Haftung für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe (Abgabenanspruch, Scheinrechnungen)
Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2023/13/0150. Mit Beschluss v. 7.12.2023 zurückgewiesen.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Mirha Karahodzic MA in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch StB Dr. Michael Kotschnigg, Stadlauer Str. 39, 1220 Wien, über die Beschwerde vom 1. März 2017 gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien Referat Landes- und Gemeindeabgaben vom 23. Jänner 2017, GZ MA6/ARL-772365/16E, betreffend Heranziehung zur Haftung für Rückstände an Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe für den Zeitraum Jänner 2013 bis November 2015 zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und die Haftung auf folgende Abgabenschuldigkeiten iHv insgesamt € 44.529,97 anstatt bisher € 81.413,69 eingeschränkt:
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Monat | Kommunal-steuer 2013 | Kommunal-steuer 2014 | Kommunal-steuer 2015 | Dienstgeberabgabe 2013 | Dienstgeberabgabe 2014 | Dienstgeberabgabe 2015 |
Jänner | 0,00 | 470,94 | 261,75 | 0,00 | 264,00 | 32,00 |
Februar | 0,00 | 2.336,74 | 261,74 | 11,07 | 264,00 | 32,00 |
März | 821,65 | 2.336,74 | 261,75 | 112,00 | 330,00 | 40,00 |
April | 1.094,59 | 2.291,71 | 261,74 | 140,00 | 264,00 | 32,00 |
Mai | 1.094,59 | 2.291,71 | 261,75 | 112,00 | 264,00 | 32,00 |
Juni | 1.095,99 | 2.186,67 | 261,74 | 112,00 | 330,00 | 40,00 |
Juli | 1.097,38 | 2.261,86 | 261,75 | 140,00 | 264,00 | 32,00 |
August | 1.097,38 | 2.261,86 | 261,74 | 112,00 | 264,00 | 40,00 |
September | 1.097,38 | 2.282,74 | 261,74 | 140,00 | 330,00 | 32,00 |
Oktober | 1.097,38 | 2.654,77 | 261,74 | 112,00 | 264,00 | 32,00 |
November | 1.097,38 | 1.277,86 | 261,74 | 112,00 | 264,00 | 38,00 |
Dezember | 1.097,38 | 3.249,02 | - | 140,00 | 330,00 | - |
Gesamt | 10.691,10 | 25.902,62 | 2.879,18 | 1.243,07 | 3.432,00 | 382,00 |
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Bisheriger Verfahrensgang
Strittig ist, ob der Beschwerdeführer zu Recht als Geschäftsführer der nachstehend genannten GmbH für Abgabenrückstände an Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe für den Zeitraum Jänner 2013 bis November 2015 zur Haftung herangezogen werden durfte.
1. Haftungsvorhalt
Der Masseverwalter des Beschwerdeführers wurde im Rahmen eines Haftungsvorhaltes vom 22. September 2016 darüber informiert, dass die nähergenannten und dargestellten Abgabenrückstände der ***S*** GmbH laut Abgabenkonto iHv insgesamt 81.413,69 Euro nicht entrichtet worden seien, wodurch die gesetzlichen Voraussetzungen für die Haftungsinanspruchnahme des Beschwerdeführers gegeben seien. Ihm wurde gemäß § 183 Abs. 4 BAO Gelegenheit gegeben, den Sachverhalt und das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis zu nehmen und sich innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens dazu zu äußern.
Der Masseverwalter äußerte sich nach Fristverlängerung mit Stellungnahme vom 25. Oktober 2016 wie folgt: Der Beschwerdeführer sei laut Firmenbuch von 16. Jänner 2015 bis 15. Jänner 2016 Geschäftsführer der genannten GmbH gewesen. Eine Haftung des Beschwerdeführers für Abgaben vor dem 16. Jänner 2015 bestehe daher schon aus diesem Grunde nicht. Für die Abgaben samt Zuschlägen für das Jahr 2015 werde die Haftung des Beschwerdeführers hingegen anerkannt.
2. Haftungsbescheid
Mit an den Masseverwalter (des Vermögens) des Beschwerdeführers adressiertem Haftungsbescheid vom 23. Jänner 2017 wurde der Masseverwalter als gerichtlich bestellter Masseverwalter im Vermögen des Beschwerdeführers für den Rückstand der ***S*** GmbH an Kommunalsteuer samt Nebenansprüchen iHv 74.079,59 Euro und an Dienstgeberabgabe samt Nebenansprüchen iHv 7.334,10 Euro, jeweils für den Zeitraum Jänner 2013 bis November 2015 haftbar gemacht. Der Betrag sei nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung zu entrichten. Da dem Gemeinschuldner zufolge Gerichtsbeschluss in den die Masse betreffenden Angelegenheiten gemäß den Bestimmungen der Insolvenzordnung die Verfügungsfähigkeit entzogen sei, sei ausschließlich der Masseverwalter als Partei zu behandeln, sodass der Haftungsbescheid an ihn gerichtet worden sei.
3. Beschwerde
Mit Eingabe vom 1. März 2017 erhob der Masseverwalter Beschwerde gegen den Haftungsbescheid wegen der Inanspruchnahme für Abgaben, die vor der Funktion des Beschwerdeführers als Geschäftsführer der genannten GmbH entstanden seien. Der Beschwerdeführer habe sich zu Beginn seiner Funktion durch Einsicht in die Buchhaltung insbesondere Saldenlisten über die wirtschaftliche Situation der ***S*** GmbH informiert. Daraus seien keinerlei Rückstände an Kommunalsteuer- und Dienstgeberabgabe ersichtlich gewesen. Die festgesetzten Abgaben seien nur dadurch erklärlich, dass sie im Rahmen einer Prüfung nachträglich festgesetzt worden seien. Die aus dieser Prüfung resultierenden Differenzen seien für den Beschwerdeführer anlässlich der Übernahme seiner Geschäftsführerfunktion jedenfalls aus der Buchhaltung nicht erkennbar gewesen. Auch der Vorgeschäftsführer habe über Befragen erklärt, dass keine Abgabenverbindlichkeiten entstanden seien. Der Beschwerdeführer habe sämtliche zumutbaren Maßnahmen unternommen um festzustellen, ob die GmbH ihren abgabenrechtlichen Verpflichtungen nachgekommen sei.
Mit Beschluss des HG Wien vom ***1***, wurde der Konkurs des Beschwerdeführers nach rechtskräftiger Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens aufgehoben.
4. Beschwerdevorentscheidung und Vorlageantrag
Mit an den Beschwerdeführer adressierter Beschwerdevorentscheidung vom 13. Dezember 2019 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Mit Eingabe vom 15. Jänner 2020 stellte der nunmehr durch einen Rechtsanwalt vertretene Beschwerdeführer einen Vorlageantrag.
5. Vorhalt an die belangte Behörde
Wie im Parallelverfahren zZ RV/7400140/2020 forderte das Bundesfinanzgericht die belangte Behörde mit Schreiben vom 25. März 2021 auf, bekanntzugeben ob dem gegenständlichen Haftungsbescheid eine bescheidmäßige Festsetzung der haftungsgegenstandlichen Abgaben vorangegangen sei. Weiters wurde um Bekanntgabe und exakte Darlegung der Berechnung der Abgabenfestsetzung, der darauf allenfalls entrichteten Beträge und um Aufgliederung der Nachforderungen auf die einzelnen Monate sowie um Aufklärung, ob an der Haftungsinanspruchnahme des Beschwerdeführers für den vor seiner Geschäftsführertätigkeit liegenden Haftungszeitraum festgehalten werde, ersucht.
6. Stellungnahme der belangten Behörde vom 22. April 2021
Mit Stellungnahme vom 22. April 2021 gab die belangte Behörde bekannt, dass dem Haftungsbescheid keine bescheidmäßige Festsetzung der nunmehr haftungsgegenständlichen Abgaben vorangegangen sei. Es werde daher in den Beilagen auch eine Aufgliederung der Nachforderungen und des Rückstandes auf die einzelnen Monate sowie der Abstattung bekannt gegeben. Zwecks Aufgliederung der Nachforderungen betreffend Kommunalsteuer seien bei den prüfenden Dienststellen die Belege bzw. Unterlagen angefordert worden. Bezüglich der sonstigen Nachverrechnung wie z.B. Geschäftsführerbezüge, Verkehrsstrafen seien laut ÖGK für den Zeitraum 2013-2014 keine Belege mehr vorhanden, weshalb die Aufteilung aufgrund der Informationen laut Niederschrift über die Schlussbesprechung (AS 43 Rückseite) vorgenommen worden sei; wo dies nicht möglich gewesen sei, sei aliquotiert worden. Wörtlich wurde - unter Hinweis auf die mitübermittelten Beilagen - weiters wie folgt ausgeführt:
"Betreffend Fremdleistungen (Scheinrechnungen/nicht gemeldetes Eigenpersonal) wurden die übermittelten Rechnungen dem Monat zugeordnet, in welchem die Barzahlung erfolgte (Zuflussprinzip bei Kommunalsteuer), war diese Information nicht vorhanden, erfolgte die Zuordnung aufgrund des Rechnungsdatums bzw. des in der Rechnung angegebenen Zeitraumes.
War keine Zuordnung möglich, wurde eine Aliquotierung vorgenommen. Für das Jahr 2015 konnten laut zuständiger Dienststelle des Finanzamtes keine Unterlagen übermittelt werden, da in der Saldenliste auf Konto 5800 nur der Betrag laut Kommunalsteuerbericht erfasst ist.
Betreffend Ergebnis GPLA Kornmunalsteuer für das Jahr 2014 wird angemerkt, dass aufgrund der GPLA eine Nachverrechnung an Kommunalsteuer in Höhe von 46.604,14 Euro festgestellt wurde, der Behörde wurde dieser Betrag als Gesamtbetrag übermittelt, da der prüfenden Behörde offensichtlich keine Jahreserklärung übermittelt wurde. Daher wurde die bereits bezahlte Kommunalsteuer laut Jahreserklärung vom Nachverrechnungsbetrag abgezogen.
Ebenso wurde irrtümlicherweise bei der Dienstgeberabgabe 2013-2014 (Schätzung durch die Abgabenprüfgruppe der Magistratsabteilung Rechnungs- und Abgabenwesen) verfahren. Mittels eines Durchschnittslohnes wurde betreffend der Frerndleistungen (75% - für das Jahr 2013:
547.301,33 Euro und für das Jahr 2014: 1.300.822,50 Euro) die Wiener Dienstgeberabgabe ermittelt und die bereits bezahlten Beträge laut Jahreserklärungen in Abzug gebracht.
Es wird eine Einschränkung des Haftungsbetrages betreffend Kommunalsteuer auf 73.267,66 Euro (statt 74.079,59 Euro) und betreffend Díenstgeberabgabe auf 7.253,47 Euro (statt 7.334,10 Euro) angeregt, da am 15. November 2017 eine Quote 894,22 Euro verbucht wurde (davon betreffen 811,93 Euro die Kommunalsteuer, 80,63 Euro die Díenstgeberabgabe und 1,66 Euro Verwaltungsabgeben, s. Beilage 4). Diese Quote wurde in der Beschwerdevorentscheidung irrtümlicherweise nicht berücksichtigt.
An Zahlungen wurden nur die Beträge laut Jahreserklärungen sowie die Quotenzahlungen (für Kommunalsteuer 2013 811,93 Euro, für DGA 80,63 Euro November 2017, also nach Konkurseröffnung) geleistet. Zur Abstattung Dienstgeberabgabe für 2013 wird angemerkt, dass nach Konkurseröffnung ein Guthaben aus div. Verwaltungsabgaben, welches bereits vor Konkurseröffnung bestand, angefordert wurde und am 11.05.2016 der Dienstgeberabgabe für 2013 gegengerechnet wurde (s. Beilage 3: Kontoauszug vom 13.12.201-41).
Betreffend Haftung für Vorzeiträume wird angemerkt, dass ein Teil der Abgabenschulden betreffend Kommunalsteuer und Dienstgeberabgaben durch Rechnungen von Fremddienstleistern (Scheinrechnungen betreffend Juli bis Dezember 2014) entstanden sind, welche laut Buchhalterin ihr erst im Zeitraum Juli bis September 2015 von Herrn ***X*** (war Dienstnehmer der Primärschuldnerin) übergeben wurden (s. AS 43 Rückseite). Herr ***Bf1*** war laut Firmenbuch seit 16. Jänner 2015 Vertreter der Primärschuldnerin und hatte daher im Zeitraum Juli bis September 2015 (in welchem Teile der Scheinrechnungen übergeben wurden) Überwachungs- und Aufsichtspflicht gegenüber den Dienstnehmern. Für die Ordnungsmäßigkeit des Jahresabschlusses für das Jahr 2014 war bereits der Beschwerdeführer verantwortlich.
Die Scheinrechnungen für das Jahr 2013 stammen nur von der Firma ***L1*** KG, laut GPLA Bericht wurden die letzten Dienstnehmer der Firma ***L1*** KG mit 31. Oktober 2012 abgemeldet, laut Finanzamt war vom 4. Februar bis 13. Februar eine Person angemeldet, es konnten daher im Jahr 2013 keine in den Rechnungen angeführten Leistungen (laut GPLA in Höhe von 729.735,11 Euro) durch diese Firma erbracht werden.
Herr Ing. ***Bf1*** war laut Firmenbuch bis 2. März 2012 unbeschränkt haftender Gesellschafter der ***L1*** KG, und laut Firmenbuch ab 2. März 2012 Kommanditist dieser Firma. Außerdem waren die Dienstnehmer Herr ***X*** und Frau ***Y*** sowie Herr ***Z*** laut GPLA-Bericht sowohl Dienstnehmer der ***L1*** KG als auch der ***S*** GmbH. Herr ***Z*** war auch laut Firmenbuch bis 2. März 2012 Kommanditist der Firma ***L1*** KG.
Weder Herr lng. ***Bf1***, noch Herr ***X*** oder Herr Dr. ***V*** konnten dem Betriebsprüfer Auskunft darüber geben, wer die Arbeiten durchgeführt hat. Da die Leistungen laut Ausgangsrechnungen erbracht wurden, konnten diese nur entweder von nicht angemeldetem Personal der ***L1*** KG oder der ***S*** GmbH erbracht worden sein. Diesen Nachweis müsste der Beschwerdeführer erbringen, der zumindest mit Niederschrift vom 20. November 2015 als damaliger Geschäftsführer der Primärschuldnerin mit diesen Vorwürfen konfrontiert wurde. Der Nachweis wurde jedoch nicht erbracht. Im November 2015 ist über das Vermögen der Primärschuldnerin noch nicht der Konkurs eröffnet worden, dieser wurde erst mit 29. April 2016 eröffnet. Mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes hätte der Beschwerdeführer als Vertreter der Abgabenschuldnerin alles unternehmen müssen, um die Vorwürfe des Prüfers ZU entkräften, widrigenfalls er es hinnehmen muss, dass ihm der Vorwurf gemacht werden kann, die Praxis der Scheinrechnungen in der Buchhaltung der ***S*** GmbH während seiner Zeit als Vertreter nicht nur geduldet, sondern auch fortgesetzt zu haben (Teile der Scheinrechnungen wurden erst im Zeitraum Juli bis September 2015 übergeben, zu der Zeit war der Beschwerdeführer bereits Geschäftsführer).
Grundsätzlich hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom 7. Dezember 2000, 2000/16/0601 ausgesprochen, dass sich die Haftung des Außenvertretungsbefugten zwar vor allem auf Abgaben erstreckt, deren Zahlungsterrnin in die Zeit seiner Vertretertätigkeit fällt, darüber hinaus aber auch für noch offene Abgabenschuldigkeiten besteht, weil die Pflicht zur Entrichtung erst mit der tatsächlichen Abstattung endet (vgl. VwGH vom 12. November 1997, 95/16/0155).
Nach Ansicht der Behörde erfolgte die Inanspruchnahme des Beschwerdeführers als Haftungspflichtigen auch für die Vorzeiträume zu Recht.
Die Abgaben im Zeitraum Jänner bis November 2015 fallen in die Geschäflsführertätigkeit des Beschwerdeführers, da die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe für Jänner 2015 am 15. Februar 2015 fällig waren, Herr lng. ***Bf1*** war laut Firmenbuch seit 16. Jänner 2015 Vertreter der Primärschuldnerin."
Diese Stellungnahme übermittelte das Bundesfinanzgericht dem im Akt ausgewiesenen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers. Dieser gab daraufhin die Zurücklegung der Vollmacht bekannt, weshalb die Stellungnahme dem Beschwerdeführer persönlich übermittelt wurde.
7. Eingaben des Beschwerdeführers persönlich
Mit Schreiben vom 24. November 2022 teilte der Beschwerdeführer mit, dass er einen neuen Steuerberater mit seiner Vertretung beauftragt habe und wies darauf hin, dass er bis 23. März 2023 in Privatkonkurs sei; für die ***S*** GmbH sei er am 15. Mai 2018 unter Geschäftszahl ***2*** für die "§ 159 (1,5) Z 3, 161 (1), 153 (1,2) StGB verurteilt".
In einem weiteren Schreiben teilte er mit, wichtig sei zu betonen, dass er sich im Entschuldungsverfahren befinde, und die belangte Behörde nicht durch die Hintertüre ein Gerichtsurteil aushebeln könne. Er lehne alle Vorhalte, vorbehaltlich KSV zur Gänze ab.
Am 27. Jänner 2023 übermittelte der Beschwerdeführer eine handschriftlich verfasste Prozessvollmacht samt Zustellungsbevollmächtigung für das gegenständliche Verfahren.
Am 8. Februar 2022 teilte der damit beauftragte Steuerberater mit, ihm sei eine Prozessvollmacht ohne Zustellvollmacht erteilt worden.
Mit weiterer Eingabe vom 10. Februar 2023 wandte sich der Beschwerdeführer gegen seine Haftungsinanspruchnahme, da er eine mit 27. Dezember 2022 datierte Mahnung über einen Rückstand in Zusammenhang mit der Haftung iHv € 45.033,86 erhalten habe, obwohl der Geschäftsführer ***R*** schon gepfändet werde. Dazu legte er Auszüge aus seinem Kalender aus dem November 2015 und die Skizze einer "Zeitschiene" vor. Am 23. Februar 2023 erfolgte eine weitere handschriftliche Eingabe.
8. Stellungnahme des Beschwerdeführers
Mit Schreiben vom 16. März 2023 erstattete der beauftragte Steuerberater für den Beschwerdeführer die abverlangte Stellungnahme und bestritt das Vorbringen der belangten Behörde ihrem gesamten Inhalt nach. Auszugsweise wurde darin wörtlich wie folgt vorgebracht:
"Selbst wenn man davon ausgehen könnte, dass die Stadt Wien damit im Recht wäre - was sie aber nicht ist träfe die daraus abgeleitete Konsequenz der Vorschreibung von Lohnabgaben nur dann zu, wenn feststünde (also festgestellt wäre), dass diese Bauleistungen nicht von den Subuntemehmen, sondern in Wirklichkeit von eigenen Schwarzarbeitern der ***S*** erbracht worden wären. Doch wurden solche von der damaligen GPLA nicht festgestellt. Der aus der Feder des Prüfers der damaligen WGKK stammende GPLA-Bericht vom 25.11.2015 ist frei von schlüssigen Beweisen samt konkreten und nachprüfbaren Tatsachenkonstatierungen und solcherart als Grundlage zum Nachweis ***S***-eigener Schwarzarbeiter völlig ungeeignet. Dasselbe gilt für die Niederschrift über die Schlussbesprechung vom 20.11.2015. Sie enthält auf Seite 3 Mitte folgende - aus meiner Sicht: entscheidende - Feststellung:
,Da die Leistungen 1t.Ausgangsrechnungen erbracht wurden, hat sich die Firma ***S*** daher möglicher Scheinfirmen bedient oder die Leistungen mit Eigenpersonal erbracht, die nicht auf die o.a. Firmen oder auf die Firma ***S*** gemeldet waren.'
Solcherart endet die Arbeit der GPLA, wo sie richtigerweise erst beginnen hätte müssen. Damit ist die Frage gemeint, wie - mit welchen Gesellschaften und Personen - ***S*** ihre Leistungen auf dem Markt erbracht hat. Prüfer und Stadt Wien bieten dafür drei gleichwertige Lösungen an, konkret die Leistungserbringung durch
> die beanstandeten Subfirmen (zB ***A***, ***SI***) mit deren iS von ihnen zurechenbaren Schwarzarbeitern,
> andere (welche?) Subfirmen,
> ***S*** mittels eigener iS von ihr zurechenbarer Schwarzarbeiter.
Nur in dem zuletzt genannten Fall wäre die Vorschreibung von Lohnabgaben rechtens. Nicht nur, dass sie angesichts einer rechnerischen Wahrscheinlichkeit nur von 33,33 % keine überwiegende oder gar überragende Wahrscheinlichkeit hat, ist sie ermittlungs- und beweisfrei geblieben. Schon deshalb ist die Sache zu Gunsten meines Mandanten entschieden. Der VwGH hat dazu bereits vor knapp 30 Jahren konstatiert (vgl VwGH 24.4.1995, 93/08/0285; doch erfolgt die optische Hervorhebung durch Fettdruck durch mich, den Verfasser dieses Schreibens. Das gilt ohne gegenteiligen Hinweis auch für alle weiteren Zitate):
,Hat die Behörde Zweifel am Beginn der Betriebsführung durch den Pächter aufgrund des Pachtvertrages, ist sie verpflichtet, ein umfassendes Ermittlungsverfahren durchzuführen. Nur aufgrund eines solchen Ermittlungsverfahrens können vom Vertrag abweichende Feststellungen getroffen werden. Legt sie jedoch lediglich den Pachtvertrag und die Vorlageschreiben ihrer Entscheidung zugrunde, kann sie von keinem anderen Übergabezeitpunkt ausgehen.'
Ein solches ,umfassendes Ermittlungsverfahren' zu den leistungserbringenden Gesellschaften und Personen wäre auch hier geboten - ja geradezu altemativlos - gewesen, dass es aber nicht gibt.
Den Hinweisen auf Scheinrechnungen sowohl in der Niederschrift über die Schlussbesprechung als auch in der Stellungnahme der Stadt Wien ist das zu einem Wiener Bauunternehmen ergangene Erkenntnis des VwGH vom 22.2.2017, Ra 2014/13/ 0030, entgegenzuhalten. (…)
Der Hinweis auf die Haftung meines Mandanten auch für die Gemeindeabgaben der Vorjahre ist speziell vor dem von der Stadt Wien selbst zitierten Erkenntnis des VwGH vom 272.2008, 2005/ 13/ 0094 lautet: Der dortige
,Bf war ab 5.8.1996 Geschäftsführer der mit Gesellschaftsvertrag vom 16.1.1996 gegründeten S. GesmbH'.
Solcherart konnte er nur zu Abgaben des laufenden Jahres 1996 herangezogen werden, weil diese GmbH erst damals gegründet worden ist. Trotzdem vermeint die Stadt Wien, dieses Judikat sei eine Art ,Freibrief' dafür, jeden später eintretenden Geschäftsführer für Steuerrückstände bis zur Gründung der GmbH und jedenfalls zurück bis zum (nach § 238 BAO zu beurteilenden) Verjährungseintritt heranziehen zu dürfen (oder zu müssen). Das gibt diese Entscheidung definitiv nicht her. Speziell bei Monatsabgaben wie diesen ist eine Heranziehung auch für Vorperioden überaus problematisch."
Der Beschwerdeführer sieht auch eine "methodisch fehlerhafte Herangehensweise" durch die Prüfer und die Stadt Wien gegeben, und begründet dies wie folgt:
1. Prüfer und Stadt Wien unterstellen den Einsatz von Schwarzarbeitern durch ***S***, obwohl die Arbeit des GPLA-Prüfers drei grundverschiedene Varianten gleichwertig in den Raum stellt.
2. Auch davon war bereits die Rede, dass es das vom Erkenntnis des VwGH vom 24.4.1995, 93/08/0285, eingeforderte ,umfassende Ermittlungsverfahren' nicht gibt. Prüfer und Stadt Wien betonen zwar übereinstimmend, dass ***S*** am Markt aufgetreten ist und dort Leistungen erbracht hat, um es dabei bewenden zu lassen anstatt - wie es deren Aufgabe gewesen wäre - der Schlüsselfrage nachzugehen, wie mit welchen Personen und Gesellschaften ***S*** welche Leistung erbracht hat.
3. Solcherart liegt der Vorschreibung der Gemeindeabgaben und in weiterer Folge der Haftungsinanspruchnahme meines Mandanten eine Vermutungskette mit folgenden drei Gliedern zugrunde:
> Aus der zu 100 % beweisfreien Bekundung von Prüferseite, ***A*** & Co seien nicht leistungserbringen gewesen (Spekulation 1),
> wird gleichermaßen beweisfrei abgeleitet, deren Ausgangsfakturen seien reine Gefälligkeitsrechnungen (Spekulation 2),
> um daraus eine durch nichts belegte Schwarzarbeit durch ***S*** abzuleiten (Spekulation 3).
Methodisch geboten wäre der genau gegenteilige Weg gewesen. Er hätte darin bestanden,
> ***S*** als Subjekt der (genauer: ihrer eigenen) GPLA in deren Fokus der eigenen Arbeit zu stellen,
> sich solcherart mit unserer historischen und nunmehr zu beurteilenden Sachlage erkennbar zu beschäftigen, und
> erst aus nachgewiesener Schwarzarbeit die entsprechenden Schlüsse in Richtung Scheinfakturen zu ziehen oder alternativ
> es bei Nichtvorliegen von Schwarzarbeit bei der Leistungserbringung durch ***A*** & Co zu belassen, was beim Fremdleistungsaufwand zu einem Nullergebnis geführt hätte.Dass diese Ermittlungsdefizite heute - bis zu zehn Jahre später - nicht mehr sanierbar sind, versteht sich von selbst, liegt aber nur sehr bedingt an meinem Mandanten.
Abschließend führt der Beschwerdeführer das Vorliegen sekundärer Feststellungsmängel ins Treffen, die auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung beruhten, und untermauert diese mit Beispielen betreffend die Frage der "Existenz einer ,schwarzen Kasse' als Grundvoraussetzung für Schwarzlohnzahlungen durch ***S***" bzw. von Kick-back-Zahlungen von ***A*** & Co in den Einflussbereich der damaligen Machthaber der ***S***.
9. Replik der belangten Behörde vom 4. April 2023
In der dagegen eingebrachten Replik vom 4. April 2023 hält die belangte Behörde fest, dass es im Abgabenrecht keine absolut verbindlichen Beweislastregeln gebe. Der Beschwerdeführer habe Gelegenheit gehabt im Bescheidbeschwerdeverfahren Stellung zu nehmen. Außerdem lasse er unerwähnt, dass im Parallelverfahren die Revision eines ehemaligen Geschäftsführers der Primärschuldnerin zurückgewiesen worden sei, wobei der ehemalige Geschäftsführer in diesem Parallelverfahren ebenfalls vom hier tätigen Steuerberater vertreten gewesen sei.
Die belangte Behörde räumt allerdings ein, dass die Abgaben im Parallelverfahren zu BFG 28. Oktober 2021, RV/7400140/2020, auf einen Betrag iHv € 41.268,79 für den Zeitraum Jänner 2013 bis Dezember 2014 eingeschränkt worden seien, da nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes zusätzlich zum geschätzten Gehaltsaufwand von 50 % der Fremdleistungen kein Sicherheitszuschlag eingesetzt werden dürfe. Gegen diese Vorgangsweise bestehe analog der Entscheidung im Parallelverfahren von Seiten der belangten Behörde keine Einwände, jedoch unter Berücksichtigung der Säumniszuschläge.
Zur Thematik der Heranziehung auch für Vorperioden werde auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach sich ein Geschäftsführer bei Übernahme seiner Funktion noch darüber zu unterrichten habe, ob und in welchem Ausmaß die von ihm nunmehr vertretene Gesellschaft bisher ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen sei, weil die Pflicht zur Abgabenentrichtung erst mit deren Abstattung Ende.
Die Haftungsinanspruchnahme für Vorzeiträume inklusive Nebengebühren erfolge daher im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Seit dem letzten übermittelten Kontoauszug vom 14. April 2021 seien keine Zahlungen erfolgt.
Mit Berücksichtigung der Entscheidung des BFG vom 28. Oktober 2021, RV/7400140/2020, werde daher der Einschränkung auf folgende Beträge zugestimmt:
Kommunalsteuer samt Säumniszuschläge 1-12/2013:
Dienstgeberabgabe samt Säumniszuschläge 1-12/2013:
Kommunalsteuer samt Säumniszuschläge 1-12/2014:
Dienstgeberabgabe samt Säumniszuschläge 1-12/2014:
Der Rückstand an Kommunalsteuer 1-12/2015 samt Säumniszuschlägen sei nicht Gegenstand der Entscheidung des BFG vom 28. Oktober 2021, RV/740140/2020, gewesen und setze sich wie folgt zusammen:
Dienstgeberabgabe 1-12/2015 samt Säumniszuschlägen:
Abschließend enthält das Schreiben folgende Anmerkung:
"Im Vergleich zur Aufteilung des Rückstandes für das Jahr 2015 nach Monaten, welche mit Schreiben vom 22. April 2021 übermittelt wurde, wurden in obiger Aufstellung die Centdifferenzen betreffend Säumniszuschlag für September 2015 berichtigt. Für den Säumniszuschlag betreffend Kommunalsteuer macht dies +1 Cent aus, für den Säumniszuschlag betreffend Dienstgeberabgabe -4 Cent, da die Säumniszuschläge laut Haftungsbescheid vom 23.Jänner 2017 jeweils 57,58 Euro betreffend Kommunalsteuer bzw. 7,64 Euro betreffend Dienstgeberabgabe betragen."
10. Stellungnahme des Beschwerdeführers
Diese Stellungnahme wurde dem Beschwerdeführer zusammen mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übermittelt und ihm freigestellt, sich dazu zu äußern. Daraufhin zog der steuerliche Vertreter den Antrag auf mündliche Verhandlung "definitiv und unwiderruflich" zurück. Die Eingabe des Magistrates der Stadt Wien werde auf die betragsmäßige Einschränkung ihrem gesamten Inhalt nach bestritten. Hinsichtlich der ***A*** GmbH wurde ausgeführt, dieser Fremdleister sei gleich zweimal bei steuerlichen Außenprüfungen von Wiener Bauunternehmen als Leistungserbringer anerkannt worden. Bei einer Subfirma, die vom Fiskus in zwei Fällen nachweislich als operativ tätig anerkannt worden sei, sei deren behauptete nicht Leistungserbringung in einem Dritten - dem hiesigen - Fall kritisch zu hinterfragen. Vor allem hätte ergänzender Ermittlungen bedurft, um zu der für Zwecke der BAO nötigen Eindeutigkeit der operativen Untätigkeit zu gelangen. Im Übrigen seien die in der Niederschrift über die Schlussbesprechung zitierten Angaben des damaligen Geschäftsführers der ***A*** GmbH zu kurz geraten; denke man die Bekundung des Prüfers, diese GmbH sei für die ***S*** tatsächlich nicht Leistungserbringung gewesen, konsequent zu Ende, so müsste diese ihre als solche unstrittigen Leistungen auf dem Markt mithilfe eigener Schwarzarbeiter erbracht haben. Doch werde deren Existenz nicht einmal behauptet. Die Stadt Wien habe aus der privaten Insolvenz des Beschwerdeführers Zahlungen erhalten, die soweit ersichtlich bisher unberücksichtigt geblieben sein. Entsprechende Unterlagen lägen zur Kenntnisnahme bei, zudem habe die Stadt Wien dort nur einen Teil ihrer Forderungen angemeldet. Soweit dies unterblieben sei, gingen die damit einhergehenden Abgabenausfälle zu deren Lasten. Ein schlüssiger Beweis für das schuldhafte Verhalten des Beschwerdeführers liege noch immer nicht vor.
11. Mitteilung der belangten Behörde vom 26. Mai 2023
Mit E-Mail vom 26. Mai 2023 teilte die belangte Behörde mit, zum inhaltlichen Vorbringen des Beschwerdeführers werde keine weitere Stellungnahme abgegeben. Zu den Zahlungen aufgrund des Abschöpfungsverfahrens des Beschwerdeführers werde darauf hingewiesen, dass diese Zahlungen aufgrund der Forderungsanmeldung betreffend Bauunternehmung ***L*** GmbH und ***L1*** GmbH erfolgt seien und daher nicht auf den offenen Rückstand der ***S*** GmbH angerechnet worden seien. Die Rückstände der ***S*** GmbH seien im Konkursverfahren des Beschwerdeführers zZ ***1*** nicht angemeldet worden und deshalb sei für diese Firma auch keine Quote aus der Abschöpfung erhalten worden.
Der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers teilte mit, dazu keine weitere Gegenäußerung zu erstatten.
12. Parallelverfahren RV/7400140/2020
Im Parallelverfahren zZ RV/7400140/2020 wurde der Beschwerde des ***R*** gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 23. Jänner 2017 betreffend Haftung gemäß § 6a des Kommunalsteuergesetzes 1993 und § 6a Dienstgeberabgabe Gesetzes teilweise Folge gegeben und die Haftung auf Abgabenschuldigkeit iHv insgesamt € 41.268,79 statt bisher € 78.087,29 wie folgt eingeschränkt:
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Kommunalsteuer 2013 | Kommunalsteuer 2014 | Dienstgeberabgabe 2013 | Dienstgeberabgabe 2014 | |
Jänner | 0,00 | 470,94 | 0,00 | 264,00 |
Februar | 0,00 | 2.336,74 | 11,07 | 264,00 |
März | 821,65 | 2.336,74 | 112,00 | 330,00 |
April | 1.094,59 | 2.291,71 | 140,00 | 264,00 |
Mai | 1.094,59 | 2.291,71 | 112,00 | 264,00 |
Juni | 1.095,99 | 2.186,67 | 112,00 | 330,00 |
Juli | 1.097,38 | 2.261,86 | 140,00 | 264,00 |
August | 1.097,38 | 2.261,86 | 112,00 | 264,00 |
September | 1.097,38 | 2.282,74 | 140,00 | 330,00 |
Oktober | 1.097,38 | 2.654,77 | 112,00 | 264,00 |
November | 1.097,38 | 1.277,86 | 112,00 | 264,00 |
Dezember | 1.097,38 | 3.249,02 | 140,00 | 330,00 |
Gesamt | 10.691,10 | 25.902,62 | 1.243,07 | 3.432,00 |
Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig erklärt.
Die im Verfahren RV/7400140/2020 vom dortigen Beschwerdeführer erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 31.1.2022, zZ Ra 2022/13/0001, zurückgewiesen. Darin führte der Verwaltungsgerichtshof zum Revisionsvorbringen, das angefochtene Erkenntnis sei unter anderem auf dem Revisionswerber nicht zugängliches Rechenwerk von Fremdleistungen gestützt worden, auszugsweise wie folgt aus:
"Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass es mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar ist, einen Bescheid auf der Partei nicht zugängliche Beweismittel zu stützen (vgl. zuletzt VwGH 14.1.2022, Ra 2021/13/0083, mwN). Im vorliegenden Fall wurden aber sämtliche Umstände, auf die sich die belangte Behörde und das Bundesfinanzgericht stützten, dem Revisionswerber - insbesondere im Wege eines ausdrücklichen Vorhalts durch das Bundesfinanzgericht - (und zuvor bereits Vertretern der S GmbH) offengelegt und zugänglich gemacht. Insbesondere zu dem als dem Revisionswerber nicht zugänglich gerügten Rechenwerk von Fremdleistern ist zu bemerken, dass etwa Saldenlisten der A GmbH vorgehalten wurden; eine (konkrete) Stellungnahme hiezu erfolgte aber nicht. Die geltend gemachte Rechtswidrigkeit liegt sohin nicht vor.
27 Sodann wird gerügt, die belangte Behörde und das Bundesfinanzgericht hätten großteils mit unstatthafter Beweislastumkehr agiert. Der Revisionswerber führt dazu aus, die Beweislast lege fest, zu wessen Lasten es gehe, wenn eine Tatsache unbewiesen geblieben sei. Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass das Bundesfinanzgericht (positive) Feststellungen getroffen hat; ein ,non liquet'-Fall liegt nicht vor; Fragen der Beweislast stellen sich somit hier nicht.
28 Wenn in der Folge geltend gemacht wird, es liege keine Beweiswürdigung vor, so enthält das angefochtene Erkenntnis aber - wenn auch nicht unter gesonderter Überschrift ausgewiesene - Erwägungen zur Beweiswürdigung, wenn es (hier zwar unüblich vor der Darlegung, von welchem Sachverhalt das Bundesfinanzgericht ausgeht; Seite 46 des angefochtenen Erkenntnisses) konkret die Umstände dafür nennt, die gegen die Leistungserbringung durch die Subunternehmen sprechen (Seiten 43 ff des angefochtenen Erkenntnisses). Die Zulässigkeit der Revision begründende Mängel der Beweiswürdigung kann die Revision mit ihren abstrakt gehaltenen Ausführungen nicht darlegen. Insbesondere hat das Bundesfinanzgericht auch nicht aus dem bloßen Misslingen eines Nachweises auf das Erwiesensein des Gegenteils geschlossen; der Revisionswerber (und zuvor Vertreter der S GmbH) haben vielmehr - trotz Vorhalts und Aufforderung - keine Beweise beigebracht (oder auch nur beantragt). Entgegen der Revisionsbehauptung ist auch nicht vom Fehlen von schlüssigen Beweisen auszugehen, wenn etwa auf die Aussage des Geschäftsführers eines (behaupteten) Subunternehmers verwiesen wird.
29 Die Revision macht weiters Feststellungsmängel geltend. Dazu führt die Revision zunächst aus, der Besteuerung seien reale, nicht davon abweichende (fiktive) Sachverhalte zu Grunde zu legen. Dies sei aber hier der Fall, führe das Bundesfinanzgericht doch aus, dass letztendlich der festgestellte und nicht der tatsächliche Sachverhalt die Grundlage für die behördliche Entscheidung bilde. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass das Bundesfinanzgericht - wie es in der Folge ohnehin (mit Verweis auf Stoll, BAO, § 166, Seite 1754) darlegt - damit nur darauf verweist, dass die in der Vergangenheit liegenden Tatsachen nicht mit absoluter Gewissheit erkannt werden könnten; es seien aber in einem geordneten Verfahren jene Feststellungen zu treffen, von denen anzunehmen sei, dass sie dem tatsächlichen Geschehen in einem hohen Maße entsprechen. Das Bundesfinanzgericht legt somit - entgegen den Behauptungen des Revisionswerbers - keineswegs einen bloß fiktiven Sachverhalt zu Grunde. Eine Mangelhaftigkeit des angefochtenen Erkenntnisses kann damit nicht aufgezeigt werden.
30 Entgegen den wiederholten Behauptungen des Revisionswerbers ist das angefochtene Erkenntnis auch keineswegs ,frei von jeglicher Beweiswürdigung und damit von konkreten und nachprüfbaren Tatsachenkonstatierungen'. Das angefochtene Erkenntnis schildert (wenn auch sehr knapp zusammengefasst) den von ihm angenommenen Sachverhalt und begründet ausführlich, welche Erwägungen zur Annahme dieses Sachverhalts geführt haben.
31 Wenn schließlich geltend gemacht wird, nach § 21 Abs. 1 BAO sei auf das ,wirtschaftliche Substrat' durchzugreifen, ist nicht erkennbar, in welcher Weise hier äußere Erscheinungsformen des Sachverhalts vom wahren wirtschaftlichen Gehalt abweichen sollen. Das Bundesfinanzgericht geht davon aus, dass behauptete Fremdleistungen nicht erbracht wurden, sondern dass diese Leistungen durch eigene (wenn auch nicht ,offizielle') Mitarbeiter erfolgten. Aus welchem Grunde näher auf die operative Seite des Baugeschäfts der S GmbH einzugehen gewesen wäre, ist gleichfalls nicht erkennbar; dass die S GmbH die von ihr geschuldeten Leistungen erbracht hat (wenn auch nicht mit den von ihr behaupteten Subunternehmern), ist nicht strittig."
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
1. Der Beschwerdeführer war von 16. Jänner 2015 bis29. Dezember205 als alleiniger Geschäftsführer der "***S*** GmbH" im Firmenbuch eingetragen (vgl. historischer Firmenbuchauszug zu FN ***FNr***). Bis zur Bestellung des Beschwerdeführers warseit 29. Juni 2011 ***R*** alleiniger Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen.
2. Im Zuge einer GPLA (Gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben) durch den zuständigen Krankenversicherungsträger wurde die Primärschuldnerin einer Kommunalsteuerprüfung für die Jahre 2013 und 2014 unterzogen.
Am 20. November 2015 wurde die Niederschrift über die Schlussbesprechung gemäß § 149 Abs. 1 BAO bei der Wiener Gebietskrankenkasse betreffend die Prüfung der GmbH im Zeitraum 1. Jänner 2013 bis 31. Dezember 2104 aufgenommen.
Der Bericht des Finanzamtes gemäß § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung vom 25. November 2015 betreffend Prüfung der Lohnsteuer, des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag im Zeitraum 1. Jänner 2013 bis 31. Dezember 2014 erging an die GmbH. Es kam dabei zum einen einer pauschalen Nachverrechnung, nämlich zum einen der Geschäftsführerbezüge nach § 41 FLAG, sowie zum anderen, weil im Jahr 2013 und 2014 diverse Arbeiten durch Scheinfirmen oder nicht gemeldetes Eigenpersonal durchgeführt worden waren, sodass 75% der Nettorechnungssummen der Lohnsteuer, dem Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag und der Kommunalsteuer unterzogen wurden. Weiters wurde ein Sicherheitszuschlag iHv 25% der Bemessungsgrundlage verhängt.
Für das Jahr 2015 kam es zu pauschalen Nachverrechnungen (gemäß § 184 BAO), da keine prüfungsrelevanten Unterlagen vorgelegt worden waren (vgl. Verwaltungsakt der belangten Behörde, AS 6-12).
Die gegen die in diesem Zusammenhang ergangenen Haftungs- und Abgabenbescheide (L, DB, DZ) betreffend die Jahre 2013 und 2014 erhobene Beschwerde der GmbH wurde mit rechtskräftiger Beschwerdevorentscheidung vom 29. Oktober 2018 als unbegründet abgewiesen (Verwaltungsakt der belangten Behörde, AS 49-51).
Die Primärschuldnerin selbst hat in einer abgegebenen Dienstgeberabgabeerklärung für das Jahr 2014 246,00 Euro erklärt (Verwaltungsakt, AS 12) sowie in einer Kommunalssteuererklärung für das Kalenderjahr 2014 (AS 13-14) 762,77 Euro. Für das Jahr 2015 wurden gar keine Unterlagen vorgelegt.
3. Mit Beschluss des HG Wien vom 29. April 2016 wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin der Konkurs eröffnet und mit Beschluss vom 13. Mai 2016 die Schließung des Unternehmens angeordnet.
4. Über das Vermögen des Beschwerdeführers kam es mit Beschluss vom 15. Jänner 2016 zur Eröffnung des Konkurses und Bestellung eines Masseverwalters. Mit Beschluss des HG Wien vom ***1***, wurde der Konkurs des Beschwerdeführers nach rechtskräftiger Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens aufgehoben.
5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 23. Jänner 2017 wurde der Beschwerdeführer für darin näher genannten folgende Abgabenschulden der ***S*** GmbH zur Haftung herangezogen.
6. Auch ***R*** - der vormalige Geschäftsführer der Primärschuldnerin - wurde mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 23. Jänner 2017, GZ MA6/ARL-386696/16E, für die Jahre2013 und 2014 für diesselben Abgabenbeträge hinsichtlich Kommunalsteuer und Dienstgeberabgaben samt Säumniszuschlägen herangezogen.
7. Mit rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 28. Oktober 2021, RV/7400140/2020, wurde der Beschwerde des ***R*** gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 23. Jänner 2017 betreffend Haftung gemäß § 6a des Kommunalsteuergesetzes 1993 und § 6a Dienstgeberabgabe Gesetzes teilweise Folge gegeben und die Haftung auf Abgabenschuldigkeiten iHv insgesamt € 41.268,79 statt bisher € 78.087,29 wie folgt eingeschränkt:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Kommunalsteuer 2013 | Kommunalsteuer 2014 | Dienstgeberabgabe 2013 | Dienstgeberabgabe 2014 | |
Jänner | 0,00 | 470,94 | 0,00 | 264,00 |
Februar | 0,00 | 2.336,74 | 11,07 | 264,00 |
März | 821,65 | 2.336,74 | 112,00 | 330,00 |
April | 1.094,59 | 2.291,71 | 140,00 | 264,00 |
Mai | 1.094,59 | 2.291,71 | 112,00 | 264,00 |
Juni | 1.095,99 | 2.186,67 | 112,00 | 330,00 |
Juli | 1.097,38 | 2.261,86 | 140,00 | 264,00 |
August | 1.097,38 | 2.261,86 | 112,00 | 264,00 |
September | 1.097,38 | 2.282,74 | 140,00 | 330,00 |
Oktober | 1.097,38 | 2.654,77 | 112,00 | 264,00 |
November | 1.097,38 | 1.277,86 | 112,00 | 264,00 |
Dezember | 1.097,38 | 3.249,02 | 140,00 | 330,00 |
Gesamt | 10.691,10 | 25.902,62 | 1.243,07 | 3.432,00 |
Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig erklärt.
Die im Verfahren RV/7400140/2020 vom dortigen Beschwerdeführer ***R*** erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Jänner 2022, zZ Ra 2022/13/0001, zurückgewiesen.
8. Hinsichtlich der Scheinrechnungen betreffend die Jahre 2013 und 2014 trifft das Bundesfinanzgericht basierend auf den vorliegenden Akten und Unterlagen in diesem, aber auch im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren zu RV/7400140/2020, in die Einsicht genommen wurde, folgende Feststellungen:
Die Primärschuldnerin hat Rechnungen der Firmen ***A*** GmbH, ***SI*** GmbH ***H*** GmbH und ***L1*** KG für die Durchführung von Fremdleistungen in die Buchhaltung aufgenommen.
Die Eingangsrechnungen der Subunternehmer sind Deckungsrechnungen bzw. gefälschte Rechnungen. Ihnen liegt keine in der in den Rechnungen ausgewiesenen Form bestanden habende Geschäftsbeziehung zu Grunde. Die behaupteten Barzahlungen an diese Firmen wurden nicht geleistet. Die Arbeiten an die Auftraggeber der Primärschuldnerin wurden jedoch erbracht, demnach wurden durch die Primärschuldnerin Arbeitskräfte eingesetzt, über die sie nach ihren Gebarungen zu lohnabhängigen Abgaben und Meldungen zur Krankenkasse offiziell nicht verfügt hat.
Der tatsächliche Aufwand für eingesetzte Arbeiter ist zahlenmäßig nicht ermittelbar.
Durch den Geschäftsführer ***R*** erfolgten Abhebungen am Bankomaten, die unbestrittenermaßen als Geschäftsführerbezügen zu werten sind. Vom Betrieb wurden die SVA-Beiträge und Verkehrsstrafen - sowohl vom Geschäftsführer ***R*** als auch von den Dienstnehmern ***X*** und ***Z*** übernommen. Rechnungen für Bekleidung wurden in die Buchhaltung aufgenommen, obwohl es sich nicht um Arbeitskleidung handeln kann, da die Kleidung von Bekleidungsfirmen wie Hilfiger, Hugo Boss, Ralph Lauren etc. gekauft wurde.
Ein Teil der Scheinrechnungen (betreffend den Zeitraum Juli bis Dezember 2014) wurde der Buchhalterin erst im Zeitraum Juli bis September 2015 von Herrn ***X*** übergeben wurden (vgl. AS 43 Rückseite/Verwaltungsakt). Für die Ordnungsmäßigkeit des Jahresabschlusses für das Jahr 2014 war bereits der Beschwerdeführer verantwortlich.
Die Scheinrechnungen für das Jahr 2013 stammen ausschließlich von der Firma ***L1*** KG, deren unbeschränkt haftender Gesellschafter bis 2. März 2012 und ab 2. März 2012 deren Kommanditist der Beschwerdeführer war (vgl. Firmenbuch zu FN ***3***).
2. Beweiswürdigung
Einleitend wird auf Grund der Behauptungen des Beschwerdeführers zu mangelnder Ermittlungstätigkeit, sowie zu den Themen Beweislosigkeit und Beweislastumkehr auf Folgendes hingewiesen:
Das Abgabenverfahren ist dadurch gekennzeichnet, dass einerseits die Abgabenbehörde die Verpflichtung zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit trifft (§ 115 BAO), andererseits aber der Abgabepflichtige in Erfüllung seiner Offenlegungspflicht (§ 119 BAO) dazu verhalten ist, die Richtigkeit der in seinen Anbringen dargetanen Umstände zu beweisen bzw. glaubhaft zu machen (§ 138 BAO)
Nach § 115 BAO haben die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Zu erforschen ist die materielle Wahrheit (Ritz, BAO6 § 115 Tz 4).
Die amtswegige Ermittlungspflicht der Abgabenbehörden besteht innerhalb der Grenzen ihrer Möglichkeiten und des vom Verfahrenszweck her gebotenen und zumutbaren Aufwandes (VwGH 26.1.2004, 2000/17/0172; 21.2.2007, 2005/17/0088; 15.12.2009, 2006/13/0136; Ritz, BAO6 § 115 Tz 7)
Die Abgabenbehörde trägt zwar die Feststellungslast für alle Tatsachen, die vorliegen müssen, um einen Abgabeanspruch geltend machen zu können, doch befreit dies die Partei nicht von ihrer Offenlegungs- und Mitwirkungspflicht (zB VwGH 28.1.1998, 95/13/0069; 7.6.2005, 2001/14/0187; 23.2.2010, 2007/15/0292).
Gemäß § 119 Abs. 1 BAO sind die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsame Umstände vom Abgabepflichtigen nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offenzulegen. Die Offenlegung muss vollständig und wahrheitsgemäß erfolgen. Gemäß Abs. 2 leg.cit. dienen der Offenlegung insbesondere die Abgabenerklärungen, Anmeldungen, Anzeigen, Abrechnungen und sonstige Anbringen des Abgabepflichtigen, welche die Grundlage für abgaberechtliche Feststellungen, für die Festsetzung der Abgaben, für die Freistellung von diesen oder für Begünstigungen bilden oder die Berechnungsgrundlagen der nach einer Selbstberechnung des Abgabepflichtigen zu entrichtenden Abgaben bekanntgeben.
Vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen bedeutet, der Abgabenbehörde nicht nur ein richtiges und vollständiges, sondern auch ein klares Bild von den für die Abgabenerhebung maßgeblichen Umständen zu verschaffen (VwGH 20.9.1989,88/13/0072; OGH 18.12.1995, 14 Os 83/95, ÖStZB 1996, 445; VwGH 25.1.1999, 93/17/0313; siehe auch Kotschnigg, Beweisrecht, BAO § 119, Tz 35).
Beide Pflichten (amtswegige Ermittlungspflicht und Offenlegungspflicht der Partei) bestehen grundsätzlich nebeneinander und schließen einander nicht aus. Die amtswegige Ermittlungspflicht besteht zwar auch dann, wenn die Partei ihre Verpflichtungen (Offenlegungs- und Mitwirkungspflicht) verletzt (vgl zB bei Nichtbeantwortung eines Vorhaltes, VwGH 5.11.1986, 85/13/0012), doch wird ihr Umfang durch solche Pflichtverletzungen beeinflusst (vgl. VwGH 3.11.1986, 84/15/0197; 27.9.1990, 89/16/0225). In dem Ausmaß, in dem die Partei zur Mitwirkung an der Wahrheitsfindung ungeachtet ihrer Verpflichtung hiezu nicht bereit ist bzw eine solche unterlässt, tritt die Verpflichtung der Behörde, den Sachverhalt nach allen Richtungen über das von ihr als erwiesen erkannte Maß hinaus zu prüfen, zurück (zB VwGH 30.5.2001, 99/13/0024; 27.11.2001, 97/14/0011; 22.4.2009, 2004/15/0144).
Die Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes findet dort ihre Grenze, wo nach Lage des Falles nur die Partei Angaben zum Sachverhalt machen kann (VwGH 25.10.1995, 94/15/0131, 94/15/0181; 15.12.2009, 2006/13/0136).
Gemäß § 138 Abs. 1 BAO haben die Abgabenpflichtigen und die diesen im § 140 gleichgestellten Personen in Erfüllung ihrer Offenlegungspflicht (§ 119) zur Beseitigung von Zweifeln den Inhalt ihrer Anbringen zu erläutern und zu ergänzen sowie dessen Richtigkeit zu beweisen. Kann ihnen ein Beweis nach den Umständen nicht zugemutet werden, so genügt die Glaubhaftmachung. Gemäß Abs. 2 leg.cit. sind Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere, Schriften und Urkunden auf Verlangen zur Einsicht und Prüfung vorzulegen, soweit sie für den Inhalt der Anbringen von Bedeutung sind.
§ 138 Abs. 1 BAO betrifft vor allem die Feststellung solcher Verhältnisse, die für die Abgabenbehörden nur unter Mithilfe der Abgabepflichtigen aufklärbar sind, also Umstände, denen der Abgabepflichtige hinsichtlich der Beweisführung näher steht, als die Abgabenbehörde (zB VwGH 24.2.2004, 99/14/0247). Es handelt sich um Tatsachen, bei deren Beweisbarkeit der Abgabepflichtige vorsorglich wirken kann (VwGH 12.6.1990, 89/14/0173). (Ritz, BAO5, § 138 Tz 1)
Gemäß § 167 Abs. 1 BAO bedürfen Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, keines Beweises.
Gemäß Abs. 2 hat im Übrigen die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Nach ständiger Rechtsprechung genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (zB VwGH 23.9.2010, 2010/15/0078; 28.10.2010, 2006/15/0301; 26.5.2011, 2011/16/0011; 20.7.2011, 2009/17/0132, siehe auch Ritz, BAO5, § 167 Tz 8).
Nach § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist.
Dabei ist festzuhalten, dass letztendlich der festgestellte - und nicht der tatsächliche - Sachverhalt die Grundlage für die behördliche Entscheidung bildet. Die in der Vergangenheit liegenden Tatsachen können nicht mit absoluter Gewissheit erkannt werden, da die Wahrheit der menschlichen Erkenntnis verschlossen ist. Vielmehr geht es darum, der Wirklichkeit möglichst nahe zu kommen, somit in einem geordneten Verfahren jene Feststellungen zu treffen, von denen anzunehmen ist, dass sie dem tatsächlichen Geschehen in einem hohen Maße entsprechen und zwar in einem höheren Maße als andere ebenfalls mögliche Sachverhaltsannahmen bildet (vgl. Stoll, BAO Kommentar, § 166, Seite 1754).
Die getroffenen Feststellungen fußen daher auf nachstehender Beweiswürdigung, die sich aus den Eingaben des Beschwerdeführers, den Eingaben der belangten Behörde, aber auch aus der Einsicht in den Akt zu RV/7400140/2020 ergibt:
Die Feststellungen unter 1.-7. ergeben sich aus den genannten oder in Klammer angeführten unbedenklichen Unterlagen, die im Verwaltungsakt der Behörde oder des Bundesfinanzgerichts enthalten sind.
Die Feststellungen zu 8. ergeben sich aus den folgenden Überlegungen:
Die prüfende Behörde sowie das Finanzamt sind in freier Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gelangt, dass die in den Eingangsrechnungen angeführten Leistungen nicht von den angegebenen Unternehmen erbracht wurden, sondern von der Primärschuldnerin selbst mit Schwarzarbeitern oder von anderen unbekannten Subunternehmen. 75% der Nettorechnungssummen wurden den Lohnabgaben unterzogen. Weiters wurde ein Sicherheitszuschlag von 25% verhängt. Die belangte Behörde hat sich dem (zunächst) angeschlossen und daraus die Bemessungsgrundlage für die dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Abgabennachforderungen ermittelt.
Die Prüfungsfeststellungen zu den Geschäftsführerbezügen, Verkehrsstrafen, Bekleidung, SVA-Beiträge wurden vom Beschwerdeführer nicht in Streit gestellt und sind daher als zutreffend anzusehen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, kommt der Frage der Erweislichkeit von behaupteten vertraglichen Beziehungen (Erbringung bestimmter Leistungen einerseits und Zahlungsfluss andererseits) entscheidende Bedeutung zu (z.B. VwGH 22.03.2006, 2002/13/0116). Gegen die Leistungserbringung durch die Subunternehmen sprechen folgende Umstände:
a) ***A*** GmbH:
Bei den vorgelegten Rechnungen handelt es sich um Fälschungen, der damalige Geschäftsführer der ***A*** GmbH hat erklärt, keine Geschäftsbeziehungen mit der ***S*** gehabt zu haben. Bei den Kassabelegen handelt es sich um die gleiche Schrift wie bei ***SI*** GmbH.
b) ***SI*** GmbH
Auch hier handelt es sich um gefälschte Rechnungen, bei den Kassabelegen handelt es sich um die gleiche Schrift wie bei der ***A*** GmbH. Der GF ***W*** hatte niemals einen aufrechten Wohnsitz im Inland.
Wenn auch der Wohnsitz eines Geschäftsführers nicht Voraussetzung für die Tätigkeit einer in Österreich eingetragenen Gesellschaft ist, ist festzustellen, dass ungeachtet einer entsprechenden Vorschrift dessen Fehlen ein Indiz für die mangelnde Leistungserbringung sein kann, (vgl. VwGH 22.10.2010, 2007/15/0173):
"Die S.GmbH war an der angegebenen Anschrift ebenso unbekannt wie ihr Geschäftsführer, der nach den Meldedaten sich am 12. Juli 2001, also lange vor den Rechnungsdaten, ins Ausland abgemeldet hat. Das Beweisverfahren hat daher keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass durch die behaupteten Gesellschaften Leistungen an die Gemeinschuldnerin erbracht worden sind…"
c) ***H*** GmbH
Die Firma hatte keine Dienstnehmer angemeldet.
d) ***L1*** KG
Die letzten Dienstnehmer der Firma ***L1*** KG wurden mit 31. Oktober 2012 abgemeldet, die Dienstnehmer Herr und Frau ***XY*** sowie ***Z*** waren sowohl Dienstnehmer der ***L1*** KG als auch der ***S*** GmbH (vgl. Niederschrift über die Schlussbesprechung WGKK, S. 3). ***Z*** war laut Firmenbuch bis 2. März 2012 auch Kommanditist der Firma ***L1*** KG. Im Jahr 2013 war lediglich ein Dienstnehmer bis 13. Februar 2013 gemeldet, die Rechnungen ergingen über € 729.735,00. Eine Leistungserbringung in dieser Höhe in dem kurzen Zeitraum durch eine Person ist denkunmöglich. Da die Leistungen laut Ausgangsrechnungen erbracht wurden, ist davon auszugehen, dass diese entweder von nicht angemeldetem Personal der ***L1*** KG oder der ***S*** GmbH erbracht worden sind.
Im Erkenntnis vom 26. Juni 2002, 2000/13/0013, hat der Verwaltungsgerichtshof wie folgt ausgeführt:
"Bekannt ist allerdings auch die Praxis, kurzfristigen Personalbedarf durch das Eingehen illegaler Beschäftigungsverhältnisse (insbesondere durch Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte) zu decken und die dafür nötigen Geldmittel unter einem anderen Titel als Betriebsausgaben abzusetzen (…). Den behördlichen Überlegungen, es könne vorausgesetzt werden, dass ein Unternehmer Kenntnis über die Vorgänge im Betrieb der von ihm beauftragten Subunternehmer habe, kann insoweit gefolgt werden, als eine Beauftragung wohl nur dann erfolgen wird, wenn Grund zur Annahme besteht, der Auftragnehmer sei in der Lage, den übernommenen Auftrag fach- und zeitgerecht zu erfüllen. Diesbezüglich kann auch die Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen angesprochen und eine Glaubhaftmachung jener Umstände, die eine ordnungsgemäße Auftragserfüllung erwarten ließen, verlangt werden (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das hg. Erkenntnis vom 29. November 2000, 95/13/0029, 0072, zur Beauftragung von GmbHs, von denen im Wesentlichen nicht mehr erweisbar war als deren rechtliche Existenz in Form einer Firmenbucheintragung)."
Zu keiner der in den im Rahmen der Prüfung vorgelegten und beanstandeten Rechnungen gibt es konkrete Anhaltspunkte, anhand derer eine tatsächliche Leistungserbringung durch die angeführten Unternehmen glaubhaft gemacht werden könnte.
Im Verfahren RV/7400140/2020 hat sich gezeigt, dass der Geschäftsführer ***R*** im strittigen Zusammenhang weder aufgeklärt, noch belegt, wie und in welcher Weise er mit den hier in Rede stehenden Unternehmen in Kontakt getreten ist, wie und in welchem konkreten, auch zeitlichen Rahmen die den Rechnungen zugrundeliegenden Geschäfte im Einzelnen abgewickelt worden sind und wie viele Arbeitnehmer zur Durchführung der jeweils erteilten Aufträge notwendig waren bzw tätig geworden sind. Er hat im Zuge des Prüfungsverfahrens keine wie immer gearteten Beweismittel (etwa Auftragsunterlagen, Kostenvoranschläge, sonstige Aufzeichnungen) angeboten oder vorgelegt, die die tatsächliche Durchführung der -weitgehend pauschal in Rechnung gestellten Arbeiten - an seinen Objekten durch die in den Rechnungen ausgewiesenen Unternehmen zumindest hätten glaubhaftmachen können. Es gibt keinen Grund, an den im Verfahren zu RV/7400140/2020 getroffenen Feststellungen zu zweifeln.
Ein Auftraggeber verfügt üblicherweise schon aus Gründen der Gewährleistung über Unterlagen bezüglich der für ihn geleisteten Arbeiten (Anbote, Kostenvoranschläge, erteilte Aufträge und/oder Auftragsaufzeichnungen, Aufzeichnungen über den Arbeitsfortgang, Schriftverkehr etc).
Aus der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom 20. November 2015, aber auch aus der Beschwerdevorentscheidung vom 29. Oktober 2018 zu den Lohnabgaben 2013 und 2014 und aus den Vorhalten der belangten Behörde im Verfahren ist ersichtlich, dass auch der Beschwerdeführer als nachfolgender Geschäftsführer sowie der Mitarbeiter ***X*** und der im Zeitpunkt der Prüfung bevollmächtigte Dr. ***V*** keine Angaben zu den Fremdleistern und keine Auskünfte zu den Vertragsabschlüssen machen konnten und Bautagebücher nicht vorgelegt wurden. Dies wurde vom Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht auch nicht nachgeholt.
Soweit der steuerliche Vertreter in seinen Eingaben mehrmals auf das Erkenntnis BFG 24.6.2021RV/7102189/2020, verweist, ist ihm zu entgegnen, dass der dort zugrundeliegende Sachverhalt zum Abgabenanspruch mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar ist, geht es dort doch um einen Sicherstellungsauftrag zu einer anderen Abgabepflichtigen, vertreten durch den auch hier einschreitenden Steuerberater. Im dortigen Verfahren wurden zum Nachweis, dass der dortige Geschäftsführer im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht die damals üblichen Überprüfungen (vor Beauftragung und bei Beauftragung/Auftragsabwicklung) durchgeführt hat, zahlreiche Dokumente vorgelegt wie zB Firmenbuchauszüge, Befugniskontrolle, Abfragen bei der Sozialversicherung (HFU-Liste), Unbedenklichkeitsbescheinigungen von Sozialversicherungsanstalten und Finanzämtern, Kopien von Lichtbildausweisen, Überprüfungen der Anmeldungen der Mitarbeiter der Subunternehmen.
Im Gegensatz dazu wurden im vorliegenden Verfahren keine diesbezüglichen Unterlagen vorgelegt: Weder hat der Vor-Geschäftsführer ***R*** im Verfahren zu RV/7400140/2020 solche Unterlagen vorgelegt, noch hat der Beschwerdeführer in diesem Verfahren solche Unterlagen vorgelegt. Dies lässt den von der WGKK und in der Folge von der belangten Behörde gezogenen Schluss zu, dass für die Arbeiten nicht angemeldete Arbeitskräfte verwendet und die in den Rechnungen pauschal ausgewiesenen Leistungen tatsächlich nicht durch die in den Rechnungen ausgewiesenen Unternehmen ausgeführt worden sind, sondern die vorliegend beanstandeten Rechnungen bloß Deckungsrechnungen darstellen. Die Unterlassung der Vorlage schriftlicher Unterlagen bezogen auf eine bestehende Geschäftsbeziehung ist nur vor dem Hintergrund verständlich, dass die wahren Auftragsverhältnisse im Dunkeln bleiben sollten.
Die Berechnungen der Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe basieren auf dem Prüfungsbericht und sind - wie sich aus den obigen Tabellen ergibt- leicht nachvollziehbar.
Da hinsichtlich des Jahres 2015 keinerlei Unterlagen vorgelegt worden sind und die belangte Behörde im Schriftsatz vom 4. April 2023 die selbe Vorgangsweise wie im Parallelverfahren RV/7400140/2020 als richtig anerkannt hat und die jeweiligen Beträge bekanntgegeben hat, erscheinen die Beträge auch hinsichtlich des Jahres 2015 als plausibel. Der Beschwerdeführer hat die Beträge der Höhe nach nicht angezweifelt.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung/Abweisung)
3.1.1. Rechtslage
Gemäß § 1 des Kommunalsteuergesetzes 1993 (KommStG), BGBl. 819/1993 idF BGBl. I 111/2010, unterliegen der Kommunalsteuer die Arbeitslöhne, die jeweils in einem Kalendermonat an die Dienstnehmer einer im Inland (Bundesgebiet) gelegenen Betriebsstätte des Unternehmens gewährt worden sind.
Gemäß § 9 KommStG 1993 beträgt die Steuer 3% der Bemessungsgrundlage. Übersteigt bei einem Unternehmen die Bemessungsgrundlage im Kalendermonat nicht 1.460 Euro, wird von ihr 1.095 Euro abgezogen.
Gemäß § 6a Abs. 1 KommStG 1993 haften die in den §§ 80 ff. der Bundesabgabenordnung (BAO) bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung.
Gemäß § 5 des Gesetzes über die Einhebung einer Dienstgeberabgabe (DGAG), LGBl. für Wien 5/1979 idF LGBl. für Wien 25/2012, beträgt die Abgabe für jeden Dienstnehmer und für jede angefangene Woche eines bestehenden Dienstverhältnisses 2 Euro.
Gemäß § 6a Abs. 1 DGAG haften die in den §§ 80 ff. BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung.
Die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe werden für jeden Kalendermonat am 15. des darauffolgenden Kalendermonats fällig (§ 11 Abs. 2 KommStG und § 6 Abs. 1 DienstgeberabgabeG). Für jedes abgelaufene Kalenderjahr hat der Unternehmer gemäß § 11 Abs. 2 KommStG bis Ende März des folgenden Kalenderjahres der Gemeinde eine Kommunalsteuererklärung abzugeben.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Gemäß § 9 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 224 Abs. 1 BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.
Gemäß § 7 Abs. 2 BAO erstrecken sich persönliche Haftungen auch auf Nebenansprüche (§ 3 Abs. 1 und 2 BAO).
Gemäß § 217 Abs. 1 BAO sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten, wenn eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wird. Der erste Säumniszuschlag beträgt 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages (Abs.2).
Gemäß § 217a Z 2 BAO werden Säumniszuschläge für Landes- und Gemeindeabgaben im Zeitpunkt der Zustellung des sie festsetzenden Bescheides fällig. Säumniszuschläge, die den Betrag von fünf Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen (Z 3).
3.1.2. Nach der im Folgenden näher dargestellten, ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Geltendmachung der Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO iVm § 6 KommStG 1993 und § 6a DienstgeberabgabeG voraus, dass
1. eine Abgabenforderung gegen die vertretene Gesellschaft besteht (Abgabenforderung),
2. die als haftungspflichtige in Frage kommende Person zum Personenkreis der §§ 80 ff. BAO gehört (Vertreterstellung),
3. eine zumindest erschwerte Einbringlichkeit Abgabenforderung gegen den Vertretenen besteht (erschwerte Einbringlichkeit),
4. ein Verschulden des Vertreters an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Vertretenen vorliegt (Verschulden) und
5. die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (Kausalität).
3.1.2.1. Zum Bestehen einer Abgabenforderung bzw Festsetzung der Abgabe
Die Geltendmachung einer abgabenrechtlichen Haftung setzt zwar das Bestehen eines Abgabenschuldverhältnisses, also das Bestehen einer Abgabenschuld (§ 4 BAO) voraus, nicht jedoch, dass diese Schuld dem Abgabenschuldner gegenüber auch bereits geltend gemacht wurde. Gemäß § 4 BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft, somit unabhängig von einer behördlichen Tätigkeit und auch unabhängig von einer diesbezüglichen Bescheiderlassung. Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zB VwGH 17.12.1996, 94/14/0148), daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten. Durch § 248 BAO ist dem Haftenden ein Rechtszug gegen den Abgabenbescheid eingeräumt.
Geht der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung kein Abgabenbescheid voran, so gibt es eine solche Bindung nicht. Ob ein Abgabenanspruch gegeben ist, ist in diesem Fall als Vorfrage (§ 116 BAO) im Haftungsverfahren von dem für die Entscheidung über die Haftung zuständigen Organ zu entscheiden. Ob ein Abgabenanspruch gegeben ist, ist in diesem Fall als Vorfrage im Haftungsverfahren von dem für die Entscheidung über die Haftung zuständigen Organ zu entscheiden. Diese Beurteilung kann gemäß ständiger Rechtsprechung des VwGH mit Berufung (nunmehr Beschwerde) und auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden, womit dem zur Haftung Herangezogenen der Rechtsschutz gewahrt bleibt (VwGH 3.7.2003, 2000/15/0043).
Erweist sich die Selbstberechnung der Kommunalsteuer des Unternehmers als nicht richtig oder wird die selbstberechnete Kommunalsteuer nicht oder nicht vollständig entrichtet, hat die Gemeinde nach § 11 Abs. 3 KommStG 1993 einen Kommunalsteuerbescheid zu erlassen. Von der Erlassung eines solchen Bescheides ist abzusehen, wenn der Steuerschuldner nachträglich die Selbstberechnung berichtigt.
Da die belangte Behörde von den eingereichten Abgabenerklärungen vom 2. Juli 2014 und 11. Juni 2015 abgewichen ist, wäre zwar ein solcher Bescheid (solche Bescheide) zu erlassen gewesen, da Hinweise, dass die Primärschuldnerin nachträglich die Selbstberechnung berichtigt habe, im Akt nicht vorliegen, jedoch ist alternativ auch die erstmalige Geltendmachung des Abgabenanspruches im Haftungsverfahren möglich.
Da im vorliegenden Fall dem Haftungsbescheid keine Abgabenbescheide vorangegangen sind, ist zuerst über den Abgabenanspruch abzusprechen:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.2.2014, 2012/16/0050) muss der Beschwerdeführer, wenn ein solcher Abgabenbescheid nicht erlassen wurde, den er später nach § 248 BAO hätte bekämpfen können, die Höhe des Abgabenanspruches im Haftungsverfahren anfechten können. Dem Beschwerdeführer ist somit darzulegen, auf Grund welchen Sachverhaltes die Kommunalsteuerschuld in der von der Selbstberechnung abweichenden Höhe entstanden ist. Das gleiche gilt für die jeweils monatlich entstehende Dienstgeberabgabe.
Zum Vorliegen des Abgabenanspruches hat das Bundesfinanzgericht unter II.1. entsprechende Feststellungen getroffen. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang in seinen Schriftsätzen die Verwendung des Begriffs "Scheinfirmen" kritisiert, ist ihm zunächst folgendes entgegenzuhalten:
Das am 1.1.2016 zur Abwehr, Verhinderung und Verfolgung von Sozialbetrug (Sozialbetrugsbekämpfung) in Kraft getretenen Sozialbetrugsbekämpfungsgesetzes (SBBG) definiert im 3. Abschnitt des SBGG ("Maßnahmen gegen Scheinunternehmen") "Scheinunternehmen" wie folgt:
"Ein Scheinunternehmen ist ein Unternehmen, das vorrangig darauf ausgerichtet ist,
1. Lohnabgaben, Beiträge zur Sozialversicherung, Zuschläge nach dem BUAG oder Entgeltansprüche von Arbeitnehmer/inne/n zu verkürzen, oder
2. Personen zur Sozialversicherung anzumelden, um Versicherungs-, Sozial- oder sonstige Transferleistungen zu beziehen, obwohl diese keine unselbstständige Erwerbstätigkeit aufnehmen (§ 8 SBBG)."
Weiters ist im Gesetz vorgesehen, dass das Finanzministerium eine Liste der gemeldeten Scheinunternehmer zu führen hat, welche online veröffentlicht wird (§ 8 Abs. 10 SBBG); die Scheinunternehmereigenschaft wird auch im Firmenbuch vermerkt (§ 8 Abs. 11 SBGG).
Demnach verwendet auch der Gesetzgeber den Begriff "Scheinunternehmen" (umgangssprachlich vom Finanzamt als "Scheinfirmen" bezeichnet). Mit der Einführung des SBGG sollen Maßnahmen gegen Unternehmen ermöglicht werden, die zum Zweck des Sozialbetruges gegründet werden. Die Aberkennung der rechtlichen Existenz solcher Unternehmen ist damit nicht verbunden.
Die Verwendung des Wortes "Scheinunternehmen" (bzw. umgangssprachlich "Scheinfirma") erfolgt(e) in diesem Verfahren daher im Sinne der gesetzlichen Definition im SBGG.
Zu den wiederholten Ausführungen des Beschwerdeführers, die belangte Behörde müsse einen Beweis für ihre Feststellungen erbringen, ist darauf hinzuweisen, dass das Abgabenverfahren dadurch gekennzeichnet ist, dass einerseits die Abgabenbehörde die Verpflichtung zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit trifft (§ 115 BAO), andererseits aber der Abgabepflichtige in Erfüllung seiner Offenlegungspflicht (§ 119 BAO) dazu verhalten ist, die Richtigkeit der in seinen Anbringen dargetanen Umstände zu beweisen bzw. glaubhaft zu machen (§ 138 BAO).
Zur Bemessung der Kommunalsteuer und der Dienstgeberabgabe:
§ 184 BAO lautet:
"(1) Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.
(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs. 1) wesentlich sind.
(3) Zu schätzen ist ferner, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen."
Im Hinblick auf den Gebrauch des Wortes "soweit" im § 184 Abs. 1 BAO ist die Berechtigung zur Schätzung dann gegeben, wenn die Ermittlung der Bemessungsgrundlagen nicht anders erfolgen kann.
Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung besteht die Schätzung im Besteuerungsverfahren darin, Besteuerungsgrundlagen, bei denen trotz Bemühens um Aufklärung eine sichere Feststellung der Höhe nicht möglich ist, mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsüberlegungen und Wahrscheinlichkeitsschlüssen sowie durch begründetes Einbeziehen und Ausschließen von Möglichkeiten, die sachverhaltsbezogen den tatsächlichen Gegebenheiten und Ergebnissen näher oder ferner liegen, zu ermitteln (VwGH 21.5.1980, 779/79).
Die Schätzungsbefugnis erstreckt sich neben dem Sachverhalt der Höhe nach auf den Sachverhalt dem Grunde nach. Ziel der Schätzung ist, den wahren Besteuerungsgrundlagen möglichst nahe zu kommen. Jeder Schätzung ist eine gewisse Ungenauigkeit immanent. Wer zur Schätzung Anlass gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, muss die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen. Die Wahl der Schätzungsmethode steht der Abgabenbehörde grundsätzlich frei. Es ist jene Methode (allenfalls sind mehrere Methoden kombiniert) zu wählen, die im Einzelfall zur Erreichung des Zieles, den tatsächlichen Gegebenheiten (der tatsächlichen Besteuerungsgrundlage) möglichst nahe zu kommen, die am geeignetsten erscheint (VwGH 14.12.2011, 2009/17/0125).
Nach dem festgestellten Sachverhalt besteht - wie beweiswürdigend ausgeführt - kein Zweifel daran, dass es sich bei den verfahrensgegenständlichen Rechnungen um Scheinrechnungen bzw. zT um gefälschte Rechnungen handelt. Es kann nicht angenommen werden, dass die von der Primärschuldnerin für die Inanspruchnahme von Fremdpersonal entstandenen Aufwendungen den von den diversen Fremdfirmen in Rechnung gestellten Beträgen entsprechen.
Die belangte Behörde hatte angesichts der vorliegenden Sachverhaltskonstellation in Einklang mit den Behördenkenntnissen über die tatsächlichen Gepflogenheiten der Baubranche bei der Verwendung von Deckungsrechnungen davon auszugehen, dass der von der Primärschuldnerin tatsächlich verausgabte Aufwand für Fremdpersonal geringer war als in den strittigen Rechnungen ausgewiesen. Da die WGKK, das Finanzamt und die belangte Behörde zu Recht zur Feststellung gelangte, dass die sachliche Richtigkeit der betreffenden Rechnungen nicht gegeben ist, bestand die Berechtigung und Verpflichtung, die Höhe der als Betriebsausgaben iSd § 4 Abs. 4 EStG 1988 abzugsfähigen Aufwendungen im Wege der Schätzung gemäß § 184 BAO zu ermitteln.
Die WGKK und in der Folge auch die belangte Behörde haben bei ihrer Schätzung allerdings 75% der Nettorechnungssummen der nicht anerkannten Rechnungen der ***A*** GmbH, der ***SI*** GmbH, der ***H***-GmbH und der ***L1***-KG iHv insgesamt € 2.464.165,00 den Lohnabgaben unterzogen. Weiters wurde ein Sicherheitszuschlag von 25% verhängt.
Diese Vorgangsweise erscheint jedoch aus den folgenden Gründen überhöht:
Das Bundesfinanzgericht vertritt - wie auch im Verfahren zu RV/7400140/2020 - die Ansicht, dass der Schätzung gemäß § 184 BAO 50% der in den Rechnungen ausgewiesenen Kosten als Betriebsausgaben iSd § 4 Abs. 4 EStG 1988 zu berücksichtigen sind. Der Prozentsatz entspricht der von Erfahrungswerten gestützten langjährigen hg. Erfahrungs- und Entscheidungspraxis, welche ihre Begründung im Wesentlichen darin findet, dass der ausbezahlte Nettolohn wegen der darauf entfallenden Lohnsteuer, Sozialversicherungsbeiträge, Dienstgeberzuschläge etc. regelmäßig nur knapp die Hälfte der insgesamt anfallenden Lohnkosten ausgemacht und Schwarzarbeitern regelmäßig nicht nur die Bruttolöhne zuzüglich Nebenkosten ausbezahlt werden sowie Scheinrechnungen bzw. Deckungsrechnungen üblicherweise überhöht ausgestellt werden (vgl. zB UFS 19.8.2003, RV/0052-W/02 bzw. BFG 5.10.2017, RV/5100268/2011; 26.6.2017, RV/7100715/2013; 4.1.2019, RV/2100828/2017).
Die Anwendung eines Sicherheitszuschlages gehört zu den Elementen einer Schätzung. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Schätzung mit Hilfe eines Sicherheitszuschlages eine Methode, die der korrigierenden Ergänzung der Besteuerungsgrundlagen, von denen anzunehmen ist, dass sie zu niedrig ausgewiesen wurden, dient (VwGH 2.10.2014, 2012/15/0123). Aufgabe eines Sicherheitszuschlages ist es also, das Risiko möglicher weiterer Unvollständigkeiten von Aufzeichnungen auszugleichen.
Sicherheitszuschläge setzen voraus, dass es bei mangelhaften Aufzeichnungen wahrscheinlich ist, dass nicht nur Vorgänge nachgewiesenermaßen nicht erfasst wurden. Seine Höhe hat sich daher nach den Besonderheiten des Schätzungsfalles und nach den festgestellten Fehlern, Mängeln und vermuteten Verminderungen des Ergebnisausweises, also nach den Gegebenheiten im Bereich des Tatsächlichen, zu richten (vgl. VwGH 7.7.2011, 2009/15/0223, sowie Stoll, Bundesabgabenordnung § 184, 1941). Aufgabe eines Sicherheitszuschlages ist es also, das Risiko möglicher weiterer Unvollständigkeiten von Aufzeichnungen auszugleichen. Bei den nicht anerkannten Rechnungen für Bekleidung, Verkehrsstrafen, etc. ist im vorliegenden Fall nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes ein Risiko möglicher Unvollständigkeiten von Aufzeichnungen nicht erkennbar, somit ein Sicherheitszuschlag nicht anzusetzen. Daraus folgt, dass neben dem geschätzten Gehaltsaufwand von 50% kein zusätzlicher Sicherheitszuschlag angesetzt werden darf.
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass dem Sicherheitszuschlag - ebenso wie anderen Schätzungskomponenten - kein Strafcharakter zukommt (kein "Straf-Zuschlag"; vgl. Ritz, BAO6 § 184 Rz 18 mwN). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf ein zusätzlicher Sicherheitszuschlag dann nicht verhängt werden, wenn die Einnahmen global - etwa kalkulatorisch - geschätzt werden (VwGH 26.2.2004, 2003/16/0366; Ritz, BAO6 § 184 Rz 18 mwN). Vor diesem Hintergrund kommt im Beschwerdefall der Ansatz eines Sicherheitszuschlages betreffend die Jahre 2013 und 2014 insoweit nicht in Betracht, als hier bereits kalkulatorisch geschätzt wurde.
Die belangte Behörde hat sich dieser Ansicht - jedoch unter Berücksichtigung der Säumniszuschläge - mit Schriftsatz vom 22. April 2023 ausdrücklich angeschlossen. Der Beschwerde war daher insoweit teilweise stattzugeben.
Die Kommunalsteuer berechnet sich somit wie folgt:
Die Kommunalsteuern 2013 bis 2015 wurden durch die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme vom 22. April 2021 auf die einzelnen Monate aufgegliedert. Unter Berücksichtigung der oben vertretenen Rechtsansicht stellt sich die Berechnung nunmehr wie folgt dar:
2013
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Betrag | 3% KommSt | |
GF Bezüge | 13.800,00 | 414,00 |
SVA-Beiträge GF | 1.194,90 | 35,85 |
Bekleidung GF | 1.762,51 | 52,88 |
Verkehrsstr. GF | 603,00 | 18,09 |
Verkehrsstr. DN | 603,00 | 18,09 |
603,00 | 18,09 | |
Scheinrechnungen/nicht gemeldetes Eigenpersonal - ***L1*** KG | 729.735,11* | |
davon 50% | 364.867,56 | 10.946,03 |
Summe 2013 | 11.503,03 |
(zu den Bemessungsgrundlagen vgl. Niederschrift über die Schlussbesprechung gemäß § 149 Abs. 1 BAO vom 20.11.2015)
2014
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Betrag | 3% KommSt | |
GF Bezüge | 14.900,00 | 447,00 |
SVA-Beiträge GF | 4.983,42 | 149,50 |
Bekleidung GF | 693,24 | 20,76 |
Verkehrsstr. GF | 551,17 | 16,54 |
Verkehrsstr. DN | 505,23 | 15,14 |
Scheinrechnungen/nicht gemeldetes Eigenpersonal ***A***/ ***SI*** GmbH/ ***H*** GmbH | 1.734.430,00* | |
davon 50% | 867.215,00 | 26.016,45 |
Summe 2014 | 26.665,39 |
(zu den Bemessungsgrundlagen vgl. Niederschrift über die Schlussbesprechung gemäß § 149 Abs. 1 BAO vom 20.11.2015).
*Anm: Nicht anerkannte Rechnungen der ***A*** GmbH € 402.330,00, der ***SI*** GmbH € 1.304.150,00 und der ***H*** GmbH € 27.950,00, Summe somit € 1.734.430,00
2015
Für das Jahr 2015 wurden außer einer Saldenliste 2015 keine prüfungsrelevanten Unterlagen vorgelegt, weshalb das Ergebnis gemäß § 184 BAO ermittelt wurde. Dazu wurden die in der Saldenliste enthaltenen Fremdleistungsaufwendungen betreffend das Jahr 2015 ebenfalls als Deckungsrechnungen für eigenes Personal gewertet und einer Versteuerung unterzogen.
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Betrag | 3% KommSt | |
GF Bezüge (Annahme eines mtl. Bezuges von € 3.000,00) | 36.000 | 1.080,00 |
Scheinrechnungen/nicht gemeldetes Eigenpersonal (AS 10/Verwaltungsakt) | 68.697,25 | |
davon 50% | 34.348,63 | 1.030,46 |
Summe 2015 | 2.110,46 |
(zu den Bemessungsgrundlagen/Geschäftsführerbezügen etc. vgl. AS 10/Verwaltungsakt bzw. das Berechnungsblatt für das Jahr 2015, welches mit der Stellungnahme der belangten Behörde vom 22.4.2021 übermittelt wurde).
Die nicht anerkannten Rechnungen der Firmen ***L1*** KG, ***A*** GmbH etc iHv insgesamt € 2.464.165,00 wurden wie folgt auf die einzelnen Monate aufgegliedert:
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2013: | ***L1*** KG | 2014: | ***A*** | ***SI*** GmbH | ***H*** GmbH | |
Jänner 2013 | 12.500,00 | Jänner 2014 | 27.950,00 | |||
Februar 2013 | 18.650,00 | Februar 2014 | 152.393,75 | |||
März 2013 | 69.075,33 | März 2014 | 152.393,75 | |||
April 2013 | 69.945,53 | April 2014 | 152.393,75 | |||
Mai 2013 | 69.945,53 | Mai 2014 | 152.393,75 | |||
Juni 2013 | 69.945,53 | Juni 2014 | 152.393,75 | |||
Juli 2013 | 69.945,53 | Juli 2014 | 152.393,75 | |||
August 2013 | 69.945,53 | August 2014 | 152.393,75 | |||
September 2013 | 69.945,53 | September 2014 | 152.393,75 | |||
Oktober 2013 | 69.945,53 | Oktober 2014 | 94.625,00 | 85.000,00 | ||
November 2013 | 69.945,53 | November 2014 | 94.625,00 | |||
Dezember 2013 | 69.945,54 | Dezember 2014 | 213.080,00 | |||
SUMME: | 729.735,11 | SUMME : | 402.330,00 | 1.304.150,00 | 27.950,00 |
Gemäß Schreiben der belangten Behörde vom 4. April 2023 stellt sich der Abgabenrückstand unter Zugrundelegung der oben berechneten Kommunalsteuern für die Jahre 2013 bis 2015 einschließlich Säumniszuschläge auf dem Kommunalsteuerkonto wie folgt dar:
Berechnung der Dienstgeberabgabe:
Laut Niederschrift wurden für Bauhilfsarbeiter lt. KV € 1.900,00 monatlich x 14, somit € 26.600,00/Jahr angesetzt.
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Zuschätzung Rechnungen | Schätzung der Dienstnehmer bei € 26.600/Jahr | € 2,00 pro angefangene Woche und pro DN bei 52 Wochen | Nachverrechnung | |
2013 | 364.867,56 | 13,71 ger. 14 Personen | 1.456,00 | 1.456,00 |
2014 | 867.215,00 | 32,60 ger. 33 Personen | 3.432,00 | 3.432,00 |
2015 | 4,03 ger. 4 Personen | 384,00 | 384,00 |
Der Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2013 ist daher mit € 1.456,00, für das Jahr 2014 mit € 3.432,00 (wie im Erkenntnis zu RV/740140/2020) und für das Jahr 2015 mit € 384,00 festzusetzen.
Gemäß Schreiben der belangten Behörde vom 4. April 2023 errechnen sich unter Zugrundelegung der oben berechneten Dienstgeberabgabe für die Jahre 2013 und 2014 bzw. für 2015 folgende Abgabenrückstände (einschließlich Säumniszuschläge):
3.1.2.2. Zur erschwerten Einbringlichkeit der Abgaben
Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus (vgl. zB VwGH 22.9.1999, 96/15/0049). Sie erstreckt sich gemäß § 7 Abs. 2 BAO auch auf Nebenansprüche wie Säumniszuschläge (vgl. zB VwGH 18.12.1997, 96/15/0269).
Im Falle des § 6a KommStG und des § 6a DGAG reicht lediglich eine erschwerte Einbringlichkeit der Abgaben. Die objektive Uneinbringlichkeit der verfahrensgegenständlichen Abgaben steht zweifelsfrei fest, da die Primärschuldnerin auf Grund der Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst ist. Eine (auch nur teilweise) Einbringlichmachung ist daher bei ihr nicht möglich.
3.1.2.3. Zur Vertreterstellung
Der Beschwerdeführer war im Zeitraum von 16. Jänner 2015 bis zum 15. Jänner 2016 alleiniger handelsrechtliche Geschäftsführerin der genannten Primärschuldnerin und gehörte damit zum Personenkreis der §§ 80 ff. BAO. Zu seinen Pflichten als Geschäftsführer der GmbH gehörte es daher, die abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft wahrzunehmen und für die Entrichtung der Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe zB VwGH 22.9.1999, 96/15/0049, VwGH 3.9.2008, 2006/13/0121, VwGH 29.4.2010, 2008/15/0085).
In diesem Zusammenhang bringt der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde vor, eine Haftung seiner Person für Rückstände, die vor seiner Zeit als Geschäftsführer der Primärschuldnerin fällig geworden sind, komme nicht in Betracht. Dazu ist zunächst Folgendes auszuführen:
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes beginnt die Verantwortung als Geschäftsführer einer Gesellschaft nicht erst mit der Begründung der Vertretungsfunktion. Der Geschäftsführer ist vielmehr verpflichtet, bis dahin angesammelte Abgabenrückstände zu begleichen (VwGH 16.9.2003, 2000/14/0162). Die Haftung besteht nämlich nicht nur für Abgaben, deren Zahlungstermin in die Zeit der Vertretertätigkeit fällt. Sie besteht auch für die noch offenen Abgabenschuldigkeiten aus davorliegenden Zeiträumen, weil die Pflicht zur Entrichtung von Abgabenschuldigkeiten erst mit deren Abstattung endet (VwGH 7.12.2000, 2000/16/0601).
Die GesmbH bleibt verpflichtet, Abgabenschuldigkeiten, mit deren Abfuhr oder Einzahlung sie in Rückstand geraten ist, zu erfüllen, und zur Erfüllung dieser Verpflichtung ist der Geschäftsführer der GesmbH verhalten (vgl. VwGH 27.2.2008, 2005/13/0085, VwGH 23.6.2009, 2007/13/0005 bis 0007 und VwGH 24.1.2013, 2012/16/0100). Der Geschäftsführer hat sich demnach darüber zu unterrichten, welchen Stand das Abgabenkonto der Gesellschaft im Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsführerfunktion hat, und die Pflicht, die Beträge eines allfälligen Rückstandes, wie er am Abgabenkonto ausgewiesen (verbucht) ist, zu entrichten (VwGH 22.4.2015, 2013/16/0208).
In diesem Zusammenhang bringt der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde vor, die aus einer Prüfung resultierenden Differenzen seien für den Beschwerdeführer anlässlich der Übernahme seiner Geschäftsführerfunktion jedenfalls aus der Buchhaltung nicht erkennbar gewesen. Auch der Vorgeschäftsführer habe über Befragen erklärt, dass keine Abgabenverbindlichkeiten entstanden seien. Der Beschwerdeführer habe somit sämtliche zumutbaren Maßnahmen unternommen um festzustellen, ob die GmbH ihren abgabenrechtlichen Verpflichtungen nachgekommen sei.
Dem Beschwerdeführer ist zunächst darin zuzustimmen, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (zB VwGH 28.2.2014, 2012/16/0101) die zumutbare Prüfungspflicht nicht dahingehend überspannt werden kann, dass der neu eingesetzte Geschäftsführer nicht nur zu prüfen hat, ob und inwieweit Rückstände an sich bestünden (wie es von der Rechtsprechung gefordert wird), sondern auch, ob die Buchhaltung tatsächlich korrekt und den gesetzlichen Vorschriften entsprechend geführt worden sei. Gibt es keine Hinweise, aus denen der Geschäftsführer schließen könnte, dass die Steuererklärungen oder (bei Selbstbemessungsabgaben) die Selbstberechnungen der zu entrichtenden Abgaben unrichtig gewesen seien, hat ein Geschäftsführer bei Übernahme seiner Geschäftsführerfunktion nicht auch noch die Pflicht, (etwa innerhalb des Verjährungszeitraumes) die gesamte Buchhaltung und das gesamte Rechenwerk sowie die Aufzeichnungen nachzuprüfen (zB BFG 3.2.2015, RV/7103228/2014; BFG 17.10.2018, RV/2101045/2018 ).
Im Rahmen der im Jahr 2015 durchgeführten Außenprüfung ist hervorgekommen, dass es in den Jahren 2013 und 2014 zu Scheinrechnungen/Deckungsrechnungen an die Primärschuldnerin gekommen ist, wobei ein Großteil Rechnungen von Fremddienstleistern waren (Scheinrechnungen betreffend Juli bis Dezember 2014), welche der Buchhalterin der Primärschuldnerin erst im Zeitraum Juli bis September 2015 von einem Dienstnehmer der Primärschuldnerin übergeben wurden (s. AS 43 Rückseite). Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt der Übergabe der Scheinrechungen bereits Geschäftsführer der Primärschuldnerin und hatte daher Überwachungs- und Aufsichtspflicht gegenüber den Dienstnehmern. Für die Ordnungsmäßigkeit des Jahresabschlusses für das Jahr 2014 war - wie auch von der belangten Behörde ins Treffen geführt - ohnehin bereits der Beschwerdeführer verantwortlich.
Die Scheinrechnungen für das Jahr 2013 stammen wie festgestellt nur von der Firma ***L1*** KG, die letzten Dienstnehmer der Firma ***L1*** KG waren mit 31. Oktober 2012 abgemeldet worden, es konnten daher im Jahr 2013 keine in den Rechnungen angeführten Leistungen (laut GPLA in iHv 729.735,11 Euro) durch diese Firma erbracht worden sein. Der Beschwerdeführer war aber bis 2. März 2012 unbeschränkt haftender Gesellschafter der ***L1*** KG, und ab 2. März 2012 deren Kommanditist dieser Firma und hatte daher entsprechende Einsicht in die Gebarung der dortigen Firma, insbesondere was deren Arbeitsleistung und Rechnungslegung anbelangt, konnte aber im Rahmen der Betriebsprüfung der Primärschuldnerin keine Auskünfte darüber geben, wer die Arbeiten durchgeführt hat. Vor diesem Hintergrund kann nicht erkannt werden, dass der Beschwerdeführer sämtliche zumutbaren Maßnahmen unternommen hat, um festzustellen, dass und ob die Primärschuldnerin ihren abgabenrechtlichen Verpflichtungen nachgekommen ist. Die belangte Behörde durfte den Beschwerdeführer daher auch für Vorzeiträume zur Haftung heranziehen.
3.1.2.4. Zum Verschulden
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinn des § 6a KommStG und § 6a DGAG annehmen darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (vgl. VwGH 28.2.2014, 2012/16/0180).
Der Geschäftsführer haftet vor allem für Abgaben, deren Zahlungstermin (zB Fälligkeitszeitpunkt) in die Zeit der Vertretertätigkeit fällt. Für Abgabenforderungen die nach Beendigung der Vertretertätigkeit zu entrichten sind, kann der Geschäftsführer nicht zur Haftung herangezogen werden, da er keine abgabenrechtlichen Pflichten verletzt.
Die Einwendungen in der Beschwerde richteten sich ausschließlich gegen den Abgabenanspruch. Gründe, die das Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung ausschließen, wurden nicht dargetan.
Der Vertreter haftet für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Nicht die Abgabenbehörde hat das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel. Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Eine Betrachtung der Gläubigergleichbehandlung hat zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu erfolgen (vgl. VwGH vom 30. Jänner 2014, 2013/16/0229).
Dem Vertreter obliegt es auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch Erstellung und Aufbewahrung von Ausdrucken - zu treffen. Es ist dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht oder nicht zur Gänze entrichten kann, schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, sich - spätestens dann, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Vertretungstätigkeit fällige Abgabenschulden unberichtigt aushaften - jene Informationen zu sichern, die ihm im Falle der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen (vgl. VwGH 18. März 2013, 2011/16/0187).
Einen Gleichbehandlungsnachweis hat der Beschwerdeführer nicht vorgelegt, obwohl ihm die Aufschlüsselung der haftungsgegenständlichen Abgaben bekanntgegeben wurde. Dass der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der GmbH keinerlei Mittel mehr zur Verfügung gehabt hätte, behauptet er nicht.
Da der Beschwerdeführer den Nachweis der Gleichbehandlung in Bezug auf die Entrichtung der Abgabenforderungen bei Fälligkeit nicht angetreten hat, kommt eine quotenmäßige Einschränkung der Haftung nicht in Betracht. Mangels weiterer Entlastungsbehauptungen und mangels Vorlage eines Gleichbehandlungsnachweises ist daher von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Beschwerdeführers auszugehen.
3.1.2.5. Zur Kausalität
Im Fall des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und den Rechtswidrigkeitszusammenhang. Die Pflichtverletzung ist demnach kausal für die Uneinbringlichkeit (VwGH 17.10.2001, 2001/13/0127).
Im vorliegenden Fall war die pflichtwidrige Nichtentrichtung der im Haftungsbescheid angeführten Abgaben kausal für deren Uneinbringlichkeit. Dieses pflichtwidrige Verhalten ist dem Beschwerdeführer als verantwortlichen Geschäftsführer der Gesellschaft zuzurechnen.
3.1.2.6. Ermessen
Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen.
Dem Gesetzesbegriff Billigkeit ist dabei die Bedeutung des berechtigten Interesses des Berufungswerbers beizumessen, nicht zur Haftung für Abgaben herangezogen zu werden, deren Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin feststeht und deren Nichtentrichtung durch ihn versursacht worden ist. Dem Gesetzesbegriff Zweckmäßigkeit kommt die Bedeutung öffentliches Interesse an der Einhebung der Abgabe zu. Die Zweckmäßigkeit der Geltendmachung der Haftung liegt darin, dass nur durch diese Maßnahme eine Einbringlichkeit der angeführten Abgaben gegeben ist und nur so dem öffentlichen Interesse an der Erhebung der Abgaben nachgekommen werden kann.
Die Geltendmachung der Haftung entspricht verfahrensgegenständlich auch den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit und Billigkeit. Bei Abstandnahme von der Haftungsinanspruchnahme würde die Abgabengläubigerin ihres Anspruches verlustig gehen. Im Übrigen spricht nichts dafür, dass es unbillig ist, eine Geschäftsführerin, der ihre abgabenrechtlichen Pflichten verletzt, zur Haftung heranzuziehen, anderenfalls würden nämlich jene Abgabepflichtigen, die ihre Pflichten erfüllen, im wirtschaftlichen Wettbewerb benachteiligt.
Vermögens- und Arbeitslosigkeit des Haftenden stehen nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung, zumal es eine allfällige (zur Zeit der Erlassung des Haftungsbescheides bestehende) Uneinbringlichkeit beim Haftenden auch nicht ausschließt, dass künftig neu hervorkommendes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben führen können (vgl. zB VwGH 12.10.2009, 2009/16/0085 mwN). Dass die belangte Behörde die gegenständliche Forderung im Insolvenzverfahren nicht angemeldet hat, ist für die Geltendmachung der Haftung unerheblich.
Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits wäre ein Umstand, der bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht gelassen werden darf. Inwieweit dieser Gesichtspunkt beim Ermessen Berücksichtigung findet, hängt aber vom Einzelfall ab (vgl. VwGH 16.10.2014, Ro 2014/16/0066). Im vorliegenden Fall ist ein solch langer Zeitabstand im Übrigen nicht erkennbar.
Soweit die belangte Behörde in ihrem Schriftsatz vom April 2023 darauf hinweist, dass die Festsetzung der Säumniszuschläge bereits mit Haftungsbescheid erfolgt sei, ist im Rahmen der Ermessensübung hinsichtlich der Säumniszuschläge zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer des Verfahrens zu RV/740140/2020 für die Säumniszuschläge nicht zur Haftung herangezogen wurde, "da diese erstmals mit dem Haftungsbescheid geltend gemacht, somit erst mit dessen Zustellung fällig wurden." Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes gilt dasselbe für die hier gegenständlichen Säumniszuschläge. Ein Abweichen davon träfe den Beschwerdeführer härter als jenen im Verfahren zu RV/740140/2020 und stellte eine unzulässige Ungleichbehandlung der beiden dar. Sämtliche Säumniszuschläge werden daher aus der Haftung genommen.
Weitere Gründe, die das Bundesfinanzgericht zu einer weiteren Ermessensübung im Sinne des Beschwerdeführers veranlassen würden, sind nicht evident. Eine allfällige Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften des Haftungspflichtigen stünde im Übrigen der Geltendmachung der Haftung nicht entgegen (vgl. zB VwGH 25.11.2009, 2008/15/0220 mwN).
Obwohl die Frage der Einbringlichkeit der Haftungssumme nicht in diesem Verfahren zu klären ist, wird abschließend darauf hingewiesen, dass eine Vollstreckung von Geldforderungen des Haftungspflichtigen nur für ein monatliches Einkommen über dem Existenzminimum möglich ist. Der unpfändbare Freibetrag hat dem Verpflichteten zur Gänze zu verbleiben.
3.1.3. Ergebnis
Zusammengefasst liegen die Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme des Beschwerdeführers wie oben beschrieben vor. Der Beschwerde ist daher aus den dargelegten Gründen teilweise Folge zu geben und der angefochtene Bescheid spruchgemäß abzuändern.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die gegenständliche Entscheidung weicht weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung (vgl. die unter 3.1. zitierte Rechtsprechung). Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Im Übrigen liegen keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der hier zu lösenden Rechtsfrage, ob der Beschwerdeführer zu Recht zur Haftung herangezogen wurde, vor.
Wien, am 8. August 2023
Zusatzinformationen
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Materie | Landesabgaben Wien |
betroffene Normen | § 9 KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993 § 5 WDGAG, Wr. Dienstgeberabgabegesetz, LGBl. Nr. 17/1970 § 1 KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993 § 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 6a Abs. 1 KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993 § 184 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Anmerkung | Parallelverfahren betreffend Vorgänger-GF siehe BFG 28.10.2021, RV/7400140/2020. |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7400067.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at