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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.07.2023, RV/2101094/2019

Keine Erstattung von Vorsteuer aus Roaminggebühren an Drittlandsunternehmen im Vorsteuererstattungsverfahren

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, TADIG-Code ***1***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des ***FA***, nunmehr: Finanzamt Österreich (FAÖ), vom , betreffend

a) die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Vorsteuererstattung für 01-12/2010, 01-12/2011, 01-03/2011, 04-09/2011, 01-12/2012, 01-03/2012, 04-06/2012, 07-09/2012, 10-12/2012, 01-03/2013, 04-06/2013, 07-09/2013, 10-12/2013, 01-03/2014, 04-06/2014, 07-09/2014 und 10-12/2014,

b) die Bescheide über die Erstattung von Vorsteuern für den Zeitraum 01-12/2010, 01-12/2011, 01-03/2011, 04-06/2011 (Anm: wohl gemeint 04-09/2011), 01-03/2012, 04-06/2012, 07-09/2012, 10-12/2012, 01-12/2013 (wohl gemeint als Zusammenfassung der Zeiträume 01-03/2013, 04-06/2013, 07-09/2013, 10-12/2013), 01-03/2014, 04-06/2014, 07-09/2014 und 10-12/2014,
Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:,

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist eine im Drittland (***2***) ansässige Gesellschaft, die als sogenannter "Handy-Provider" Leistungen im Bereich der "Telefonie" erbringt. In ***2*** betreibt sie ein "Handy-Netz" und hat überwiegend in ***2*** ansässige Kunden.
Wenn die Kunden der Bf. während ihres Aufenthaltes in Österreich telefonieren, erfolgt dies durch Nutzung der Netze österreichischer "Handy-Provider". Die österreichischen "Handy-Provider" stellen der Bf. für jede einzelne Nutzung des Netzes sogenannte "Roaming-Gebühren" in Rechnung, welche Kosten die Bf. an ihre Kunden verrechnet.
Die österreichischen "Handy-Provider" haben die "Roaming-Gebühren" an die Bf. mit 20%iger Umsatzsteuer verrechnet. Die Bf. hat dann beim Finanzamt einen Antrag "auf Vergütung der Umsatzsteuer für nicht im Inland ansässige Unternehmer" gestellt, in denen sie für die gegenständlichen Zeiträume beantragte, die ihr von den österreichischen "Handy-Providern" in Rechnung gestellte Umsatzsteuer zu erstatten.
Das Finanzamt erstattete die Umsatzsteuer zunächst, nahm aber dann nach Überprüfung die Vorsteuererstattungsverfahren wieder auf mit dem Hinweis auf die Begründung der neuen Sachbescheide, mit denen die Vorsteuer nunmehr mit Null festgesetzt wurde, aufgrund des Vorliegens von Inlandsumsätzen.
Die Bf. bestritt die Veranlagungspflicht und die Verlagerung der Umsätze ins Inland, die Anwendung der Verordnung BGBl. II 383/2003 sei unionsrechtswidrig, die Anwendung der Vorsteuer- bzw. des Veranlagungsverfahrens stelle keinen Wiederaufnahmsgrund dar, der Sachverhalt sei dem Finanzamt aufgrund der übermittelten Eingangsrechnungen bekannt gewesen, es liege keine neue Tatsache vor.
In den Jahren 2010 bis 2014 lägen keine nachträglichen Rabatte vor, was sich auch aus der Beilage des Finanzamtes zu den Rabatten entnehmen lasse.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde gegen die Wiederaufnahmen abgewiesen:

"Gemäß § 303 Abs. 1 BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Tatsachen sind dabei ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis geführt hätten, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften. Maßgebend ist, ob der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können. Die Wiederaufnahme auf Grund neu hervorgekommener Tatsachen oder Beweismittel bietet die Möglichkeit, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen; sie dient aber nicht dazu, bloß die Folgen einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung eines offengelegten Sachverhaltes zu beseitigen (vgl. Ritz, BA0
5(2014) § 303 Rz 21 u 24; 2006/15/0314, 96/13/0185).

Die Bf. ist ein im Drittland (***2***) ansässiges Telekommunikationsunternehmen, welches im ***FA*** als Vorsteuer-Erstatter (VO BGBl 1995/279 idgF) geführt wurde. Das Unternehmen brachte seit dem Jahr 2009 bis dato Vorsteuererstattungsanträge (U5) ein und wurden die Vorsteuern im Zeitraum 2010-2014 erstattet.

Der Umstand, dass im Zuge von Ermittlungen der Betriebsprüfung Rabattzahlungen bzw. von neuerlichen U5-Anträgen die Nichtanwendung des Erstattungsverfahrens festgestellt wurde, kann als neue Tatsache angesehen werden und waren dies Umstände, die im abgeschlossenen Verfahren bisher nicht bekannt waren. Die Geschäftsanalyse des Unternehmens bzw. die umsatzsteuerliche Beurteilung hinsichtlich der Besteuerung der (Telekommunikations-) Dienstleistungen der Bf. an ihre Kunden waren Umstände, die im abgeschlossenen Verfahren bisher nicht bekannt waren.

Eine "wesentliche" neue Tatsache, die eine Wiederaufnahme der Verfahren rechtfertigt, ist es eben gerade, dass sich durch die Prüfung eine Steuerpflicht in Österreich und damit die Anwendung desUmsatzsteuerveranlagungsverfahrens ergibt. Das Finanzamt setzte die Vorsteuern mit "0" fest, da es auf Grund der VO BGBl II 1997/102, BGBl II 383/2003 (VO zu Telekommunikationsdiensten) zu einer Verlagerung des Leistungsortes nach Österreich gekommen ist und die ErstattungsVO somit nicht mehr Anwendung findet.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und wird auch auf die zusätzliche Begründung zu den abweislichen Beschwerdevorentscheidungen über die Erstattung von Vorsteuern vom heutigen Tag verwiesen."

In der Beschwerdevorentscheidung vom zu den Sachbescheiden führte das Finanzamt zur Abweisung begründend aus:
"Bei der Beschwerdeführerin (in der Folge: Bf.) handelt es sich um ein im Drittland (***2***) ansässiges Telekommunikationsunternehmen, welches an Kunden Telekommunikationsdienstleistungen erbringt. Soweit die Kunden der Bf. in Österreich mit einem Mobiltelefon telefonieren, müssen sie die Netze österreichischer Provider benützen. Zu diesem Zweck schließt die Bf. mit den österreichischen Providern Roaming-Verträge ab, für deren Nutzung Entgelte (samt 20%iger österr. Umsatzsteuer), sogenannte Roaminggebühren, in Rechnung gestellt werden, welche die Bf. mit entsprechenden Aufschlägen an ihre Kunden weiterverrechnet.
Die Bf. begehrte im (vereinfachten) Vorsteuererstattungsverfahren mittels Formular U5 die Vergütung dieser von den österreichischen Netzbetreibern 2009 bis 2014 in Rechnung gestellten Umsatzsteuer (USt).
Nach abweislichen Bescheiden über die Erstattung von Vorsteuern für oa. Zeitraum wurde jeweils fristgerecht Beschwerde eingebracht; es komme zu keiner Verlagerung des Leistungsortes nach Österreich auf Grund der VO BGBl II 2003/383 idF BGBl II 2009/221; um Vorsteuererstattung für 2009-2013 werde ersucht.

Dazu wird nunmehr ergänzend ausgeführt, dass ausgehend von Telekommunikationsdienstleistungen, die in Österreich genutzt oder ausgewertet werden und Drittlandsunternehmer, die in Österreich keine Betriebsstätte haben, Folgendes gilt:

Ein Drittlandsunternehmer bekommt (bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen) die Vorsteuer aus der Rechnung des österreichischen Netzbetreibers nur dann im Erstattungsverfahren erstattet, wenn
• der österr. Netzbetreiber seine Telekommunikatonsdienstleistung zu Recht mit österr. USt in Rechnung stellt (dh sich nicht auf das günstigere EU-Recht beruft - die VO
BGBl. II Nr. 383/2003 zur Anwendung kommt) und
• der ausländische Unternehmer selbst keine (Telekommunikatons-)Dienstleistungen in Österreich erbringt - dh die VO BGBl. II Nr. 383/2003 nicht zur Anwendung gelangt.
Bei jedem Sachverhalt sind daher zwei Leistungsbeziehungen zu unterscheiden:
1. Die Leistungsbeziehung zwischen dem österr. Netzbetreiber und dem Drittlandsunternehmer
2. Die Leistungsbeziehung zwischen dem Drittlandsunternehmer und ihren Kunden.
Ad 1.
Zur Leistungsbeziehung zwischen dem österr. Netzbetreiber und dem Drittlandsunternehmer:
Hier ist zu untersuchen, ob der österreichische Netzbetreiber seine Rechnung zu Recht mit österr. Umsatzsteuer ausstellt. Die vom österr. Netzbetreiber an den Drittlandsunternehmer erbrachte Telekommunikationsdienstleistung ist grundsätzlich gemäß
§ 3a Abs. 6 UStG 1994 am Empfängerort im Drittland steuerbar. Wird jedoch diese Telekommunikationsdienstleistung in Österreich genutzt oder ausgewertet, so kommt es zur Verlagerung des Leistungsortes nach Österreich und der Netzbetreiber hat eine Rechnung mit österr. Umsatzsteuer auszustellen.
Sofern der österr. Netzanbieter seine Leistung mit österr. Umsatzsteuer in Rechnung stellt und sich nicht auf das günstigere EU-Recht beruft oder nicht berufen kann, ist das rechtens und die Vorsteuer aus dieser Rechnung (bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen) abzugsfähig.

Erklärend wird hierzu ausgeführt:
Der österreichische Netzanbieter hat die Möglichkeit, sich hinsichtlich der von ihm erbrachten Telekommunikationsdienstleistungen an Drittlandsunternehmer auf das für ihn günstigere EU Recht (
Artikel 56 Abs. 1 Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom ) zu berufen, ist jedoch nicht dazu verpflichtet. Wenn er dies jedoch tut, dann ist dies aber nur in solchen Fällen möglich, in denen Telekommunikationsdienstleistungen an Empfänger im Drittland erbracht werden und diese Leistung im Drittland einer der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegt. Dh der österr. Netzbetreiber müsste seine Leistung im Drittland einer Umsatzsteuer unterwerfen und dies der österreichischen Finanzverwaltung nachweisen, wobei dies beispielsweise durch Beschreibung der gesetzlichen Bestimmungen im Drittland und Vorlage entsprechender Steuerbescheide erfolgen kann.
Wenn der österr. Netzbetreiber seine Rechnung mit österr. Umsatzsteuer gestellt hat, kann wohl davon ausgegangen werden, dass er sich nicht auf das günstigere EU-Recht berufen hat oder berufen hat können. Daher ist seine Leistung in Österreich steuerbar und steuerpflichtig und die Rechnung wurde zu Recht mit österr. Umsatzsteuer ausgestellt und ist grundsätzlich abzugsfähig.

Ad 2.
Zur Leistungsbeziehung zwischen Drittlandsunternehmer und ihren Kunden:
Hier ist zu untersuchen, ob der Drittlandsunternehmer die Voraussetzungen für das Erstattungsverfahren erfüllt, insbesondere, ob er selbst Umsätze in Österreich ausgeführt hat oder nicht. Es muss daher untersucht werden, wo die (Telekommunikationsdienst)Leistung des Drittlandsunternehmers an seine Kunden steuerbar ist, zumal in Österreich steuerbare Umsätze das (vereinfachte) Vorsteuererstattungsverfahren grundsätzlich ausschließen.
Zur Feststellung des Leistungsortes wäre als erstes abzuklären, wer Leistungsempfänger (Unternehmer, Nichtunternehmer) des Drittlandsunternehmers ist und wo diese ihren Sitz, Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Werden Telekommunikationsdienstleistungen an Unternehmer erbracht, bestimmt sich der Leistungsort ab dem nach
§ 3a Abs. 6 UStG 1994 (Empfängerort). Wird eine solche Leistung an einen Nichtunternehmer erbracht, bestimmt sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 7 bzw. § 3a Abs. 13 UStG 1994.
Aber unabhängig davon, ob der Leistungsempfänger ein Unternehmer oder ein Nichtunternehmer ist, kommt es zu einer Verlagerung des Leistungsortes nach der VO BGBl II Nr. 383/2003, wenn der Leistungsort dieser Leistung außerhalb des Gemeinschaftsgebietes liegt, dort keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegt und im Inland genutzt oder ausgewertet wird.
Sofern daher die vom Drittlands-Telekomunternehmer an seine Kunden erbrachten Telekommunikationsdienstleistungen nach obigen Bestimmungen im Drittland steuerbar sind, ist in weiterer Folge zu untersuchen, ob die vom Drittlandsunternehmer erbrachte Leistung in Österreich genutzt oder ausgewertet wird. Eine Telekommunikationsdienstleistung wird zB dann in Österreich genutzt wird, wenn hier telefoniert oder das österr. Telefonnetz genützt wird.
In weiterer Folge ist zu untersuchen, ob diese Leistung des Drittlandsunternehmers im Drittland einer der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegt.
Eine Nichtbesteuerung iS der Judikatur des VwGH zu den Telekommunikationsdienstleistungen iS der VO BGBl II 383/2003 liegt dann vor, wenn die Telekommunikationsdienstleistung des im Drittland ansässigen Abnehmers dort keiner Steuer unterliegt, die den Charakter einer Umsatzsteuer im Sinne der Judikatur des EuGH bzw. der RL 2006/112/EG (bzw. 6. EG- RL) hat.
Zur Vergleichbarkeit wird die Rechtsansicht vertreten, dass in Analogie zur VwGH-Judikatur ( und 2004/15/0010; und 2002/15/0100 und insbesondere /01044) davon ausgegangen wird, dass Vergleichbarkeit vorliegt, wenn die Umsatzbesteuerung mit der der RL 2006/112/EG vergleichbar ist. Daher ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der in dieser Richtlinie vorgeschriebene Mindeststeuersatz in Höhe von 15% heranzuziehen ist, da innerhalb der EU der Standardsteuersatz gem. Art. 97 RL 2006/112/EG nicht weniger als 15% betragen darf.
Den Nachweis, dass die Telekommunikationsdienstleistung im Drittland einer der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegt, hat der Unternehmer zu erbringen. Es gibt jedoch keine gesetzlichen Anforderungen, wie dieser Nachweis auszusehen hat. Für den oa. Nachweis können daher sämtliche Unterlagen/Beweismittel etc. herangezogen werden, durch die der Steuerpflichtige in die Lage versetzt wird, der österreichischen Finanzverwaltung glaubhaft darzulegen, dass die erbrachte Telekommunikationsdienstleistung im Drittland einer der inl. Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegt und dort auch tatsächlich versteuert wurde. Dies kann beispielsweise durch Beschreibung der gesetzlichen Bestimmungen im Drittland und Vorlage entsprechender Steuerbescheide erfolgen (vgl. UStR 2000 Rz 363).
Dh, der Nachweis der tatsächlichen Versteuerung ist durch Vorlage entsprechender Unterlagen seitens der zuständigen Finanzverwaltung aus dem Drittland bzw. durch Unterlagen iZm der zuständigen Finanzverwaltung möglich, zB 'Jahreserklärungen mit Unterlagen und Eingangsstempel der drittländischen Finanzverwaltung 'Umsatzsteuerbescheide 'Bestätigung der drittländischen Finanzverwaltung betreffend die Rechtslage in den streitgegenständlichen Jahren 'Bestätigung der drittländischen Finanzverwaltung, dass die Telekommunikationsdienstleistungen der drittländischen Firma XY im Zeitraum von ... bis ... an ihre Kunden, auch wenn diese Kunden im Ausland (Österreich) telefoniert haben, im Drittland tatsächlich versteuert wurden 'beglaubigte Übersetzungen ausländischer Schriftstücke in die Amtssprache Deutsch, vgl. Art. 8(1) BVG.
Nicht ausreichend als Nachweis der tatsächlichen Versteuerung sind Bestätigungen, die nicht von Finanzbehörde stammen bzw. solche, die nicht dem Steuerpflichtigen oder dem streitgegenständlichen Jahr zuordenbar oder bloße Unternehmerbestätigungen sind.

Zusammenfassend zu Punkt I. wird ausgeführt:
Ist die VO BGBl II 383/2003 für die Leistungen eines Drittlandsunternehmers an seine Kunden nicht anwendbar (zB wenn die Leistung nicht in Österreich genutzt oder ausgewertet wird oder wenn sie im Drittland einer vergleichbaren Steuerbelastung unterliegt), dann hat der Unternehmer keine Umsätze in Österreich und bekommt die Vorsteuer aus der Rechnung des österr. Netzbetreibers im Erstattungsverfahren erstattet (sofern der Netzbetreiber diese zu Recht mit österr. USt ausgestellt hat- s.o.).
Ist aber davon auszugehen, dass die Telekommunikationsdienstleistung des Drittlandsunternehmers an Leistungsempfänger im Drittland oder an Nichtunternehmer im EU Raum erbracht und in Österreich genutzt oder ausgewertet wird bzw. diese im Drittland keiner vergleichbaren Umsatzbesteuerung unterliegt, wird der Leistungsort durch die VO BGBl II 383/2003 nach Österreich verlagert. Der Drittlandsunternehmer hat in Österreich steuerbare und steuerpflichtige Leistungen, die das Erstattungsverfahren ausschließen, dh die Umsätze im allgemeinen Umsatzsteuerveranlagungsverfahren zu erklären (
§ 21 Abs. 4 UStG 1994) und bekommt auch (nur) dort die Vorsteuern aus der Rechnung des österr. Netzbetreibers!

Art. 59a lit. b der RL 2006/112/EG räumt eine Ermächtigung zur Ortsverlagerung für Telekommunikationsdienstleistungen, die ein drittländischer Steuerpflichtiger an drittländische Nichtsteuerpflichtige erbringt, ein. Art. 59a leg. cit. ist (neben Art. 59b leg.cit.) die unionsrechtiiche Grundlage für die Telekomverordnung BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 und enthält keine Einschränkung auf Fälle, in denen der Leistungsempfänger in einem Mitgliedstaat ansässig ist (d.h. keine EU-Widrigkeit/keine Berechtigung, sich unmittelbar auf Unionsrecht zu berufen).
Die VO BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 (Telekomverordnung) gelangt sohin zur Anwendung (im ggstl. Fall: keine Nachweise/ keine vergleichbare Umsatzbesteuerung im Drittland). Daher sind die Umsätze der Bf. im Inland steuerbar und in weiterer Folge die Voraussetzung für die Erstattung der Vorsteuern nach der VO BGBl. Nr. 279/1995 (Vorsteuererstattungsverordnung) nicht gegeben. Die Beschwerden waren daher als unbegründet abzuweisen.
… … …
Auf die Umsatzsteuerveranlagungspflicht, dh die Abgabe von Umsatzsteuererklärungen unter Berücksichtigung eines durchschnittlichen Gewinnzuschlages sowie gewährter Rabatte (§ 16 UStG 1994 zu TADIG-Code:
***1***) wird verwiesen."

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Nach der Aktenlage machte die Bf. in den beschwerdegegenständlichen Zeiträumen Vorsteuern resultierend aus von österreichischen Mobiltelefonnetzbetreibern (Providern) für Roaminggebühren in Rechnung gestellter Umsatzsteuer im Erstattungsverfahren gem. VO BGBl 279/1995 in der jeweils geltenden Fassung geltend.
Inhalt dieser Roamingleistungen ist die Zurverfügungstellung des österreichischen Mobiltelefonnetzes des jeweiligen österreichischen Providers an die Bf. zur Nutzung durch deren Kunden.
Die Erstattung erfolgt für Drittlandsunternehmen nach Einreichung eines Formulars U5, auf dem im Ergebnis anzugeben ist, ob Umsätze in Österreich vorliegen und nach Vorlage der Originalrechnungen.
Das Finanzamt erstattete diese Umsatzsteuer, weil aufgrund der Antragstellung im Vorsteuererstattungsverfahren davon auszugehen war, dass die Bf. keine zu veranlagenden Umsätze in Österreich erzielt und weil dem § 11 UStG 1994 entsprechende Rechnungen vorgelegt wurden.

Nach neuerlicher Überprüfung der Bescheide und Klarheit über den Sachverhalt wurden die Vorsteuererstattungsbescheide wiederaufgenommen und die Vorsteuer mit Null festgesetzt.
Nach der Aktenlage ist es in den gegenständlichen Zeiträumen zu keinen nachträglichen Rabatten an die Bf. seitens der leistenden Unternehmen gekommen, wohl aber zu steuerbaren Inlandsumsätzen der Bf.
Die Ansicht des Finanzamtes, dass Inlandsumsätze vorliegen, wurde seitens der Bf. bekämpft, eine Leistungsortverlagerung der Umsätze der Bf. ins Inland läge nicht vor, die Wiederaufnahme der Verfahren und die neuen Sachbescheiden seien (unionsrechts)rechtswidrig.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage.

3. Rechtliche Beurteilung

§ 323b Abs. 1 BAO: Das Finanzamt Österreich und das Finanzamt für Großbetriebe treten für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich am an die Stelle des jeweils am zuständig gewesenen Finanzamtes.

§ 303 Abs. 1 BAO: Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind,
oder
c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. Nr. 279/1995 in der jeweils geltenden Fassung, ist die Erstattung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an nicht im Inland ansässige Unternehmer, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, abweichend von den §§ 20 und 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 nach Maßgabe der §§ 2, 3 und 3a durchzuführen, wenn der Unternehmer im Erstattungszeitraum
1. keine Umsätze im Sinne der § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 oder
2. nur steuerfreie Umsätze im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 oder
3. nur Umsätze, bei denen die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht (§ 19 Abs. 1 zweiter Unterabsatz UStG 1994) oder
4. im Inland nur Umsätze, die unter eine Sonderregelung gemäß § 25a UStG 1994 oder eine Regelung gemäß Art. 358 bis 369k der Richtlinie 2006/112/EG in einem anderen Mitgliedstaat fallen, ausgeführt hat. … …

Verordnung über die Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, BGBl II Nr. 383/2003 idF BGBl II 221/2009:
§ 1. Liegt bei einer in § 3a Abs. 14 Z 12 und 13 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 52/2009, bezeichneten Leistung der Ort der Leistung gemäß § 3a des Umsatzsteuergesetzes 1994 außerhalb des Gemeinschaftsgebietes, so wird die Leistung im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird.

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Werden sowohl der Wiederaufnahmebescheid als auch der im wiederaufgenommenen Verfahren ergangene Sachbescheid mit Berufung bekämpft, so ist nach der auch für das Beschwerdeverfahren sinngemäß geltenden ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zunächst über die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid zu entscheiden (vgl. zB ).

Über die Beschwerde zu den Sachbescheiden ist im Anschluss daran abzusprechen.

Das Rechtsinstitut der Wiederaufnahme auf Grund neu hervorgekommener Tatsachen (§ 303 Abs. 1 lit. b BAO) bietet die Möglichkeit, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen.
Tatsachen in diesem Sinne sind Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht, geführt hätten. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente sind keine Tatsachen.
Die Tatsachen müssen auch neu hervorkommen, das heißt es muss sich um solche Tatsachen handeln, die bereits vor Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens bestanden haben, aber erst nach rechtskräftigem Abschluss dieses Verfahrens der Behörde bekannt geworden sind ().
Es ist Aufgabe der Abgabenbehörden, die von diesen verfügte Wiederaufnahme durch unmissverständliche Hinweise darauf zu begründen, welche Tatsachen und Beweismittel auf welche Weise neu hervorgekommen sind ().

Im Beschwerdefall verweisen die Wiederaufnahmebescheide (und die dazu ergangene Beschwerdevorentscheidung) auf die Begründung der Sachbescheide. Demnach verlagert sich die Umsatzsteuerpflicht nach Österreich und ist das Veranlagungsverfahren statt des Vorsteuererstattungsverfahrens bei der Bf. anzuwenden.
Die Steuerpflicht der gegenständlichen Ausgangsumsätze der Bf. ist aufgrund des zwischenzeitlich ergangenen "SK Telecom", C-593/19, mittlerweile hinreichend geklärt.
Die Kenntnis dieses Umstandes hätte im Spruch abweisende Erstattungsbescheide herbeigeführt, weshalb aus diesem Grund eine Wiederaufnahme grundsätzlich zulässig ist.
Das Finanzamt erkannte erst aufgrund einer nachträglichen genauen Überprüfung der Bescheide den Sachverhalt, dass die Bf. Inlandsumsätze erzielt, was deshalb als neue Tatsache zu werten ist, weil die Bf. aufgrund der Antragstellung mit U5, was die Angabe der Nichterzielung von zu veranlagenden Inlandsumsätzen miteinschließt, den Sachverhalt insofern nicht vollständig offengelegt hat.
Das moderne Abgabenverfahren im allgemeinen ist heutzutage als automationsunterstütztes "Massenverfahren" ausgestaltet, sodass Abgabenbescheide idR ohne vorherige "Feinprüfung", sondern auf Basis der vom Abgabepflichtigen übermittelten Daten und Unterlagen (unter Verwendung von amtlichen Vordrucken) erlassen werden. Eine detaillierte Prüfung der abgabenrelevanten Umstände, etwa im Rahmen einer Außenprüfung oder durch die betriebliche Veranlagung durch nachträgliche Bescheidkontrollen, erfolgt oftmals erst einige Jahre nachdem die geprüften Bescheide erlassen (bzw. zugestellt) wurden (vgl. Predota/Rzeszut in Rzeszut/Tanzer/Unger (Hrsg), BAO: Stoll Kommentar - Digital First2.06 (2023) zu § 303 BAO Rz 14).

Umso mehr ist das Vorsteuererstattungsverfahren als Massenverfahren konzipiert, es soll ein vereinfachtes Verfahren sein, um ausländischen Unternehmern, welche ua in Österreich keine Umsätze zu erklären haben, rasch die Vorsteuer im Zusammenhang mit für inländische Vorleistungen in Rechnung gestellten Leistungen zu erstatten. Die Angaben im U5-Formular zum (Nicht)Vorliegen von zu veranlagenden Inlandsumsätzen bilden die Basis und die vorgelegten Rechnungen dienen dazu, deren Richtigkeit und Eignung für die Vorsteuerabzugsberechtigung prüfen zu können. Aufgrund der Vielzahl an Rechnungen und Anträgen ist es dem Finanzamt nur stichprobenartig möglich, auch eine umfassende und abschließende Prüfung aller Voraussetzungen durchzuführen.
Im Rahmen des Erstattungsverfahrens werden zunächst einmal nur (Eingangs)Rechnungen hinsichtlich der Voraussetzungen des § 11 UStG 1994 geprüft und nicht (Ausgangs)Umsätze der antragstellenden Unternehmen.
Ausgangsrechnungen der Bf. lagen dem Finanzamt im Vorsteuererstattungsverfahren nicht vor.

Wenn jährlich zigtausende Antragstellungen im Erstattungsverfahren erfolgen, die mit personeller Unterbesetzung gesichtet werden müssen, Rechnungen (vor allem auch im Bereich der Telekommunikationsumsätze) ua in englischer Sprache vorliegen und die Anträge rasch, effizient und verwaltungsökonomisch in einer angemessenen Frist zu erledigen sind, wird bei Bescheiderstellung im Vertrauen auf die Richtigkeit des Antrages hinsichtlich des Nichtvorliegens von zu veranlagenden Inlandsumsätzen eine weitere Prüfung unterbleiben bzw. eben erst bei nachfolgenden Prüfungsschritten der richtige Sachverhalt - hinsichtlich des Vorliegens von Inlandsumsätzen wie hier - festgestellt werden können, der eine Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigt.

Eine Wiederaufnahme ist nicht schon deshalb unzulässig, weil das Finanzamt direkt bei Antragstellung nicht gleich umfassende Prüfungsschritte hinsichtlich der Richtigkeit des offengelegten Sachverhaltes gesetzt hat, welche aufgrund der oben dargestellten Gegebenheiten eines Massenverfahrens realistischerweise nicht in allen Fällen durchführbar sind. Auch ist ihm das Unterlassen von Nachfragen zur weiteren Sachverhaltsabklärung in diesem Verfahrensstadium hinsichtlich der Berechtigung zur Wiederaufnahme nicht vorzuwerfen.

Zudem ist die komplexe Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die gegenständlichen Umsätze in der Begründung zur Beschwerdevorentscheidung vom hinsichtlich der Sachbescheide dargestellt, wonach durchaus Fälle denkbar sind, in denen die Anwendung des Erstattungsverfahrens denkbar ist, schon daraus ergibt sich, dass anhand der vorgelegten Rechnungen der Sachverhalt hinsichtlich des Nichtvorliegens von Umsätzen nicht schon auf der Hand lag.

Es ist neu hervorgekommen, dass Inlandsumsätze vorliegen und das Erstattungsverfahren insgesamt nicht zur Anwendung kommt, was in den neuen Sachbescheiden nach Wiederaufnahme berücksichtigt wurde, indem die Erstattung mit Null festgesetzt wurde.
Es ist damit insgesamt ein rechtsrichtiger Sachbescheid möglich, der die nunmehr erkannte Umsatzsteuerpflicht der Umsätze der Bf. in Österreich abbildet.
Das Neuhervorkommen von Tatsachen oder Beweismitteln ist nur aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens betreffend die konkrete Abgabe und einen konkreten Zeitraum zu beurteilen (, vgl auch ).
In allen Zeiträumen lagen - nicht offen gelegte - zu veranlagende Inlandsumsätze vor.

Das Ziel einer amtswegigen Wiederaufnahme ist es, insgesamt ein rechtmäßiges Ergebnis zu erreichen ( unter Hinweis VfGH E , B 2/96).
Bei der Wiederaufnahme von Amts wegen als Ermessensentscheidung ist eine Ermessensübung im Sinne des § 20 BAO zu treffen.
Dieses Ermessen ist vom BFG im Erkenntnis eigenverantwortlich zu üben (vgl. Ritz, BAO6, § 20 Tz 11f mwN). Dies gilt im Verfahren vor dem BFG im Anwendungsbereich der BAO zufolge Art. 130 Abs. 3 B-VG (idF BGBl. I 51/2012).

Unter Bedachtnahme auf die Bestimmung des § 20 BAO sind Ermessensentscheidungen innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen des Ermessens nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen.
Dabei ist unter dem Gesetzesbegriff Billigkeit nach ständiger Rechtsprechung Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei und unter dem Begriff Zweckmäßigkeit das öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben zu verstehen.
Die Ermessensübung hat sich vor allem am Zweck der Norm zu orientieren. Bei Verfügungen der Wiederaufnahme iSd § 303 BAO ist insbesondere der Vorrang des Prinzips der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) vor jenem der Rechtsbeständigkeit (Rechtskraft) zu beachten. Ziel ist ein insgesamt rechtmäßiges Ergebnis (vgl. Ritz, BAO6, § 303 Tz 67 mwN zur Rechtsprechung).
Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass eine Wiederaufnahme für die gegenständlichen Zeiträume und nicht vollständig offen gelegtem Sachverhalt hinsichtlich des Vorliegens von Inlandsumsätzen ermessenskonform ausgeübt werden kann.
Bei der im Sinne des § 20 BAO vorzunehmenden Interessenabwägung ist dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit einzuräumen. Die steuerlichen Auswirkungen der Wiederaufnahme sind auch nicht als geringfügig zu werten, wenn die Vorsteuerbeträge aufgrund der neuen Tatsachen im Erstattungsverfahren nicht gewährt werden können und jedenfalls ein Veranlagungsverfahren anzuwenden ist mit Erklärung der Umsätze und Festsetzung der Umsatzsteuer.

Im Übrigen werden die Vorsteuerbeträge in den späteren Umsatzsteuerveranlagungsverfahren Berücksichtigung finden, womit die Bf. auch keinesfalls beschwert sein kann, weil ihr die Vorsteuerbeträge (in der tatsächlich zustehenden Höhe) jedenfalls in einem Veranlagungsverfahren gewährt werden, ein doppelter Anspruch besteht nicht.
Zu verweisen ist auch auf das Erkenntnis des , wonach selbst rechtskräftige Erstattungsverfahren einem Umsatzsteuerveranlagungsverfahren nicht entgegenstehen und Vorsteuern für den denselben Zeitraum nicht doppelt zu gewähren ist.

Ergänzung zur Abweisung der Beschwerde gegen die Sachbescheide / Vorsteuererstattung:

Auch gegen die Sachbescheide wurde Beschwerde vom und ein Vorlageantrag vom eingebracht.

Die Steuerpflicht der gegenständlichen Ausgangsumsätze der Bf. ist aufgrund des zwischenzeitlich ergangenen zur Rechtssache "SK Telecom", C-593/19, und der ständigen Rechtsprechung des VwGH mittlerweile rechtlich eindeutig geklärt.
Demnach verlagert sich die Umsatzsteuerpflicht für die Umsätze der Bf. nach Österreich und ist das Veranlagungsverfahren statt des Vorsteuererstattungsverfahrens bei der Bf. anzuwenden.
Eine Erstattung der Vorsteuern im Erstattungsverfahren ist nicht möglich.
(Vgl. dazu auch die gefestigte Rechtsprechung des ; , Ra 2019/15/0008; , Ra 2019/15/0010; , Ro 2016/15/0035; weiters die Erkenntnisse des ; , RV/2100402/2019; , RV/2100114/2020; , RV/2100386/2022 uam).
Es ist höchstgerichtlich klargestellt, dass sich die entsprechenden Umsätze der Bf. nach der mit dem Unionsrecht in Einklang stehenden Verordnung BGBl II 383/2003 idF BGBl II 221/2009 in das Inland verlagern. Somit ist die Anwendung des Erstattungsverfahrens ausgeschlossen, weil die Bf. Umsätze im Inland erzielt hat.

Die umfangreichen Ausführungen der steuerlichen Vertretung, wonach es im Beschwerdefall zu keiner Ortsverlagerung der Telekommunikationsleistungen in das Inland komme, erfolgten noch vor Ergehen der einschlägigen Erkenntnisse des VwGH und des , "SK-Telecom" und sind durch diese Rechtsprechung hinlänglich abgehandelt und widerlegt.

Der EuGH hat in diesem Urteil demnach für Recht erkannt: " Art. 59a Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom mit Wirkung vom geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass Roamingleistungen, die von einem in einem Drittland ansässigen Mobilfunkbetreiber an seine Kunden, die ebenfalls in diesem Drittland ansässig sind bzw. dort ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, erbracht werden und die es diesen Kunden ermöglichen, das nationale Mobilfunknetz des Mitgliedstaats, in dem sie sich vorübergehend aufhalten, zu nutzen, als Dienstleistungen anzusehen sind, deren "tatsächliche Nutzung oder Auswertung " im Sinne dieser Bestimmung im Gebiet dieses Mitgliedstaats erfolgt, so dass dieser den Ort der Roamingleistungen so behandeln kann, als läge er in seinem Gebiet, wenn dadurch eine Nichtbesteuerung der Roamingleistungen in der Union vermieden wird und ohne dass es hierbei darauf ankommt, welcher steuerlichen Behandlung die Roamingleistungen nach dem nationalen Steuerrecht des Drittlands unterliegen."

Was den Zeitraum 01-12/2013 in der Beschwerde gegen die Sachbescheide betrifft, ist davon auszugehen, dass damit die einzelnen vierteljährlichen Bescheide gemeint sind bzw. zusammengefasst wurden. Ein eigener Sachbescheid 01-12/2013 existiert nicht. Ebenso wird der Bescheid für den Zeitraum 04-09/2011 mit der Beschwerdebezeichnung 04-06/2011 gemeint sein.

Die gegenständlichen neuen Sachbescheide nach zurecht erfolgter Wiederaufnahme entsprechen der Rechtslage und der ständigen Rechtsprechung.
Gesichert ist, dass im Vorsteuererstattungsverfahren die Vorsteuer nicht zu gewähren ist.
Diese sind im folgenden Umsatzsteuerveranlagungsverfahren nach Erklärung der Inlandsumsätze in voller Höhe zu berücksichtigen.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Rechtslage ist durch die Rechtsprechung, auf welche im Erkenntnis verwiesen wird, geklärt. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 3a Abs. 13 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 21 Abs. 4 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 1 Abs. 1 Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995
Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, BGBl. II Nr. 383/2003
§ 3a Abs. 14 Z 12 und 13 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 3a Abs. 6 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.2101094.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at