Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.06.2023, RV/5100725/2022

Unecht umsatzsteuerbefreiter Handelsvertreter: Ansatz des Vorsteuerpauschales zusätzlich zum Betriebsausgabenpauschale nicht vom Wortlaut der HandelsvertreterVO gedeckt

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze
RV/5100725/2022-RS1
Ist die Tätigkeit eines Handelsvertreters unecht umsatzsteuerbefreit, so lässt der Wortlaut der HandelsvertreterVO den Ansatz eines Vorsteuerpauschales zusätzlich zum Betriebsausgabenpauschale nicht zu.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***2***, vertreten durch ***3*** Steuerberatu. GmbH, ***4***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2021 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Streitpunkt

Strittig ist, ob einkommensteuerlich bei Vorliegen einer unechten Umsatzsteuerbefreiung das Handelsvertreter-Pauschale mit oder ohne Vorsteuerpauschale anzusetzen ist.

2. Verfahrensablauf

2.1.

Der Beschwerdeführer, im folgenden "der Bf.", betrieb im Jahr 2021 als Einzelunternehmer das reglementierte Gewerbe der Versicherungsvermittlung in der Form Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten (GISA-Auszug vom ) und war gleichzeitig an der Versicherungsagentur ***5*** KG, die das reglementierte Gewerbe der Versicherungsvermittlung in der Form Versicherungsagent betrieb, beteiligt. Beides führte zu Einkünften aus Gewerbebetrieb.

Wie aus seiner am elektronisch eingereichten Einkommensteuererklärung 2021 hervorgeht, wurden die Einkünfte des Bf. aus dem Einzelunternehmen durch eine Einnahmen- Ausgabenrechnung gem. § 4 Abs. 3 EStG 1988 unter Anwendung des Umsatzsteuer-Bruttosystems ermittelt. Für die von der Handelsvertreter-Pauschalierung erfassten Ausgaben wurde von der Handelsvertreter-Pauschalierung Gebraucht gemacht. In der Kennzahl 9259 "pauschalierte Betriebsausgaben" wurde der Betrag von EUR 6.524,00 eingetragen. Dieser Betrag setzt sich aus dem Höchstbetrag der Handelsvertreter-Pauschale iHv EUR 5.825,00 und der darauf entfallenden Vorsteuerpauschale iHv 699,00 zusammen.

Umsatzsteuerlich wurden die vom Bf. als Einzelunternehmer erzielten Umsätze unecht nach § 6 Abs. 1 Z 13 UStG 1994 befreit behandelt. Eine Umsatzsteuererklärung wurde nicht abgegeben.

2.2.

Im Einkommensteuerbescheid 2021 vom wurde die Handelsvertreterpauschale mit der Begründung nicht berücksichtigt, dass die gleiche Tätigkeit auch als Mitunternehmerschaft ausgeübt werde.

2.3.

In der gegen den Einkommensteuerbescheid 2021 erhobenen Beschwerde wurde die Nichtberücksichtigung des Handelsvertreterpauschales mit Hinweis auf die gegenteilige Judikatur des VwGH gerügt.

2.4.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Einkommensteuerbescheid 2021 vom geändert. Es wurde die Handelsvertreterpauschale berücksichtigt, allerdings nicht mit dem beantragten Betrag iHv EUR 6.524,00, sondern vermindert um das Vorsteuerpauschale von EUR 699,00 lediglich in Höhe von EUR 5.825,00. Als Begründung wurde angeführt, dass aufgrund der unechten Umsatzsteuerbefreiung als Versicherungsvertreter das geltend gemachte Vorsteuerpauschale gemäß § 14 UStG nicht anerkannt werde.

2.5.

Die steuerliche Vertretung des Bf. erhob dagegen am über FinanzOnline einen Vorlageantrag mit dem Hinweis, dass gemäß Erkenntnis des , der zusätzliche Ansatz des Vorsteuerpauschales in Höhe von EUR 699,00 auch bei einer unechten Umsatzsteuerbefreiung zulässig sei.

2.6.

Die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid vom wurde dem BFG am zur Entscheidung vorgelegt. Im Vorlagebericht nahm das Finanzamt wie folgt zu den Ausführungen des Bf. Stellung: "Im Fall einer unechten Umsatzsteuerbefreiung kann ab der Veranlagung 2019 die auf abpauschalierte Betriebsausgaben entfallende einkommensteuerlich abzugsfähige Umsatzsteuer nicht in Höhe des rechnerisch ermittelten Vorsteuerpauschales gemäß § 14 Umsatzsteuergesetz 1994 berücksichtigt werden (vgl. ), sondern nur die auf abpauschalierte Betriebsausgaben entfallende tatsächliche Umsatzsteuer angesetzt werden. Seitens der Abgabenbehörde wird beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

A. Sachverhalt und Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus Punkt 2.2. und ist unstrittig.

B. Rechtsgrundlagen

B.1.

Das Einkommenssteuergesetz 1988 (EStG 1988), BGBl. 400/1988, in der beschwerderelevanten Fassung lautet auszugsweise:

Gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988 darf der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben dann als Gewinn angesetzt werden, wenn keine gesetzliche Verpflichtung zur Buchführung besteht und Bücher auch nicht freiwillig geführt werden. Durchlaufende Posten, das sind Beträge, die im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt werden, scheiden dabei aus. Der Steuerpflichtige darf selbst entscheiden, ob er die für Lieferungen und sonstige Leistungen geschuldeten Umsatzsteuerbeträge und die abziehbaren Vorsteuerbeträge als durchlaufende Posten behandelt. (…)

Gemäß § 4 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 sind Betriebsausgaben die Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst sind.

§ 17 EStG 1988(Einkommensteuergesetz in der maßgebenden Fassung) besagt:

(1) Bei den Einkünften aus einer Tätigkeit im Sinne des § 22 oder des § 23 können die Betriebsausgaben im Rahmen der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 mit einem Durchschnittssatz ermittelt werden. Der Durchschnittssatz beträgt
- bei freiberuflichen oder gewerblichen Einkünften aus einer kaufmännischen oder technischen Beratung, einer Tätigkeit im Sinne des § 22 Z 2 sowie aus einer schriftstellerischen, vortragenden, wissenschaftlichen, unterrichtenden oder erzieherischen Tätigkeit 6%, höchstens jedoch 13 200 €,
- sonst 12%, höchstens jedoch 26 400 €,
der Umsätze im Sinne des § 125 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung. Daneben dürfen nur folgende Ausgaben als Betriebsausgaben abgesetzt werden: Ausgaben für den Eingang an Waren, Rohstoffen, Halberzeugnissen, Hilfsstoffen und Zutaten, die nach ihrer Art und ihrem betrieblichen Zweck in ein Wareneingangsbuch (§ 128 BAO) einzutragen sind oder einzutragen wären, sowie Ausgaben für Löhne (einschließlich Lohnnebenkosten) und für Fremdlöhne, soweit diese unmittelbar in Leistungen eingehen, die den Betriebsgegenstand des Unternehmens bilden, weiters Beiträge im Sinne des § 4 Abs. 4 Z 1.
§ 4 Abs. 3 vorletzter Satz ist anzuwenden.

(2) Die Anwendung des Durchschnittssatzes gemäß Abs. 1 setzt voraus, daß

1. keine Buchführungspflicht besteht und auch nicht freiwillig Bücher geführt werden, die eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 ermöglichen,
2. die Umsätze im Sinne des § 125 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung des vorangegangenen Wirtschaftsjahres nicht mehr als 220 000 Euro betragen,
3. aus der Steuererklärung hervorgeht, dass der Steuerpflichtige von der Pauschalierung Gebrauch macht.

(3) Geht der Steuerpflichtige von der Ermittlung der Betriebsausgaben mittels des Durchschnittssatzes gemäß Abs. 1 auf die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 oder im Rahmen der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 auf die Geltendmachung der Betriebsausgaben nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften über, so ist eine erneute Ermittlung der Betriebsausgaben mittels des Durchschnittssatzes gemäß Abs. 1 frühestens nach Ablauf von fünf Wirtschaftsjahren zulässig.

(4) Für die Ermittlung des Gewinnes können weiters mit Verordnung des Bundesministers für Finanzen Durchschnittssätze für Gruppen von Steuerpflichtigen aufgestellt werden. Die Durchschnittssätze sind auf Grund von Erfahrungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse bei der jeweiligen Gruppe von Steuerpflichtigen festzusetzen. Solche Durchschnittssätze sind nur für Fälle aufzustellen, in denen weder eine Buchführungspflicht besteht noch ordnungsmäßige Bücher geführt werden, die eine Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich ermöglichen.

B.2.

Gem. § 6 Abs. 1 Z 13 iVm § 12 Abs. 3 UStG 1994 sind die Umsätze aus der Tätigkeit als Versicherungsvertreter unecht umsatzsteuerbefreit.

§ 14 UStG 1994 regelt den Vorsteuerabzug nach Durchschnittsätzen. Nach § 14 Abs. 1 UStG 1994 können Unternehmer die abziehbaren Vorsteuerbeträge wahlweise nach folgenden Durchschnittsätzen ermitteln

1. (…)

2. Der Bundesminister für Finanzen kann weiters mit Verordnung für die Ermittlung der abziehbaren Vorsteuerbeträge Durchschnittssätze für Gruppen von Unternehmern aufstellen. Die Durchschnittssätze sind auf Grund von Erfahrungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse bei der jeweiligen Gruppe von Unternehmern festzusetzen.

(2) In der Verordnung gemäß Abs. 1 Z 2 werden bestimmt:

1. Die Gruppe von Betrieben, für welche Durchschnittssätze anwendbar sind;

2. die für die Ermittlung der Durchschnittssätze jeweils maßgebenden Merkmale. Als solche kommen insbesondere Art und Höhe der an den Betrieb ausgeführten Umsätze in Betracht;

3. der Umfang, in dem Unternehmern, deren Vorsteuer nach diesen Durchschnittssätzen zu ermitteln ist, Erleichterungen in der Führung von Aufzeichnungen gewährt werden.

(3) Die Durchschnittssätze gemäß Abs. 1 Z 2 müssen zu einer Vorsteuer führen, die nicht wesentlich von dem Betrag abweicht, der sich ohne Anwendung der Durchschnittssätze ergeben würde.

(…).

B.3.

Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für die Ermittlung von Betriebsausgaben und Vorsteuerbeträgen bei Handelsvertretern, BGBl II Nr. 95/2000 idF BGBl II 2003/635 (in der Folge abgekürzt mit HandelsvertreterVO) hält fest:

"Auf Grund des § 17 Abs. 4 und 5 des Einkommensteuergesetzes 1988, des § 14 Abs. 1 Z 2 des Umsatzsteuergesetzes 1994 sowie des § 184 der Bundesabgabenordnung wird verordnet:

§ 1. Bei einer Tätigkeit als Handelsvertreter im Sinne des Handelsvertretergesetzes 1993, BGBl. Nr. 88/1993, können im Rahmen

1. der Gewinnermittlung bestimmte Betriebsausgaben
2. der Entrichtung der Umsatzsteuer bestimmte abziehbare Vorsteuersteuerbeträge
jeweils mit Durchschnittssätzen angesetzt werden.

§ 2. Bei der Anwendung von Durchschnittssätzen gilt folgendes:

(1) Durchschnittssätze können nur für die in Abs. 2 und 3 angeführten Betriebsausgaben und Vorsteuerbeträge angesetzt werden. Neben dem jeweiligen Durchschnittssatz dürfen Betriebsausgaben oder Vorsteuerbeträge nur dann berücksichtigt werden, wenn sie in vollem Umfang nach den tatsächlichen Verhältnissen angesetzt werden.

(2) Der Durchschnittssatz für Betriebsausgaben umfaßt
- Mehraufwendungen für die Verpflegung (Tagesgelder im Sinne des § 4 Abs. 5 in Verbindung mit § 26 Z 4 des Einkommensteuergesetzes 1988),
- Ausgaben für im Wohnungsverband gelegene Räume (insbesondere Lagerräumlichkeiten und Kanzleiräumlichkeiten),
- Ausgaben anläßlich der Bewirtung von Geschäftsfreunden,
- üblicherweise nicht belegbare Betriebsausgaben wie Trinkgelder und Ausgaben für auswärtige Telefongespräche.

Der Durchschnittssatz beträgt 12% der Umsätze (§ 125 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung), höchstens jedoch 5 825 Euro jährlich.

(3) Der Durchschnittssatz für Vorsteuerbeträge gilt die bei Betriebsausgaben im Sinne des Abs. 2 anfallenden Vorsteuern ab. Der Durchschnittssatz beträgt 12% des sich aus Abs. 2 ergebenden Durchschnittssatzes. Als Vorsteuer darf höchstens ein Betrag von 699 Euro jährlich angesetzt werden. Soweit die abziehbare Vorsteuer nach einem Durchschnittssatz berechnet wird, ist das Unternehmen von der Aufzeichnungspflicht gemäß § 18 Abs. 2 Z 5 und 6 des Umsatzsteuergesetzes 1994 befreit.

§ 4. (1) Die Verordnung ist erstmals bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2000 anzuwenden.

(2) § 2 Abs. 2 und 3, jeweils in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 416/2001, sind erstmals bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2002 anzuwenden.

(3) § 3 in der Fassung vor BGBl. II Nr. 635/2003 ist letztmalig bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2002 anzuwenden."

C. Rechtliche Würdigung

C.1.

Umsatzsteuerlich ist der Bf. unecht umsatzsteuerbefreiter Unternehmer. Das bedeutet, dass er seine eigenen Leistungen ohne Umsatzsteuer in Rechnung stellt, er jedoch auch keine Vorsteuern von den von ihm bezogenen Leistungen abziehen kann. Er ist daher auch keine Umsatzsteuerveranlagung durchzuführen.

Ertragsteuerlich haben aufgrund des Vorsteuerabzugsverbotes die Vorsteuern keinen bloßen Durchlaufcharakter iSd § 4 Abs. 3 S 3 EStG 1988. Der Bf. kann daher im Rahmen der Einnahmen- Ausgabenrechnung nur das Bruttosystem anwenden. Das heißt, dass die Betriebseinnahmen ohne Umsatzsteuer anzusetzen sind, weil eine solche im Fall der unechten Befreiung nicht anfällt. Aufgrund des Vorsteuerabzugsverbotes bildet die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer einen Kostenfaktor, sie ist daher bei der Einkommensteuer als Betriebsausgabe abzugsfähig, sofern sie nicht Teil von Anschaffungskosten bildet. Ertragsteuerlich führt daher das Vorsteuerabzugsverbot zum Ansatz der Betriebsausgaben inklusive Umsatzsteuer.

C.2.

Die HandelsvertreterVO stellt wesensmäßig eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung dar, lässt aber zu, dass im Rahmen der Gewinnermittlung bestimmt Betriebsausgaben nicht in ihrer tatsächlichen Höhe, sondern in Durschnittsätzen angesetzt werden. Der Durchschnittssatz für Betriebsausgaben beträgt 12% der Umsätze iSd § 125 Abs. 1 BAO, höchstens jedoch EUR 5.825,00 jährlich. Nach § 125 Abs. 1 BAO sind Umsätze solche gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 Umsatzsteuergesetz 1994 zuzüglich der Umsätze aus im Ausland ausgeführten Leistungen. Die Umsätze gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 Umsatzsteuergesetz 1994 sind Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, und der Eigenverbrauch im Inland. Der Umsatz wird gem. § 4 Abs. 1 UStG 1988 bei Lieferungen und Leistungen nach dem Entgelt bemessen. Die Umsatzsteuer gehört gem. § 4 Abs. 10 UStG 1988 nicht zum Entgelt (im Gesetzestext: zur Bemessungsgrundlage).

Die Betriebsausgabenpauschale knüpft daher an eine Nettogröße an.

C.3.

Die einkommensteuerliche Pauschalierung für Handelsvertreter ist von der umsatzsteuerlichen Pauschalierung für Handelsvertreter unabhängig. Die Pauschalierungen können ohne jegliche wechselseitige Bindungen jeweils gesondert gewählt werden.

C.4.

Einkommensteuerlich werden zur Frage, ob und in welcher Höhe zusätzlich zum Maximalbetrag von EUR 5.825,00 Vorsteuern als Betriebsausgaben abzuziehen sind, unterschiedliche Meinungen vertreten. Gemeinsam ist allen Meinungen, dass das Betriebsausgabenpauschale nach der HandelsvertreterVO eine Nettogröße ist. Dies ergibt sich auch aus dem in Punkt C.2. Ausgeführtem.

C.4.1.

Das Erkenntnis des UFSG vom , RV/0102-G/04, führt zu den Gründen, warum die auf das Betriebsausgabenpauschale als Nettogröße entfallenden Vorsteuern nach allgemeinen Gewinnermittlungsgrundsätzen zusätzlich als Betriebsausgaben und zwar in Form der Vorsteuerpauschale abzugsfähig sind, aus:

"1. Zur Frage des Ansatzes des Vorsteuerpauschales als (zusätzliche) Betriebsausgabe:

Entgegen der Ansicht beider Parteien des zweitinstanzlichen Berufungsverfahrens lässt sich nach Auffassung der Abgabenbehörde zweiter Instanz bereits aus der HandelsvertreterVO - und nicht erst aus der mit Einkommensteuerprotokoll 2002 erfolgten Klarstellung - erschließen, dass es sich bei dem Betriebsausgabenpauschale nach § 2 Abs. 2 der genannten Verordnung um eine Nettogröße handelt:

Gemäß § 2 Abs. 1 der HandelsvertreterVO, deren grundsätzliche Anwendbarkeit im Berufungsfall vom Finanzamt nicht in Frage gestellt wird, können (nur) für die in Abs. 2 und 3 der Verordnung angeführten Betriebsausgaben und Vorsteuerbeträge Durchschnittssätze zum Ansatz gebracht werden.

Nach Abs. 2 der vorzitierten Bestimmung umfasst der Durchschnittssatz für Betriebsausgaben die dort näher bezeichneten Aufwendungen (wie etwa Verpflegungsmehraufwendungen, Ausgaben für die Bewirtung von Geschäftsfreunden ua.). Es können also nur bestimmte, gesetzlich determinierte Ausgaben mit diesem Pauschale abgegolten werden.

Der Durchschnittssatz für Betriebsausgaben beträgt 12% der Umsätze, höchstens jedoch ATS 80.000,00 bzw. € 5.825,00 (§ 2 Abs. 2 letzter Satz der Verordnung).

Gemäß § 2 Abs. 3 der HandelsvertreterVO gilt der Durchschnittssatz für Vorsteuerbeträge die bei Betriebsausgaben iSd. Abs. 2 anfallenden Vorsteuern ab. Der Durchschnittssatz beträgt 12% des sich aus Abs. 2 ergebenden Durchschnittssatzes, höchstens jedoch ATS 9.600,00 bzw. € 699,00.

Die HandelsvertreterVO geht ganz offensichtlich vom "Normalfall" des umsatzsteuerpflichtigen bzw. vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer aus. Denn aus deren Wortlaut im § 2 Abs. 3 geht hervor, dass das dort normierte Vorsteuerpauschale die auf die gem. § 2 Abs. 2 leg. cit. "abpauschalierten" Betriebsausgaben entfallende Vorsteuer abgilt. Die auf diese (genau bezeichneten) Betriebsausgaben entfallende Vorsteuer ist daher im Betriebsausgabenpauschale des § 2 Abs. 2 HandelsvertreterVO nicht enthalten, anderenfalls das Vorsteuerpauschale beim vorsteuerabzugsberechtigten Abgabepflichtigen zu einer Doppelberücksichtigung dieser Vorsteuerbeträge führen würde: Einerseits als ertragsteuerliche Betriebsausgaben - was aber ganz entgegen dem "Nettosystem" wäre - , sowie andererseits eben als abzugsfähige Vorsteuern im Bereich der Umsatzsteuer.

Der Bw. tätigt unecht befreite Umsätze und ist daher gemäß § 12 Abs. 3 UStG 1994 nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Dies hat ertragsteuerlich zur Folge, dass die verausgabten Vorsteuerbeträge - soweit sie auf steuerlich relevante Aufwendungen entfallen - für ihn zum Kostenfaktor und sohin zur Betriebsausgabe werden (s. zB Doralt, EStG 7. Auflage, § 4 Tz 330).

Das Betriebsausgabenpauschale des § 2 Abs. 2 der HandelsvertreterVO ist aber - wie oben dargelegt - (bereits auf Grund des bloßen Verordnungstextes) als Nettogröße anzusehen, und zwar unabhängig davon, ob der Abgabepflichtige zum Vorsteuerabzug berechtigt ist oder nicht. D. h. die damit "abpauschalierten" Betriebsausgaben sind jeweils nur mit ihren Nettoentgelten (ohne Umsatzsteuer) erfasst. Die darauf entfallenden Vorsteuerbeträge sind somit auch vom Höchstbetrag gemäß § 2 Abs. 2 letzter Satz in keinem Falle mitumfasst und können daher neben dem Betriebsausgabenpauschale - im vorliegenden Fall eben in (maximal möglicher) Höhe des Vorsteuerpauschales nach § 2 Abs. 3 der Verordnung - gesondert in Abzug gebracht werden.

Jede andere Interpretation stünde auch mit dem Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung in Widerspruch, hätte dies doch entgegen der allgemeinen Grundsätze die gänzliche steuerliche Nichtberücksichtigung der verausgabten Umsatzsteuerbeträge - nämlich weder als abziehbare Vorsteuern im Bereich der Umsatzsteuer, noch als gewinnmindernde Aufwendungen im Bereich der Ertragsteuer - zur Konsequenz.

Auf Grund dieser Rechtslage kann daher bei Ermittlung der gewerblichen Einkünfte sowohl für das Jahr 2001 (zur Berechtigung des entsprechenden Aufhebungsantrages siehe nachfolgenden Punkt 2.) als auch für das Jahr 2002 das Vorsteuerpauschale gesondert angesetzt werden."

C.4.2.

Die andere Meinung hat ihren Ursprung in der Behandlung eines Gesellschafter-Geschäftsführers, der umsatzsteuerlich von der durch die Verwaltungspraxis eingeräumten Wahlmöglichkeit, seine Tätigkeit als nichtunternehmerisch zu behandeln, Gebrauch gemacht hat. Der Gesellschafter-Geschäftsführer wendete die Betriebsausgabenpauschalierung des § 17 Abs. 1 EStG 1988 an und erhöhte die Betriebsausgabenpauschale um 1,8% Vorsteuerabzug nach Durchschnittsätzen gem. § 14 Abs. 1 Z 1 UStG 1994. Das Erkenntnis des , ließ den Vorsteuerabzug nicht zu, weil sich durch die umsatzsteuerliche Behandlung der Tätigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers als nichtunternehmerisch weder geschuldete Umsatzsteuerbeträge noch abziehbare Vorsteuerbeträge ergeben. Das Beschwerdebegehren würde auf die Berücksichtigung eines gesetzlich nicht vorgesehenen Betriebsausgabenabzuges hinauslaufen. Der Beschwerdeführer verwies zur Stützung seines Standpunktes auf die Handelsvertreter-VO. Hierzu führte das BFG nur kurz aus, dass bei Anwendbarkeit der Handelsvertreter-VO sich nicht die vom Bf. vertretene Rechtsmeinung ergeben würde.

Ein weiteres aktuelleres Erkenntnis des BFG, , bezieht sich auf diese Entscheidung und führt zum nichtunternehmerisch tätigen Gesellschafter-Geschäftsführer aus:

"Betreffend Fragestellung 1) ist auf die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtes (UFS, , RV/0541-G/09; BFG, , RV/71000168/2016; BFG, , RV/5100582/2017; BFG, , RV/3100661/2018 mit Verweis auf die Rechtsprechung des VwGH, , 99/15/0143) Bezug zu nehmen:

Ebenso wie in den Fällen der zitierten BFG-Rechtsprechung ist der Bf Gesellschafts-Geschäftsführer und bezieht - mit seinen von der GmbH-Gesellschaft an ihn geleistetenGehältern und sonstigen Vergütungen - als solcher Einkünfte iSd. § 22 Z. 2 zweiter Teilstrich EStG 1988. Laut erhobenen Sachverhaltsfeststellungen übte der Bf seine Gesellschafts-Geschäftsführertätigkeit im Beschwerdezeitraum 2014 umsatzsteuerrechtlich (durch Inanspruchnahme [gemäß Rz 4131 der EStR 2000 iVm. Rz 184 der UStR 2000] von der Verwaltungspraxis eingeräumten Wahlmöglichkeit) als eine nichtunternehmerische Tätigkeit aus.

"Bemessungsgrundlage für das Betriebsausgabenpauschale gemäß § 17 Abs. 1 EStG 1988 sind die Umsätze (im Sinne des § 125 Abs. 1 BAO). Bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer, der nicht Unternehmer im Sinne des UStG ist, sind die Betriebseinnahmen maßgeblich. Diese enthalten - bei einem Nichtunternehmer - keine Umsatzsteuer. Somit gibt es keine geschuldeten Umsatzsteuerbeträge, aber auch keine abziehbaren Vorsteuern, die (im Rahmen einer "Bruttoverrechnung") in die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung einbezogen werden könnten" (BFG, , RV/3100661/2018).

Damit ist die Berücksichtigung des vom Bf geltend gemachten - gesetzlich nicht vorgesehenen - "fiktiven" Vorsteuerpauschales iSd. § 14 Abs. 1 Z. 1 UStG 1994 ausgeschlossen und erübrigt sich eine darüberhinausgehende Thematisierung der Vorbringen des Bf sowie des FA. Abschließend sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Finanzverwaltung mittlerweile aus Anlass auf die Rechtsprechung des BFG, , RV/7100168/2016 reagiert hat und seit der 18. Fassung ( bis ) der EStR (in Rz 4131) von der bisherigen (gesetzlich nicht gedeckten) Verwaltungspraxis abgegangen ist, indem im Falle unechter Umsatzsteuerbefreiungen (zB. Kleinunternehmer iSd § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994) oder Gesellschafter-Geschäftsführern, die umsatzsteuerlich nicht als Unternehmer behandelt werden, die Geltendmachung des Vorsteuerpauschales gemäß § 14 UStG 1994 versagt wird."

C.4.3.

Tatsächlich wurde die Einkommensteuerrichtlinien diesbezüglich geändert. Rz 4131 der EStR lautet nunmehr:

"Beim Bruttosystem sind sowohl die auf Grund von Lieferungen oder sonstigen Leistungen geschuldete Umsatzsteuer als auch die an andere Unternehmer bezahlte Umsatzsteuer (Vorsteuer) sowie die Umsatzsteuerzahllast anzusetzen. Da das Betriebsausgabenpauschale als Nettogröße anzusehen ist, ist die auf ertragsteuerlich "abpauschalierte" Betriebsausgaben entfallende Vorsteuer gesondert anzusetzen. Wird im Bereich der Umsatzsteuer die Vorsteuerpauschalierung nach § 14 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 in Anspruch genommen, ist das Vorsteuerpauschale ebenfalls gesondert als Betriebsausgabe anzusetzen. Im Fall einer unechten Umsatzsteuerbefreiung (zB Kleinunternehmer iSd § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994) oder im Fall eines Gesellschafter-Geschäftsführers, der umsatzsteuerlich nicht als Unternehmer behandelt wird (siehe UStR 2000 Rz 184), kann ab der Veranlagung 2019 die auf abpauschalierte Betriebsausgaben entfallende - einkommensteuerlich abzugsfähige - Umsatzsteuer nicht in Höhe des rechnerisch ermittelten Vorsteuerpauschales gemäß § 14 UStG 1994 berücksichtigt werden (). Es kann nur die auf abpauschalierte Betriebsausgaben entfallende tatsächliche Umsatzsteuer angesetzt werden."

C.4.4.

In den verschiedenen Kommentaren wird im Wesentlichen ohne weitere Auseinandersetzung auf die BFG Rechtsprechung und die aktualisierten Aussagen in den Einkommensteuerrichtlinien verwiesen.

Höchstgerichtliche Rechtsprechung liegt zu dieser Frage nicht vor.

C.4.5.

Nach Ansicht des BFG lässt der Wortlaut der Handelsvertreterverordnung die Anwendung eines Durchschnittssatzes für Vorsteuerbeträge nur zu, wenn abziehbare Vorsteuerbeträge vorliegen. Dies ergibt sich aus § 1 Z 2 iVm § 1 Abs. 3 HandelsvertreterVO, der einen Durschnittsatz für Vorsteuerbeträge nur bei bestimmten abziehbaren Vorsteuern zulässt. Bei Anwendbarkeit einer unechten Umsatzsteuerbefreiung gibt es aber keine abziehbaren Vorsteuern. Daher kann im Beschwerdefall entgegen dem Beschwerdebegehren nicht zusätzlich zur Betriebsausgabenpauschale eine Vorsteuerpauschale angesetzt werden. Es kann im Beschwerdefall dahin gestellt bleiben, ob, wie das Finanzamt vertritt, der Steuerpflichtige die auf die abpauschalierten Betriebsausgaben entfallende tatsächliche Umsatzsteuer zusätzlich ansetzen kann, weil der Steuerpflichtige diese ohnehin nicht bekannt gegeben hat.

Anders als bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich oder Einnahmen-Ausgaben-Rechnung wird der Gewinn im Falle einer Pauschalierung durch den Ansatz von Betriebsausgaben mittels Prozentsätzen - im Beschwerdefall 12% vom Umsatz - beeinflusst. Damit kommen bei der Gewinnermittlung nicht die tatsächlichen Betriebsausgaben, sondern ein Durchschnittswert zum Ansatz, der zwangsläufig Ungenauigkeiten enthält und im Regelfall eine Begünstigungsvorschrift darstellt, weil der Steuerpflichtige nur dann die pauschale Abgeltung der Betriebsausgaben wählen wird, wenn sie für ihn günstiger ist als der Ansatz der tatsächlichen Betriebsausgaben.

Der Beschwerdeführer ist nicht gehalten, die pauschalierte Form der Gewinnermittlung, wie sie die HandelsvertreterVO zulässt, in Anspruch zu nehmen. Wenn dies für ihn günstiger sein sollte, kann er seinen Gewinn auch nach den allgemeinen Grundsätzen des § 4 Abs. 3 EStG 1988 (oder auch nach § 4 Abs. 1 EStG 1988) ermitteln. Im Hinblick darauf, dass die steuerlichen Folgen somit in der Ingerenz des Steuerpflichtigen liegen, bestehen gegen die vorgenommene rechtliche Beurteilung auch keine Bedenken aus der Sicht der Wettbewerbsneutralität oder des Gleichheitssatzes ( zur Teilpauschalierung nach der LuF PauschVO 2006).

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

D. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zur strittigen Rechtsfrage (Vgl. Punkt 1) liegt noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor, weshalb die ordentliche Revision zugelassen wird.

Linz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100725.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at