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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.07.2023, RV/2100350/2019

Inlandsumsätze eines Telekommunikationsunternehmens mit Sitz im Drittland Keine Erstattung der Vorsteuern im Vorsteuererstattungsverfahren

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache **Bf**, vertreten durch **Stbg**, über die Beschwerden gegen die Bescheide des ***FA*** (nunmehr: FAÖ), Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I.1. über die Beschwerde vom zu den Bescheiden über die Wiederaufnahmen der Verfahren vom zu den (Jahres)Bescheiden betreffend Vorsteuererstattung für 2008 bis 2012 (RV/2100353/2019)

I.2. über die Beschwerde vom zu den (Jahres)Bescheiden vom über die Vorsteuererstattungen 2008 bis 2013 (RV/2100350/2019)

I.3. über die Beschwerde vom zum Bescheid vom über die Vorsteuererstattung 2014
und über die Beschwerde vom zum Bescheid vom über die Vorsteuererstattung 2015 (RV/2100356/2019):

Diese Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

I.4. über die Beschwerde vom zu den Umsatzsteuerfestsetzungsbescheiden jeweils für die Jahre 2011 bis 2015 vom ,
welche gemäß § 253 BAO gerichtet gilt gegen die Umsatzsteuerjahresbescheide 2011 bis 2015 vom (RV/2100354/2019):
Die Beschwerde, nunmehr gerichtet gegen die Umsatzsteuerjahresbescheide 2011 bis 2015, wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
(Die Beschwerde vom gegen die Umsatzsteuerjahresbescheide 2011 bis 2015 vom ist als ergänzender Schriftsatz zur Beschwerde vom zu werten und von diesem Erkenntnis abweisend mitumfasst bzw. miterledigt.)

Diese Beschwerde wird gemäß § 279 BAO in ihrer Gesamtheit und als gegen die Umsatzsteuerjahresbescheide 2011 bis 2015 gerichtet, als unbegründet abgewiesen.

I.5. über die Beschwerde vom zum Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid 2016 vom :
Der Bescheid und die dazu ergangene Beschwerdevorentscheidung werden gem. § 278 BAO aufgehoben und an das Finanzamt zurückverwiesen (Aufhebung und Zurückverweisung)

I.6. über die Beschwerde vom gegen die Bescheide vom zur Festsetzung von Verspätungszuschlägen betreffend Umsatzsteuer 2011 bis 2015 (RV/2100355/2019):
Dieser Beschwerde wird stattgegeben, diese Bescheide werden - ersatzlos - aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist ein Telekommunikationsunternehmen mit Sitz im Drittland (***1***).
In den beschwerdegegenständlichen Zeiträumen machte die Bf. Vorsteuern aus von österreichischen Unternehmen für Roaminggebühren in Rechnung gestellter Umsatzsteuer im Erstattungsverfahren gem. VO BGBl. 279/1995 in der jeweils geltenden Fassung geltend, da die Bf. der Ansicht war, keine Umsätze in Österreich zu erzielen.

Das Finanzamt erstattete zunächst die beantragten Vorsteuerbeträge mit Erstbescheiden betreffend die Jahre 2008 bis 2012, da aufgrund der Antragstellung im Erstattungsverfahren die Annahme bestand, dass keine Umsätze in Österreich erzielt würden.
Für die Jahre 2013 bis 2015 kam es bereits mit Erstbescheiden zu einer Abweisung der Erstattungsanträge bzw. einer Erstattung mit Null mit dem Hinweis, dass es zu einer Verlagerung der Umsätze nach Österreich komme, und bedurfte es insofern keiner Wiederaufnahme zur Richtigstellung.
Die Wiederaufnahmen erfolgten mit Hinweis auf die Feststellungen der Außenprüfung, die Vorsteuererstattungsbescheide mit Null mit dem Hinweis auf vorliegende Inlandsumsätze, genauere Feststellungen dazu ergeben sich detailliert aus dem Außenprüfungsbericht und der Niederschrift dazu.

Die Bf. führte im Zusammenhang mit den Wiederaufnahmen aus, dass hier kein Neuerungstatbestand vorliege. Im Zuge der Einbringung des Antrages auf Vorsteuererstattung seien sämtliche Belege beigelegt worden. Dem Finanzamt seien sämtliche Unterlagen zur Würdigung des Sachverhalts vorgelegen und alle entscheidungsrelevanten Umstände zur zutreffenden rechtlichen Würdigung des Sachverhaltes offengelegt worden.
Es sei in den Wiederaufnahmebescheiden lediglich die Abänderung einer bereits getroffenen rechtlichen Würdigung erfolgt, eine Wiederaufnahme sei damit unzulässig.

Das Finanzamt begründete in der BVE vom die Wiederaufnahmen:
"Gemäß § 303 Abs. 1 BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Tatsachen sind dabei ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis geführt hätten, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften. Maßgebend ist, ob der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können. Die Wiederaufnahme auf Grund neu hervorgekommener Tatsachen oder Beweismittel bietet die Möglichkeit, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen; sie dient aber nicht dazu, bloß die Folgen einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung eines offengelegten Sachverhaltes zu beseitigen (vgl. Ritz, BA0
5 (2014) § 303 Rz 21 u 24; , ).
Die Bf. ist ein im Drittland (
***1***) ansässiges Telekommunikationsunternehmen, welches im ***FA*** als Vorsteuer-Erstatter (VO BGBl. 1995/279 idgF) geführt wurde.
Das Unternehmen brachte 2008
ff Vorsteuererstattungsanträge (U5) ein und wurden die Vorsteuern erstattet.
Der Umstand, dass im Zuge von Ermittlungen der Betriebsprüfung die Nichtanwendung des Erstattungsverfahrens festgestellt wurde, kann als neue Tatsache angesehen werden und waren dies Umstände, die im abgeschlossenen Verfahren bisher nicht bekannt waren. Die Geschäftsanalyse des Unternehmens bzw. die umsatzsteuerliche Beurteilung hinsichtlich der Besteuerung der (Telekommunikations-) Dienstleistungen der Bf. an ihre Kunden waren Umstände, die im abgeschlossenen Verfahren bisher nicht bekannt waren.
Eine "wesentliche" neue Tatsache, die eine Wiederaufnahme der Verfahren rechtfertigt, ist es eben gerade, dass sich durch die Prüfung eine Steuerpflicht in Österreich und damit die Anwendung des Umsatzsteuerveranlagungsverfahrens ergibt. Das Finanzamt setzte die Vorsteuern mit "0" fest, da es auf Grund der VO BGBl. II 1997/102,
BGBl. II 383/2003 (VO zu Telekommunikationsdienste) zu einer Verlagerung des Leistungsortes nach Österreich gekommen ist und die ErstattungsVO somit nicht mehr Anwendung findet.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und wird auch auf die zusätzliche Begründung zu den abweislichen Beschwerdevorentscheidungen über die Erstattung von Vorsteuern für 1-12/2008 ff verwiesen
."

In dieser BVE vom führt das Finanzamt begründend aus:
"Bei der Beschwerdeführerin (in der Folge: Bf.) handelt es sich um ein im Drittland (***1***) ansässiges Telekommunikationsunternehmen, welches an Kunden Telekommunikationsdienstleistungen erbringt. Soweit die Kunden der Bf. in Österreich mit einem Mobiltelefon telefonieren, müssen sie die Netze österreichischer Provider benützen. Zu diesem Zweck schließt die Bf. mit den österreichischen Providern Roaming-Verträge ab, für deren Nutzung Entgelte (samt 20%iger österr. Umsatzsteuer), sogenannte Roaminggebühren, in Rechnung gestellt werden, welche die Bf. mit entsprechenden Aufschlägen an ihre Kunden weiterverrechnet.

Die Bf. begehrte im (vereinfachten) Vorsteuererstattungsverfahren mittels Formular U5 die Vergütung dieser von den österreichischen Netzbetreibern 2009 bis 2013 in Rechnung gestellten Umsatzsteuer (USt).
Nach abweislichen Bescheiden über die Erstattung von Vorsteuern für oa. Zeitraum wurde jeweils fristgerecht Beschwerde eingebracht; es komme zu keiner Verlagerung des Leistungsortes nach Österreich auf Grund der VO BGBl. II 2003/383 idF BGBl. II 2009/221; um Vorsteuererstattung für 2009-2013 werde ersucht.
Dazu wird nunmehr ergänzend ausgeführt, dass ausgehend von Telekommunikationsdienstleistungen, die in Österreich genutzt oder ausgewertet werden und Drittlandsunternehmer, die in Österreich keine Betriebsstätte haben, Folgendes gilt:
Ein Drittlandsunternehmer bekommt (bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen) die Vorsteuer aus der Rechnung des österreichischen Netzbetreibers nur dann im Erstattungsverfahren erstattet, wenn
• der österr. Netzbetreiber seine Telekommunikatonsdienstleistung zu Recht mit österr. USt in Rechnung stellt (dh sich nicht auf das günstigere EU-Recht beruft - die VO BGBl. II 383/2003 zur Anwendung kommt) und
• der ausländische Unternehmer selbst keine (Telekommunikatons-)Dienstleistungen in Österreich erbringt - dh die VO BGBl. II Nr. 383/2003 nicht zur Anwendung gelangt.
Bei jedem Sachverhalt sind daher zwei Leistungsbeziehungen zu unterscheiden:
1. Die Leistungsbeziehung zwischen dem österr. Netzbetreiber und dem Drittlandsunternehmer
2. Die Leistungsbeziehung zwischen dem Drittlandsunternehmer und ihren Kunden.
Ad 1.
Zur Leistungsbeziehung zwischen dem österr. Netzbetreiber und dem Drittlandsunternehmer:
Hier ist zu untersuchen, ob der österreichische Netzbetreiber seine Rechnung zu Recht mit österr. Umsatzsteuer ausstellt. Die vom österr. Netzbetreiber an den Drittlandsunternehmer erbrachte Telekommunikationsdienstleistung ist grundsätzlich gemäß
§ 3a Abs. 6 UStG 1994 am Empfängerort im Drittland steuerbar. Wird jedoch diese Telekommunikationsdienstleistung in Österreich genutzt oder ausgewertet, so kommt es zur Verlagerung des Leistungsortes nach Österreich und der Netzbetreiber hat eine Rechnung mit österr. Umsatzsteuer auszustellen.
Sofern der österr. Netzanbieter seine Leistung mit österr. Umsatzsteuer in Rechnung stellt und sich nicht auf das günstigere EU-Recht beruft oder nicht berufen kann, ist das rechtens und die Vorsteuer aus dieser Rechnung (bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen) abzugsfähig.
Erklärend wird hierzu ausgeführt:
Der österreichische Netzanbieter hat die Möglichkeit, sich hinsichtlich der von ihm erbrachten Telekommunikationsdienstleistungen an Drittlandsunternehmer auf das für ihn günstigere EU
Recht (Artikel 56 Abs. 1 Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom ) zu berufen, ist jedoch nicht dazu verpflichtet. Wenn er dies jedoch tut, dann ist dies aber nur in solchen Fällen möglich, in denen Telekommunikationsdienstleistungen an Empfänger im Drittland erbracht werden und diese Leistung im Drittland einer der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegt. Dh der österr. Netzbetreiber müsste seine Leistung im Drittland einer Umsatzsteuer unterwerfen und dies der österreichischen Finanzverwaltung nachweisen, wobei dies beispielsweise durch Beschreibung der gesetzlichen Bestimmungen im Drittland und Vorlage entsprechender Steuerbescheide erfolgen kann.
Wenn der österr. Netzbetreiber seine Rechnung mit österr. Umsatzsteuer gestellt hat, kann wohl davon ausgegangen werden, dass er sich nicht auf das günstigere EU-Recht berufen hat oder berufen hat können. Daher ist seine Leistung in Österreich steuerbar und steuerpflichtig und die Rechnung wurde zu Recht mit österr. Umsatzsteuer ausgestellt und ist grundsätzlich abzugsfähig.
Ad 2.
Zur Leistungsbeziehung zwischen Drittlandsunternehmer und ihren Kunden:
Hier ist zu untersuchen, ob der Drittlandsunternehmer die Voraussetzungen für das
Erstattungsverfahren erfüllt, insbesondere, ob er selbst Umsätze in Österreich ausgeführt hat oder nicht. Es muss daher untersucht werden, wo die (Telekommunikationsdienst)Leistung des Drittlandsunternehmers an seine Kunden steuerbar ist, zumal in Österreich steuerbare Umsätze das (vereinfachte) Vorsteuererstattungsverfahren grundsätzlich ausschließen.
Zur Feststellung des Leistungsortes wäre als erstes abzuklären, wer Leistungsempfänger (Unternehmer, Nichtunternehmer) des Drittlandsunternehmers ist und wo diese ihren Sitz,
Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Werden Telekommunikationsdienstleistung an Unternehmer erbracht, bestimmt sich der Leistungsort ab dem nach § 3a Abs. 6 UStG 1994 (Empfängerort). Wird eine solche Leistung an einen Nichtunternehmer erbracht, bestimmt sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 7 bzw. § 3a Abs. 13 UStG 1994.
Aber unabhängig davon, ob der Leistungsempfänger ein Unternehmer oder ein Nichtunternehmer ist, kommt es zu einer Verlagerung des Leistungsortes nach der VO BGBl. II Nr. 383/2003, wenn der Leistungsort dieser Leistung außerhalb des Gemeinschaftsgebietes liegt, dort keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegt und im Inland genutzt oder ausgewertet wird.
Sofern daher die vom Drittlands-Telekomunternehmer an seine Kunden erbrachten Telekommunikationsdienstleistungen nach obigen Bestimmungen im Drittland steuerbar sind, ist in weiterer Folge zu untersuchen, ob die vom Drittlandsunternehmer erbrachte Leistung in Österreich genutzt oder ausgewertet wird. Eine Telekommunikationsdienstleistung wird zB dann in Österreich genutzt wird, wenn hier telefoniert oder das österr. Telefonnetz genützt wird.
In weiterer Folge ist zu untersuchen, ob diese Leistung des Drittlandsunternehmers im Drittland einer der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegt.
Eine Nichtbesteuerung iS der Judikatur des VwGH zu den Telekommunikationsdienstleistungen iS der VO BGBl. II 383/2003 liegt dann vor, wenn die Telekommunikationsdienstleistung des im Drittland ansässigen Abnehmers dort keiner Steuer unterliegt, die den Charakter einer Umsatzsteuer im Sinne der Judikatur des EuGH bzw. der RL 2006/112/EG (bzw. 6. EG- RL) hat.
Zur Vergleichbarkeit wird die Rechtsansicht vertreten, dass in Analogie zur VwGH-Judikatur ( und 2004/15/0010; und 2002/15/0100 und insbesondere /01044) davon ausgegangen wird, dass Vergleichbarkeit vorliegt, wenn die Umsatzbesteuerung mit der der RL 2006/112/EG
vergleichbar ist. Daher ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der in dieser Richtlinie vorgeschriebene Mindeststeuersatz in Höhe von 15% heranzuziehen ist, da innerhalb der EU der Standardsteuersatz gem. Art. 97 RL 2006/112/EG nicht weniger als 15% betragen darf.
Den Nachweis, dass die Telekommunikationsdienstleistung im Drittland einer der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegt, hat der Unternehmer zu erbringen. Es gibt jedoch keine gesetzlichen Anforderungen, wie dieser Nachweis auszusehen hat. Für den oa. Nachweis können daher sämtliche Unterlagen/Beweismittel etc.
herangezogen werden, durch die der Steuerpflichtige in die Lage versetzt wird, der österreichischen Finanzverwaltung glaubhaft darzulegen, dass die erbrachte Telekommunikationsdienstleistung im Drittland einer der inl. Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegt und dort auch tatsächlich versteuert wurde. Dies kann beispielsweise durch Beschreibung der gesetzlichen Bestimmungen im Drittland und Vorlage entsprechender Steuerbescheide erfolgen (vgl. UStR 2000 Rz 363).
Dh, der Nachweis der tatsächlichen Versteuerung ist durch Vorlage entsprechender Unterlagen seitens der zuständigen Finanzverwaltung aus dem Drittland bzw. durch Unterlagen iZm der zuständigen Finanzverwaltung möglich, zB 'Jahreserklärungen mit Unterlagen und Eingangsstempel der drittländischen Finanzverwaltung 'Umsatzsteuerbescheide 'Bestätigung der drittländischen Finanzverwaltung betreffend die Rechtslage in den streitgegenständlichen Jahren
'Bestätigung der drittländischen Finanzverwaltung, dass die Telekommunikationsdienstleistungen der drittländischen Firma XY im Zeitraum von ... bis ... an ihre Kunden, auch wenn diese Kunden im Ausland (Österreich) telefoniert haben, im Drittland tatsächlich versteuert wurden 'beglaubigte Übersetzungen ausländischer Schriftstücke in die Amtssprache Deutsch, vgl. Art. 8(1) BVG.
Nicht ausreichend als Nachweis der tatsächlichen Versteuerung sind Bestätigungen, die nicht von Finanzbehörde stammen bzw. solche, die nicht dem Steuerpflichtigen oder dem streitgegenständlichen Jahr zuordenbar oder bloße Unternehmerbestätigungen sind.
Zusammenfassend zu Punkt I. wird ausgeführt:
Ist die VO BGBl. II 383/2003 für die Leistungen eines Drittlandsunternehmers an seine Kunden nicht anwendbar (zB wenn die Leistung nicht in Österreich genutzt oder ausgewertet wird oder
wenn sie im Drittland einer vergleichbaren Steuerbelastung unterliegt), dann hat der Unternehmer keine Umsätze in Österreich und bekommt die Vorsteuer aus der Rechnung desösterr. Netzbetreibers im Erstattungsverfahren erstattet (sofern der Netzbetreiber diese zu Recht mit österr. USt ausgestellt hat- s.o.).
Ist aber davon auszugehen, dass die Telekommunikationsdienstleistung des Drittlandsunternehmers an Leistungsempfänger im Drittland oder an Nichtunternehmer im EU Raum erbracht und in Österreich genutzt oder ausgewertet wird bzw. diese im Drittland keiner vergleichbaren Umsatzbesteuerung unterliegt, wird der Leistungsort durch die VO BGBl. II 383/2003 nach Österreich verlagert. Der Drittlandsunternehmer hat in Österreich steuerbare und steuerpflichtige Leistungen, die das Erstattungsverfahren ausschließen, dh die Umsätze im allgemeinen Umsatzsteuerveranlagungsverfahren zu erklären (
§ 21 Abs. 4 UStG 1994) und bekommt auch (nur) dort die Vorsteuern aus der Rechnung des österr. Netzbetreibers!
Art. 59a lit. b der RL 2006/112/EG räumt eine Ermächtigung zur Ortsverlagerung für Telekommunikationsdienstleistungen, die ein drittländischer Steuerpflichtiger an drittländische Nichtsteuerpflichtige erbringt, ein. Art. 59a leg. cit. ist (neben Art. 59b leg.cit. die unionsrechtiiche Grundlage für die Telekomverordnung BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 und enthält keine Einschränkung auf Fälle, in denen der Leistungsempfänger in einem Mitgliedstaat ansässig ist (d.h. keine EU-Widrigkeit/keine Berechtigung, sich unmittelbar auf Unionsrecht zu berufen).
Die VO BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 (Telekomverordnung) gelangt sohin zur Anwendung (im ggstl. Fall: keine Nachweise/ keine vergleichbare Umsatzbesteuerung im Drittland). Daher sind die Umsätze der Bf. im Inland steuerbar und in weiterer Folge die Voraussetzung für die Erstattung der Vorsteuern nach der VO BGBl. Nr. 279/1995
(Vorsteuererstattungsverordnung) nicht gegeben. Die Beschwerden waren daher als unbegründet abzuweisen.
Auf die Umsatzsteuerveranlagungspflicht, dh die Abgabe von Umsatzsteuererklärungen unter Berücksichtigung eines durchschnittlichen Gewinnzuschlages sowie gewährter Rabatte (
§ 16 UStG 1994 zu TADIG-Code: ***2***) wird verwiesen."

Gegen die Abweisung der Beschwerden zur Wiederaufnahme der Verfahren brachte die Bf. durch ihre steuerliche Vertretung einen Vorlageantrag vom ein und verwies im Wesentlichen im Ergebnis darauf, dass dem Finanzamt sämtliche Sachverhaltselemente durch die vorgelegten (Original)Rechnungen bei der Erstbescheiderlassung im Zuge des Erstattungsverfahrens bekannt gewesen seien.

Die fehlende Angabe der Wiederaufnahmsgründe in der Begründung des mit Beschwerde angefochtenen Bescheides sei auch in der Beschwerdevorentscheidung nicht "nachholbar" (vgl Ritz, BAO, 6. Aufl. 2017, § 307, Rz 3).
Es sei in den Bescheiden vom lediglich - trotz offengelegten Sachverhaltes - die Abänderung einer bereits getroffenen rechtlichen Würdigung erfolgt, womit eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zulässig sei.

In den Vorlageanträgen zu den Sachbescheiden vom und vom verwies die Bf. auf die fehlende Leistungsortverlagerung der Umsätze der Bf. nach Österreich.
In der als ergänzender Schriftsatz zu wertender Beschwerde vom zu den Umsatzsteuerjahresbescheiden, berief sich die Bf. ebenso auf die fehlende Ortsverlagerung der Umsätze der Bf. in das Inland und die bestehende australische Umsatzsteuerpflicht von 10%; eine mündliche Verhandlung wurde hier nicht beantragt. Ebenso wurden keine Einwendungen gegen die Höhe der Schätzung vorgebracht.

Im Rechtsmittel zu den Wiederaufnahmebescheiden wurde kein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.
In den übrigen Verfahren erfolgte die mündliche Verhandlung auf Antrag der Bf. am .
Kurz vor Beginn wurde eine ergänzende Stellungnahme der Bf. per E-Fax eingebracht, welche in der mündlichen Verhandlung behandelt wurde.
Für den Finanzamtsvertreter ergab sich daraus kein neuer Erkenntnisgewinn, um von den Entscheidungen des Finanzamtes abzurücken. Er verwies zusätzlich auf das bisherige Vorbringen des Finanzamtes.
Seitens der Bf. erschien zur mündlichen Verhandlung niemand, die Zustellung der Ladung ist im Akt ausgewiesen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Nach der Aktenlage machte die Bf. in den beschwerdegegenständlichen Zeiträumen Vorsteuern resultierend aus von österreichischen Mobiltelefonnetzbetreibern (Providern) für Roaminggebühren in Rechnung gestellter Umsatzsteuer im Erstattungsverfahren gem. VO BGBl. 279/1995 in der jeweils geltenden Fassung geltend.
Inhalt dieser Roamingleistungen ist die Zurverfügungstellung des österreichischen Mobiltelefonnetzes des jeweiligen österreichischen Providers an die Bf. zur Nutzung durch deren Kunden.
Die Erstattung erfolgt für Drittlandsunternehmen nach Einreichung eines Formulars U5, auf dem anzugeben ist, welche Umsätze in Österreich vorliegen und nach Vorlage der Originalrechnungen.
Das Finanzamt erstattete diese Umsatzsteuer, weil aufgrund der Antragstellung im Erstattungsverfahren davon ausgegangen wurde, dass die Bf keine steuerbaren Umsätze in Österreich erziele und weil dem § 11 UStG 1994 entsprechende Rechnungen vorgelegt wurden.
Die bei der Bf. durchgeführte Außenprüfung bei der Bf. für die Jahre 2008 bis 2013 brachte dem Finanzamt den Erkenntnisgewinn, dass bei der Bf. steuerbare Inlandsumsätze vorliegen, die das Vorsteuerverfahren ausschließen (vgl. dazu die Feststellungen im AP-Bericht vom ).
Dies machte Wiederaufnahmen und neue Sachbescheide nötig, weiters wurden Umsatzsteuerfestsetzungen und Veranlagungen vorgenommen.

Im Zuge von Außenprüfungen bei österreichischen Telekommunikationsunternehmen wurde festgestellt, dass diese Unternehmen Drittlandsunternehmen nachträglich zum Teil hohe Rabatte auf verrechnete Roaminggebühren gewährt hatten, so auch der Bf. in den Jahren 2011 bis 2016.

Die Zuordnung der Rabatte konnte anhand der TADIG (Transferred Account Data Interchange Group) Codes eindeutig den einzelnen Drittlandsunternehmen zugeordnet werden.
Der TADIG-Code dient der eindeutigen Identifizierung von Netzwerk-Operatoren in einem mobilen (GSM) Netzwerk und wird für Zwecke von Roaming-Abrechnungen benötigt. Sie haben eine Länge von 5 Zeichen. Die ersten drei Zeichen repräsentieren den Ländercode. Die anschließenden zwei Zeichen identifizieren die Gesellschaft in diesem Land. Der Bf. waren die festgestellten (Vorsteuer)Gutschriften aufgrund des ihr zugeordneten TADIG-Codes "***2***" somit eindeutig zuordenbar und bestreitet die Bf. diese im Umsatzsteuerfestsetzungs- bzw. Veranlagungsverfahren dem Grunde nach auch nicht ausdrücklich und legte auch keine Unterlagen oder Belege vor, die deren Nichtgewährung oder eine andere Höhe belegen hätte können.
Die diesbezüglichen Feststellungen des Finanzamtes wurden nicht widerlegt.

Die Bf. hat demnach Vorsteuererstattungsanträge in voller Höhe für die Jahre 2011, 2012 und 2013 eingebracht, ohne die gewährten Rabatte zu berücksichtigen. Sie hat somit zum Teil überhöhte Vorsteuererstattungsanträge gestellt und die gesamten beantragten Vorsteuerbeträge erhalten. Inlandsumsätze wurden nicht erklärt.
Die tatsächlich zustehenden Vorsteuerbeträge (zu deren Höhe sich die Bf. nicht explizit äußerte) wurden der Bf. im Übrigen in den folgenden Umsatzsteuer-Festsetzungs- bzw. Veranlagungsverfahren gewährt (ausgenommen für das Jahr 2016, dazu unten Punkt I.5).

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage.

3. Rechtliche Beurteilung

§ 323b Abs. 1 BAO: Das Finanzamt Österreich und das Finanzamt für Großbetriebe treten für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich am an die Stelle des jeweils am zuständig gewesenen Finanzamtes.

§ 303 Abs. 1 BAO: Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind,
oder
c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. Nr. 279/1995 in der jeweils geltenden Fassung, ist die Erstattung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an nicht im Inland ansässige Unternehmer, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, abweichend von den §§ 20 und 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 nach Maßgabe der §§ 2, 3 und 3a durchzuführen, wenn der Unternehmer im Erstattungszeitraum
1. keine Umsätze im Sinne der § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 oder
2. nur steuerfreie Umsätze im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 oder
3. nur Umsätze, bei denen die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht (§ 19 Abs. 1 zweiter Unterabsatz UStG 1994) oder
4. im Inland nur Umsätze, die unter eine Sonderregelung gemäß § 25a UStG 1994 oder eine Regelung gemäß Art. 358 bis 369k der Richtlinie 2006/112/EG in einem anderen Mitgliedstaat fallen, ausgeführt hat.

Verordnung über die Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II 221/2009:
§ 1. Liegt bei einer in § 3a Abs. 14 Z 12 und 13 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 52/2009, bezeichneten Leistung der Ort der Leistung gemäß § 3a des Umsatzsteuergesetzes 1994 außerhalb des Gemeinschaftsgebietes, so wird die Leistung im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird.

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Zu Spruch Punkt I.1: Wiederaufnahmen der Vorsteuererstattungsbescheide 2008 bis 2012

Werden sowohl der Wiederaufnahmebescheid als auch der im wiederaufgenommenen Verfahren ergangene Sachbescheid mit Berufung bekämpft, so ist nach der auch für das Beschwerdeverfahren sinngemäß geltenden ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zunächst über die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid zu entscheiden (vgl. zB ).
(Im Rechtsmittel gegen die Wiederaufnahmen wurde kein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.)

Über die Beschwerden zu den Sachbescheiden ist im Anschluss daran abzusprechen.
Das Rechtsinstitut der Wiederaufnahme auf Grund neu hervorgekommener Tatsachen (§ 303 Abs. 1 lit. b BAO) bietet die Möglichkeit, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen.

Tatsachen in diesem Sinne sind Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht, geführt hätten. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente sind keine Tatsachen.

Die Tatsachen müssen auch neu hervorkommen, das heißt es muss sich um solche Tatsachen handeln, die bereits vor Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens bestanden haben, aber erst nach rechtskräftigem Abschluss dieses Verfahrens der Behörde bekannt geworden sind ().

Es ist Aufgabe der Abgabenbehörden, die von diesen verfügte Wiederaufnahme durch unmissverständliche Hinweise darauf zu begründen, welche Tatsachen und Beweismittel auf welche Weise neu hervorgekommen sind ().

Im Beschwerdefall verweisen die Wiederaufnahmebescheide (bzw. die dazu ergangene Beschwerdevorentscheidung) auf die Feststellungen im Außenprüfungsbericht bzw. auf die darüber aufgenommene Niederschrift bzw. die Begründung der Sachbescheide. Demnach verlagert sich der Leistungsort für die (Telekom)Umsätze der Bf. nach Österreich und ist das Veranlagungsverfahren statt des Vorsteuererstattungsverfahrens bei der Bf. anzuwenden.

Die Steuerpflicht der gegenständlichen Ausgangsumsätze der Bf. ist aufgrund des zwischenzeitlich ergangenen "SK Telecom", C-593/19, mittlerweile hinreichend geklärt (vgl. die Ausführungen zu Punkt I.2. wie folgt).

Das Finanzamt erkannte erst aufgrund der Außenprüfungsmaßnahmen, dass die Bf. auch Inlandsumsätze erzielt, was deshalb als neue Tatsache zu werten ist, weil die Bf. aufgrund der Antragstellung mit U5, was die Angabe der Nichterzielung von steuerbaren Inlandsumsätzen miteinschließt, den Sachverhalt insofern nicht vollständig offengelegt hat. Ausgangsrechnungen waren dem Finanzamt nicht bekannt.

Das moderne Abgabenverfahren im allgemeinen ist heutzutage als automationsunterstütztes "Massenverfahren" ausgestaltet, sodass Abgabenbescheide idR ohne vorherige "Feinprüfung", sondern auf Basis der vom Abgabepflichtigen übermittelten Daten und Unterlagen (unter Verwendung von amtlichen Vordrucken) erlassen werden. Eine detaillierte Prüfung der abgabenrelevanten Umstände, etwa im Rahmen einer Außenprüfung oder durch die betriebliche Veranlagung durch nachträgliche Bescheidkontrollen, erfolgt oftmals erst einige Jahre nachdem die geprüften Bescheide erlassen (bzw. zugestellt) wurden (vgl. Predota/Rzeszut in Rzeszut/Tanzer/Unger (Hrsg), BAO: Stoll Kommentar - Digital First2.06 (2023) zu § 303 BAO Rz 14).

Umso mehr ist das Vorsteuererstattungsverfahren als Massenverfahren konzipiert, es soll ein vereinfachtes Verfahren sein, um ausländischen Unternehmern, welche ua in Österreich keine Umsätze zu erklären haben, rasch die Vorsteuer im Zusammenhang mit für inländische Vorleistungen in Rechnung gestellten Leistungen zu erstatten. Die Angaben im U5-Formular zum (Nicht)Vorliegen von zu versteuernden Inlandsumsätzen bilden die Basis und die vorgelegten Rechnungen dienen dazu, deren Richtigkeit und Eignung für die Vorsteuerabzugsberechtigung prüfen zu können. Aufgrund der Vielzahl an Rechnungen und Anträgen ist es dem Finanzamt nur stichprobenartig möglich, auch eine umfassende und abschließende Prüfung aller Voraussetzungen durchzuführen.
So hat auch der Finanzamtsvertreter in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass im Rahmen des Erstattungsverfahrens (Eingangs)Rechnungen und nicht (Ausgangs)Umsätze der antragstellenden Unternehmen geprüft werden.
Ausgangsrechnungen der Bf. lagen dem Finanzamt im Vorsteuererstattungsverfahren nicht vor.

Wenn jährlich zigtausende Antragstellungen im Erstattungsverfahren erfolgen, die mit personeller Unterbesetzung gesichtet werden müssen, Rechnungen (vor allem auch im Bereich der Telekommunikationsumsätze) ua in englischer Sprache vorliegen und die Anträge rasch, effizient und verwaltungsökonomisch in einer angemessenen Frist zu erledigen sind, wird bei Bescheiderstellung im Vertrauen auf die Richtigkeit im Antrag hinsichtlich des Nichtvorliegens von steuerbaren Inlandsumsätzen eine weitere Prüfung unterbleiben bzw. eben erst bei nachfolgenden Prüfungsschritten der richtige Sachverhalt - hinsichtlich des Vorliegens von Inlandsumsätzen wie hier - festgestellt werden können, der eine Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigt. Eine Wiederaufnahme ist nicht schon deshalb unzulässig, weil das Finanzamt direkt bei Antragstellung nicht gleich umfassende Prüfungsschritte hinsichtlich der Richtigkeit des offengelegten Sachverhaltes gesetzt hat, welche aufgrund der oben dargestellten Gegebenheiten eines Massenverfahrens realistischerweise nicht in allen Fällen durchführbar sind. Auch ist ihm das Unterlassen von Nachfragen zur weiteren Sachverhaltsabklärung in diesem Verfahrensstadium hinsichtlich der Berechtigung zur Wiederaufnahme nicht vorzuwerfen.

Zudem ist die komplexe Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die gegenständlichen Umsätze im Außenprüfungsbericht und in der Begründung zur Beschwerdevorentscheidung zu den Sachbescheiden dargestellt, wonach durchaus Fälle denkbar sind, in denen die Anwendung des Erstattungsverfahrens möglich wäre. Schon daraus ergibt sich, dass anhand der vorgelegten Belege der Sachverhalt hinsichtlich des Nichtvorliegens von Inlandsumsätzen nicht schon auf der Hand lag.
Es ist neu hervorgekommen, dass Inlandsumsätze vorliegen und das Erstattungsverfahren insgesamt nicht zur Anwendung kommt, was in den neuen Sachbescheiden nach Wiederaufnahme berücksichtigt wurde, indem die Erstattung mit Null festgesetzt wurde.

Das Ziel einer amtswegigen Wiederaufnahme ist es, insgesamt ein rechtmäßiges Ergebnis zu erreichen ( unter Hinweis auf VfGH E , B 2/96).
Bei der Wiederaufnahme von Amts wegen als Ermessensentscheidung ist eine Ermessensübung im Sinne des § 20 BAO zu treffen.
Dieses Ermessen ist vom BFG im Erkenntnis eigenverantwortlich zu üben (vgl. Ritz, BAO6, § 20 Tz 11f mwN). Dies gilt im Verfahren vor dem BFG im Anwendungsbereich der BAO zufolge Art. 130 Abs. 3 B-VG (idF BGBl. I 51/2012).

Unter Bedachtnahme auf die Bestimmung des § 20 BAO sind Ermessensentscheidungen innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen des Ermessens nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen. Dabei ist unter dem Gesetzesbegriff Billigkeit nach ständiger Rechtsprechung Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei und unter dem Begriff Zweckmäßigkeit das öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben zu verstehen.

Die Ermessensübung hat sich vor allem am Zweck der Norm zu orientieren. Bei Verfügungen der Wiederaufnahme iSd § 303 BAO ist insbesondere der Vorrang des Prinzips der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) vor jenem der Rechtsbeständigkeit (Rechtskraft) zu beachten. Ziel ist ein insgesamt rechtmäßiges Ergebnis (vgl. Ritz, BAO6, § 303 Tz 67 mwN zur Rechtsprechung).

Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass eine Wiederaufnahme für die gegenständlichen Zeiträume aufgrund des nicht vollständig offen gelegten Sachverhaltes hinsichtlich des Vorliegens von Inlandsumsätzen ermessenskonform ausgeübt werden kann.

Bei der im Sinne des § 20 BAO vorzunehmenden Interessenabwägung ist dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit einzuräumen. Die steuerlichen Auswirkungen der Wiederaufnahme sind auch nicht als geringfügig zu werten, wenn die Vorsteuerbeträge aufgrund der neuen Tatsachen im Erstattungsverfahren nicht gewährt werden können und jedenfalls ein Veranlagungsverfahren anzuwenden ist mit Erklärung der Umsätze und Festsetzung der Umsatzsteuer.

Im Übrigen ist ersichtlich, dass die Vorsteuerbeträge in den späteren (noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen) Umsatzsteuerveranlagungsverfahren 2010 bis 2015 im Rahmen der Schätzung (in richtiger, rabattierter Höhe) Berücksichtigung fanden.

Eine zusätzliche Festsetzung bzw. Gewährung im Vorsteuererstattungsverfahren würde einer Doppelgewährung gleichkommen (das würde ganz klar dem Inhalt des § 4 Abs. 1 der Verordnung BGBl. 279/1995 idgF widersprechen, wonach ein bereits gewährter Vorsteuerbetrag nicht ein zweites Mal gewährt werden darf).

Die Bf. kann auch keinesfalls beschwert sein, wenn ihr die Vorsteuerbeträge (in der tatsächlich zustehenden Höhe) jedenfalls im Veranlagungsverfahren gewährt werden, ein doppelter Anspruch besteht nicht und ist eine doppelte Gewährung jedenfalls rechtswidrig und müsste gegebenenfalls ohnehin in den späteren Veranlagungsverfahren (mit welchen Verfahrenstiteln auch immer) rückgängig gemacht werden, sollte die Vorsteuer auch im Erstattungsverfahren gewährt werden.

Da die Wiederaufnahmen zu Recht erfolgten, stellt sich die Frage einer doppelten Absprache in derselben Sache nicht.

Zu Spruch Punkt I.2 und I.3 (Abweisung der Beschwerden gegen die Vorsteuererstattungsjahresbescheide 2008 - 2013, 2014 und 2015):

Auch gegen die Sachbescheide (Vorsteuererstattung 2008 bis 2013) wurde Beschwerde vom und ein Vorlageantrag vom eingebracht, sowie gegen die Vorsteuererstattungsbescheide 2014 und 2015.

Die Steuerpflicht der gegenständlichen Ausgangsumsätze der Bf. ist aufgrund des zwischenzeitlich ergangenen zur Rechtssache "SK Telecom", C-593/19, und der ständigen Rechtsprechung des VwGH mittlerweile nach Ansicht des BFG rechtlich eindeutig geklärt.

Demnach verlagert sich die Umsatzsteuerpflicht für die Umsätze der Bf. nach Österreich und ist das Veranlagungsverfahren statt des Vorsteuererstattungsverfahrens bei der Bf. anzuwenden. Eine Erstattung der Vorsteuern im Erstattungsverfahren ist nicht möglich.
(Vgl. dazu auch die gefestigte Rechtsprechung des ; , Ra 2019/15/0008; , Ra 2019/15/0010; , Ro 2016/15/0035; weiters die Erkenntnisse des ; , RV/2100402/2019; , RV/2100114/2020; , RV/2100386/2022 uam).

Es ist höchstgerichtlich klargestellt, dass sich die entsprechenden Umsätze der Bf. nach der mit dem Unionsrecht in Einklang stehenden Verordnung BGBl. II 383/2003 idF BGBl. II 221/2009 in das Inland verlagern. Somit ist die Anwendung des Erstattungsverfahrens ausgeschlossen, weil die Bf. Umsätze im Inland erzielt hat.

Daran vermögen auch die umfangreichen Ausführungen der steuerlichen Vertretung, wonach es im Beschwerdefall zu keiner Ortsverlagerung der Telekommunikationsleistungen in das Inland komme, welche noch vor Ergehen der einschlägigen Erkenntnisse des VwGH und des zu SK-Telecom, C-593/19, erfolgten, etwas zu ändern. Diese sind durch die oa Rechtsprechung hinlänglich abgehandelt und widerlegt.

Ebenso ändern die folgenden im Schriftsatz vom der Bf., eingebracht per Telefax kurz vor Beginn der mündlichen Verhandlung, umfangreichen, ergänzenden Ausführungen der steuerlichen Vertretung der Bf. etwas an oa Rechtsansicht:
"Die belangte Behörde hat in den maßgeblichen Bescheiden die Erstattung von Vorsteuern an unsereoben angeführte Mandantin zur Gänze versagt und ihre Rechtsansicht auch in der entsprechendenBeschwerdevorentscheidung aufrecht erhalten. Hierzu möchten wir folgt ergänzend ausführen:
Die Ausführungen der belangten Behörde zur Verlagerung des Leistungsorts von Telekommunikationsdienstleistungen in den angefochtenen Bescheiden sowie in der Beschwerdevorentscheidung sind
aufgrund der ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) sowiedes Verwaltungsgerichtshofs überholt.
Nach der im vorigen Absatz erwähnten Rechtsprechung kann es zu einer solchen Leistungsortverlagerung im Sinne der Verordnung BGBl. II Nr. 383/2003 kommen, wenn die dafür geltenden
Voraussetzungen, wie sie in der Rechtssache des C-593/19, SK Telecom,präzisiert wurden, erfüllt sind.
Auf die Rechtssache SK Telecom stellt auch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs in
seinen Entscheidungen Ra 2019/15/0008 und Ra 2019/15/0010 ab.
Die vom EuGH in der Rechtssache SK Telecom präzisierten Voraussetzungen für eine Leistungsortverlagerung ins Inland aufgrund der Nutzung und Auswertung von Roamingdienstleistungen in
Österreich liegen jedoch nicht vor.
Hierzu möchten wir wie folgt weiter ausführen:
Wettbewerbsverzerrung und Nichtbesteuerung innerhalb der Union
Der EuGH hat zur Möglichkeit der Leistungsortverlagerung durch die Mitgliedstaaten Folgendes entschieden:
"40 Doch selbst wenn die Voraussetzung der tatsächlichen Nutzung oder Auswertung der
betreffenden Dienstleistungen im Gebiet eines Mitgliedstaats unter Umständen wie jenen desAusgangsverfahrens erfüllt ist, kann dieser Mitgliedstaat von der ihm durch Art. 59a Abs. 1Buchst b der Mehrwertsteuerrichtlinie eingeräumten Möglichkeit, den Ort der Dienstleistungen,der außerhalb der Union liegt, so zu behandeln, als läge er in seinem Gebiet, nur dann Gebrauch machen, wenn dadurch Doppelbesteuerung, Nichtbesteuerung oder Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden. [Hervorhebungen durch **Stb**]
44 Folglich steht es den Mitgliedstaaten frei, von der durch Art. 59a Abs. 1 Buchst b der
Mehrwertsteuerrichtlinie eröffneten Möglichkeit Gebrauch zu machen, wenn dies lediglich dazudient, einer Nichtbesteuerung innerhalb der Union abzuhelfen, was nach den demGerichtshof vorliegenden Angaben bei den im Ausgangsverfahren in Rede stehendenRoamingleistungen der Fall war. [Hervorhebungen durch **Stb**]"

Die Zulässigkeit einer Leistungsortverlagerung in Anwendung der Verordnung BGBl. II Nr. 383/2003setzt unionsrechtlich somit den Nachweis entweder
a) von Wettbewerbsverzerrungen oder
b) einer Nichtbesteuerung innerhalb der Union voraus.
Das Vorliegen von Wettbewerbsverzerrungen durch die Nichtbesteuerung der Telekommunikationsdienstleistungen, die unsere Mandantin im Inland erbracht haben soll, wurde von der belangten
Behörde nicht einmal behauptet. Tatsächlich liegen auch keinerlei Anhaltspunkte für derartigeWettbewerbsverzerrungen vor.
Hinsichtlich einer Nichtbesteuerung innerhalb der Union enthalten die angefochtenen Bescheide
keine Feststellungen. Es ist daher nicht nachvollziehbar, aus welchen konkreten Umständen diebelangte Behörde ableitet, dass die angenommene Leistungsortverlagerung ins Inland einerNichtbesteuerung innerhalb der Union abhelfen soll.
Die Bescheide weisen daher einen schwerwiegenden Begründungsmangel auf.
Nach Maßgabe des § 93 Abs 3 lit a BAO ist eine Begründung des Spruchs des Bescheides im
Bescheid notwendig. Die Begründung dient insbesondere dem Rechtsstaatsprinzip. Erst sie macht denBescheid für den Abgabenpflichtigen nachvollziehbar und kontrollierbar. Die Bescheidbegründung istfür einen effizienten Rechtsschutz des Abgabepflichtigen somit von grundlegender Bedeutung. DerAbgabepflichtige soll nicht rätseln müssen, warum ihm eine Abgabe vorgeschrieben wird.
Ein zentrales Begründungselement ist die Anführung des Sachverhaltes, auf den die Behörde den Spruch des Bescheides stützt. Eine zusammenhängende Darstellung dieses Sachverhaltes kann durch den bloßen Hinweis auf irgendwelches dem Abgabepflichtigen bekanntes "Aktenmaterial" nicht ersetzt werden.
Die Begründung muss in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der behördlichen Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für die Parteien als auch für die Höchstgerichte nachvollziehbar ist.
Aus der Begründung der Bescheide ist - wie eingangs dargestellt - nicht ersichtlich auf welche Feststellungen die Behörde ihre rechtliche Ansicht, dass den Anforderungen der MwStSyst-RL im vorliegenden Fall durch Anwendung der BGBl. II Nr. 383/2003 entsprochen wird, stützt. Es ist weder ersichtlich auf Basis welcher Feststellungen die Behörde davon ausgeht, dass eine Besteuerung zur Verminderung von Wettbewerbsverzerrungen notwendig wäre, noch ist ersichtlich auf Grund welcher Feststellungen, die Behörde von einer Nichtbesteuerung der Leistungen innerhalb der Union ausgeht.
Unserer Mandantin ist es daher unmöglich die für die rechtliche Beurteilung der Behörde ausschlaggebenden Feststellungen zu prüfen. Die Bescheide sind daher einer Kontrolle durch unsere Mandantin nicht zugänglich und erweisen sich somit auf Grund der Verletzung des Rechtsstaatsprinzips als rechtswidrig.

2.2. Einschlägige völkerrechtliche Abkommen
Sodann hält der EuGH in den Rn. 46 und 46 der Rechtssache SK Telecom Folgendes fest:
"45 Als Zweites ist entsprechend der Feststellung des Generalanwalts in Nr. 88 seiner Schlussanträge auszuführen, dass bei der Anwendung dieser Bestimmung etwaige Fälle von Doppelbesteuerung, Nichtbesteuerung oder Wettbewerbsverzerrung anhand der steuerlichen Behandlung der betreffenden Dienstleistungen in den Mitgliedstaaten zu beurteilen sind, ohne dass die Steuerregelung zu berücksichtigen ist, der diese Dienstleistungen in dem betreffenden Drittland unterliegen.
46
Anderes könnte sich zwar aus einem einschlägigen völkerrechtlichen Abkommen mit diesem Drittland ergeben. Im Vorabentscheidungsersuchen und in den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen wird jedoch kein derartiges Abkommen erwähnt. [Hervorhebungen durch **Stb**]"
Der EuGH geht somit davon aus, dass sich eine Unzulässigkeit der Leistungsortverlagerung für Telekommunikationsleistungen auch aus völkerrechtlichen Abkommen ergeben kann; derartige Abkommen wurden in der Rechtssache SK Telecom bloß nicht geltend gemacht.
Tatsächlich existiert jedoch ein solches völkerrechtliches Abkommen. Im Rahmen der internationalen
Fernmeldeunion (international Telecommunication Union, ITU), einer Organisation im Rahmen derVereinten Nationen, werden im Rahmen der Generalversammlungen die "InternationalTelecommunjcation Regulations" angenommen. Diese Regulations sind für die Mitglieder der ITUverbindlich (vgl. Art. 4 Nr. 3 der "Constitution of the international Telecommunication Union", abrufbarunter https://www.itu.int/dms pub/itu-s/opb/conf/S-CONF-PLEN-2019-PDF-E.pdf). Die letztgültigenRegulations wurden in der Schlussakte der ITU-Weltkonferenz in Dubai 2012 beschlossen, abrufbarunter https://search.itu.int/history/HistoryDigitalCollectionDocLibrary/1.42.48.en.101.pdf. NachPunkt 8.3.1 des Abschnitt 8.3 "Taxation" (Besteuerung) dürfen mangels von der ITU angenommenerSonderregeln Steuern auf internationale Telekommunikationsleistungen nur Kunden im Inlandvorgeschrieben werden (Originaltext: "Where, in accordance with the national law of a country, a fiscaltax is levied on Collection charges for international telecommunication Services, this tax shall normallybe collected only in respect of international Services billed to customers in that country, unless otherarrangements are made to meet special circumstances"). Die Anwendung der Leistungsortverlagerung nach der Verordnung BGBl. II Nr. 383/2003 ist daher auch aus völkerrechtlichenGründen unzulässig.

2.3. Keine eigene, selbständige Leistung im Sinne der Rechtssache SK Telecom
Schließlich ergibt sich aus der Rechtssache SK Telecom, dass eine Leistungsortverlagerung in Bezug
auf Roamingdienstleistungen nur dann stattfinden darf, wenn diese Leistungen als "eigene,selbständige" Leistungen anzusehen sind, deren umsatzsteuerrechtliche Trennung vom sonstigen Teilder dem Kunden erbrachten Dienstleistung nicht als künstlich anzusehen ist (vgl. Rn. 36 und 37 derRechtssache SK Telecom). Aus anderen Passagen der Rechtssache geht hervor, unter welchenUmständen dies nach Auffassung des EuGH der Fall sein kann, nämlich Im Wesentlichen jedenfalls nurdann, wenn diese Leistungen getrennt ausgewiesen und den Kunden, die diese Leistungen inAnspruch nehmen, zusätzlich, nämlich in Form von Roaminggebühren, in Rechnung gestellt werden.
Die angefochtenen Bescheide enthalten auch zu dieser Frage keinerlei Feststellungen.
Aus der Begründung der Bescheide ist - wie eingangs dargestellt- nicht ersichtlich auf welche
Feststellungen die Behörde ihre rechtliche Ansicht, dass es entsprechend den Ausführungen des EuGHin der Rechtssache SK Telecom zu einer gesonderten Verrechnung von Roaminggebühren durchunsere Mandantin an deren Kunden kam, stützt. Unserer Mandantin ist es daher unmöglich die für dierechtliche Beurteilung der Behörde ausschlaggebenden Feststellungen zu prüfen. Die Bescheide sinddaher einer Kontrolle durch unsere Mandantin nicht zugänglich und erweisen sich somit auf Grund derVerletzung des Rechtsstaatsprinzips als rechtswidrig.

2.4. Zusammenfassung
Nach alledem ist auf der Basis Rechtssache SK Telecom klar davon auszugehen, dass im vorliegenden
Fall die Anordnung einer umsatzsteuerlichen Leistungsortverlagerung ins Inland durch die belangteBehörde ihre Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung verletzt (ansonsten wäre ihr eine Darlegung derfür ihre rechtlichen Beurteilung maßgeblichen Feststellungen in der Begründung der maßgeblichenBescheide möglich gewesen), indem die Behörde in den erlassenen Bescheiden weder eineWettbewerbsverzerrung, noch eine Nichtbesteuerung innerhalb der Union, noch eine gesonderteVerrechnung der Roaminggebühren durch unsere Mandantin an deren Kunden nachweist.
Diese Verletzung der Ermittlungspflicht durch den fehlenden Nachweis einer Wettbewerbsverzerrung
bzw einer Nichtbesteuerung innerhalb der Union führt dazu, dass die Leistungsortverlagerung inAnwendung der Verordnung BGBl. II Nr. 383/2003 nicht anwendbar ist und der Bescheid der Behördedemnach unionsrechtswidrig ist. Da diese staatliche Maßnahme unsere Mandantin in unionsrechtswidriger Weise belastet, kann sie sich unmittelbar auf das sie begünstigende Richtlinienrecht in seinerAuslegung durch den EuGH berufen. Die Verordnung BGBl. II Nr. 383/2003 ist daher imvorliegenden Fall unangewendet zu lassen."

Zum Argument der Wettbewerbsverzerrung und Nichtbesteuerung innerhalb der Union ist darauf zu verweisen, dass dieser Hinweis im Verhältnis zu Drittländern nicht greift, da dies nur für einen Besteuerungskonflikt innerhalb der EU zu prüfen wäre. Das Vorbringen der Bf. zielt offenbar darauf ab, die Besteuerungsgrundlagen der Union zu erodieren und de facto von einer nicht näher nachgewiesenen steuerlichen Beurteilung eines Drittstaates abhängig zu machen. Dem hat der EuGH im Urteil "SK Telecom" eine klare Absage erteilt (s. , "SK Telecom Co. Ltd", Rz. 44, 45, 49). Die zuvor vertretene, nunmehr überholte Verwaltungsmeinung teilt das Bundesfinanzgericht nicht (vgl. ).

Was die im Rahmen der der Internationalen Fernmeldeunion (International Telecommunication Union, ITU), einer Organisation im Rahmen der Vereinten Nationen, "International Telecommunication Regulations" abgeschlossenen Abkommen anlangt, können diese sowohl dem Richtliniengesetzgeber als auch dem MwSt-Ausschuss als bekannt vorausgesetzt werden. Der bloße Hinweis, dass Steuern auf internationale Telekommunikationsleistungen nur Kunden im Inland vorgeschrieben werden sollen/dürfen, kann in dieser Allgemeinheit keine ausschlaggebende Bedeutung erlangen, zumal derartige Steuern in der Regel aus Telekommunikationsdienstleistungen regelmäßig über den Telekommunikationsanbieter im Inland (aus der Sicht des ansässigen Kunden) vorgeschrieben werden. Eine Direktvorschreibung an den ausländischen Kunden im Roamingstaat findet wohl aus praktischen Gründen deshalb nicht statt, da der inländische Roaminganbieter seine Leistungen gegenüber dem ausländischen Telekommunikationsbetreiber erbringt, der sie dann seinen Kunden weiterverrechnet. Ob die Roaminggebühren nun gesondert oder in Form von "Auslandsmobiltelekommunikationspaketen" pauschaliert oder diese dem Endkunden einzeln weiterverrechnet werden, macht in der rechtlichen Beurteilung keinen Unterschied. Ob darin auch ausländische Abgaben enthalten sind, ist dem Kunden in der Regel auch nicht bekannt. Eine allgemeine Steuerfreistellung von Roaminggebühren und ein derart weitgehender Eingriff in das Besteuerungsrecht der Staaten kann daraus nicht abgeleitet werden. Es dürfte lediglich eine Regelung sein, in welchem Staat entsprechende Steuern vorgeschrieben werden (vgl. ).

Verwiesen wird auch auf P7_TA(2012)0451, Anstehende Weltkonferenz zur Internationalen Kommunikation (WCIT-2012) des Weltverbandes für Telekommunikation und mögliche Ausweitung der Internationalen Telekommunikationsvorschriften
Entschließung des Europäischen Parlaments vom zur anstehenden Weltkonferenz zur internationalen Telekommunikation (WCIT-2012) der Internationalen Fernmeldeunion und zur möglichen Erweiterung des Anwendungsbereichs der Internationalen Telekommunikationsvorschriften (2012/2881(RSP) (Amtsblatt der EU vom , 2015/C 419/16), CELEX Nr. 52012/P0451, wo das Europäische Parlament in Punkt 11. betont, "dass in den Internationalen Telekommunikationsvorschriften niedergelegt werden sollte, dass die Empfehlungen der ITU nicht verbindliche Dokumente sind, mit denen bewährte Verfahren gefördert werden sollen; und in Punkt 12. beauftragt es seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln".

Diese Kernaussage, wonach die EU sicherstellen muss, dass vorgeschlagene Änderungen der ITR, die in Dubai beschlossen werden, mit geltenden Rechtsvorschriften der EU vereinbar sind oder die EU hinsichtlich der künftigen Entwicklung des EU-Besitzstands nicht einschränken, findet sich auch im Vorschlag für einen BESCHLUSS DES RATES zur Festlegung des Standpunkts der EU bezüglich der Überarbeitung der Internationalen Telekommunikationsvorschriften auf der Weltkonferenz zur internationalen Telekommunikation …. CELEX Nr. 52012PC0430 vom ; (Anhang Punkt 2a: Keine Unterstützung von Vorschlägen, die mit dem EU-Besitzstand unvereinbar sind…)

Die von der Bf. zitierten ITR vom (Dubai, 2012) enthalten zudem keine Unterschriften von EU-Staaten/Delegationen oder EU-Institutionen (Seiten 16ff).
Für das BFG ist die zitierte Textpassage der ITR seitens der Bf. somit kein Grund, aus völkerrechtlichen Überlegungen an der Richtigkeit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung Zweifel zu hegen. Noch dazu, wenn die Vorschrift Punkt 8.3.1. der ITR selbst sehr einschränkend sinngemäß darauf verweist, …es sei denn, es werden andere Vereinbarungen getroffen… .
So können die ITRs, die grundsätzlich auch für deutsche Unternehmen gelten, die internationale Telekommunikationsdienste anbieten, durch bilaterale Verträge abbedungen werden, was gängige Praxis bei deutschen TK-Unternehmen ist (vgl. https://www.post-und-telekommunikation.de/PuT/1Fundus/Dokumente/Internationale_Fernmeldeunion/haltung-der-bundesregierung-zur-world-conference-on-international-telecommunications.pdf; Punkt 4.: "Insbesondere lehnt die [deutsche] BundesregierungBestrebungen ab, in den ITRs Regelungen zur Internetkriminalität, zu Internetinhalten, zur Netzneutralität oder zu Fragen der Besteuerung von Telekommunikationsdienstleistungen zu treffen.").
Die ITRs vermögen die Bestimmungen der EU hinsichtlich der Möglichkeit der Besteuerung von Telekommunikationsdienstleistungen (mit welchen die österreichische VO BGBl. II 383/2003 idF BGBl. II 221/2009 vereinbar ist) somit nicht zu "overrulen".

Was die Bezugnahme auf die Beurteilung von einheitlicher oder getrennter Leistung bei der Verrechnung von Roaminggebühren anlangt, ist aus Rn. 37 iVm. Nr. 44 der Schlussanträge des Generalanwalts abzuleiten, dass es sich bei Roamingleistungen, die an Personen erbracht werden, die sich vorübergehend im Gebiet eines Mitgliedstaats aufhalten, im Verhältnis zu den anderen von diesen Personen empfangenen Mobilfunkdienstleistungen um eigene, selbständige Leistungen handelt. In Rn. 45 vertritt dieser zu Roaminggebühren die Rechtsansicht, auch wenn der Kunde hierfür einen Vertrag mit einem Betreiber seines Herkunftslandes benötigt, eine von den Leistungen des Betreibers an seine Kunden für deren Zugang zum lokalen Netz verschiedene Leistungen darstellen.

Auch diese Ausführungen der Bf. vermögen daher der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Es ist höchstgerichtlich klargestellt, dass sich die entsprechenden Umsätze der Bf. nach der mit dem Unionsrecht in Einklang stehenden Verordnung BGBl. II 383/2003 idF BGBl. II 221/2009 in das Inland verlagern. Damit ist die Anwendung des Erstattungsverfahrens ausgeschlossen.

Das Finanzamt hat die entsprechenden Erstattungsanträge zu Recht abgewiesen (durch Festsetzung des Erstattungsbetrages mit Null).
Die diesbezüglichen Beschwerden gegen die Vorsteuersachbescheide waren daher - wie im Spruch ersichtlich - abzuweisen.

Zu Spruch Punkt I.4: Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide / Umsatzsteuerjahresbescheide 2011 bis 2015

Die Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlungen für die Jahre 2011 bis 2015 gehören infolge der Erlassung der Umsatzsteuerjahresbescheide 2011 bis 2015 vom gemäß § 21 Abs. 4 UStG 1994 nicht mehr dem Rechtsbestand an.

Die Umsatzsteuerjahresveranlagungsgsbescheide 2011 bis 2015, durch welche die (zuvor angefochtenen) Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide aus dem Rechtsbestand beseitigt wurden, sind an deren Stelle getreten. Das bedeutet, dass die Beschwerde vom gegen die Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide vom als gegen die Umsatzsteuerjahresveranlagungsbescheide gerichtet gilt.

Die gegen die Umsatzsteuerjahresvranlagungsbescheide 2011 bis 2015 eingebrachte weitere Beschwerde ist als ergänzender Schriftsatz zur Erstbeschwerde anzusehen (vgl. ).

Ein Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlungen ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar in vollem Umfang anfechtbar, hat aber nur eine zeitlich begrenzte Wirkung, wonach er mit der Erlassung des Umsatzsteuerjahresbescheides für das gesamte Veranlagungsjahr außer Kraft gesetzt wird.

Nach der Judikatur würden nach Wirksamwerden der Jahresbescheide ergehende Beschwerdeerledigungen hinsichtlich der Festsetzungs- bzw. Vorauszahlungsbescheide keine Rechtswirkungen entfalten und somit ins Leere gehen (vgl. ).

Auch wenn eine Beschwerde gegen eine Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen anhängig ist, darf das Finanzamt einen Umsatzsteuerjahresbescheid für das betreffende Jahr erlassen. Die Beschwerde gegen die Festsetzung gilt sodann auch als gegen den Jahresbescheid gerichtet.

Nach § 253 BAO gilt nämlich die Bescheidbeschwerde als gegen den späteren Bescheid gerichtet, wenn ein Bescheid an die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides tritt. Dies gilt - nach Satz 2 dieser Bestimmung - auch dann, wenn der frühere Bescheid einen kürzeren Zeitraum als der ihn ersetzende Bescheid umfasst.
An die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides tretende Bescheide sind vor allem auch Umsatzsteuerveranlagungsbescheide (§ 21 Abs. 4 UStG 1994), die an die Stelle von Umsatzsteuerfestsetzungsbescheiden (§ 21 Abs. 3 UStG 1994) treten.

Mit Abweisung der nach § 253 BAO gegen die Jahresbescheide geltenden Beschwerde vom (gegen die Festsetzungsbescheide) sind daher auch die als ergänzende Schriftsätze zu wertenden Beschwerden vom und miteinbezogen und wurde insoweit auch darüber abgesprochen.

Aus der gesonderten Begründung zu den Jahresumsatzsteuerbescheiden vom ergibt sich nachvollziehbar und schlüssig, wie und warum die Bemessungsgrundlagen geschätzt wurden.
Gewährte Rabatte an die Bf. wurden berücksichtigt. Auf diese Begründung des Finanzamtes wird daher verwiesen.
Gegen die Ausführungen zur Schätzung, welchen Vorhaltswirkung zukommt, wurden seitens der Bf. keine weiteren substanziierten Argumente vorgebracht. Dass es die Rabatte dem Grunde nach nicht gegeben hätte, wird seitens der Bf. nicht behauptet oder auch nur glaubhaft gemacht.
Die von den österr. Telekommunikationsunternehmen übermittelten Zahlen stimmten im Übrigen auch bei den anderen Drittlandstelekomunternehmen, da der TADIG-Code eine eindeutige Zuordnung ermöglicht.

Im Beschwerdefall wurde hinsichtlich der Jahre 2008 - 2015 mittlerweile abgesprochen, dass die Bf. nicht dem Erstattungsverfahren, sondern dem Veranlagungsverfahren unterliegt. Eine derartige Abweisung des Erstattungsantrages steht einer Umsatzsteuerveranlagung nicht entgegen (siehe auch ; mit Amtsrevision beim VwGH angefochten), weil damit nur über das "richtige" Umsatzsteuerverfahren (Erstattung oder Veranlagung) und nicht über die Abgabe selbst abgesprochen wurde (vgl. ).

In den Jahresumsatzsteuerbescheiden wurde die Vorsteuer sehr wohl berücksichtigt, als auch unter Berücksichtigung der erhaltenen Rabatte saldiert.
Das Vorbringen, dass ein nicht geltend gemachter Vorsteuerabzug korrigiert worden wäre, ist daher nicht nachvollziehbar.

Die Rechtsfrage, ob ein Erstattungsverfahren parallel zum Veranlagungsverfahren geführt werden darf, stellt sich im gegenständlichen Verfahren nicht, weil (nach zulässiger Wiederaufnahme im Erstattungsverfahren) Anträge auf Erstattung vorliegen, über welche jedenfalls zu entscheiden ist.
Die Vorsteuererstattungsanträge wurden im vereinfachten Verfahren, dem Erstattungsverfahren nach BGBl. 1995/279 idgF, eingebracht und ist darüber nach § 85a BAO im Rahmen der Entscheidungspflicht zu entscheiden.

Zu Spruch Punkt I.5 (Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid 2016):

Die Beschwerde vom richtet sich gegen den Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 1-12/2016 vom mit € 248,20.
Mit dem hier angefochtenen Bescheid setzte das Finanzamt eine Vorsteuerberichtigung für Vorsteuern aus dem Jahr 2016 zwar fest, jedoch keine Umsätze.
Im Jahr 2016 kam es, soweit für das BFG aus dem Abgabeninformationssystem ersichtlich, tatsächlich nicht zum Abzug von Vorsteuern, und wurde auch keine Veranlagung zur Umsatzsteuer vorgenommen.
Der Bf. steht die Vorsteuer im Vorsteuererstattungsverfahren aufgrund des Vorliegens von Inlandsumsätzen zwar nicht zu und wurden ihr nach der Aktenlage Rabatte idHv. € 248,20 gewährt.
Das Finanzamt hat aber weder die Vorsteuerbeträge noch die Umsätze ermittelt.

Das BFG kann eine Beschwerde gem. § 278 BAO durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidung unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1 BAO) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anderslautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

Im weiteren Verfahren sind die Abgabenbehörden an die für die Aufhebung maßgebliche, im aufhebenden Beschluss dargelegte Rechtsanschauung gebunden (vgl. dazu oben Punkt I.2 bis I.4).
Der , "SK Telecom Co. Ltd" entschieden, dass in Sachverhaltskonstellationen wie sie im Beschwerdefall gegeben sind, die Leistung im Inland erbracht wird.
Damit ist höchstgerichtlich klargestellt, dass sich die entsprechenden Umsätze der Bf. nach der mit dem Unionsrecht in Einklang stehenden Verordnung BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 in das Inland verlagern.
Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind (§ 184 Abs. 1 BAO).
Ziel der Schätzung ist, den wahren Besteuerungsgrundlagen möglichst nahe zu kommen. Jeder Schätzung ist eine gewisse Ungenauigkeit immanent. Wer zur Schätzung Anlass gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, muss die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen.
Die Wahl der Schätzungsmethode steht der Abgabenbehörde grundsätzlich frei. Es ist jene Methode (allenfalls mehrere Methoden kombiniert) zu wählen, die im Einzelfall zur Erreichung des Zieles, den tatsächlichen Gegebenheiten (der tatsächlichen Besteuerungsgrundlage) möglichst nahe zu kommen, am geeignetsten erscheint ( unter Verweis auf Ritz, BAO3, § 184 Tz 3 und 12).

Im Beschwerdefall hat das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung zu den Umsatzsteuerfestsetzungen der Jahre 2011-2016 selbst dargelegt, dass die Umsätze der Bf. im Inland zu veranlagen sind. Für das Jahr 2016 fehlt eine solche Veranlagung allerdings.
Im Festsetzungsbescheid betragen die Umsätze und Vorsteuern Null.
Damit hat es das Finanzamt unterlassen festzustellen, ob bzw. in welcher Höhe die Bf. Umsätze im Jahr 2016 im Inland erzielt hat.

Die Feststellung der Höhe der Umsätze durch das BFG ist weder im Interesse der Raschheit gelegen noch mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden, da das BFG - anders als das Finanzamt - mit Außenprüfungen nicht befasst ist und daher nicht über die notwendige Expertise verfügt, die für eine rasche Erledigung notwendig ist.

Das Verfahren tritt damit gem. § 278 Abs 2 BAO in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung der Bescheide befunden hat. Das Finanzamt hat für eine Festsetzung der Umsatzsteuer (bzw. eine Veranlagung zur Umsatzsteuer) die Umsätze unter Einbindung der Bf. zu ermitteln (gegebenenfalls zu schätzen) und bei der Festsetzung der Steuer auch den Vorsteuerabzug sowie allfällige Berichtigungen zu beachten.
Ob eine derartige Veranlagung aus verfahrensökonomischer Sicht überhaupt sinnvoll oder aussichtsreich ist, wird das Finanzamt zu entscheiden haben.

Zu Spruch Punkt I.6 (Verspätungszuschläge 2011-2015):

Mit dem Verspätungszuschlag soll nur die Nichtabgabe der Steuererklärung und nicht eine inhaltliche Unrichtigkeit der Erklärung geahndet werden. Damit besteht bereits dem Grunde nach keine Grundlage für die Verhängung des Verspätungszuschlages.
Das Finanzamt verhängte die gegenständlichen Verspätungszuschläge für die Nichtabgabe der Umsatzsteuer-(Jahres)erklärung. Diese hat die Bf. jedoch deshalb nicht eingebracht, weil sie die Rechtsauffassung vertrat, keine Umsätze im Inland zu erzielen.
Diese (Rechts)frage wurde - zumindest dem Grunde nach - zwischenzeitig vom (ua.) bzw. , "SK Telecom Co. Ltd" zu Lasten der Rechtsauffassung der Bf. entschieden.
Obwohl die Bf. keine Umsatzsteuerjahreserklärung eingereicht hat, hat sie durch die Einreichung des Erstattungsantrages den Normzweck erfüllt: Durch die im Erstattungsantrag gemachten Angaben war es dem Finanzamt möglich, die Umsatzsteuer festzusetzen bzw. zu schätzen.
Im Übrigen liegt die Festsetzung von Verspätungszuschlägen dem Grunde und der Höhe nach im Ermessen (), wobei ein Rechtsirrtum bzw. das Handeln auf Grund einer vertretbaren Rechtsansicht die Annahme eines für das Ermessen wesentlichen Verschuldens ausschließen kann ().

Die Bf. hat deshalb Erstattungsanträge eingereicht, weil sie die Auffassung vertreten hat, dass die VO BGBl. II 383/2003 idF 221/2009 unionsrechtswidrig sei. Dass es sich dabei um eine vertretbare Rechtsansicht handelt, ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass das BFG in der Rechtssache "SK Telecom" deshalb ein Vorabentscheidungsersuchen eingebracht hat.

Mit einem Verspätungszuschlag soll nur das Fehlverhalten, Abgabenerklärungen nicht fristgerecht einzubringen, sanktioniert werden. Keinesfalls soll ein drohender Verspätungszuschlag Abgabepflichtige daran hindern, eine andere Rechtsauffassung als das Finanzamt zu vertreten.
Die Bescheide betreffend die gegenständlichen Verspätungszuschläge waren daher wie im Spruch ersichtlich aufzuheben, weil die Bf. fristgerecht Erklärungen eingereicht hat. Die Erklärungen waren zwar im Nachhinein gesehen unrichtig, jedoch beruhte die Unrichtigkeit auf einer vertretbaren Rechtsauffassung, weshalb die Bf. auch kein für die Verhängung eines Verspätungszuschlages wesentliches Verschulden trifft (vgl. auch ; uam).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Es besteht gesicherte Rechtsprechung zur Steuerbarkeit der Telekomumsätze der Bf. im Inland.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 3a Abs. 13 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Art. 56 Abs. 1 RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1
§ 21 Abs. 3 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 184 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 21 Abs. 4 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Art. 59a lit. b RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 1 Abs. 1 Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995
Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, BGBl. II Nr. 383/2003
§ 3a Abs. 14 Z 12 und 13 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 3a UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 253 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 3a Abs. 6 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 278 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.2100350.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at