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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.07.2023, RV/7400043/2023

Stattgabe: Mangels wirksamer Zustellung des Abgabenbescheides (Missachtung Vollmachtswiderruf), kann kein Säumniszuschlag festgesetzt werden

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Heidemarie Winkler über die Beschwerde der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom , gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, Rechnungs- und Abgabenwesen, vom , betreffend Festsetzung eines Säumniszuschlages, zu Recht:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am wurde vom Magistrat der Stadt Wien (belangte Behörde) gemäß §§ 217 in Verbindung mit 217a Bundesabgabenordnung (BAO) ein Bescheid über die Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages iHv EUR 31,03 hinsichtlich der Beschwerdeführerin (BF), der ***Bf1***, erlassen, da sie Wasser- und Abwassergebühr zum Fälligkeitstag am nicht entrichtet habe.

Dagegen erhob die BF mit Schriftsatz vom fristgerecht Beschwerde. In der Begründung führte sie aus, dass sie seit Juli 2021 nicht mehr Eigentümerin des Superädifikates, für welche die Gebühren vorgeschrieben wurden, sei. Diesen Umstand habe sie auch im Juli 2022 (sowie am ) der belangten Behörde mitgeteilt. In der Beilage übermittelte die BF den Beschluss des BF Josefstadt zum Verkauf des Superädifikates.

Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom wies die belangte Behörde die Beschwerde unter Hinweis auf die Rechtskraft der Gebührenbescheide vom und als unbegründet ab. Da die Festsetzung des Säumniszuschlages eine zwingende Vorschrift sei, sei keine Ermessensentscheidung der Behörde möglich.

Dagegen brachte die BF fristgerecht (am ) einen Vorlageantrag ein und wiederholte im Wesentlichen ihr Beschwerdevorbringen. Wenngleich kein formelles Rechtsmittel gegen die Gebührenbescheide erhoben wurde, so sei durch die E-Mails vom und dem Inhalt der Vorschreibungen widersprochen worden. Eine Beschwerde hätte die BF auch gar nicht einbringen können, da der Bescheid bei dieser nie eingelangt sei (lediglich die Bekanntgabe der Einzahlungsdaten vom ). Am habe die BF erneut mit der MA 31, Fachgruppe Gebühren Wiener Wasser, diesbezüglich Kontakt aufgenommen.

Am übermittelte die belangte Behörde der BF eine Schlussabrechnung über die Wasser- und Abwassergebühren.

Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht (BFG) zur Entscheidung vor.

Am richtete das BFG folgendes Auskunftsersuchen an die belangte Behörde:

1.)Ad: dem Säumniszuschlag zugrundeliegenden Festsetzungsbetrag über EUR 1.551,53:
a)
Woraus ergibt sich dieser Betrag und welcher Zeitraum liegt diesem Betrag zugrunde?
b)
Gibt es hierfür einen Bescheid? Im Akt findet sich dazu nichts (lediglich die "Einzahlungsdaten" liegen im Akt auf). Bitte um Übermittlung des Bescheides.
c)
Bitte um Übermittlung der in der BVE angesprochenen Bescheide vom und .
d)
Wurde der/die in c) angeführten Bescheide (ordnungsgemäß) zugestellt? Wenn ja an wen/Adresse und gibt es hierfür einen Zustellnachweis?

2.)Im Akt befindet sich ein Auszug "Einzahlungsdaten, zu zahlender Betrag EUR 2.099,97" mit Fälligkeit .
a)
Für welchen Abrechnungszeitraum wurde dieser Betrag vorgeschrieben?
b)
Liegt hier (zufällig) dieselbe Fälligkeit () wie für den Betrag von EUR 1.551,53 vor?

3.)Der im Säumniszuschlagbescheid angeführte Zeitraum "2207":
a)
Welcher Zeitraum wird durch diese Angabe tangiert: der Festsetzungszeitraum, der Wasserverbrauchszeitraum oder der Fälligkeitsmonat?

4.)Aus der im Akt befindlichen Schlussabrechnung vom ergibt sich ein Guthaben von EUR 548,44. Bezieht sich dieses Guthaben auch auf jenen Vorzeitraum, in dem die EUR 1.551,53 vorgeschrieben wurden?

5.)Mit welchem Stichtag wurde der Wasserzähler schlussendlich auf den neuen Eigentümer umgemeldet - ist dies (wie aus der Schlussabrechnung) ersichtlich der , da bis der ***BF*** die Gebühren vorgeschrieben wurden?

6.)Wurde der (längst fällige) festgesetzte Betrag von EUR 1.551,53 mittlerweile entrichtet?"

Am erstattete die belangte Behörde dazu folgende Antwort:

a) Wasser-Abwassergebühr lt. Bescheid MA31 vom (Berichtigung des Gebührenbescheides vom )
in der Höhe von
1.817,48 EUR
plus Rückstände für den Zeitraum 01/2022
Teilbetrag Wassergebühr
144,54 EUR
Teilbetrag Abwassergebühr
137,95 EUR _______________

Gesamtbetrag 2.099,97 EUR

Abzüglich Guthaben nach Schlussabrechnung -548,44 EUR _______________

Restrückstand an Wasser-Abwassergebühr für Zeitraum 07/2022 1.551,53 EUR

b) Beiliegend Wasserbescheid v. , Berichtigungsbescheid vom sowie Schlussabrechnung vom

c) siehe oben

d) Die Zustellung des Wasserbescheides v. und des Berichtigungsbescheides vom erfolgte z.Hd. der Hausverwaltung ***HV***, die Schlussabrechnung wurde direkt an die Fa. ***Bf***, exp. - Diese Bescheide wurden ohne Zustellnachweis an den Kunden zugestellt.

  • 2a) Der Betrag in der Höhe von 2.099,97 EUR wurde für den Abrechnungszeitraum - 1.817,48 EUR (siehe Berichtigungsbescheid) + Rückstand für Teilbetrag Wasser-Abwassergebühr für 01/2022 vorgeschrieben

  • b) Ja, da dieser Betrag die Ursprungsforderung war und nach Berichtigung sich nur der Betrag reduziert hat. - Fälligkeit

  • 3) Der angeführte Zeitraum 2207 für den Säumniszuschlagbescheid bezieht sich auf den Fälligkeitsmonat der Abgabe

  • 4) Ja, da im Berichtigungsbescheid vom der Teilbetrag an Wasser-Abwassergebühr für 07/2022 in der Höhe von 548,44 EUR beinhaltet ist, wurde aufgrund der Schlussabrechnung bis , dieser Betrag wieder gutgeschrieben.

  • 5) Der Wasserzähler wurde schlussendlich am auf den neuen Eigentümer umgemeldet.

  • 6) der längst fällige, festgesetzte Betrag in der Höhe von 1.551,53 EUR wurde bis dato noch nicht entrichtet."

  • Am übermittelte das BFG der belangten Behörde ein weiteres Ergänzungsersuchen:

"1.) Bitte noch um Bekanntgabe, ob bzw. seit wann es für die Hausverwaltung***HV***eine Zustellvollmacht gab und bitte um Vorlage derselben.

2.) Wann erfuhr der Magistrat erstmalig vom erfolgten Eigentümerwechsel? Laut Aktenlage erfolgte dies mit Mail vom - ist dies korrekt? Oder ist die ***BF*** schon davor ihren Meldeverpflichtungen nachgekommen (lt. Angaben des BF erfolgte der Eigentümerwechsel ja schon im Juli 2021, sprich ein Jahr vor dem Mail vom ).

3.) Liegen Ihrem Akt sonstige Meldung über den erfolgten Verkauf des Superädifikates/Eigentümerwechsel bzw. ein Vollmachtswechsel (oder ähnliches) seitens der ***BF*** bzw. der Hausverwaltung vor Juli 2022 vor (hat die Hausverwaltung, an die die Bescheide adressiert worden, schon vor dem Mail am mitgeteilt, dass sie die ***BF*** nicht mehr betreut/vertritt/die Zustellvollmacht erloschen ist?).

4.) An wen wurde die erwähnte Zahlungsaufforderung vom zugestellt/adressiert?

5.) Warum wurde die Wassergebühr nicht zum Stichtag Juli 2021 schlussabgerechnet? (sämtliches Vorbringen durch den BF zielt darauf ab, dass mit Juli 2021 der Eigentümerwechsel erfolgte)."

Am erstatte die Behörde folgendes Antwortschreiben:

"1) Lt. Email der ***1*** v. wurde um Übermittlung sämtlicher Korrespondenz an die ***2***, p.A. Hausverwaltung ***HV***, ersucht.

2) hieramts befindet sich nur das Email vom (siehe Anhang - Email: WG: Kundennummer: ***3***…)

3) hieramts ist nur ein Schreiben vom worin die HV mitteilt, dass sie die Adresse nicht mehr verwalten (siehe Anhang - Email: WG:5010/Abgabekonto ***4***…). [Auszug aus dem Mail vom : Sehr geehrte Damen und Herren,

anbei retournieren wir die Buchungsmitteilung für Grundbesitzabgaben Nr. ***7*** und hiermit teilen wir Ihnen mit, dass wir für die oben genannte Adresse nicht mehr verwalten. Wir bitten Sie, dass die künftigen Mitteilungen nicht mehr an uns kommen. Vielen Dank.]

4) diese Zahlungsaufforderung wurde amtlich korrigiert und an die ***5***, exp. (siehe Anhang - ZA_22 07 05_MA6_Wasser-und Abwassergebühren…)

5) lt. tel. Rücksprache mit der MA31, Hr. ***6*** wurde erst per die Meldung über den Besitzwechsel bei der MA31 eingebracht und zu dem Wasserbescheides vom keine Berufung eingebracht und somit ist dieser in Rechtskraft erwachsen."

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Am erteilte die BF gegenüber der belangten Behörde eine Zustellvollmacht an die Hausverwaltung ***HV*** (hinsichtlich der Zustellung von Rechnungen, Vorschreibungen und Korrespondenzen).

Mit E-Mail vom teilte die bis dahin zustellbevollmächtigte Hausverwaltung der belangten Behörde (Rechnungs- und Abgabenwesen; Buchhaltungsabteilung 9) die Auflösung dieser (Zustell)Vollmacht mit.

Mit (Berichtigungs)Bescheid vom wurde der BF die Wasser- und Abwassergebühr in Höhe von EUR 1.817,48 vorgeschrieben. Dieser Bescheid wurde der zustellbevollmächtigten Hausverwaltung ***HV*** (ohne Zustellnachweis) zugestellt.

Die Schlussabrechnung der Wasser- und Abwassergebühr vom (zum Stichtag / Gutschrift über EUR 548,88) wurde an die BF direkt zugestellt.

Der mit EUR 1.551,53 aushaftende Betrag an Wasser- und Abwassergebühren (Berichtigungsbescheid vom über EUR 1.817,48, plus Rückstände für den Zeitraum 01/2022 iHvEUR 144,54 und EUR 137,95, abzüglich Guthaben aus der Schlussabrechnung iHv EUR 548,44) wurde zum Fälligkeitstag nicht entrichtet.

Am wurde von der belangten Behörde ein Bescheid über die Festsetzung eines Säumniszuschlages im Ausmaß von 2% der Wasser- und Abwassergebühr, somit iHv EUR 31,03, erlassen.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Akten der belangten Behörde sowie der Beantwortung der Ergänzungsersuchen vom und .

Die durch die BF an die Hausverwaltung erteilte Zustellvollmacht ergibt sich aus dem E-Mail vom und wurde grundsätzlich im Verfahren auch nicht in Abrede gestellt.

Die BF behauptet in der Beschwerde, dass ihr der (Berichtigungs)Bescheid vom (bzw. der diesem vorangegangene Bescheid vom ) nie zugegangen sei.

Hierzu wird grundsätzlich ausgeführt, dass Zustellungsbevollmächtigungen so lange zu beachten sind, als der Behörde nicht der Widerruf, die Kündigung bzw die einvernehmliche Aufhebung bekannt wird (siehe unten 3. Rechtliche Beurteilung; vgl zB , ZfVB 1991/5-6/2250; , 98/05/0123; ; LVwG NÖ , LVwG-AV-1080/001-2019).

Der Widerruf der Vollmacht wurde der belangten Behörde jedoch mit E-Mail vom durch die bis dahin zustellbevollmächtigte Hausverwaltung mitgeteilt (siehe "Sehr geehrte Damen und Herren, anbei retournieren wir die Buchungsmitteilung für Grundbesitzabgaben Nr. ***7*** und hiermit teilen wir Ihnen mit, dass wir für die oben genannte Adresse nicht mehr verwalten. Wir bitten Sie, dass die künftigen Mitteilungen nicht mehr an uns kommen"). Dieser Umstand wurde in Beantwortung des Ergänzungsersuchens des BFG (vom ) durch die belangte Behörde am mitgeteilt und das entsprechende E-Mail dazu vorgelegt.

Der Umstand, dass der aushaftende Betrag von EUR 1.551,53 zum Fälligkeitstag nicht entrichtet wurde, ist unstrittig.

Rechtliche Grundlagen

2.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gesetzliche Grundlagen

§ 97 Abs 1 BAO lautet:

Erledigungen werden dadurch wirksam, daß sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt

a) bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung;
b) bei mündlichen Erledigungen durch deren Verkündung.

§ 7 Zustellgesetz lautet:

Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

§ 9 Abs 1 Zustellgesetz lautet:

Soweit in den Verfahrensvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht).

Absatz 3: Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

§ 217 BAO

§ 217 (1) BAO lautet: Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten.

(2) Der erste Säumniszuschlag beträgt 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.

[…]

(4) Säumniszuschläge sind für Abgabenschuldigkeiten insoweit nicht zu entrichten, als

a) ihre Einhebung gemäß § 212a ausgesetzt ist,
b) ihre Einbringung gemäß § 230 Abs. 2, 3, 5 oder 6 gehemmt ist,
c) ein Zahlungsaufschub im Sinn des § 212 Abs. 2 zweiter Satz nicht durch Ausstellung eines Rückstandsausweises (§ 229) als beendet gilt,
d) ihre Einbringung gemäß § 231 ausgesetzt ist.

(5) Die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages gemäß Abs. 2 entsteht nicht, soweit die Säumnis nicht mehr als fünf Tage beträgt und der Abgabepflichtige innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eintritt der Säumnis alle Abgabenschuldigkeiten, hinsichtlich derer die Gebarung (§ 213) mit jener der nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenschuldigkeit zusammengefasst verbucht wird, zeitgerecht entrichtet hat. In den Lauf der fünftägigen Frist sind Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage, der Karfreitag und der 24. Dezember nicht einzurechnen; sie beginnt in den Fällen des § 211 Abs. 2 erst mit dem Ablauf der dort genannten Frist.

(6) Wird vor dem Ende einer für die Entrichtung einer Abgabe zustehenden Frist ein Vollstreckungsbescheid (§ 230 Abs. 7) erlassen, so tritt die Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages gemäß Abs. 2 erst mit dem ungenützten Ablauf dieser Frist, spätestens jedoch einen Monat nach Erlassung des Vollstreckungsbescheides ein und beginnt erst ab diesem Zeitpunkt die Dreimonatsfrist des Abs. 3 erster Satz zu laufen.

(7) Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.

§ 217a BAO lautet:
Für Landes- und Gemeindeabgaben gilt Folgendes:

1. § 217 Abs. 3 ist nicht anzuwenden,

2. Säumniszuschläge werden im Zeitpunkt der Zustellung des sie festsetzenden Bescheides fällig,

3. abweichend von § 217 Abs. 10 erster Satz sind Säumniszuschläge, die den Betrag von fünf Euro nicht erreichen, nicht festzusetzen.

Rechtliche Beurteilung

Zustellvollmacht

Im Bereich des Abgabenrechtes gilt das Prinzip der Amtswegigkeit und kommt es nicht darauf an, ob sich eine Partei erst "nachträglich" auf einen Zustellmangel beruft. Die Wirksamkeit des Bescheides ist als Prozessvoraussetzung vom Verwaltungsgericht auch dann zu prüfen, wenn die Parteien kein entsprechendes Vorbringen erstatten, besteht doch im Verfahren vor der Abgabenbehörde und im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht keine Bindung an Beschwerdepunkte ().

Gemäß § 97 Abs 1 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen (von Ausnahmefallen abgesehen) durch Zustellung. Soweit in den Verfahrensvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können gemäß § 9 Abs 1 Zustellgesetz die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht). Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat nach § 9 Abs 3 Zustellgesetz die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen.

Zustellungen haben grundsätzlich an den Zustellungsbevollmächtigten zu erfolgen (eine rechtswidrige Zustellung an die Partei wäre rechtsunwirksam, vgl zB ).

Vollmachten sind für die (Abgaben)behörde erst bedeutsam, wenn sie ihr bekannt sind (); umgekehrt sie sind solange von Bedeutung, als die Behörde von ihrer Aufhebung nicht erfährt (). Zustellungsbevollmächtigungen sind demnach so lange zu beachten sind, als der Behörde nicht der Widerruf, die Kündigung bzw. die einvernehmliche Aufhebung bekannt wird (Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), ZustG, § 9, III. Erteilung der Zustellungsvollmacht [Rz 22]; , ZfVB 1991/5-6/2250; , 98/05/0123; ; LVwG NÖ , LVwG-AV-1080/001-2019).

Nachdem die belangte Behörde im vorliegenden Fall vor Ergehen der Festsetzungsbescheide vom / über den Widerruf/Kündigung der an die Hausverwaltung erteilten Zustellvollmacht informiert wurde (Mail vom ), ist die Zustellung der Wasser- und Abwasserbescheide unrechtmäßig erfolgt.

Dabei wird angemerkt, dass der Magistrat der Stadt Wien infolge seines umfassenden Aufgabenbereichs in mehrere Magistratsabteilungen untergliedert ist (vgl.: https://www.wien.gv.at/kontakte/ma.html bzw. § 3. (1) Geschäftsordnung für den Magistrat der Stadt Wien (GOM), Verordnung V001/240/2023, Entschließung des Bürgermeisters, mit der gemäß § 91 Abs. 4 WStV mit Genehmigung des Gemeinderates die Geschäftsordnung für den Magistrat erlassen wird). Hierbei handelt es sich um eine Angelegenheit der inneren Organisation des Magistrats. Welche Abteilung bzw. welche Organwalter welcher Abteilung des Magistrats Wien für diesen tätig werden, ist daher keine Frage der Zuständigkeit, sondern nur eine Frage der inneren Gliederung der Behörde. Demnach spielt es auch keine Rolle, bei welcher Abteilung der Widerruf der Vollmacht bekannt gegeben wurde.

Auf eine etwaige "Heilung des Zustellmangels durch Einlassung" war nicht weiter einzugehen, da eine solche nach § 9 Abs 3 iVm § 7 ZustG voraussetzt, dass dem Vollmachtgeber die als Bescheid intendierte Erledigung tatsächlich, und zwar im Original, zukommt (). Davon ist im vorliegenden Fall keine Rede. Anhaltspunkte für den Erhalt des Dokumentes durch die BF wurden nicht behauptet und sind der Aktenlage auch nicht zu entnehmen. Die Behauptung der BF, sie habe diese(n) Bescheid(e) nicht erhalten, kann daher nicht wiederlegt werden.

Aufgrund der mangelhaften Zustellung der Bescheide vom bzw. sind diese nicht wirksam ergangen.

Säumniszuschlag

Der Säumniszuschlag entsteht kraft Gesetzes und stellt eine objektive Säumnisfolge dar. Dabei sind die Gründe, die zum Zahlungsverzug geführt haben, grundsätzlich unbeachtlich, ebenso wie die Dauer des Verzuges (vgl Ritz, BAO7, § 217, Tz 2 und 3 und die dort zitierte Judikatur des VwGH). Sein Zweck liegt darin, die pünktliche Tilgung von Abgabenschulden sicherzustellen.

Säumniszuschlagsansprüche bedingen allerdings, dass eine Verpflichtung zur Entrichtung der betreffenden Abgabe besteht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Säumniszuschlagspflicht den Bestand eines formellen Abgabenzahlungsanspruches voraus (). Dafür spricht schon der Wortlaut der Bestimmung des § 217 Abs 1 BAO, die ausdrücklich darauf abstellt, dass eine Abgabe nicht am Fälligkeitstag entrichtet wurde. Voraussetzung eines Säumniszuschlages ist daher eine fällige Abgabenschuld.

Mangels Abgabenschuld bzw. Säumnis ist der Bescheid vom daher zu Unrecht ergangen. Der Beschwerde war stattzugeben und der bekämpfte Bescheid ersatzlos aufzuheben.

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine solche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt gegenständlich nicht vor. Die Feststellung der fehlenden Voraussetzungen für die Festsetzung eines Säumniszuschlages auf Ebene des Sachverhaltes betrifft keine Rechtsfragen und ist deshalb grundsätzlich keiner ordentlichen Revision zugänglich.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 217 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 7 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7400043.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at