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Beschwerdeentscheidung - Strafsachen (Referent), UFSL vom 12.05.2006, FSRV/0072-L/05

Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Einspruches gegen eine Strafverfügung wegen Zustellmängel

Entscheidungstext

Beschwerdeentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz hat durch das Mitglied des Finanzstrafsenates 3, Hofrat Dr. Peter Binder, in der Finanzstrafsache gegen JR, Unterhaltungseinrichtungen, geb. am 19XX, whft. in LG, vertreten durch Dr. Günter Schmid, Rechtsanwalt, 4020 Linz, Mozartstraße 4, über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen den Bescheid des Finanzamtes L vom , SN 046-2005/00051-001, vertreten durch AR Gottfried Haas, betreffend die Zurückweisung eines Einspruches gegen die Strafverfügung gemäß § 145 Abs. 4 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG),

zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid ersatzlos aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Mit Strafverfügung des Finanzamtes L als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom wurde Herr JR gemäß § 143 FinStrG für schuldig erkannt, vorsätzlich im Bereich des genannten Finanzamtes als Abgabepflichtiger a) durch (die) Nichtabgabe von Steuererklärungen, somit unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine Verkürzung folgender bescheidmäßig festzusetzender Abgaben, und zwar an Umsatzsteuer für 2002 iHv. 4.200,00 € und an Einkommensteuer für 2002 iHv. 675,20 € zu bewirken versucht zu haben und b) durch (die) verspätete Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen und Nichtentrichtung der Umsatzsteuer, somit unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1994 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für Jänner bis Dezember 2003 und Jänner bis Oktober 2004 iHv. (insgesamt) 10.529,21 € bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten zu haben und dadurch das Finanzvergehen der teils versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs. 1 iVm. 13 und 33 Abs. 2 lit. a FinStrG begangen zu haben.

Dieser Bescheid wurde dem Beschuldigten nach Benachrichtigung vom iSd. § 21 Abs. 2 ZustG durch den Zusteller (der Post, vgl. § 2 Z 1 ZustG) an der aktenkundigen (Wohnungs-)Anschrift (§ 2 Z 5 ZustG) in G-Straße/2, XX L, mit RSa-Brief (Zustellung zu eigenen Handen, vgl. § 21 ZustG), am durch Hinterlegung beim zuständigen Postamt XX (§ 17 Abs. 1 und 3 ZustG) zugestellt. Nach ungenutztem Ablauf bzw. Nichtbehebung der Sendung innerhalb der vom Zustellorgan entsprechend den Vorschriften des § 17 Abs. 3 erster Satz ZustG bestimmten Abholfrist durch den Empfänger wurde die Sendung am vom Hinterlegungspostamt an die Finanzstrafbehörde erster Instanz zurückgestellt (vgl. § 19 ZustG).

Am verfügte die Finanzstrafbehörde erster Instanz die neuerliche Zustellung der Strafverfügung an die ausgewiesene Anschrift mit normalen Kuvert bzw. ohne Zustellnachweis (vgl. § 26 ZustG).

Mit Schreiben vom , Postaufgabedatum: , erhob der Beschuldigte durch seinen ausgewiesenen Vertreter gegen die angeführte Strafverfügung das Rechtsmittel des Einspruches (§ 145 FinStrG), begehrte die Fällung eines Erkenntnisses durch einen Spruchsenat (§ 58 Abs. 2 lit. b FinStrG) bzw. den Ausspruch einer schuld- und tatangemessenen Bestrafung va. unter ausreichender Berücksichtigung der im Einspruch dargestellten Milderungsgründe. Hinsichtlich des Fristenlaufes iSd. § 145 Abs. 1 FinStrG bzw. hinsichtlich der Zustellung der von ihm beeinspruchten Strafverfügung gab der Beschuldigte an, dass ihm diese (erst) am zugestellt worden sei.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz den Einspruch als nicht fristgerecht gemäß § 145 Abs. 4 FinStrG zurück und verwies in der Begründung darauf, dass in Folge der gültigen Zustellung der Strafverfügung (durch Hinterlegung) am die Frist zur Erhebung eines Einspruches bereits am geendet habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerechte Beschwerde des Beschuldigten vom , in welcher im Wesentlichen wie folgt vorgebracht wurde:

Die Erstbehörde gehe insofern zu Unrecht von einer Gültigkeit bzw. Wirksamkeit der ersten Zustellung der Strafverfügung (durch die Hinterlegung beim Postamt am ) aus, als sich der Bf. zu diesem Zeitpunkt nicht mehr (regelmäßig) an der in der Zustellverfügung genannten Abgabestelle in XX L, G-Straße/2, aufgehalten habe. Wie aus einem gleichzeitig beigelegten Bericht der Feuerwehr Linz, demzufolge in den Morgenstunden des in der Garage des (an die Zustelladresse angrenzenden) Hauses S-Straße36 ein Brand ausgebrochen sei und im Zuge der Löscharbeiten auch Bewohner des Hauses G-Straße von den Einsatzkräften evakuiert worden seien, hervorgehe, sei die Wohnung des Bf. durch den Großbrand im Nachbarhaus durch Russ und Gestank schwer beeinträchtigt worden und ab diesem Zeitpunkt nicht mehr weiter bewohnbar gewesen. Seit dem Brandzeitpunkt wohne daher der Bf. bei einem namentlich bezeichneten Freund in Linz. Er sei erst am (erstmals) wieder in seine Wohnung in der G-Straße zurückgekehrt, um die Post etc. abzuholen und habe dort den am (ohne Zustellnachweis) versandten Brief der Finanzstrafbehörde erster Instanz mit der beeinspruchten Strafverfügung vorgefunden. Es sei daher richtigerweise davon auszugehen, dass in Folge der Ortsabwesenheit des Empfängers an der Abgabestelle keine wirksame Hinterlegung iSd. § 17 Abs. 3 ZustG bzw. keine, den Fristenlauf iSd. § 145 Abs. 1 FinStrG auslösende, wirksame Zustellung der Strafverfügung erfolgt und dieser Mangel erst durch den tatsächlichen Erhalt des zweiten Schreibens der Finanzstrafbehörde durch den Bf. behoben worden sei. Insofern sei der Einspruch fristgerecht erfolgt und der ergangene Zurückweisungsbescheid daher, allenfalls nach der Durchführung ergänzender Beweisaufnahmen, als rechtswidrig aufzuheben.

Zur Entscheidung wurde erwogen:

Da feststeht, dass für den Fall einer bereits rechtsgültig iSd. Vorschriften des ZustG (§§ 56 Abs. 3 FinStrG und 97 Abs. 1 lit. a und 109 BAO) erfolgten Zustellung der Strafverfügung vom allfällige weitere Zustellungen keine Rechtswirkungen mehr auszulösen geeignet sind (vgl. bzw. § 6 ZustG), ist maßgeblich für die an Hand der im nunmehrigen Rechtsmittelverfahren auf Grund des diesbezüglichen Beschwerdevorbringens gegebenen Erkenntnislage (vgl. beispielsweise ) zu treffende Überprüfung der Rechtmäßigkeit des in Beschwerde gezogenen Zurückweisungsbescheides der Finanzstrafbehörde erster Instanz vom bzw. für die damit vorzunehmende Beurteilung der Rechtzeitigkeit des erhobenen Einspruches iSd. § 145 Abs. 1 FinStrG einzig und allein die Beantwortung der in freier Beweiswürdigung zu klärenden Frage, ob die (den Fristenlauf des § 145 Abs. 1 FinStrG auslösende) Zustellung der einspruchsgegenständlichen Strafverfügung bereits durch Hinterlegung iSd. § 17 ZustG, d. h. mit bzw. allenfalls später iSd. § 17 Abs. 3 letzter Satz ZustG erfolgt ist oder nicht und ob bzw. zu welchem Zeitpunkt ein beim Zustellvorgang iZm. der Strafverfügung vom allenfalls unterlaufener (wesentlicher) Zustellmangel iSd. § 7 ZustG behoben bzw. beseitigt wurde.

§ 17 Abs. 1 ZustG lautet:

Kann die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden, und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Schriftstück im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. ist der Empfänger von der Hinterlegung durch eine in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten einzulegende, an der Abgabestelle zurückzulassende bzw. an der Eingangstür anzubringende, den Ort, den Beginn und die Dauer der Hinterlegung anzugebende sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisende Verständigung zu verständigen.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. ist die hinterlegte Sendung mindestens zwei Wochen zur Abholung bereit zu halten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter iSd. § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.

Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist (§ 7 Abs. 1 ZustG).

Ähnlich wie bei der ebenfalls an die Annahme des regelmäßigen Aufenthaltes an der Abgabestelle geknüpfte Ersatzzustellung iSd. § 16 ZustG ist auch für die Wirksamkeit bzw. für die Gültigkeit der Hinterlegung iSd. § 17 leg. cit. die objektive Tatsache maßgebend, dass bzw. ob sich der Empfänger zum Zustellzeitpunkt regelmäßig an der bezeichneten Abgabestelle aufgehalten hat. Im Gegensatz zu mehrtägigen außerperiodischen, meist nicht berufsbedingten Abwesenheiten beispielsweise wegen einer Reise, eines Urlaubes oder eines Krankenhausaufenthaltes (vgl. , SZ 65/127), liegt sowohl bei einer täglichen bzw. (bei einem Wochenpendler) wöchentlichen Heimkehr ein regelmäßiger Aufenthalt an der Abgabestelle vor (vgl. dazu bzw. weiters Ritz, Bundesabgabenordnung3, Rz 8 ff zu § 16 ZustG mit der dort angeführten Judikatur). Da jedoch ein ordnungsgemäßer Zustellnachweis eine öffentliche Urkunde und ein (allerdings auch widerlegbares) Beweismittel über die (gültige) Zustellung darstellt, ist es dabei stets Sache des Empfängers, (spätestens im Rechtsmittelverfahren) Umstände vorzubringen bzw. Unterlagen beizubringen, die geeignet sind, zumindest berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zustellvorganges aufkommen zu lassen ( bzw. Ritz, aaO., Rz 22 zu § 17 ZustG).

Will die Behörde davon ausgehen, dass eine Sendung durch Hinterlegung zugestellt wurde, so hat sie (von Amts wegen) Feststellungen zu treffen, ob auch tatsächlich durch die Hinterlegung eine Zustellung bewirkt wurde und ob nicht etwa der Empfänger wegen, wenn auch nur vorübergehender (regelmäßiger) Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte.

"Grund zur Annahme" iSd. § 17 Abs. 1 ZustG stellt dabei nicht mehr auf die subjektive Annahme des Zustellers (Ritz, aaO, Rz. 5 zu § 16 ZustG), sondern vielmehr rein auf die objektive Tatsache ab, dass sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle (hier: Wohnung) aufhält. Liegt letzteres nicht vor, bewirkt weder eine Ersatzzustellung noch eine Hinterlegung eine Zustellung (Hinweis auf § 7 ZustG) bzw. tritt allenfalls, wenn der abwesende Empfänger dennoch rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, eine Heilung des Zustellmangels nach Maßgabe des § 17 Abs. 3 letzter Satz ZustG ein (vgl. dazu ).

Im Anlassfall ist schon durch den in freier Beweiswürdigung zu wertenden bisherigen Akteninhalt (Vorbringen des Bf. über den Grund für die von ihm geltend gemachte Abwesenheit von der Abgabestelle ab dem sowie Bericht der städtischen Feuerwehr über den Anlass und den Verlauf des Einsatzes von eben diesem Tag) davon auszugehen, dass sich der Bf. zu dem zwei (erster Zustellversuch) bzw. drei (zweiter Zustellversuch) Tage nach dem den (vorübergehenden) Wegzug aus der Wohnung auslösenden, auch dessen Wohnung beeinträchtigenden Brand im Nachbarhaus in Folge der eingetretenen Schäden an den Wohnräumlichkeiten nicht (mehr) regelmäßig in der Abgabestelle aufgehalten hat. Damit liegen aber die Voraussetzungen für eine gültige Zustellung iSd. § 17 ZustG (durch Hinterlegung) bzw. für einen Beginn des Fristenlaufes des § 145 Abs. 1 FinStrG zum angeführten Zeitpunkt nicht vor.

Wenngleich der Darstellung des sich weiterhin im Ort der Abgabestelle aufhaltenden Bf., der erst annähernd sieben Wochen nach dem Schadenseintritt erstmals ("... um Post etc. abzuholen ...") in die (offenbar weiterhin von ihm beibehaltene) Wohnung zurückgekehrt sein will, auf Grund der dargestellten Umstände des vorübergehenden Auszuges und des danach benutzten, durchaus im räumlichen Nahbereich der bisherigen Wohnung gelegenen Aufenthaltsortes im Sinne der allgemeinen Lebenserfahrung von sich aus eher zweifelhaft bzw. sogar wenig stichhaltig erscheint, kann angesichts des sich aus der geltenden Rechtslage iZm. Zustellungen behördlicher Schriftstücke ergebenden Umstandes, dass, unbeschadet der Vermutung des § 26 Abs. 2 erster Satz ZustG, die Beweislast für die Bewirkung einer ohne Nachweis iSd. §§ 21 f leg. cit. erfolgten Zustellung stets die Behörde trägt (vgl. Ritz, aaO., Rz 3 zu § 26 ZustG), mangels konkreter Anhaltspunkte für eine frühere Rückkehr des Bf. an die Abgabestelle bzw. für eine frühere Kenntnisnahme von der Strafverfügung (vgl. § 17 Abs. 3 letzter Satz ZustG) für das gegenständliche Verfahren nur davon ausgegangen werden, dass der der strafbehördlichen Erledigung vom anhaftende Zustellmangel laut Aktenlage erst am , nämlich durch die tatsächliche Kenntnisnahme des (erneut) zugestellten Dokumentes, beseitigt wurde.

Damit erweist sich aber der angefochtene Zurückweisungsbescheid, der in seinem Spruch von einem Ablauf der Einspruchsfrist iSd. § 145 Abs. 2 FinStrG vor dem (vgl. § 108 Abs. 4 BAO) ausgegangen ist, als rechtswidrig, sodass daher spruchgemäß zu entscheiden war.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 56 Abs. 3 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 17 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 7 Abs. 1 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
Schlagworte
Zustellung durch Hinterlegung bei Abwesenheit des Empfängers von der Abgabestelle
Heilung von Zustellmängel

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at