Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.01.2020, RV/6100630/2019

Ausländische Progressionseinkünfte als Basis für die 10%-Grenze für freigebige Zuwendungen (Sonderausgaben)

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/6100630/2019-RS1
Der 10%-Grenzbetrag des § 18 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 (Freigebige Zuwendungen) berechnet sich von jenem Gesamtbetrag der Einkünfte, der dem Welteinkommen zu Grunde liegt. Dieser inkludiert Einkünfte, die als Auslandseinkünfte auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens freigestellt sind, aber in Österreich dem Progressionsvorbehalt unterliegen (vgl. ; , 2010/15/0021).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Erich Schwaiger über die Beschwerde vom des Beschwerdeführers ***BF*** , ***Anschrift***, vertreten durch die mit Zustellvollmacht ausgewiesene zobl.bauer Salzburg Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung GmbH, 5020 Salzburg, Mildenburggasse 4a, gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Land, 5026 Salzburg, Aignerstraße 10 vertreten durch Mag. Peter Staudinger, vom betreffend Einkommensteuer 2015 zu Recht erkannt:

I)
Der Einkommensteuerbescheid 2015 wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Einkommensteuer sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Spruches.

II)
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gem. Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde fällt in die Zuständigkeit des Fachgebietes FE 6 und damit in die Zuteilungsgruppe 7001. Auf Basis der gültigen Geschäftsverteilung wurde sie der Gerichtsabteilung 7013 zur Entscheidung zugewiesen.

1. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (kurz Bf.) ist eine natürliche Person.

Strittig ist für das Streitjahr 2015 ausschließlich, auf welcher Basis die 10%-Grenze für den Sonderausgabenabzug von freigebigen Zuwendungen zu berechnen ist.

Mit Erstbescheid vom veranlagte das Finanzamt (kurz FA) die Einkommensteuer 2015 auf Basis der elektronisch eingereichten Erklärung, ließ allerdings von insgesamt EUR 93.491,00 nur EUR 38.011,01 zum als freigebige Zuwendungen zum Sonderausgabenabzug zu. Bei der dafür ausschlaggebenden Berechnung der 10 % - Grenze brachte das FA im Rahmen des Gesamtbetrages der Einkünfte nur die im Inland steuerpflichtigen Einkünfte in Ansatz. Ausländische Einkünfte, die in Österreich nur dem Progressionsvorbehalt unterliegen, schied das FA aus.

Dies bekämpfte der steuerlich vertretene Beschwerdeführer (kurz Bf.) mit Beschwerde vom (Postaufgabe am ) und rügte daneben auch die fehlerhafte Berücksichtigung von in einem Verfahren gem. § 188 BAO festgestellten Verlusten (EUR 166.154,27). Das FA brachte diese Verluste in der Beschwerdevorentscheidung vom in Ansatz, verweigerte aber weiterhin den Ansatz der ausländischen Einkünfte zur Berechnung des Maximalausmaßes der Sonderausgabenbegünstigung von Zuwendungen.

Ausschließlich dagegen wendet sich der Vorlageantrag vom , mit dem die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt wurde.

Mit Schreiben vom wurde der Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen, was dem FA mit dem Hinweis zur Kenntnis gebracht wurde, dass ihm eine abschließende Stellungnahme offenstehe. Mit Mail vom erklärte das FA daraufhin, dass es bei seiner Ansicht bleibe.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts basiert auf folgendem Sachverhalt, der in den Akten der Abgabenbehörde sowie des Gerichtes abgebildet und soweit nicht gesondert angeführt unbestritten ist.

2. Sachverhalt

Der Bf. ist in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig und bezieht daneben ausländische Einkünfte, deren Doppelbesteuerung zum Teil im Anrechnungsverfahren zum Teil im Steuerfreistellungsverfahren (mit Progressionsvorbehalt) verhindert wird. Er machte 2015 freigebige Zuwendungen von insgesamt EUR 93.491,00 als Sonderausgabe geltend.

Übereinstimmung zwischen den Verfahrensparteien herrscht hinsichtlich der Höhe der Einkünfte. Strittig blieb ausschließlich die Frage, ob die der Höhe nach ebenfalls unstrittigen „Progressionsvorbehaltseinkünfte“ in Höhe von EUR 661.762,91 in die Berechnung der erwähnten 10 % - Grenze für den Sonderausgabenabzug mit einzubeziehen sind. Die im Anrechnungsverfahren zu besteuernden ausländischen Einkünfte wurde vom FA schon in Erstbescheid und Beschwerdevorentscheidung in Ansatz gebracht.

3. Rechtsgrundlagen, rechtliche Würdigung

Außer in den Fällen des § 278 BAO hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen (§ 279 Abs. 1 BAO).

Dabei ist es an Akte mit normativem Inhalt gebunden, nicht aber an Erlässe der Finanzverwaltung, die keine subjektiven Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen begründen, worauf diese regelmäßig hinweisen.

Unstrittig ist hier, dass das Besteuerungsrecht an den relevanten Einkünften aus der Vermietung einer Liegenschaft (Art. 6 Abs. 1 Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen; BGBl. III Nr. 182/2002; kurz DBA D) sowie Aufsichtsratsvergütung (Art. 16 Abs. 1 DBA D) Deutschland zusteht. Unstrittig ist auch, dass dieses Abkommen für diesen Fall einen Progressionsvorbehalt vorsieht (Art. 23 Abs. 2 lit. a DBA D).

Im Streitjahr 2015 war § 18 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 idF nach BGBl. I Nr. 112/2012 und vor BGBl. I Nr. 118/2015 anzuwenden (vgl. § 124b Z 280 EStG 1988). Diese Bestimmung lautete:

„Folgende Ausgaben sind bei der Ermittlung des Einkommens als Sonderausgaben abzuziehen, soweit sie nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind:

7. Freigebige Zuwendungen insoweit, als sie zusammen mit Zuwendungen aus dem Betriebsvermögen im Sinne des § 4a insgesamt 10% des sich nach Verlustausgleich ergebenden Gesamtbetrages der Einkünfte nicht übersteigen, wenn sie

a) an Einrichtungen im Sinne des § 4a Abs. 3 Z 1 bis 3 und Abs. 4, sowie

b) ausschließlich in Geld an begünstigte Körperschaften im Sinne des § 4a Abs. 3 Z 4 bis 6, Abs. 5 und Abs. 6

geleistet werden.

Die Zuwendung ist durch den Zuwendenden auf Verlangen der Abgabenbehörde durch Vorlage eines Beleges nachzuweisen. Dieser Beleg hat jedenfalls zu enthalten den Namen der empfangenden Körperschaft, den Namen des Zuwendenden, den Betrag und das Datum der Zuwendung. Auf Verlangen des Zuwendenden ist durch den Empfänger der Zuwendung eine Spendenbestätigung auszustellen. In dieser Bestätigung sind, neben den Inhalten die ein Beleg jedenfalls zu enthalten hat, auch die Anschrift des Zuwendenden und die Registrierungsnummer, unter der die empfangende Einrichtung in die Liste begünstigter Spendenempfänger eingetragen ist, anzuführen. Die Bestätigung kann für alle von demselben Zuwendenden in einem Kalenderjahr getätigten Zuwendungen ausgestellt werden.

Steht den Zuwendungen eine Gegenleistung gegenüber, sind sie als freigebige Zuwendungen abzugsfähig, wenn der gemeine Wert der Zuwendung den Wert der Gegenleistung erheblich übersteigt. Der dem gemeinen Wert der Gegenleistung entsprechende Teil der Zuwendung ist nicht abzugsfähig. Ebenso nicht abzugsfähig sind Mitgliedsbeiträge in Höhe der satzungsgemäß von ordentlichen Mitgliedern zu entrichtenden Beiträge, die an eine der begünstigten Körperschaften bezahlt werden.

Freigebige Zuwendungen an begünstigte Einrichtungen im Sinne der lit. b und an Einrichtungen gemäß § 4a Abs. 4 lit. d sind nur dann abzugsfähig, wenn die empfangende Einrichtung zum Zeitpunkt der Zuwendung in der Liste begünstigter Spendenempfänger (§ 4a Abs. 7 Z 1) eingetragen ist; dies gilt nicht für Zuwendungen an Einrichtungen gemäß § 4a Abs. 6.“

Die Berechnungsbasis für den Grenzbetrag stellt also der sich nach Verlustausgleich ergebende Gesamtbetrag der Einkünfte dar. Dieser ist auch für § 18 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 von Bedeutung. Zur Ermittlung der dortigen Basis judizierte der VwGH in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa ; , 2010/15/0021), dass bei grenzüberschreitenden Sachverhalten grundsätzlich eine Besteuerung erreicht werden soll, wie sie auch bei rein innerstaatlichen Sachverhalten vorgenommen wird (Hinweis auf ). Wie Perstel (Freistellungsmethode und innerstaatliche Einkommensermittlung, in Sutter/Wimpissinger, Freistellungs- und Anrechnungsmethode in Doppelbesteuerungsabkommen, 127 ff, insbesondere 148f) zutreffend aufzeige, erfordere die Berücksichtigung der Auslandseinkünfte auch der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Sie solle von jenem Gesamtbetrag der Einkünfte bemessen werden, der dem Welteinkommen zu Grunde liegt, unabhängig davon, ob ein Teil der Einkünfte solche sind, die als Auslandseinkünfte auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens freigestellt sind. Das schließt ein Miteinbeziehen der Auslandseinkünfte nicht nur für Zwecke der unmittelbaren Ermittlung des Durchschnittssteuersatzes, sondern auch für die Berechnung der den Durchschnittssteuersatz beeinflussenden Einschleifregelung des § 18 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 mit ein (Hinweis auch auf Perstel, aaO, 148, sowie Doralt, EStG10, Tz 263 zu § 18).

Das deckt sich mit Renner in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG18, § 18 Tz 263, wonach die nach einem DBA steuerbefreiten Einkünfte bei der Beurteilung, ob bzw. in welcher Höhe die für die Sonderausgabenhöchstbeträge maßgeblichen Grenzbeträge des Gesamtbetrags der Einkünfte überschritten werden, mit anzusetzen sind.

Auch wenn dies für das Verwaltungsgericht keine Bindungswirkung zu erzeugen vermag, sei auch darauf hingewiesen, dass sich dies mit der Verwaltungsübung deckt. So weisen LStR 2002 Rz 570 und 586 ausdrücklich darauf hin, dass der Gesamtbetrag der Einkünfte auch solche umfasst, für die Österreich nach einem DBA kein Besteuerungsrecht zusteht. Auch in EAS 1916 wurde festgehalten, dass internationale Steuerfälle zunächst stets nach inländischem Recht zu beurteilen sind. Die darauf entfallende österreichische Einkommensteuer sei grundsätzlich zunächst ausschließlich nach österreichischem Recht zu ermitteln. Erst in einem zweiten Schritt sei sodann zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein Doppelbesteuerungsabkommen infolge seiner Derogationswirkung der Geltendmachung des innerstaatlichen Abgabenanspruches entgegensteht. Doppelbesteuerungsabkommen treffen im gegebenen Zusammenhang keine Aussage darüber, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe einem Steuerpflichtigen Sonderausgaben bemessungsgrundlagenmindernd zustehen. Bei der Beurteilung, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die für die Sonderausgabenhöchstbeträge maßgebenden Grenzbeträge des Gesamtbetrags der Einkünfte überschritten werden, müssen daher die DBA-steuerfreien Einkünfte mitangesetzt werden.

Daraus ergibt sich, dass die strittigen Auslandeinkünfte nicht nur für die Berechnung des Progressionsvorbehaltes heranzuziehen sind, sondern auch als Basis für die Berechnung der 10%-Grenze zu dienen haben.

Damit war dem Begehren des Bf. zum Durchbruch zu verhelfen. Die maximal abzugsfähigen freigebigen Zuwendungen errechnen sich in Übereinstimmung mit dem Vorlageantrag wie folgt:

Nicht stichhaltig ist die Beurteilung des FA, dass die Spenden (wohl aliquot) auf die steuerpflichtigen Inlandseinkünfte und die steuerbefreiten Auslandseinkünfte aufzuteilen wären. Dafür bleibt schon aufgrund der klaren höchstgerichtlichen Rechtsprechung kein Raum, das würde aber auch zusätzlich ignorieren, dass mit Doppelbesteuerungsabkommen grundsätzlich nur über die Zuteilung der Besteuerungsrechte an bestimmten Einkünften entschieden wird, nicht aber über die Abzugsfähigkeit von Sonderausgaben. Offen bleibt für das Verwaltungsgericht, wieso das FA davon ausgeht, durch ein solches Splitting würde dem Leistungsfähigkeitsprinzip Rechnung getragen. Dafür vermag das Bundesfinanzgericht keine Anhaltspunkte zu finden.

Der Einkommensteuerbescheid war somit entsprechend abzuändern (siehe Anlage).

4. Revision

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG).

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).

Soweit Rechtsfragen für die hier zu klärenden Fragen entscheidungserheblich sind, sind sie durch höchstgerichtliche Rechtsprechung ausreichend geklärt (siehe oben), nicht von grundsätzlicher Bedeutung oder die anzuwendenden Normen sind klar und eindeutig.

Damit liegt hier kein Grund vor, eine Revision zuzulassen.

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 6 Abs. 1 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 16 Abs. 1 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 23 Abs. 2 lit. a DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
§ 18 Abs. 1 Z 7 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise


LStR 2002, Lohnsteuerrichtlinien 2002 Rz 570
LStR 2002, Lohnsteuerrichtlinien 2002 Rz 586
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.6100630.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at