Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 08.09.2020, RV/5100924/2020

Feststellungsbescheid über das Vorliegen eines Scheinunternehmens gemäß § 8 Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz (SBBG) - Zurückweisung - Nichtbescheid wegen falschem Bescheidadressat im Konkurs

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***11*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***1***, vertreten durch ***2*** Rechtsanwälte OG, ***3***, betreffend Beschwerde vom gegen den Feststellungsbescheid des Finanzamtes Linz vom gem. § 8 SBBG über das Vorliegen eines Scheinunternehmens (natürliche Person) zur Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:

Begründung

  • Verfahrensablauf vor der Behörde

Datiert mit wurde an Herrn ***Bf1*** (im folgenden IA) eine Mitteilung gem. § 8 Abs. 4 SBBG über den Verdacht des Vorliegens eines Scheinunternehmens (natürliche Person) an die Adresse ***4***, adressiert. Bei dieser Adresse handelt es sich laut Zentralem Melderegister um den Haupwohnsitz von IA. Auf der dem BFG vorgelegten Mitteilung wurde handschriftlich der Vermerk angebracht: "Original wurde am um 11:09 Uhr an Frau ***5*** (Tochter) persönlich übergeben." Darunter findet sich die Unterschrift von Frau ***5***.

Die Mitteilung gem. § 8 Abs. 4 SBBG hat folgenden Inhalt: "Es wird bekanntgegeben, dass der Verdacht besteht, dass es sich bei dem Rechtsträger ***Bf1***, geb. ***12***, UID: ***6*** (nicht protokolliertes Einzelunternehmen) an der Anschrift ***4*** (Betriebsstätte) um ein Scheinunternehmen gemäß § 8 Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz (SBBG) handelt.
Der Verdacht gründet sich insbesondere auf folgende Feststellungen:
• Nichtvorhandensein von dem angegebenen Geschäftszweig angemessenen Betriebsmitteln oder Betriebsvermögen
• Auffälligkeiten im Rahmen einer Risiko- und Auffälligkeitsanalyse nach § 42b ASVG oder vergleichbaren Instrumenten
• Vorliegen nicht bloß geringer Rückstände an Sozialversicherungsbeiträgen im Zeitpunkt einer Anmeldung des/der Dienstnehmers/Dienstnehmerin zur Sozialversicherung

Aufgrund dieser Feststellungen liegt nach einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung, ihres Gewichts und ihres wahren wirtschaftlichen Gehalts nach der Verdacht vor,
• dass Lohnabgaben, Beiträge zur Sozialversicherung, Zuschläge nach dem BUAG oder Entgeltansprüche von Arbeitnehmer/inne/n verkürzt worden sind,
• und/oder Personen zur Sozialversicherung angemeldet worden sind, um Versicherungs-, Sozial- oder sonstige Transferleistungen zu beziehen, obwohl diese Personen keine unselbstständige Erwerbstätigkeit aufnahmen."

Nach telefonischer Voranmeldung vom hat IA am fristgerecht persönlich Widerspruch gegen die am zugestellte Verdachtsmitteilung erhoben. Im Zuge dessen überreichte IA der Finanzpolizei weitere Unterlagen.

Mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom ***8***, Aktenzeichen ***7***, wurde über IA das Konkursverfahren eröffnet. Als Masseverwalter wurde Rechtsanwalt ***9*** bestellt.

Am wurde für IA ein Feststellungsbescheid gem. § 8 SBBG über das Vorliegen eines Scheinunternehmens (natürliche Person) erlassen. Darin wird festgestellt, dass der Rechtsträger ***Bf1***, geb. ***12***, UID: ***6*** (nicht protokolliertes Einzelunternehmen) an der Anschrift ***4*** (Betriebsstätte) als ein Scheinunternehmen gemäß § 8 Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz (SBBG) gilt." Als Begründung wurde ausgeführt: (…). Der letzte Satz der Begründung hält fest: "Es wird somit gemäß § 8 SBBG festgestellt, dass der oben genannte Rechtsträger ab (Entstehen von offenen Zuschlagsforderungen bei der BUAK) als Scheinunternehmen gilt."

Die Adressierung des Feststellungsbescheides lautet wie folgt: "***Bf1*** , ***Bf1-Adr***, z.Hd. Masseverwalter RA ***9***, ***10*** als Vertreter der Masse des nicht protokollierten Einzelunternehmens zu Az ***7*** (LG Linz)"

Der Feststellungsbescheid wurde von einem Mitarbeiter des Masseverwalters persönlich am um 13:10 Uhr übernommen. Im Feststellungsbescheid ist zusätzlich angeführt, dass der Feststellungsbescheid zur Information an IA, ***4*** ergeht. ***14*** hat den Feststellungsbescheid laut Aktenvermerk vom persönlich an dieser Adresse an die Lebensgefährtin von IA verschlossen in einem Kuvert übergeben.

Am erklärte der Masseverwalter telefonisch laut Aktenvermerk vom selben Tag, dass er gegen den am zugestellten Feststellungsbescheid gem. § 8 SBBG kein Rechtsmittel einbringen wolle.

Ebenso am brachte die rechtsanwaltliche Vertretung von IA eine Beschwerde gegen den Feststellungsbescheid gem. § 8 SBBG vom beim Finanzamt Linz ein. Die Beschwerde war an das Bundesfinanzgericht gerichtet.

Die Finanzpolizei JD richtete für das Finanzamt Linz an IA, z.Hd. seiner rechtsanwaltlichen Vertretung, mit dem Vermerk "Zustellung trotz Postsperre" am eine Beschwerdevorentscheidung, mit der die Beschwerde des IA vom gemäß § 260 BAO als unzulässig zurückgewiesen wurde. Als Begründung wurde folgendes ausgeführt:

"Vom zuständigen Finanzamt Linz wurde am ein Feststellungsbescheid gemäß § 8 Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz (in der Folge kurz "SBBG') erlassen, wonach es sich beim nicht protokollierten Einzelunternehmen ***Bf1***, geb. ***12***, UID: ***6*** an der Anschrift ***4*** (Betriebsstätte), um ein Scheinunternehmen iSd § 8 SBBG handelt.

Vorweg ist festzuhalten, dass am Landesgericht Linz (in der Folge kurz "LG Linz) mit Beschluss vom ***8*** zu Az ***7*** das Konkursverfahren ohne Eigenverwaltung über die Masse des nicht protokollierten Einzelunternehmens ***Bf1*** eröffnet wurde und als Masseverwalter ***9***, Rechtsanwalt in ***10***, bestellt wurde. Als Beginn der Wirkungen der Eröffnung des Konkursverfahrens ohne Eigenverwaltung ist der x.2019 ausgewiesen. Mit Beschluss des LG Linz vom ***13*** zu Az ***7*** wurde die Schließung des nicht protokollierten Einzelunternehmens angeordnet.

Die Beschwerde gegen obgenannten Feststellungsbescheid wurde fristgerecht am seitens ***Bf1*** durch dessen ausgewiesenen Vertreter, ***15***, bei der zuständigen Abgabenbehörde - ohne Zustimmung bzw Veranlassung durch den Masseverwalter RA ***9*** -eingebracht.

Gemäß § 81a Abs 2 IO hat der Insolvenzverwalter - mithin Masseverwalter - ua. "Rechtsstreitigkeiten, die die Masse ganz oder teilweise betreffen, zu führen".

Anzumerken ist diesbezüglich, dass das Verfahren zur Feststellung eines Scheinunternehmens iSd § 8 SBBG jedenfalls die gesamte Insolvenzmasse betrifft, zumal das gesamte nicht protokollierte Einzelunternehmen als Scheinunternehmen iSd § 8 SBBG festgestellt wird. Weiters ist der Gemeinschuldner nicht berechtigt, ohne Zustimmung des Masseverwalters neben diesem Berufung (bz. Beschwerde) gegen einen das zur Konkursmasse gehörige Vermögen betreffenden Bescheid zu erheben (vgl , 0008 und 0009, ÖStZB 1997, 21).

In Ansehung der obigen Ausführungen ist die Beschwerde in Ermangelung einer Aktivlegitimation zur Erhebung der Beschwerde aufgrund fehlender Zustimmung bzw. Veranlassung durch den Masseverwalter spruchgemäß als unzulässig zurückzuweisen."

Die Beschwerdevorentscheidung wurde an eine Rechtsanwältin der von IA bevollmächtigten Rechtsanwalts OG am ebenso wie an den Masseveralter persönlich übergeben.

Am stellte die rechtsanwaltliche Vertretung von IA den Antrag, die gegenständliche Rechtssache möge dem Bundesfinanzgericht vorgelegt werden und dieser möge in der Sache entscheiden.

  • Verfahrensablauf vor dem BFG

Die Beschwerde wurde am dem BFG mit Vorlagebericht zur Entscheidung vorgelegt.

Im Vorlagebericht wurden zunächst nur die Beweismittel, die für die Frage der Zulässigkeit der Zurückweisung der Beschwerde relevant sind, vorgelegt. Es wurde folgende Stellungnahme abgegeben:

"Seit in Kraft treten des SBBG, welches gemäß § 1 SBBG die Verstärkung der Abwehr, Verhinderung und Verfolgung von Sozialbetrug und damit die Sicherstellung, dass selbstständig und unselbstständig Erwerbstätigkeiten zu vorschriftsgemäßen Bedingungen im Sinne des Schutzes der Arbeitnehmer, des Sozialsystems und des fairen Wettbewerbs ausüben, zum Inhalt hat, besteht expressis verbis auch der gesetzliche Auftrag zur bescheidmäßigen Feststellung von Scheinunternehmen durch die zuständige Abgabenbehörde. Neben diversen Sonderbestimmungen hinsichtlich der Zustellung von Verdachtsmitteilungen und Feststellungsbescheiden normiert § 8 SBBG - konkret § 8 Abs. 12 SBBG -, dass auf das Verfahren zur Feststellung von Scheinunternehmen sinngemäß die Bestimmungen der BAO mit Besonderheiten, wie u.a. die Verkürzung von Rechtsmittelfristen, anzuwenden sind. Darüber hinaus sind allerdings auch abgesehen von den verfahrensrechtlichen Bestimmungen der BAO sowie den besonderen Bestimmungen des § 8 SBBG bei anhängigem Insolvenzverfahren die Bestimmungen der Insolvenzordnung (in der Folge kurz "IO") anzuwenden und zu berücksichtigen.

Bei gegenständlichem Sachverhalt wurde nach umfangreichen mehrmonatigen Erhebungen der Finanzpolizei als Organ der Abgabenbehörde aufgrund hinreichender Anhaltspunkte iSd § 8 SBBG durch die zuständige Abgabenbehörde am ein Feststellungsbescheid iSd § 8 SBBG erlassen, wonach es sich bei dem Rechtsträger ***Bf1***, geb. ***12***, UID: ***6*** (nicht protokolliertes Einzelunternehmen) an der Anschrift ***4*** (Betriebsstätte), um ein Scheinunternehmen iSd Sozialbetrugsbekämpfungsgesetzes handelt.

Da am Landesgericht Linz (in der Folge kurz "LG Linz") mit Beschluss vom ***8*** zu AZ ***7*** das Konkursverfahren ohne Eigenverwaltung über die Masse des nicht protokollierten Einzelunternehmens ***Bf1*** eröffnet und als Masseverwalter ***9***, Rechtsanwalt in ***10***, bestellt wurde, erfolgte eine rechtskonforme Bescheidadressierung sowie anschließende Zustellung des Feststellungsbescheides durch die Organe der Finanzpolizei am primär an den Masseverwalter als Vertreter der Masse des nicht protokollierten Einzelunternehmens. Zu Informationszwecken erfolgte tagesgleich auch die Zustellung einer Abschrift (Kopie) des Feststellungsbescheides an den Betriebssitz des nicht protokollierten Einzelunternehmens.

In weiterer Folge langte am - mithin innerhalb der offenen Rechtsmittelfrist von einer Woche - die Beschwerde gegen den Feststellungsbescheid bei der zuständigen Abgabenbehörde ein, wobei diese durch den ausgewiesenen Vertreter von ***Bf1***, ***15***, ***3*** eingebracht wurde.

Da neben den obgenannten verfahrensrechtlichen Bestimmungen der BAO und des SBBG aber auch bei anhängigem Insolvenzverfahren die Bestimmungen der IO zu berücksichtigen sind, bedarf es bei anhängigem Insolvenzverfahren ohne Eigenverwaltung grundsätzlich der Zustimmung des Masseverwalters zur Erhebung eines Rechtsmittels in Verfahren, in denen die Masse betroffen ist. So hat gemäß § 81a Abs. 2 IO der Insolvenzverwalter - mithin Masseverwalter - u.a. "Rechtsstreitigkeiten, die die Masse ganz oder teilweise betreffen, zu führen". Ein Verfahren zur Feststellung eines Scheinunternehmens iSd § 8 SBBG betrifft jedenfalls die gesamte Insolvenzmasse, zumal das gesamte nicht protokollierte Einzelunternehmen als Scheinunternehmen iSd § 8 SBBG festgestellt wird. Weiters ist der Gemeinschuldner nicht berechtigt, ohne Zustimmung des Masseverwalters neben diesem Berufung (bzw Beschwerde) gegen einen das zur Konkursmasse gehörige Vermögen betreffenden Bescheid zu erheben (vgl , 0008 und 0009, ÖStZB 1997, 21).

Allerdings wurde die obgenannte Beschwerde vom gegen den Feststellungsbescheid weder vom Masseverwalter RA ***9*** eingebracht, noch hat dieser kenntlich seine Zustimmung zur Erhebung der Beschwerde erteilt oder den rechtsfreundlichen Vertreter von ***Bf1***, konkret die ***15***, mit der Erhebung und Einbringung einer Beschwerde betraut. Dies auch nicht vor dem Hintergrund, dass der Feststellungsbescheid vom primär an den Masseverwalter zugestellt wurde und dieser fernmündlich am gegenüber der Finanzpolizei angab kein Rechtsmittel gegen den Feststellungbescheid erheben zu wollen.

In Anbetracht der obigen Ausführungen wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers ***Bf1***, vertreten durch die ***15***, seitens der zuständigen Abgabenbehörde mittels Beschwerdevorentscheidung vom gemäß § 260 BAO als unzulässig zurückgewiesen und erfolgte auch hierbei am eine Zustellung an den Masseverwalter RA ***9*** und den ausgewiesenen Vertreter des Beschwerdeführers.

Binnen offener Rechtsmittelfrist langte in weiterer Folge am ein gänzlich unbegründeter Vorlageantrag seitens des anwaltlich vertretenen Beschwerdeführers ein, wobei auch bei diesem keine Zustimmung oder Beauftragung durch den Masseverwalter erkenntlich bzw. gegeben ist.

Der Vorlageantrag wurde - abermals ohne vorliegende Zustimmung oder Beauftragung des Masseverwalters RA ***9*** - durch den anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer erhoben und eingebracht, ohne jedoch irgendwelche Beschwerdegründe anzuführen. Da einerseits der Masseverwalter am fernmündlich gegenüber der Finanzpolizei angab, keine Beschwerde gegen den Feststellungsbescheid erheben zu wollen (siehe insbesondere Aktenvermerk vom ) und demnach auch in Unkenntnis von der Beschwerde des Beschwerdeführers und dessen ausgewiesenen Vertreters ***15*** war, andererseits aber selbst auch kein Rechtsmittel gegen den Feststellungsbescheid und die Beschwerdevorentscheidung der zuständigen Abgabenbehörde als Vertreter der Masse des nicht protokollierten Einzelunternehmens erhob, kann jedenfalls von keiner Zustimmung zur Erhebung eines Rechtsmittels iSd IO ausgegangen werden. Vielmehr steht fest, dass auch der Masseverwalter die Ansicht vertritt, dass gegenständlicher Feststellungsbescheid rechtmäßig ergangen ist, zumal er sonst iSd § 81a Abs 2 IO ein Rechtsmittel gegen den Feststellungsbescheid oder die Beschwerdevorentscheidung erhoben und somit Rechtsstreitigkeiten, die die Masse des nicht protokollierten Einzelunternehmens ***Bf1*** betreffen, geführt hätte.

Demnach ist die Zurückweisung der Beschwerde in Ermangelung einer Legitimation des Schuldners - mithin von ***Bf1*** - bei anhängigem Insolvenzverfahren ohne Eigenverwaltung zur Erhebung der Beschwerde ohne Zustimmung durch den Masseverwalter aus Sicht der Finanzpolizei als Organ der Abgabenbehörde aufrecht zu erhalten und wird diesbezüglich auch vollinhaltlich auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung vom verwiesen.

Auch konnte im Zuge von durch die Finanzpolizei als Organ der Abgabenbehörde - konkret des Finanzamtes Linz - umfangreich seit August 2019 gepflogenen Erhebungen schlüssig festgestellt werden, dass das nicht protokollierte Einzelunternehmen ***Bf1*** diverse, expressis verbis in § 8 SBBG normierte Kriterien für das Vorliegen eines Scheinunternehmens, wie u.a. das Nichtvorhandensein von dem angegebenen Geschäftszweig angemessenen Betriebsmitteln oder Betriebsvermögen oder offene Rückstände am Beitragskonto der vormaligen Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse idHv EUR 97.800,32 sowie idHv EUR 131.058,78 bei der BUAK, erfüllt. Auch wenn das Unternehmen de facto keine "unternehmerische Tätigkeit" mehr ausübt, da mit Beschluss des LG Linz vom ***13*** zu Az ***7*** die Schließung des nicht protokollierten Einzelunternehmens angeordnet wurde, sieht das Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz keine Einschränkung hinsichtlich der Feststellung als Scheinunternehmen vor, zumal die Kriterien für das Vorliegen eines Scheinunternehmens klar in § 8 SBBG normiert sind.

Die Feststellung als Scheinunternehmen iSd SBBG erfolgte somit jedenfalls zu Recht und wird angemerkt, dass eben die Feststellung des gegenständlichen nicht protokollierten Einzelunternehmens ***Bf1*** als Scheinunternehmen iSd SBBG anhand objektivierter Beweismittel aufrecht zu erhalten ist. Insbesondere aber können weitere bezughabende inhaltliche Ausführungen hinsichtlich der in der Beschwerde enthaltenen Beschwerdegründe unterbleiben, zumal einerseits die Erhebung der Beschwerde gegen den Feststellungsbescheid, andererseits aber auch der Vorlageantrag aufgrund mangelnder Zustimmung oder Beauftragung durch den Masseverwalter bereits formalrechtlich unzulässig ist."

Über die Beschwerde wurde erwogen:

  • Streitpunkt

Strittig ist vorerst, ob die Zurückweisung der Beschwerde im Feststellungsverfahren über das Vorliegen seiner Scheinunternehmerschaft nach § 8 SBBG zu Recht erfolgte. Erst wenn diese Frage zu verneinen ist, ist die Beschwerde inhaltlich zu prüfen.

  • Entscheidungswesentlicher Sachverhalt

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich, was das stattgefundene Verfahren betrifft, aus dem in Punkt I. dargestellten Verfahrensablauf vor der Behörde.

  • Rechtsgrundlagen

§§ 8 und 9 des Bundesgesetzes zur Verbesserung der Sozialbetrugsbekämpfung (Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz -

SBBG

) in der Fassung BGBl. I Nr. 113/2015, lauten samt Überschriften:

"3. Abschnitt

Maßnahmen gegen Scheinunternehmen

Verfahren zur Feststellung des Scheinunternehmens

§ 8.

(1) Scheinunternehmen ist ein Unternehmen, das vorrangig darauf ausgerichtet ist,


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1.
Lohnabgaben, Beiträge zur Sozialversicherung, Zuschläge nach dem BUAG oder Entgeltansprüche von Arbeitnehmer/inne/n zu verkürzen, oder
2.
Personen zur Sozialversicherung anzumelden, um Versicherungs-, Sozial- oder sonstige Transferleistungen zu beziehen, obwohl diese keine unselbstständige Erwerbstätigkeit aufnehmen.

(2) Ein Verdacht auf Vorliegen eines Scheinunternehmens ist gegeben, wenn die Anhaltspunkte bei einer Gesamtbetrachtung ihrem Gewicht, ihrer Bedeutung und ihrem wahren wirtschaftlichen Gehalt nach berechtigte Zweifel begründen, ob


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1.
die Anmeldung zur Sozialversicherung oder die Meldung bei der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse vom Vorsatz getragen ist, die in Folge der Anmeldung oder Meldung auflaufenden Lohn- und Sozialabgaben oder Zuschläge nach dem BUAG zur Gänze zu entrichten, oder
2.
die Anmeldung zur Sozialversicherung vom Vorsatz getragen ist, dass die angemeldeten Personen eine unselbstständige Erwerbstätigkeit aufnehmen.
Das Amt für Betrugsbekämpfung hat die Ermittlungen hinsichtlich des Verdachtes auf Vorliegen eines Scheinunternehmens im Sinne dieser Bestimmung durchzuführen.

(3) Anhaltspunkte für einen Verdacht auf Vorliegen eines Scheinunternehmens sind insbesondere:


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1.
Auffälligkeiten im Rahmen einer Risiko- und Auffälligkeitsanalyse nach § 42b ASVG oder vergleichbaren Instrumenten,
2.
Unauffindbarkeit von für das Unternehmen tätigen Personen, die dem angegebenen Geschäftszweig entsprechen, an der der Bundesfinanzverwaltung oder dem Träger der Krankenversicherung nach dem ASVG zuletzt bekannt gegebenen Adresse oder der im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsanschrift,
3.
Unmöglichkeit des Herstellens eines persönlichen Kontakts zu dem/der Rechtsträger/in oder dessen/deren organschaftlichen Vertreters/Vertreterin über die im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsanschrift oder die der Bundesfinanzverwaltung oder dem Träger der Krankenversicherung nach dem ASVG zuletzt bekannt gegebene Adresse,
4.
Verwendung falscher oder verfälschter Urkunden oder Beweismittel durch die dem Unternehmen zuzurechnenden Personen,
5.
Nichtvorhandensein von dem angegebenen Geschäftszweig angemessenen Betriebsmitteln oder Betriebsvermögen,
6.
Vorliegen nicht bloß geringer Rückstände an Sozialversicherungsbeiträgen im Zeitpunkt einer Anmeldung des/der Dienstnehmers/Dienstnehmerin zur Sozialversicherung.

(4) Für die Feststellung der Scheinunternehmerschaft ist das Amt für Betrugsbekämpfung zuständig, welches bei Verdacht auf Vorliegen eines Scheinunternehmens diesen dessen Rechtsträger/in schriftlich mitzuteilen hat. Zum Zwecke der Klärung des Sachverhalts nach § 7 Abs. 1a Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz (IESG), BGBl. Nr. 324/1977, hat das Amt für Betrugsbekämpfung die IEF-Service GmbH über das Bestehen eines Verdachts im Sinne des ersten Satzes schriftlich zu informieren.

(5) Die Zustellung dieser Mitteilung hat nach dem 3. Abschnitt des Zustellgesetzes (ZustG), BGBl. Nr. 200/1982, elektronisch ohne Zustellnachweis zu erfolgen. Dabei gelten § 35 Abs. 6 zweiter Satz ZustG, § 35 Abs. 7 und, soweit er sich auf eine elektronische Zustelladresse bezieht, § 37 ZustG nicht.

(6) Ist die elektronische Zustellung nicht möglich, hat die physische Zustellung an die der Abgabenbehörde zuletzt bekannt gegebene Adresse und an eine allfällig im Firmenbuch eingetragene Geschäftsanschrift, die als Abgabestellen im Sinne des § 2 Z 4 ZustG gelten, ohne Zustellnachweis zu erfolgen. Die physische Zustellung wird auch dann bewirkt, wenn die Voraussetzungen des ZustG in Bezug auf die Anwesenheit des/der Empfängers/Empfängerin oder eines/einer Vertreters/Vertreterin nicht vorliegen oder das Dokument - insbesondere wegen Unauffindbarkeit des/der Empfängers/Empfängerin - nicht in eine für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen werden konnte. Bei Zustellung durch einen Zustelldienst oder ein Organ einer Gemeinde gilt die Zustellung am dritten Werktag nach Übergabe an den Zustelldienst oder die Gemeinde als bewirkt. § 26 Abs. 2 zweiter Satz ZustG ist nicht anzuwenden.

(7) Gegen den mitgeteilten Verdacht kann binnen einer Woche ab Zustellung Widerspruch beim Amt für Betrugsbekämpfung erhoben werden. Der Widerspruch kann nur durch persönliche Vorsprache des/der Rechtsträgers/Rechtsträgerin oder dessen/deren organschaftlichen Vertreters/Vertreterin erfolgen.

(8) Wird kein Widerspruch erhoben, hat das Amt für Betrugsbekämpfung mit Bescheid festzustellen, dass das Unternehmen, hinsichtlich dessen ein Verdacht nach Abs. 2 vorliegt, als Scheinunternehmen gilt. Für die Zustellung dieses Bescheids gelten die Abs. 5 und 6. Der rechtskräftige Bescheid ist allen Kooperationsstellen, der Gewerbebehörde und dem Auftragnehmerkataster Österreich zu übermitteln; dasselbe gilt für allfällige spätere Änderungen betreffend die Feststellung als Scheinunternehmen.

(9) Wird Widerspruch erhoben, hat das Amt für Betrugsbekämpfung nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens mit Bescheid festzustellen, dass das Unternehmen, hinsichtlich dessen ein Verdacht nach Abs. 2 vorliegt, als Scheinunternehmen gilt, oder das Verfahren einzustellen. Die Feststellung als Scheinunternehmen gilt als wichtiger Grund im Sinne des § 102 der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961. Für die Zustellung dieses Bescheids gilt die der Bundesfinanzverwaltung zuletzt bekannt gegebene Adresse als Abgabestelle im Sinne des § 2 Z 4 ZustG. Die physische Zustellung wird auch dann bewirkt, wenn die Voraussetzungen des ZustG in Bezug auf die Anwesenheit des/der Empfängers/Empfängerin oder eines/einer Vertreters/Vertreterin nicht vorliegen oder die schriftliche Verständigung von der Hinterlegung - insbesondere wegen Unauffindbarkeit des/der Empfängers/Empfängerin - nicht in eine für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung eingelegt, an der Abgabestelle zurückgelassen oder an der Eingangstüre angebracht werden konnte. Der rechtskräftige Bescheid oder das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts ist allen Kooperationsstellen, der Gewerbebehörde und dem Auftragnehmerkataster Österreich zu übermitteln; dasselbe gilt für allfällige spätere Änderungen betreffend die Feststellung als Scheinunternehmen.

(10) Das Bundesministerium für Finanzen hat eine Liste der rechtskräftig festgestellten Scheinunternehmen im Internet zu veröffentlichen (Identität, Firmenbuchnummer und Geschäftsanschrift des Scheinunternehmens). Veröffentlichungen, die sich auf natürliche Personen beziehen, sind nach Ablauf von fünf Jahren nach der Veröffentlichung zu löschen.

(11) Handelt es sich beim Scheinunternehmen um einen im Firmenbuch eingetragene/n Rechtsträger/in, so ist der rechtskräftige Bescheid oder das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom Amt für Betrugsbekämpfung auch dem zuständigen Firmenbuchgericht zu übermitteln; dasselbe gilt für allfällige spätere Änderungen betreffend die Feststellung als Scheinunternehmen. Das Gericht hat aufgrund einer solchen Mitteilung von Amts wegen die Eintragung gemäß § 3 Abs. 1 Z 15a des Firmenbuchgesetzes (FBG), BGBl. Nr. 10/1991, vorzunehmen oder zu löschen. Handelt es sich beim Scheinunternehmen um eine Kapitalgesellschaft, so hat das Amt für Betrugsbekämpfung beim zuständigen Firmenbuchgericht gegebenenfalls auch einen Antrag auf Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 40 FBG zu stellen.

(12) Auf das Verfahren sind die Vorschriften der BAO sinngemäß mit den vorgenannten und folgenden Besonderheiten anzuwenden:


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1.
Für die Mitteilung nach Abs. 4 gilt § 93 Abs. 3 bis 6 BAO sinngemäß. Weiters ist darauf hinzuweisen, dass im Falle der Erhebung des Widerspruchs das ordentliche Verfahren eingeleitet wird.
2.
Die Frist für die Einbringung einer Beschwerde nach § 243 BAO beträgt eine Woche. § 245 Abs. 3 BAO gilt nicht.
3.
Die Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung nach § 308 Abs. 3 BAO beträgt zwei Wochen. Soweit die Frist zur Erhebung des Widerspruchs gegen den mitgeteilten Verdacht nach Abs. 7 versäumt wurde, hat die persönliche Vorsprache innerhalb der Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung zu erfolgen. Die Frist nach § 309 BAO beträgt sechs Wochen.
4.
Gegen Bescheide nach den Abs. 8 und 9 sind Beschwerden an das Bundesfinanzgericht zulässig. Die Beschwerde ist beim Amt für Betrugsbekämpfung einzubringen.

"Haftung für Entgelt

§ 9. Ab der rechtskräftigen Feststellung des Scheinunternehmens haftet der/die Auftrag gebende Unternehmer/in, wenn er/sie zum Zeitpunkt der Auftragserteilung wusste oder wissen musste, dass es sich beim Auftrag nehmenden Unternehmen um ein Scheinunternehmen nach § 8 handelt, zusätzlich zum Scheinunternehmen als Bürg/e/in und Zahler/in nach § 1357 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB), JGS Nr. 946/1811, für Ansprüche auf das gesetzliche, durch Verordnung festgelegte oder kollektivvertragliche Entgelt für Arbeitsleistungen im Rahmen der Beauftragung der beim Scheinunternehmen beschäftigten Arbeitnehmer/innen."

  • Rechtliche Beurteilung

D.1.

Wie aus § 8 Abs. 12 SBBG hervorgeht, sind auf das Verfahren betreffend Erlassung eines Feststellungsbescheides über das Vorliegen eines Scheinunternehmens die Vorschriften der BAO sinngemäß mit einigen Besonderheiten, vor allem hinsichtlich der Fristen und der Zustellung, anzuwenden. Ergeht im Anwendungsbereich der BAO ein Bescheid an ein Unternehmen, über das Insolvenz eröffnet wurde, sind zudem die Vorschriften der Insolvenzordnung zu beachten (andere Ansicht des Finanzamtes in ). Die besonderen Zustellungsregeln des SBBG sollen eine Verschleppung des Verfahrens durch den Scheinunternehmer verhindern. Ist jedoch die Insolvenz über das Scheinunternehmen eröffnet und ein Masseverwalter vom Gericht bestellt, bedarf es dieser besonderen Zustellregeln des SBBG nicht, da der nach Insolvenzeröffnung allein zuständige Masseverwalter greifbar ist und kein Interesse hat, das Verfahren zu verschleppen. Im Übrigen ist aus dem gesamten Insolvenzrecht erkennbar, dass die außerhalb der Insolvenz geltenden Regeln in anderen Gesetzen durch die Eröffnung der Insolvenz und der dann in der Insolvenzordnung geltenden Regeln modifiziert werden.

Nachdem die Bestimmungen der BAO "sinngemäß" anzuwenden sind, ist der Rechtsträger, der im Verdacht steht, Scheinunternehmer zu sein, Abgabepflichtiger iSd BAO, auch wenn es in diesem Verfahren nicht um die Erhebung von Abgaben geht. Dieser Rechtsträger hat damit Parteistellung im Verfahren zur Feststellung der Scheinunternehmereigenschaft (§ 8 Abs. 12 SBBG iVm § 78 Abs. 1 BAO) (Vgl. Wiesinger in ASoK-Spezial Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz (SBBG), 2.3.3.2.2. Parteien und Vertreter). Im Insolvenzverfahren des Scheinunternehmers gelten die weiter unten dargestellten Besonderheiten.

Die sinngemäße Anwendung der BAO bedeutet zudem, dass auch die zur BAO ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu beachten ist.

D.2.

Im Zeitpunkt der Erlassung des Feststellungsbescheides über das Vorliegen eines Scheinunternehmens nach § 8 SBBG im Jänner 2020 war über den nicht protokollierten Einzelunternehmer IA bereits der Konkurs eröffnet. Die Rechtswirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens treten mit Beginn des Tages ein, der der öffentlichen Bekanntmachung des Inhalts des Insolvenzediktes folgt (§ 2 Abs. 1 IO). Die öffentliche Bekanntmachung des Beschlusses des Landesgerichtes Linz vom ***8*** über die Insolvenzeröffnung erfolgte in der Insolvenzdatei am x.2019. Die Rechtswirkungen der Insolvenzeröffnung sind daher am eingetreten. Der beschwerdegegenständliche Feststellungsbescheid vom ist nach diesem Zeitpunkt und daher nach Insolvenzeröffnung erlassen worden.

Durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird das gesamt der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Schuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Insolvenzverfahrens erlangt (Insolvenzmasse), dessen freier Verfügung entzogen (§ 2 Abs. 2 IO).

Gem. § 3 Abs. 1 1.Satz IO sind Rechtshandlungen des Gemeinschuldners nach der Konkurseröffnung, welche die Konkursmasse betreffen, den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam. Gem. § 6 Abs. 1 IO können Rechtsstreitigkeiten, welche die Geltendmachung oder Sicherstellung von Ansprüchen auf das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen bezwecken, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner weder anhängig noch fortgesetzt werden ("Prozesssperre"). Hingegen können gem. § 6 Abs. 3 IO Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche, die das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen überhaupt nicht betreffen, insbesondere über Ansprüche auf persönliche Leistungen des Schuldners, auch während des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner oder von ihm anhängig gemacht werden.

D.3.

Hinsichtlich des durch die Insolvenzeröffnung seiner freien Verfügung entzogenen Vermögens ist der Gemeinschuldner verfügungsunfähig und insoweit prozessunfähig. Stattdessen ist der Masseverwalter zum Einschreiten für den Gemeinschuldner legitimiert, allerdings auch nur soweit, als der Gemeinschuldner verfügungsunfähig ist, weil es sich zumindest teilweise um Aktiv- bzw. Passivbestandteile der Konkursmasse handelt. Nicht der Masseverwalter , sondern ausschließlich der Gemeinschuldner selbst ist verfügungsbefugt und allein zum Einschreiten legitimiert in jenen Bereichen, die das zur Konkursmasse gehörende Vermögen überhaupt nicht betreffen (vgl. ; ). Dabei handelt es sich um Rechtshandlungen, die sich auf das konkursfreie Vermögen beziehen, die auf nicht vermögensrechtlichen Gebiet liegen, z.B. persönliche Leistungen des Gemeinschuldners betreffen, oder um Verfügungen über Massevermögen unter der Bedingung der Aufhebung des Konkurses (Schubert in Konecny/Schubert: Insolvenzgesetze § 3 KO, Rz 10).

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Konkurseröffnung dazu führt, dass der Masseverwalter für die Zeit seiner Bestellung betreffend die Konkursmasse - soweit die Befugnisse des Gemeinschuldners beschränkt sind - gesetzlicher Vertreter des Gemeinschuldners iSd § 80 BAO ist. In einem Abgabenverfahren tritt nach der Konkurseröffnung der Masseverwalter an die Stelle des Gemeinschuldners, soweit es sich um Aktiv- oder Passivbestandteile der Konkursmasse handelt. Die Abgaben sind daher während des Konkursverfahrens gegenüber dem Masseverwalter festzusetzen (vgl. den , mwN).

Erledigungen werden dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen grundsätzlich durch Zustellung (§ 97 Abs. 1 lit. a BAO). Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist (§ 7 ZustG). Keine Heilung nach § 7 ZustG ist - zumindest nach hA - möglich, wenn die Zustellverfügung auf einen falschen Empfänger lautet (Vgl. Ritz, BAO, 6. Auflage, § 7 ZustG Rz 4).

Eine an die Konkursmasse (IA) vertreten durch bzw. zu Handen XX als Masseverwalter gerichtete Erledigung ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH nicht an den Masseverwalter, sondern an den Gemeinschuldner gerichtet. Durch die bloße Zustellung der an den Gemeinschuldner gerichteten Erledigung an den Masseverwalter ist sie dem Masseverwalter gegenüber nicht wirksam geworden (), weil die Zustellverfügung auf den falschen Empfänger lautet. In seiner Rechtsprechung erkennt der VwGH lediglich als richtige Bescheidbezeichnung "X als Masseverwalter (bzw. Insolvenzverwalter) im Konkurs (bzw. in der Insolvenz) über das Vermögen Y". Diese "Formstrenge" betreffend die Bezeichnung des Bescheidadressaten ist nach dem VwGH () lediglich im Hinblick auf ausländische Insolvenzverfahren nicht angebracht. Bei ausländischen Konkursverfahren ist sohin eine "Deutung" der Bezeichnung des Bescheidadressaten zulässig. Im Beschwerdefall handelt es sich jedoch um ein inländisches Insolvenzverfahren.

Im Beschwerdefall wurde der Feststellungsbescheid zu Handen des Masseverwalters gerichtet. Dies führt dazu, dass der Bescheid dem Masseverwalter gegenüber nicht wirksam geworden ist. Das hat zur Folge, dass das als Feststellungsbescheid titulierte Schriftstück als Nichtbescheid anzusehen ist. Eine dagegen erhobene Beschwerde wäre gem. § 260 Abs. 1 lit. a BAO mit Beschluss als unzulässig zurückzuweisen, weil gegen einen Nichtbescheid nicht rechtswirksam ein Rechtsmittel erhoben werden kann. Voraussetzung für diese Rechtsfolge im Beschwerdefall ist allerdings, dass der beschwerdegegenständliche Feststellungsbescheid die Konkursmasse betrifft und daher der Feststellungsbescheid tatsächlich an den Masseverwalter als Bescheidadressat zu richten war.-

Andernfalls - es liegt also keine Massebezogenheit des Feststellungsbescheides vor - bleibt IA selbst Bescheidadressat. Da der beschwerdegegenständliche Feststellungsbescheid an ihn adressiert ist und er diesen auch tatsächlich erhalten hat, würde in diesem Fall der Feststellungsbescheid rechtswirksam ergangen sein. Die Erhebung einer Beschwerde dagegen durch den Gemeinschuldner oder seinen Vertreter wäre in diesem Fall zulässig.

Das Schicksal des Beschwerdefalles hängt daher davon, ob der beschwerdegegenständliche Feststellungsbescheid die Konkursmasse betrifft.

D.4.

Auf Verwaltungsverfahren findet die Bestimmung des § 6 IO nicht Anwendung, da unter "Rechtsstreitigkeiten" nur gerichtliche Verfahren zu verstehen sind. Allerdings vertritt nach der hg. Judikatur zur Konkursordnung (KO) idF vor der Novellierung (und Umbenennung in Insolvenzordnung) durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010 der Masseverwalter die Gemeinschuldnerin (nunmehr: Schuldnerin; siehe § 275 Abs. 1 Z. 23 IO) auch im Verwaltungsverfahren, "wenn die Masse betroffen ist". Nur der Masseverwalter ist insofern auch zur Erhebung von Rechtsmitteln berechtigt. Während der Anhängigkeit des Konkurses können gemäß § 6 Abs. 3 KO nur Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche, die das zur Konkursmasse gehörige Vermögen überhaupt nicht betreffen, insbesondere über Ansprüche auf persönliche Leistungen des Gemeinschuldners, vom Gemeinschuldner selbst anhängig gemacht und fortgesetzt werden. Bereits anhängige Verwaltungsverfahren werden zwar nicht von der Unterbrechungswirkung des § 7 Abs. 1 KO (betreffend alle "anhängigen Rechtsstreitigkeiten", worunter nur zivilrechtliche Verfahren zu verstehen sind) umfasst, doch endet die Prozessfähigkeit des Gemeinschuldners auch für diese Verfahren mit der Eröffnung des Konkurses, soweit es sich nicht um Verfahren handelt, die im vorstehenden Sinn die Masse nicht betreffen ("das zur Konkursmasse gehörige Vermögen überhaupt nicht betreffen"). Partei in solchen Verfahren ist ebenfalls der Masseverwalter ( zur Akteneinsicht des Masseverwalters in einen Akt des Stadtschulrates für Wien). Damit kommt aber die Vertretungsbefugnis hinsichtlich einer allfälligen Akteneinsicht in solchen Verwaltungsverfahren dem Masseverwalter zu (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2004/17/0173, und vom , Zl. 2005/07/0172, je mit ausführlichen Hinweisen auf Literatur und Judikatur sowie die bei Mohr, Insolvenzordnung11 (2012) E 75 ff zu § 7 und E 154 ff zu § 81a zitierte weitere hg. Judikatur). Auch das Recht der Erhebung von Rechtsmitteln, etwa einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, kommt in solchen Fällen nur dem Masseverwalter zu (vgl. die bei Mohr, aaO, E 158 zu § 81a zitierte hg. Judikatur; Vgl. Schubert in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 6 KO (Stand , rdb.at, Rz 45).

Eine inhaltliche Änderung der für diese Judikatur maßgeblichen Bestimmungen der KO ist durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010 nicht eingetreten (siehe insbesondere § 2 Abs. 2 IO über die Entziehung des Vermögens aus der freien Verfügung des Schuldners (früher § 1 Abs. 1 KO), § 3 Abs. 1 über die Unwirksamkeit von Rechtshandlungen des Schuldners, §§ 6 und 7 über die Wirkung der Insolvenzeröffnung in Ansehung von Rechtsstreitigkeiten sowie § 81a Abs. 2 über die Verpflichtung des Insolvenz- bzw. Masseverwalters zur Führung von die Masse betreffenden Rechtsstreitigkeiten).

D.5.

§ 9 SBBG sieht als Rechtsfolge der rechtskräftigen Feststellung des Vorliegens eines Scheinunternehmens zusätzlich zum Scheinunternehmern die Haftung des Auftrag gebenden Unternehmens als Bürge und Zahler nach § 1357 ABGB für Ansprüche auf das gesetzliche, durch Verordnung festgelegte oder kollektivvertragliche Entgelt für Arbeitsleistungen im Rahmen der Beauftragung der beim Scheinunternehmen beschäftigten Arbeitnehmer vor. Auf den Bürgen gehen die Ansprüche des Gläubigers über, wenn er von diesem in Anspruch genommen wird (§ 1358 ABGB). Das Auftrag gebende Unternehmen kann sich daher seinerseits beim Scheinunternehmen regressieren.

Damit hat diese Bestimmung nicht nur Einfluss auf den Umfang der Masse, sondern auch auf die Frage, wer Gläubiger der Masse ist. § 17 IO regelt explizit die Rechte der Mitschuldner und Bürgen gegen die Insolvenzmasse, soweit ihnen ein Rückgriff gegen den Schuldner zusteht.

Die Feststellung des Vorliegens eines Scheinunternehmens bewirkt aber auch Rechtsfolgen in anderen Gesetzen (ASVG, IESG, etc.). Zivilrechtlich ergeben sich Fragen, ob ein bestehender Vertrag zwischen dem Scheinunternehmer und dem Auftrag gebenden Unternehmer aufgrund der Scheinunternehmereigenschaft angefochten oder beendet werden kann.

Zur Zustimmung zum Anspruch von Kündigungen gemäß § 45a Abs. 8 AMFG hat der VwGH, , folgendes erkannt: "Unter diesen Gesichtspunkten ist der verfahrensgegenständliche Anspruch gemäß § 45a Abs. 8 AMFG auf Verkürzung der in § 45a Abs. 2 AMFG genannten Frist auch als Teil der Masse zu betrachten. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Kündigung, deren vorzeitigen Ausspruch die Beschwerdeführerin nach § 45a Abs. 8 AMFG begehrte, eine rechtlich relevante Handlung ist, die rechtliche Wirkungen beim Vermögen des Gemeinschuldners hervorrufen kann, wobei es genügt, dass diese Wirkungen auch nur mittelbar die Masse betreffen (s. den , mwN, und Feil, aaO, zu § 6, S. 83, Rz 1). Aber auch der dritte Satz des § 45a Abs. 2 AMFG, nach dem die fristauslösende Anzeige im Fall des Konkurses vom Masseverwalter zu erstatten ist, wenn sie nicht (wie im vorliegenden Fall) schon vor Konkurseröffnung erstattet wurde, bestätigt diese Sichtweise.

Da im Zeitpunkt der Beschwerdeeinbringung über das Vermögen der Beschwerdeführerin bereits der Konkurs eröffnet und ein Masseverwalter bestellt war, war die Beschwerdeführerin somit nicht mehr beschwerdelegitimiert. Die Beschwerde war daher mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen."

Der VwGH () ist überhaupt der Ansicht, dass die Konkurseröffnung die weitaus überwiegenden Vermögensbestandteile erfasst; dass ein Vermögensbestandteil nicht konkursverfangen ist, ist nach dem VwGH stets als Ausnahmefall zu betrachten.

D.6.

Der beschwerderelevante Feststellungsbescheid ist auch als ein rechtlich relevanter Akt einzustufen, der, wie dargestellt wurde, rechtliche Wirkungen beim Vermögen des Gemeinschuldners hervorrufen kann. Daher ist im Beschwerdefall der Bescheid über die Feststellung des Vorliegens eines Scheinunternehmens nach § 8 SBBG als Teil der Masse zu betrachten.

Damit ist aber, wie oben ausgeführt, das Schicksal dieses Beschwerdefalles bereits entschieden.

Eine Bescheidbeschwerde ist mit Beschluss zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist (§ 260 Abs. 1 lit. a BAO). Mit Beschwerde anfechtbar sind nur Bescheide. Daher sind Bescheidbeschwerden gegen Schriftstücke ohne Bescheidcharakter als unzulässig zurückzuweisen (Vgl. Ritz, BAO, 6. Auflage, § 260 Rz 8 mwN).

Der Feststellungsbescheid ist, da er nicht richtig an den Masseverwalter adressiert war, obwohl es sich um eine Masseangelegenheit handelt, ein Nichtbescheid. Rechtsmittel gegen Nichtbescheide sind unzulässig. Die Beschwerde war daher bereits aus diesem Grund mit Beschluss gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig zurückzuweisen. Im Übrigen ergäbe sich ein Zurückweisungsgrund, selbst wenn ein wirksamer Bescheid an den Masseverwalter vorliegen würde, auch daraus, dass der Schuldner bzw. sein Vertreter zur Erhebung der Beschwerde gegen den Feststellungsbescheid nicht beschwerdelegitimiert war, weil der Masseverwalter diesem Rechtsmittel nicht zugestimmt hat.

  • Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der Beschluss orientiert sich an der - im Begründungstext zitierten - Rechtsprechung des VwGH. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt somit nicht vor. Die ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 6 Abs. 3 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 8 Abs. 12 SBBG, Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz, BGBl. I Nr. 113/2015
IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 8 SBBG, Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz, BGBl. I Nr. 113/2015
§ 9 SBBG, Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz, BGBl. I Nr. 113/2015
Zitiert/besprochen in
Wiesinger in SWK 1-2/2021, 64
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100924.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at