach dieser Bestimmung hat eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG anspruchsberechtigt ist (vgl. das VwGH-Erkenntnis vom , 2009/15/0205).
Es sind nach Art. 11 Abs. 3 Buchstabe a VO 883/2004 betreffend einen Anspruch des Vaters des Kindes die österreichischen Rechtsvorschriften anzuwenden. Insoweit folgt das Bundesfinanzgericht der in Rn 19 des Erkenntnisses , vertretenen Auffassung (vgl. ).
Nachkommen sind alle Verwandten in gerader absteigender Linie (zB eigene Kinder, Enkelkinder usw.( Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl., § 2, II. Kindesbegriff (Abs 3) [Rz 18 - 27]).
Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts ist auf Grund des , Tomisław Trapkowski, zufolge der Anwendung der österreichischen Rechtsvorschriften auf den in Österreich erwerbstätigen Vater zu prüfen, ob nicht daraus abgeleitet ein (nach nationalem Recht vorrangiger) Anspruch der Mutter auf österreichische Familienleistungen (in Form einer Ausgleichs- bzw. Differenzzahlung nach Art. 68 VO 883/2004 oder bei fehlenden polnischen Familienleistungen auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag) besteht.
Entscheidend ist, ob unionsrechtlich ein Familienangehöriger, auf den gemäß Art. 11 VO 883/2004 die Rechtsvorschriften des Wohnortmitgliedstaates anzuwenden sind, den Anspruch eines anderen Familienangehörigen, auf den gemäß Art. 11 VO 883/2004 die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsmitgliedstaates anzuwenden sind, im Beschäftigungsmitgliedstaat geltend machen kann.
So ergibt sich nach Ansicht des EuGH (Rn 38 des Urteils Tomisław Trapkowski) aus Art. 67 VO 883/2004 i. V. Art. 60 Abs. 1 VO 987/2009 zum einen, dass eine Person Anspruch auf Familienleistungen auch für Familienangehörige erheben kann, die in einem anderen als dem für ihre Gewährung zuständigen Mitgliedstaat wohnen, und zum anderen, dass die Möglichkeit, Familienleistungen zu beantragen, nicht nur den Personen zuzuerkennen ist, die in dem zu ihrer Gewährung verpflichteten Mitgliedstaat wohnen, sondern auch allen "beteiligten Personen", die berechtigt sind, Anspruch auf diese Leistungen zu erheben, zu denen die Eltern des Kindes gehören, für das die Leistungen beantragt werden.
Typischerweise fällt der im Wohnortmitgliedstaat lebende Familienangehörige nicht nach Art. 11 VO 883/2004 unter die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsmitgliedstaats des anderen Familienangehörigen.
Es gebietet daher der Grundsatz des effet utile, also des Effektivitätsgrundsatzes, eine Auslegung zu wählen, die die Verwirklichung der Ziele des Unionsrechts am meisten fördert.
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union ist das nationale Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Unionsrechts anzuwenden hat, verpflichtet, für deren volle Wirksamkeit Sorge zu tragen (für viele etwa zuletzt , Glencore Agriculture Hungary Kft., ECLI: EU:C:2017:522).
Die Auslegung von Normen darf die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (vgl. für viele etwa , Vinyls Italia SpA in Insolvenz, ECLI: EU:C:2017:433 unter Verweis auf , Nike European Operations Netherlands, ECLI: EU:C:2015:690).
Anspruchsprüfung unter Berücksichtigung des Unionsrechts nach nationalem Recht
Nach den allgemeinen Regelungen des FLAG 1967 kann - außerhalb des Anwendungsbereichs des Unionsrechts - die Führung des Haushaltes im Ausland für den haushaltsführenden Elternteil keinen Anspruch auf die österreichische Familienbeihilfe begründen, weil die Grundvoraussetzung des § 2 Abs. 1 FLAG 1967, nämlich ein Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthalt in Österreich, nicht gegeben ist.
In der Regel wird auch der Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich gemäß § 2 Abs. 8 FLAG 1967 fehlen (vgl. ).
Der Aufenthalt der Kinder in einem anderen Mitgliedstaat der Union hingegen ist auch vor dem Hintergrund des § 5 Abs. 3 FLAG 1967 unbedenklich, da gemäß § 53 FLAG 1967 und der unionsrechtlichen Vorschriften als "Ausland" i. S. d. FLAG 1967 ein Drittstaat, nicht jedoch ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union (bzw. ein Staat des EWR oder die Schweiz) anzusehen ist.
Zur Anwendbarkeit der Prioritätsregeln, die in Art. 68 Abs. 1 VO 883/2004 für den Fall des Zusammentreffens von Ansprüchen vorgesehen sind, sei darauf hinzuweisen, dass es für die Annahme, dass in einem bestimmten Fall eine solche Kumulierung vorliege, nicht genüge, dass Leistungen in dem Mitgliedstaat, in dem das betreffende Kind wohnt, geschuldet werden und zugleich in einem anderen Mitgliedstaat, in dem ein Elternteil dieses Kindes arbeitet, lediglich potenziell gezahlt werden können (vgl. , Schwemmer, Rn. 52 m. w. N.). Bestehe im Wohnmitgliedstaat kein Anspruch auf Familienleistungen, fänden diese Prioritätsregeln keine Anwendung (Rn. 33).
Es obliegt jedoch der zuständigen nationalen Behörde, zu bestimmen, welche Personen nach nationalem Recht Anspruch auf Familienleistungen haben. Nach alledem ist Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 987/2009 dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Fiktion dazu führen kann, dass der Anspruch auf Familienleistungen einer Person zusteht, die nicht in dem Mitgliedstaat wohnt, der für die Gewährung dieser Leistungen zuständig ist, sofern alle anderen durch das nationale Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Gewährung erfüllt sind, was von dem vorlegenden Gericht zu prüfen ist.
Art. 60 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 987/2009 ist dahin auszulegen, dass danach nicht verlangt wird, dass der Anspruch auf Familienleistungen, die für ein Kind gewährt werden, dem Elternteil des Kindes, der in dem für die Gewährung dieser Leistungen zuständigen Mitgliedstaat wohnt, deshalb zuerkannt werden muss, weil der andere Elternteil, der in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, keinen Antrag auf Familienleistungen gestellt hat.
Das Unionsrecht selbst vermittelt keinen originären Anspruch auf nationale Familienleistungen. Es ist nach wie vor Sache der Mitgliedstaaten, wem sie unter welchen Voraussetzungen wie lange Familienleistungen zuerkennen. Das Unionsrecht verlangt allerdings im allgemeinen, dass diese Zuerkennung diskriminierungsfrei erfolgen muss, und im besonderen, dass die nach dem nationalen Recht, hilfsweise nach dem Unionsrecht zu ermittelnden Familienangehörigen einer Person, die in den Anwendungsbereich der VO 1408/71 oder der VO 883/2004 fällt, also im wesentlichen einer Person, die (nur oder auch) in einem anderen Mitgliedstaat einer Erwerbstätigkeit nachgeht als in jenem, in dem ihre Familie wohnt, so zu behandeln sind, als hätten alle Familienangehörigen ihren Lebensmittelpunkt in dem Mitgliedstaat, der Familienleistungen gewähren soll. Da ein derartiger Sachverhalt territorial die Geltung der nationalen Rechtsvorschriften zweier oder mehrerer Mitgliedstaaten nach sich zieht, enthält das Unionsrecht Kollisionsregeln, welche nationalen Rechtsvorschriften allein, primär, sekundär oder gar nicht anwendbar sind.
Wie ausgeführt, sind nach Art. 11 Abs. 3 Buchstabe a VO 883/2004 betreffend den Antrag des Vaters die österreichischen Rechtsvorschriften anzuwenden, da Österreich Beschäftigungsmitgliedstaat des Vaters ist, und sich im Verfahren nicht ergeben hat, dass Beschäftigungsmitgliedstaat des Vaters (auch) ein anderer Staat ist.
Der Bf (Vater des Sohnes) hat im Beschwerdezeitraum in Österreich gewohnt und gearbeitet (s. Arbeitgeber usw., Arbeit bei Baustellen in Österreich usw.).
Nach § 2 Abs. 3 lit. a FLAG 1967 zählen zu den Familienangehörigen im unionsrechtlichen Sinn zunächst die Eltern eines Kindes (vgl. etwa auch ).
Da der Vater des Kindes als Familienangehöriger sowohl seines Kindes wie auch von dessen Mutter anzusehen ist (§ 2 Abs. 2 und 3 FLAG 1967), ist unionsrechtlich in Anwendung von Art. 67 VO 883/2004 zu unterstellen, dass alle beteiligten Personen (also Vater, Mutter, Kind) in Österreich wohnen, also hier ihren Lebensmittelpunkt haben (Art. 60 Abs. 1 Satz 2 VO 987/2009).
Die nach Art. 67 VO 883/2004 i. V. m. Art. 60 Abs. 1 Satz 2 VO 987/2009 vorzunehmende Fiktion bewirkt, dass die Wohnsituation auf Grundlage der im Streitzeitraum im anderen EU-Mitgliedstaat gegebenen Verhältnisse (fiktiv) ins Inland übertragen wird (BFH , III R 62/12).
Diese Fiktion führt dazu, dass der Anspruch auf Familienleistungen des Beschäftigungsstaates nicht dem im für Familienleistungen zuständigen Mitgliedstaat, sondern dem in einem anderen Staat der EU (des EWR, der Schweiz) lebenden Elternteil zusteht, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (vgl. BFH , III R 17/13; BFH , V R 46/11 u.a.).
Diese Fiktion besagt zwar, dass zu unterstellen ist, dass alle Familienangehörige im zuständigen Mitgliedstaat wohnen, nicht aber, dass diese - wenn dies nicht im Wohnmitgliedstaat der Fall ist - im selben Haushalt wohnen.
Ob ein gemeinsamer Haushalt besteht, ist sachverhaltsbezogen festzustellen.
Wer von den unionsrechtlich grundsätzlich als anspruchsberechtige Personen anzusehenden Familienangehörigen tatsächlich primär oder sekundär (oder gar keinen) Anspruch auf österreichische Familienleistungen hat, ist daher nach dem nationalen Recht zu beurteilen ( betreffend vorrangigen Anspruch der in der Slowakei wohnhaften Großmutter).
Vorrangiger Anspruch der haushaltsführenden Mutter
Das FLAG 1967 verwendet den Begriff des "Familienangehörigen" nicht. Im gegenständlichen Fall sind - da es sich um den Sohn des Bf handelt - als "Familienangehörige" i. S. d. Unionsrechts (Art. 1 Buchst. i Nr. 1 Buchst. i VO 883/2004) gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 i. V. m. § 2 Abs. 3 FLAG 1967 jedenfalls der Sohn, der Vater und die Mutter anzusehen (vgl. auch BFH , III R 62/12, oder , jeweils betreffend im Haushalt der Großmutter lebendes Enkelkind).
§ 2 Abs. 2 Satz 1 FLAG 1967 stellt den Familienbeihilfenanspruch grundsätzlich auf die Haushaltszugehörigkeit mit einem Kind (als welches nach § 2 Abs. 3 FLAG 1967 auch ein Enkelkind zählt) ab und nur subsidiär (§ 2 Abs. 2 Satz 2 FLAG 1967) darauf, welche Person die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt. Auf die Unterhaltspflicht der diese Unterhaltskosten überwiegend tragenden Person kommt es nicht an (vgl. ). Einem Anspruch auf Familienbeihilfe im Sinne des zweiten Satzes des § 2 Abs. 2 FLAG 1967 steht der ausschließliche Anspruch einer Person, bei der das Kind im strittigen Zeitraum haushaltszugehörig war, zwingend entgegen (). Dabei geht das Gesetz erkennbar davon aus, dass ein Kind nur einem Haushalt angehören kann (vgl. ).
"Eltern" ist im Sinne von Anspruchsberechtigter nach § 2 Abs. 3 FLAG 1967 zu verstehen (vgl. Nowotny in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG. Linde 1. Aufl., § 2a Rz 1). § 2a FLAG 1967 spricht nicht von "leiblichen Eltern", sondern allgemein von "Eltern".
"Der Begriff der Eltern leitet sich aus der Definition der anspruchsvermittelnden Kinder in § 2 Abs. 3 des Gesetzes ab. Demnach sind Eltern alle Personen, die für Kinder im Sinne der zitierten Gesetzesstelle einen Familienbeihilfenanspruch haben können" (ErläutRV RV 126 Blg NR 18. GP zur Novelle BGBl. Nr. 367/1991).
Den Beschwerdeausführungen des Bf, die Familie hätte einen gemeinsamen Wohnsitz (in Polen) gehabt, wird entgegnet, dass der Bf im Beschwerdezeitraum laut Aktenlage in Österreich durchgehend einen (Haupt)Wohnsitz hatte und seine Berufstätigkeit laut Aktenlage in Österreich ausübte (vgl. Aktenlage - Arbeitgeber in Österreich; Arbeiten an Baustellen in Österreich; Meldung ZMR). Der Wohnsitz des Bf in Österreich ist überhaupt Anknüpfungspunkt, um die Voraussetzungen für einen allfälligen Anspruch auf Ausgleichszahlung in Erwägung ziehen zu können bzw die Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen.
Aus den getroffenen unstrittigen Sachverhaltsfeststellungen ergibt sich, dass im Beschwerdezeitraum der Sohn dem Haushalt seiner Mutter angehört hat.
Da der Sohn dem Haushalt seiner Mutter angehört hat, hatte die Mutter gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 FLAG 1967 daher vorrangigen Anspruch auf Familienleistungen (-beihilfe), selbst wenn der Vater im Beschwerdezeitraum die überwiegenden Unterhaltskosten für den Sohn getragen haben sollte, was laut Aktenlage nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts (BFG) jedoch gegenständlich ohnehin nicht der Fall ist.
Das Bundesfinanzgericht hat wiederholt bei mitgliedstaatsübergreifenden Sachverhalten den Vorrang des haushaltsführenden Elternteils, auch wenn dieser in einem anderen Mitgliedstaat der Union wohne, gegenüber dem nicht haushaltsführenden oder bloß Geldunterhalt leistenden Elternteil betont (vgl. etwa ; ; ; ; [betreffend Großmutter]; ; ; ; ; ; [betreffend Großmutter]).
Anspruch der Mutter nach nationalem Recht i. V. m. Unionsrecht
Die Mutter des beschwerdegegenständlichen Kindes erfüllt im Beschwerdezeitraum die persönlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Ausgleichszahlung/Familienbeihilfe für das mj Kind (§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967; § 2 Abs. 3 lit. a FLAG 1967: Das Kind war im Beschwerdezeitraum bei der Mutter und nicht beim Vater haushaltszugehörig (§ 2 Abs. 2 Satz 1 FLAG 1967).
Im gegenständlichen Fall sind aber in Verbindung mit dem Unionsrecht auch die territorialen Voraussetzungen - Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Bundesgebiet (§ 2 Abs. 1 FLAG 1967) sowie Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet (§ 2 Abs. 8 FLAG 1967) - hinsichtlich der Mutter gegeben (vgl. ; ).
Die Mutter hatte im Beschwerdezeitraum ihren Wohnsitz sowie den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen nicht in Österreich (Bundesgebiet), sondern in einem anderen Mitgliedstaat der Union, in Polen.
Außerhalb des Anwendungsbereichs der VO 883/2004 stünde der Mutter allein nach nationalem Recht daher keine Familienbeihilfe für das beschwerdegegenständliche Kind zu.
Da Kind, Vater und Mutter Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der Union sind, ist jedoch neben dem nationalen Recht auch die VO 883/2004 anzuwenden (Art. 2 Abs. 1 VO 883/2004).
Nach Art. 60 Abs. 1 VO 987/2009 ist in Bezug auf die Familienleistungen regelnden Art. 67 VO 883/2004 und Art. 68 VO 883/2004 "insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelangt, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats fallen und dort wohnen."
Auch der EuGH hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Begriff "Wohnort" in Art. 1 Buchst. j VO 883/2004 als der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts einer Person definiert wird und Art. 11 VO 987/2009 den Wohnort mit dem Mittelpunkt der Interessen der betreffenden Person gleichsetzt (, B, ECLI:EU:C:2014:2199, Rn. 34).
Der unionsrechtliche Begriff "Wohnort" ist daher nicht mit dem Begriff "Wohnsitz" des nationalen Rechts zu verwechseln (vgl. Stöger, Unionsrechtliche Aspekte des Anspruchs auf Familienbeihilfe, 2016, 59). Der unionsrechtliche "Wohnort" ist jener "Wohnsitz" i. S. d. § 26 BAO, an welchem sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen i. S. d. § 2 Abs. 8 FLAG 1967 befindet (vgl. Stöger, Unionsrechtliche Aspekte des Anspruchs auf Familienbeihilfe, 2016, 60).
Aus Art. 67 VO 883/2004 i. V. m. Art. 60 Abs. 1 VO 987/2009 ergibt sich somit, dass die Möglichkeit, Familienleistungen zu beantragen, unionsrechtlich nicht nur den Personen zuerkannt ist, die in dem zu ihrer Gewährung verpflichteten Mitgliedstaat wohnen, sondern auch allen "beteiligten Personen", die berechtigt sind, Anspruch auf diese Leistungen zu erheben, zu denen die Eltern des Kindes gehören, für das die Leistungen beantragt werden (vgl. , Tomisław Trapkowski, ECLI:EU:C:2015:720, Rn. 38).
Ein Elternteil, der in einem anderen als dem zur Gewährung dieser Leistungen verpflichteten Mitgliedstaat wohnt, kann daher diejenige Person sein, die, sofern im Übrigen alle anderen durch das nationale Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind, zum Bezug der Familienleistungen berechtigt ist (vgl. , Tomisław Trapkowski, ECLI:EU:C:2015:720, Rn. 41).
Anspruch auf österreichische Familienbeihilfe (und Kinderabsetzbetrag) haben nach § 2 Abs. 1 FLAG 1967, wie ausgeführt, Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet a) für minderjährige Kinder und b) für bestimmte, im § 2 Abs. 1 lit. b bis l FLAG 1967 angeführte volljährige Kinder.
Das FLAG 1967 will (§ 1 FLAG 1967) einen Lastenausgleich im Interesse der Familie herbeiführen.
Haushaltszugehörigkeit zur Mutter
Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind gemäß § 2 Abs. 5 FLAG 1967 dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt.
Die Bedingungen einer Haushaltszugehörigkeit sind in § 2 Abs. 5 FLAG 1967 näher umschrieben. Demnach kommt es ausschließlich auf die einheitliche Wirtschaftsführung mit dem Kind im Rahmen einer Wohngemeinschaft (Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft) an (vgl. ; ; ).
Dass im Beschwerdezeitraum der Sohn des Bf bei seiner Mutter i. S. d. § 2 Abs. 2 Satz 1 FLAG 1967 haushaltszugehörig war, ist unstrittig.
Da nach den getroffenen Feststellungen der Sohn im Beschwerdezeitraum (durchgehend sowie ausschließlich) dem Haushalt der Mutter angehört hat, hat die Mutter, auch wenn der Vater Unterhaltskosten für den Sohn überwiegend getragen haben sollte, was jedoch gegenständlich nach Aktenlage weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht wurde und nach Ansicht des Bundesfinanzgericht aus angeführten Gründen nicht vorliegt, einen vorrangigen Familienleistungsanspruch.
Der Anspruch der haushaltszugehörigen Mutter geht gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 FLAG 1967 jenem des nicht haushaltszugehörigen Vaters vor.
Auch bei gemeinsamer Haushaltsführung mit dem Kind (beide Elternteile und Kind), was jedoch gegenständlich ohnehin nicht der Fall ist, stehen die Familienleistungen dem den Haushalt führenden Elternteil zu.
Die im Verwaltungsverfahren vom Bf angegebene (überwiegenden) Kostentragung durch den Bf ist demzufolge gegenständlich nicht entscheidungsrelevant, zumal aus angeführten Gründen aufgrund der unstrittigen Aktenlage Anspruch auf Familienleistungen (gegenständlich Ausgleichszahlung zur FB) nicht der Bf, sondern grundsätzlich die Mutter des Sohnes des Bf - bei Erfüllen der diesbezüglichen gesetzlichen Voraussetzungen - hätte bzw. hat.
Dem Bf ist weiters zu entgegnen, dass der Bf seit durchgehend bis dato seinen Hauptwohnsitz in Wien hat (ZMR-Auskunft) und auch seine Erwerbstätigkeiten in Österreich ausgeübt hat. Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass da der Bf mit seiner Frau und dem gemeinsamen Kind laut Aktenlage im Beschwerdezeitraum keinen gemeinsamen Haushalt geführt hat, auch ein allfälliger Verzicht des haushaltsführenden Partners auf Familienleistungen bereits aus diesem Grund nicht zum Tragen kommen kann (§ 2a FLAG 1967 idgF).
Grundsätzlich wird auch auf die ausführlichen Begründungen des Finanzamtes in der o.a. BVE sowie im Vorlagebericht im Zuge der Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (BFG) hingewiesen, und diese Begründungen sind auch ausdrücklich Teil der Begründung des gegenständlichen Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichts.
Wie bereits das Finanzamt oben ausgeführt hat, wurden die ursprünglich vom Bf (wie auch von der Mutter des Kindes/Ehefrau des Bf) behaupteten und von seiner Ehefrau bestätigten Unterhaltszahlungen iHv € 350,00 bis € 450,00 nach besseren Kenntnissen über die Rechtslage vom Bf (wie auch von der Mutter des Kindes/Ehefrau des Bf) zurückgenommen und nunmehr später im Zuge des Verfahrens mit einem geringeren Betrag iHv € 200,00 angegeben.
Das Bundesfinanzgericht (BFG) ist daher insgesamt zur Ansicht gelangt, dass die Beschwerdevorbringen nicht glaubhaft sind, zumal die ursprünglich im Beschwerdeverfahren behaupteten und auch von der Ehefrau angegebenen € 350,00 bis € 450,00 für Unterhaltszahlungen des Bf für das Kind später vom Bf zurückgenommen wurden und dann € 200,00 Unterhaltszahlungen des Bf für das Kind behauptet wurden, was offenkundig dem Bf für das Durchsetzen seines Beschwerdebegehrens bei (später) im Zuge des Beschwerdeverfahrens besseren Kenntnissen über die Rechtslage erfolgversprechender bzw. zielführender erschienen ist.
Dem Bundesfinanzgericht erscheinen die Beschwerdebehauptungen des Bf insgesamt aufgrund o.a. widersprüchlichen Beschwerdevorbringen ohne über die behaupteten Unterhaltsleistungen übliche und glaubwürdige Nachweise vorzulegen (bspw Vorlage von Banküberweisungsbelegen zwecks lückenlosen Nachweises jeder einzelnen der vom Bf behaupteten Unterhaltszahlungen udgl.) insgesamt nicht glaubhaft. Da die vom Finanzamt geforderten Nachweise für die vom Bf behaupteten überwiegenden Unterhaltsleistungen des Bf für den Sohn nicht vorgelegt wurden, und diese behaupteten überwiegenden Unterhaltsleistungen insgesamt auch nicht glaubhaft gemacht geschweige denn wie erwähnt (durch Belege) nachgewiesen wurden bzw. werden konnten, ist die Beschwerde bereits auch alleine aus diesem Grund abzuweisen.
Darüber hinaus besteht der vorrangige Anspruch der haushaltsführenden Mutter des Kindes wie oben ausführlich begründet wurde aufgrund des zwingend anzuwendenden EU-Rechts iVm dem nationalen Recht, weshalb auch aus diesem Grund kein Anspruch des Bf auf Ausgleichszahlung zur Familienbeihilfe bzw. auf Familienleistungen besteht.
Insgesamt ist daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II. (Nichtzulassen der Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da das gegenständliche Erkenntnis der Gesetzeslage sowie der hL und hRspr folgt, ist die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig. Eine über den Individualfall hinaus relevante Rechtsfrage liegt nicht vor.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7105099.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at