Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.10.2023, RV/7100385/2023

Aussetzung der Einhebung, Beschwerde gegen den Festsetzungsbescheid wurde bereits erledigt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***4*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Wöber Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung GmbH, Mariahilfer Straße 209, 1150 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung zur Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am wurden eine Bescheidbeschwerde gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2020 samt Feststellungsbescheide 2020, ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung gem. § 212a BAO und ein Antrag auf Ratenzahlung gem. § 212 BAO eingebracht, wobei sich der steuerliche Berater zunächst gem. § 77 WTBG auf die erteilte Vollmacht berief und im Namen und Auftrag der Mandantschaft, der ***Bf1*** und der ***1*** innerhalb offener Rechtsmittelfrist das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde für die ***Bf1*** und die ***1*** betreffend die Festsetzung der Körperschaftsteuer Gruppe 2020 samt den Feststellungsbescheiden 2020, welche mit folgenden Bescheiden des Finanzamtes festgesetzt wurden, einbrachte.

In der Sache wurde ausgeführt:

"***Bf1***, St.Nr. ***2***

Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2020 datiert mit

Feststellungsbescheid Gruppenträger 2020 datiert mit

***1***, St.Nr. ***3***

Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2020 datiert mit

Die Bescheidbeschwerde richtet sich gegen den Spruch der oben genannten Bescheide. Die ***Bf1*** (Gruppenträger) und die ***1*** (Gruppenmitglied) bilden ab der Veranlagung 2020 eine Unternehmensgruppe gem. § 9 (8) KStG. Im Jahr vor der Bildung der Unternehmensgruppe erfolgten zwei Umgründungen jeweils mit Stichtag zum . Im Zuge der Umgründungen ist die ***5***, welche über Verlustvorträge verfügte, untergegangen.

Es stellt sich nun die Frage, welche Gesellschaft nach den beiden Umgründungen die Verlustvorträge der ***5*** verwerten kann. Im Rahmen der Bescheidfestsetzung wurden die Verlustvorträge der ***5*** der ***1*** als Gruppenmitglied zugeordnet. Richtigerweise wären die Verlustvorträge jedoch bei der ***Bf1*** als Gruppenträger zu berücksichtigen.

Sachverhalt

Ausgangspunkt war die Umstrukturierung der ***5***, welche durch zwei Umgründungsschritte mit Stichtag zum erfolgte.

Die Haupttätigkeit dieser Gesellschaft war die duale Zustellung von Schriftstücken.

Die digitale Lösung zur dualen Zustellung hat die Gesellschaft zuvor selbst entwickelt und in weiterer Folge nach erfolgreicher Produktreife kommerziell vertrieben. Am Markt ist die digitale Lösung als "***6***" bekannt und wurde urheberrechtlich geschützt.

Unter der dualen Zustellung ist ein digitales System zur Zustellung von Schriftstücken zu verstehen. Hierbei wird in einem ersten Schritt überprüft, ob ein Schriftstück dem Adressaten elektronisch per Mail zugestellt werden kann. Sollte die Prüfung positiv ausfallen, erhält der Adressat das Schriftstück per Mail. Sollte die Zustellung elektronisch nicht möglich sein, wird das Schriftstück als herkömmlicher Brief ausgefertigt und dem Adressaten postalisch übermittelt.

Ziel der Umstrukturierung war die Trennung der digitalen Lösung (***6***) als immaterielles Wirtschaftsgut von der Vertriebstätigkeit. Dies wurde durch folgende zwei Umgründungsschritte erreicht.

Schritt 1: Abspaltung

In einem ersten Schritt hat die ***5*** ihren gesamten operativen Betrieb in die neu gegründete Tochtergesellschaft ***1*** abgespalten. Im Zuge der Abspaltung wurden die immateriellen Wirtschaftsgüter (digitale Lösung zur dualen Zustellung "***6***") bei der ***5*** zurückbehalten.

Schritt 2: Verschmelzung

Nach Durchführung der Spaltung wurde die ***5*** in einem zweiten Schritt up-stream auf die zu 100% beteiligte Muttergesellschaft ***Bf1*** verschmolzen. Im Zuge dieser Verschmelzung ging die ***5*** unter und es kam zur Übertragung der immateriellen Wirtschaftsgüter (***6***) auf die ***Bf1***. Entwicklung des immateriellen Wirtschaftsgutes ***6***.

Wie zuvor beschrieben hat die ***5*** in den Jahren vor der Umstrukturierung die digitale Lösung zur dualen Zustellung (***6***) selbst entwickelt.

Im Zuge der Entwicklung des ***6*** sind in den ersten Jahren hohe Kosten angefallen. Da es sich hierbei um Aufwendungen für ein selbst erstelltes immaterielles Wirtschaftsgut handelt, war die Aktivierung aufgrund des Aktivierungsverbotes für selbst erstellte immaterielle Wirtschaftsgüter gem. § 197 (2) UGB nicht möglich. Die Entwicklungsaufwendungen wurden daher als Sofortaufwand erfasst. Dies führte in den vergangenen Jahren zu laufenden Verlusten bzw. zu noch nicht verwerteten Verlustvorträgen in Höhe von 1.478.281,34 EUR zum Stichtag . Die entstandenen Verlustvorträge sind daher auf die Entwicklung des immateriellen Wirtschaftsgutes ***6*** zurückzuführen.

Nach Markteinführung des ***6*** wurde ein Vertriebsnetz aufgebaut, um aus der entwickelten Software Umsätze zu erzielen. Der gewinnbringende "Zustellbetrieb" wurde im Rahmen der Abspaltung auf die ***1*** übertragen, während die den Verlustvortrag verursachenden immateriellen Wirtschaftsgüter durch die Verschmelzung auf die ***Bf1*** übertragen wurden.

Im Zuge der Veranlagung 2020 wurden die Verlustvorträge der ***1*** als Gruppenmitglied und nicht der ***Bf1*** als Gruppenträger zugewiesen.

Da die Verlustvorträge jedoch der Entwicklung der digitalen Lösung zur dualen Zustellung (***6***) zuzurechnen sind, sind unserer Ansicht nach die Verlustvorträge im Zuge der Umgründung gemeinsam mit den immateriellen Wirtschaftsgütern auf die ***Bf1*** und nicht auf die ***1*** übergegangen.

Begründung

Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob (i) die vorhandenen Verlustvorträge gemeinsam mit dem übertragenen Betrieb im Rahmen der Abspaltung (1. Umgründungsschritt) von der ***5*** auf die ***1*** übergegangen sind, oder ob (ii) die Verlustvorträge den selbst erstellten immateriellen Wirtschaftsgütern zuzuordnen sind, und somit im Zuge der Verschmelzung (2. Umgründungsschritt) gemeinsam mit den immateriellen Wirtschaftsgütern auf die ***Bf1*** übertragen wurden.

Grundsätzlich gehen Verlustvorträge bei Umgründungen gemeinsam mit dem zu übertragenden Betrieb auf die übernehmende Gesellschaft über. Wie im Sachverhalt beschrieben erfolgte zeitlich zuerst eine Abspaltung des gesamten Betriebes unter Zurückbehaltung der digitalen Lösung "***6***". Die Voraussetzungen für den Übergang der Verlustvorträge wie insbesondere das Vorhandensein des abzuspaltenden Betriebes sowie die tatsächliche Übertragung des abzuspaltenden Betriebes wären unstrittig erfüllt.

Diesem Grundsatz folgend wären die Verlustvorträge bereits bei der Abspaltung als ersten Umgründungsschritt auf die ***1*** übergegangen.Eine hiervon abweichende Beurteilung erscheint uns jedoch geboten, da die Verlustvorträge nahezu ausschließlich durch die Entwicklung der immateriellen Wirtschaftsgüter (***6***) entstanden sind. Insbesondere sind die Verlustvorträge auf das Aktivierungsverbot für selbst erstellte immaterielle Wirtschaftsgüter zurückzuführen.

Wäre die Aktivierung der selbst entwickelten Softwarelösung "***6***" zulässig gewesen, wären erst gar keine Verlustvorträge bei der ***5*** entstanden. Die beiden Umgründungsschritte hätten dazu geführt, dass im Zuge der Verschmelzung als zweiten Umgründungsschritt die selbst entwickelte Softwarelösung "***6***" mit einem entsprechenden Buchwert auf die ***Bf1*** übergegangen wäre. Dadurch wäre der ***Bf1*** die Möglichkeit der steuerlichen Abschreibung dieses immateriellen Wirtschaftsgutes (***6***) zugekommen. Sofern die ***Bf1*** die Softwarelösung "***6***" verkaufen würde, stünde im Falle der möglichen Aktivierung ebenso ein steuerlicher Buchwert zur Verfügung, der dem Veräußerungserlös gegenübergestellt werden könnte.

Sofern man davon ausgeht, dass der Verlustvortrag bereits im Zuge des ersten Umgründungsschrittes (Abspaltung) auf die ***1*** übergegangen wäre, würde dies im Falle des Verkaufs des immateriellen Wirtschaftsgutes zu dem unsachgemäßen Ergebnis führen, dass dem Verkaufserlös weder ein entsprechender Buchwert noch ein durch die Entwicklung verursachter Verlustvortrag gegenübergestellt werden könnte.

Gegenwärtig wird von der ***Bf1*** der ***6*** technisch weiterentwickelt. Die Gesellschaft verfügt hierfür über eigenes Personal und eine eigene Infrastruktur. Die Gesellschaft dient somit innerhalb der ***-Gruppe als Entwicklungsgesellschaft.

Aufgrund dessen sind wir der Ansicht, dass im Jahr 2020 der Verlustvortrag zur Gänze bei der ***Bf1*** als Gruppenträger und nicht bei der ***1*** als Gruppenmitglied zu berücksichtigen ist. Dem zur Folge ergibt sich für die Gruppe folgendes steuerpflichtiges Einkommen:

Gewinn 2020 der ***Bf1*** als Gruppenträger 3.360.784,34, Verlust 2020 der ***1*** als Gruppenmitglied -175.286,81, Steuerliches Gruppenergebnis 2020 3.185.497,53, Verrechnung mit Verlustvortrag des Gruppenträgers 1.478.281,34, Körperschaftsteuerpflichtiges Einkommen 1.707.216,19, davon 25% KöSt 426.804,05

Durch die mit dieser Bescheidbeschwerde bekämpften Bescheide wurde für das Jahr 2020 die Körperschaftsteuer für die Gruppe in Höhe von 793.454,53 EUR festgesetzt. Sofern die Zuweisung der Verlustvorträge erfolgt, wie zuvor dargestellt, würde sich die Körperschaftsteuer 2020 für die Gruppe auf 426.804,05 EUR reduzieren. Die Körperschaftsteuer für 2020 reduziert sich demnach um den Betrag von 366.650,48 EUR (Differenz von 793.454,53 EUR und 426.804,05 EUR).

Wir stellen daher den Beschwerdeantrag, die in dieser Bescheidbeschwerde angeführten Bescheide aufzuheben und durch Bescheide zu ersetzen, die den zuvor angeführten Beschwerdegründen Rechnung tragen.

Weiters stellen wir die Anträge 1. auf Entscheidung durch den gesamten Senat gem. § 272 (2) Z 1 BAO sowie 2. auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gem. § 274 (1) Z 1 BAO und 3. auf Aussetzung der Einhebung gem. § 212a BAO für den mit den angefochtenen Bescheiden geltend gemachten Zahlungsanspruch iHv 366.650,48 EUR bis zur Entscheidung über die Beschwerde.

Für den unstrittigen Teil der Körperschaftsteuernachzahlung iHv 423.804,05 EUR stellen wir den Antrag gem. § 212 BAO auf Zahlung in 12 Raten zu jeweils 35.317,00 EUR zum 15. des Monats beginnend mit Dezember 2022 sowie einer letzten Rate von 35.317,05 EUR zum .

Die sofortige Entrichtung der Abgabenschuld würde für unsere Klientin derzeit eine erhebliche Härte darstellen, da die vorhandenen liquiden Mittel zur Weiterentwicklung der digitalen Dienstleistung "***6***" verwendet wurden.

Die fortschreitende Technologie erforderte eine grundlegende Überarbeitung und Neugestaltung des ***6***, um die Dienstleistung der digitalen Zustellung weiterhin erfolgreich am Markt anbieten zu können. Aufgrund der technischen Weiterentwicklung ist mit zeitnahen Umsatzsteigerungen zu rechnen, weshalb die Eindringlichkeit der Abgabenschuld nicht gefährdet ist.

Wir ersuchen um stattgebende Erledigung."

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Der Antrag auf Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO wurde mit Bescheid vom abgewiesen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass dem Antrag konnte nicht entsprochen werden konnte, weil das Beschwerdebegehren keine Abweichung von einem Anbringen betreffe (vgl. § 212a Abs. 2 lit. b der Bundesabgabenordnung). Die Abgabenschuldigkeiten an Körperschaftsteuer 2020 von € 766.007,57 seien bis zu entrichten.

****

Dagegen richtet sich die Beschwerde vom eingebracht über FinanzOnline mit folgenden Ausführungen:

"Bescheidbeschwerde für die ***Bf1*** betreffend den Bescheid über die Abweisung eines Aussetzungsantrags datiert mit , zugestellt am .

Am wurde das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2020 samt Feststellungsbescheid 2020 für die ***Bf1***, St.Nr. ***2*** bzw die ***1***, St.Nr. ***3*** erhoben. Konkret wurde die Bescheidbeschwerde gegen folgende Bescheide des Finanzamtes erhoben:

***Bf1***, St.Nr. ***2***

Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2020 datiert mit

Feststellungsbescheid Gruppenträger 2020 datiert mit

***1***, St.Nr. ***3***

Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2020 datiert mit

Die Bescheidbeschwerde richtete sich gegen den Spruch der oben genannten Bescheide. Die ***Bf1*** (Gruppenträger) und die ***1*** (Gruppenmitglied) bilden ab der Veranlagung 2020 eine Unternehmensgruppe gem. § 9 (8) KStG. Im Jahr vor der Bildung der Unternehmensgruppe erfolgten zwei Umgründungen jeweils mit Stichtag zum . Im Zuge der Umgründungen ist die ***5***, welche über Verlustvorträge verfügte, untergegangen.

Es stellt sich die Frage, welche Gesellschaft nach den beiden Umgründungen die Verlustvorträge der ***5*** verwerten kann. Im Rahmen der Bescheidfestsetzung wurden die Verlustvorträge der ***5*** der ***1*** als Gruppenmitglied zugeordnet.

In der Bescheidbeschwerde vom wird die Ansicht vertreten, dass im Jahr 2020 der Verlustvortrag zur Gänze bei der ***Bf1*** als Gruppenträger und nicht bei der ***1*** als Gruppenmitglied zu berücksichtigen ist. Dem zur Folge ergibt sich für die Gruppe folgendes steuerpflichtiges Einkommen: Gewinn 2020 der ***Bf1*** als Gruppenträger 3.360.784,34, Verlust 2020 der ***1*** als Gruppenmitglied -175.286,81, Steuerliches Gruppenergebnis 2020 3.185.497,53, Verrechnung mit Verlustvortrag des Gruppenträgers 1.478.281,34, Körperschaftsteuerpflichtiges Einkommen 1.707.216,19, davon 25% KöSt 426.804,05

Durch die mit der Bescheidbeschwerde vom bekämpften Bescheide wurde für das Jahr 2020 die Körperschaftsteuer für die Gruppe in Höhe von 793.454,53 EUR festgesetzt. Sofern die Zuweisung der Verlustvorträge erfolgt, wie zuvor dargestellt, würde sich die Körperschaftsteuer 2020 für die Gruppe auf 426.804,05 EUR reduzieren. Die Körperschaftsteuer für 2020 reduziert sich demnach um den Betrag von 366.650,48 EUR (Differenz von 793.454,53 EUR und 426.804,05 EUR).

Im Rahmen der Bescheidbeschwerde vom wurde unter anderem der Antrag auf Aussetzung der Einhebung gem. § 212a BAO für den mit den angefochtenen Bescheiden geltend gemachten Zahlungsanspruch iHv 366.650,48 EUR bis zur Entscheidung über die Beschwerde gestellt.

Dieser Antrag wurde nun mit Bescheid über die Abweisung eines Aussetzungsantrags datiert mit , zugestellt am , abgewiesen. Als Begründung führt die Behörde mit Verweis auf § 212a Abs. 2 lit. b BAO an, dass dem Antrag nicht entsprochen werden konnte, weil das Beschwerdebegehren keine Abweichung von einem Anbringen betrifft.

Hierzu ist zu sagen, dass sich die Bescheidbeschwerde vom gegen die Zuordnung der Verlustvorträge zur Tochtergesellschaft (***1***) statt zur Muttergesellschaft (***Bf1***) richtet. Wie in den Einkommensteuerrichtlinien ausgeführt, hat die Verwertung von Verlustvorträgen von Amts wegen zu erfolgen. Ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen, in welchem Jahr der Verlustvortrag berücksichtigt werden soll, besteht nicht. Der Verlustvortrag ist somit zwingend, sobald als möglich und im größtmöglichen Umfang vorzunehmen (EStR Rz 4504). Die Höhe der vortragsfähigen Verluste ergibt sich aus der Veranlagung der Verlustjahre (Vorjahre). Hinsichtlich der Höhe der verwertbaren Verlustvorträge ergibt sich somit eine Bindungswirkung aus den Vorjahresbescheiden (EStR Rz 4533).

Da die Finanzverwaltung die Verlustvorträge von Amts wegen zu berücksichtigten hat, und hinsichtlich der Verlusthöhe an die im Rechtsbestand befindlichen Vorjahresbescheide gebunden ist, erfolgt die Verlustverwertung folglich nicht aufgrund eines Anbringens des Abgabepflichtigen. Für den Abgabepflichtigen besteht somit gar keine Möglichkeit, die Verlustverwertung durch ein Anbringen zu beeinflussen. Die Abweisung des Aussetzungsantrags auf Basis des § 212a Abs. 2 lit. b BAO erachten wir als unzutreffend.

Aufgrund dessen stellen wir den Antrag auf Aufhebung des Bescheides über die Abweisung eines Aussetzungsantrags datiert mit , zugestellt am , und, wie bereits im Rahmen der Bescheidbeschwerde vom beantragt, auf Aussetzung der Einhebung gem. § 212a BAO für den mit den angefochtenen Bescheiden geltend gemachten Zahlungsanspruch iHv 366.650,48 EUR bis zur Entscheidung über die Bescheidbeschwerde vom .

Wir ersuchen um stattgebende Erledigung."

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Am erging eine abweisende Beschwerdevorentscheidung mit folgender Begründung:

"Im Jahr vor der Bildung einer Unternehmensgruppe gem. § 9 (8) KStG erfolgten zwei Umgründungen jeweils mit Stichtag zum . Im Zuge der Umgründungen ist die ***5***, welche über Verlustvorträge verfügt, untergegangen. In den jeweiligen Anzeigen der Umgründungen gem. § 43 Abs. 1 UmgrStG wurden keine Angaben gemacht auf welche übernehmende Gesellschaft das verlustverursachende Vermögen übergeht.

Erst in der Körperschaftsteuererklärung 2020 für das Gruppenmitglied ***1*** wurde unter der KZ 9860 Vor-und Außergruppenverluste im Sinne des § 9 Abs. 6 Z 4 KStG iHv 1.478.281,34 € erklärt. Bei der Körperschaftsteuererklärung 2020 für die Beschwerdeführerin wurden unter der KZ 619 nur offene Verlustabzüge aus Vorjahren iHv 11.679,43 € erklärt. Beide Veranlagungen erfolgten erklärungsgemäß. In der Bescheidbeschwerde vom betreffend Körperschaftsteuerbescheid 2020 samt Feststellungsbescheide 2020 wird abweichend zu den eingereichten Steuererklärungen die Ansicht vertreten, dass im Jahr 2020 der Verlustvortag zur Gänze bei der BF als Gruppenträger zu berücksichtigen sei. Gem. § 212a Abs. 2 lit. b der Bundesabgabenordnung ist die Aussetzung der Einhebung nicht zu bewilligen, soweit mit der Bescheidbeschwerde ein Bescheid in Punkten angefochten wird, in denen er nicht von einem Anbringen des Abgabepflichtigen abweicht. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

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Dagegen richtet sich der Vorlageantrag vom :

"Antrag gem. § 264 BAO auf Entscheidung über die Beschweidbeschwerde datiert mit gegen den Bescheid über die Abweisung eines Aussetzungsantrags datiert mit , zugestellt am , durch das Bundesfinanzgericht.

Begründung:

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gerichtet an die ***Bf1***, StNr. ***2*** wurde die Beschwerde vom unserer oben angeführten Mandantin gegen den Bescheid über die Abweisung eines Aussetzungsantrags datiert mit , zugestellt am , als unbegründet abgewiesen.

Innerhalb offener Frist wird nun gem. § 264 BAO der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Bundesfinanzgericht gestellt bzw. wird die Vorlage an das Bundesfinanzgericht beantragt. Betreffend die Beschwerdegründe wird auf die Ausführungen in der Bescheidbeschwerde verwiesen und inhaltlich vollumfänglich daran festgehalten.

Den bereits im Rahmen der Bescheidbeschwerde gestellten ANTRAG auf Aufhebung des Bescheides über die Abweisung eines Aussetzungsantrags datiert mit , zugestellt am , und, wie bereits im Rahmen der Bescheidbeschwerde vom beantragt, auf Aussetzung der Einhebung gem. § 212a BAO für den mit den angefochtenen Bescheiden geltend gemachten Zahlungsanspruch iHv 366.650,48 EUR bis zur Entscheidung über die Bescheidbeschwerde vom , halten wir aufrecht.

Auf das bereits Vorgebrachte wird verwiesen. Wir ersuchen um stattgebende Erledigung.

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Mit Schreiben vom teilte die Behörde mit, dass der Beschwerde gegen den Gruppenkörperschaftsteuerbescheid am mit BVE stattgegeben worden sei und legte die BVE dazu vor. Aus der Beschwerdevorentscheidung ergibt sich eine Gutschrift von € 369.571,00. Zur Begründung wurde ausgeführt:

"Mit Vertrag vom wurde von der ***5*** der gesamte Zustellbetrieb, unter Zurückbehaltung der Immaterialgüterrechte, "***6***", an die ***1*** per übertragen.

Anschließend wurde mit Vertrag vom die ***5***, "***6***", als übertragende Gesellschaft mit der ***Bf1*** per verschmolzen.

Die entstandenen Verlustvorträge sind auf die Entwicklung des immateriellen Wirtschaftsgutes "***6***" zurückzuführen.

Folgedessen sind die Verlustvorträge bei der ***Bf1*** zu berücksichtigen. Der Verlustvortrag setzt sich wie folgt zusammen:

1.478.281,33 VV von ***5***

11.679,43 VV von ***Bf1*** laut Aktenlage = € 1.489.960,76

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 212a Abs. 1 BAO ist die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, auf Antrag des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Bescheidbeschwerde die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird.

Abs. 2: Die Aussetzung der Einhebung ist nicht zu bewilligen,

a) soweit die Beschwerde nach Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheint, oder

b) soweit mit der Bescheidbeschwerde ein Bescheid in Punkten angefochten wird, in denen er nicht von einem Anbringen des Abgabepflichtigen abweicht, oder

c) wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet ist.

Abs. 2a: Ungeachtet einer nicht erfolgten oder nicht zu bewilligenden Aussetzung der Einhebung gemäß Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 ist auf Antrag des Abgabepflichtigen die Einhebung der Abgabe in der sich aus dem Bescheid gemäß § 48 Abs. 1 ergebenden Höhe auszusetzen. Dem Antrag ist der Bescheid gemäß § 48 Abs. 1 beizulegen.

Abs. 2b: Der Antrag auf Aussetzung der Einhebung ist zurückzuweisen, wenn

1. keine Beschwerde eingebracht wurde,

2. der Bescheid keine Nachforderung im Sinne des Abs. 1 ausweist,

3. er nach Ergehen einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Beschwerdeverfahren eingebracht wird oder

4. zum Zeitpunkt der Antragstellung ein Insolvenzverfahren anhängig ist.

Abs. 3: Anträge auf Aussetzung der Einhebung können bis zur Entscheidung über die Bescheidbeschwerde (Abs. 1) gestellt werden. Sie haben die Darstellung der Ermittlung des gemäß Abs. 1 für die Aussetzung in Betracht kommenden Abgabenbetrages zu enthalten. Weicht der vom Abgabepflichtigen ermittelte Abgabenbetrag von dem sich aus Abs. 1 ergebenden nicht wesentlich ab, so steht dies der Bewilligung der Aussetzung im beantragten Ausmaß nicht entgegen.

Abs. 4: Die für Anträge auf Aussetzung der Einhebung geltenden Vorschriften sind auf Bescheidbeschwerden gegen die Abweisung derartiger Anträge und auf solche Beschwerden betreffende Vorlageanträge (§ 264) sinngemäß anzuwenden.

Abs. 5: Die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung besteht in einem Zahlungsaufschub. Dieser endet mit Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf (§ 294). Der Ablauf der Aussetzung ist anlässlich einer (eines) über die Beschwerde (Abs. 1) ergehenden

a) Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder

b) Erkenntnisses (§ 279) oder

c) anderen das Beschwerdeverfahren abschließenden Erledigung

zu verfügen. Die Verfügung des Ablaufes anlässlich des Ergehens einer Beschwerdevorentscheidung schließt eine neuerliche Antragstellung im Fall der Einbringung eines Vorlageantrages nicht aus.

Wurden dem Abgabepflichtigen für einen Abgabenbetrag sowohl Zahlungserleichterungen (§ 212) als auch eine Aussetzung der Einhebung bewilligt, so tritt bis zum Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf der Zahlungsaufschub auf Grund der Aussetzung ein.

Abs. 5a: Der Ablauf der nach Abs. 2a bewilligten Aussetzung der Einhebung ist anlässlich des Bescheides gemäß § 48 Abs. 2 oder 3 zu verfügen.

Abs. 6: Wurde eine Abgabenschuldigkeit durch die Verwendung von sonstigen Gutschriften (§ 213 Abs. 1) oder Guthaben (§ 215 Abs. 4) gänzlich oder teilweise getilgt, so sind, falls dies beantragt wurde, die getilgten Beträge in die Bewilligung der Aussetzung der Einhebung einzubeziehen, wenn die Tilgung

a) vor Fälligkeit der Abgabenschuldigkeit oder

b) vor Ablauf einer sonst für ihre Entrichtung gemäß § 210 Abs. 2 zustehenden Frist oder

c) bei später als einen Monat vor ihrer Fälligkeit festgesetzten Abgaben vor Ablauf eines Monats ab Bekanntgabe des maßgeblichen Bescheides oder

d) nach Einbringen des Antrages auf Aussetzung oder

e) innerhalb eines Monats vor Ablauf der Frist des Abs. 7

erfolgte.

Abs. 7: Für die Entrichtung einer Abgabe, deren Einhebung ausgesetzt wurde, steht dem Abgabepflichtigen eine Frist bis zum Ablauf eines Monats ab Bekanntgabe des Bescheides über den Ablauf der Aussetzung (Abs. 5 oder 5a) oder eines die Aussetzung betreffenden Bescheides gemäß § 294 zu. Soweit einem vor Ablauf der für die Entrichtung einer Abgabe zur Verfügung stehenden Frist oder während der Dauer eines diese Abgabe betreffenden Zahlungsaufschubes im Sinn des § 212 Abs. 2 zweiter Satz eingebrachten Antrag auf Aussetzung der Einhebung nicht stattgegeben wird, steht dem Abgabepflichtigen für die Entrichtung eine Nachfrist von einem Monat ab Bekanntgabe des den Antrag erledigenden Bescheides zu.

Abs. 8: Zur Entrichtung oder Tilgung von Abgabenschuldigkeiten, deren Einhebung ausgesetzt ist, dürfen Zahlungen, sonstige Gutschriften (§ 213 Abs. 1) sowie Guthaben (§ 215 Abs. 4) nur auf Verlangen des Abgabepflichtigen verwendet werden. Hiebei ist § 214 Abs. 4 sinngemäß anzuwenden, wenn bei Bekanntgabe des Verwendungszweckes auf den Umstand der Aussetzung der Einhebung der zu entrichtenden oder zu tilgenden Abgabenschuldigkeit ausdrücklich hingewiesen wurde.

Abs. 9: Ab dem Zeitpunkt des Einlangens eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung sind

1. bis zu dessen Ab- oder Zurückweisung oder

2. bei Bewilligung für die Dauer des Zahlungsaufschubes

Aussetzungszinsen in Höhe von zwei Prozent über dem jeweils geltenden Basiszinssatz pro Jahr zu entrichten. Im Fall der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld bis zur Verfügung des Ablaufes (Abs. 5, Abs. 5a) anlässlich der rechtskräftigen Erledigung der Bescheidbeschwerde (Abs. 1) hat die Berechnung der Aussetzungszinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen. Aussetzungszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen.

Begehrt wurde die Aussetzung der Einhebung der Köst 2020 im Ausmaß von € 366.650,48.

Nach überwiegender Lehre und Rechtsprechung setzt die Aussetzung der Einhebung von streitverfangenen Abgaben gemäß § 212a BAO voraus, dass eine Beschwerde, von deren Erledigung die Höhe einer Abgabe abhängig ist, noch anhängig ist (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2267; ; ; ). Dies ergibt sich in Analogie zu § 212a Abs. 5 BAO, wonach ein Ablauf einer bewilligten Aussetzung der Einhebung im Falle des Ergehens einer das Beschwerdeverfahren abschließenden Erledigung zu verfügen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in mehreren Erkenntnissen (u.a. ) die Ansicht, dass ab dem Zeitpunkt der Berufungserledigung (nunmehr Beschwerdeerledigung) eine Bewilligung der Aussetzung nicht mehr in Betracht kommt.

Mit BVE vom hat die Behörde in der Sache entschieden und der Beschwerde hinsichtlich des Körperschaftsteuerbescheides Gruppe 2020 zur StNr. ***2*** stattgegeben.

Im Hinblick auf die dargestellte Sach- und Rechtslage konnte, da nunmehr da keine offene Beschwerde zu einer Abgabenfestsetzung mehr anhängig ist, keine Aussetzung der Einhebung bewilligt werden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine solche Rechtsfrage liegt verfahrensgegenständlich nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 212a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100385.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at