TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.07.2023, RV/1100309/2021

Anwendung der Kleinunternehmerregelung bei einer Vermietung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Peter Bilger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Umsatzsteuer 2019 und 2020 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf.) vermietete in den Jahren 2019 und 2020 ein Einfamilienhaus in *Pzl-L* *L* in Vorarlberg. Sein Wohnsitz befand sich in *Plz-N* *N* in Deutschland.

2. Strittig ist, ob auf die Vermietungsumsätze der Jahre 2019 und 2020 die Kleinunternehmerregelung gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 zur Anwendung kam oder nicht.

3. Mit den angefochtenen Bescheiden verneinte das Finanzamt die Anwendbarkeit der Kleinunternehmerregelung. Zur Begründung führte es aus, der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit im Zusammenhang mit der Vermietung befinde sich nicht im Inland, sondern am Wohnsitz in Deutschland, weshalb die Kleinunternehmerregelung der § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 nicht zur Anwendung komme.

4. In der gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerde wandte der Beschwerdeführer ein, für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung sei nicht mehr maßgeblich, dass sich der Wohnsitz oder Sitz des Unternehmers im Inland befinde, sondern dass der Unternehmer sein Unternehmen im Inland betreibe. Dass der Bf. sein Vermietungsunternehmen im Inland betrieben habe und betreibe, werde durch folgende Umstände belegt:

  1. Vor der aktuellen erstmaligen Vermietung habe er persönlich potentielle Mieter zu Besichtigungszwecken an verschiedenen Wochenenden durch das Mietobjekt geführt

  2. Die Entscheidung bezüglich der Auswahl seiner Mieter habe er persönlich vor Ort getroffen, auch der Mietvertrag in *L* errichtet und unterzeichnet worden

  3. Er besuche regelmäßig (alle 3 bis 4 Wochen) Vorarlberg, um alle anstehenden Aufgaben und Entscheidungen, welche in direktem Zusammenhang mit der Vermietung seiner Immobilie in *L* stünden, zu erledigen. So sei etwa die Fassadensanierung im Jahr 2019 von ihm persönlich in *L* in die Wege geleitet und die Ausführung der Arbeiten ebenfalls vor Ort überwacht worden und würden Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem auf die Immobilie laufenden Kreditvertrag bei der Sparkasse *D* von ihm jeweils vor Ort persönlich erledigt

  4. Bei diesen Besuchen nächtige er in der Wohnung eines sehr guten Freundes in *D* (Gästezimmer)

  5. In dieser Wohnung stehe ihm die unentgeltliche Nutzung eines vollständig eingerichteten Arbeitszimmers ("Büros") inkl. technischer Infrastruktur (WLAN, Drucker, Fax, Scanner, Arbeitstisch, etc.), für die Ausübung der Vermietungstätigkeit zur Verfügung

  6. Es gebe eine österreichische Telefonnummer, unter der er für seine Mieter im Bedarfsfall erreichbar sei *Tel1*)

  7. Es bestehe kein Vertrag mit einer Hausverwaltung für Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Betreuung der Immobilie. Alle das Wohnhaus betreffenden Entscheidungen treffe er vor Ort, auch die anfallenden Instandsetzungsarbeiten betreue er dort

Damit sei belegt, dass die wesentlichen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Vermietung im Inland getroffen worden seien und auch in Zukunft getroffen würden.

3. Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab. Zur Begründung führte es zusammengefasst aus, der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit werde in Art. 10 DVO (Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates) näher konkretisiert. Als Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit gelte demnach der Ort, an dem die Handlungen zur zentralen Verwaltung des Unternehmens vorgenommen werden. Um diesen Ort zu bestimmen, sei der Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung des Unternehmens getroffen werden, der Ort seines satzungsmäßigen Sitzes und der Ort, an dem die Unternehmensleitung zusammenkommt, heranzuziehen. Könne der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit auf Basis dieser Kriterien nicht mit Sicherheit bestimmt werden, sei der Ort heranzuziehen, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung des Unternehmens getroffen würden. In Bezug auf Vermietungstätigkeiten ausländischer Steuerpflichtiger seien vom Bundesfinanzgericht () nachfolgende Kriterien als wesentliche Entscheidungen eingestuft worden: Entscheidungen über Beginn, Dauer, Ende der Vermietungstätigkeit; Vermietung von allen oder nur einzelnen Objekten; Privatnutzung von Objekten; Veräußerung von Objekten; Betrauung oder Nichtbetrauung einer Immobilienverwaltungsfirma mit Dienstleistungsarbeiten; Umfang einer allfälligen Bevollmächtigung. In diesem Erkenntnis sei das Bundesfinanzgericht zum Ergebnis gekommen, dass die wesentlichen Entscheidungen der Vermietungstätigkeit trotz Einschaltung einer innerstaatlichen Hausverwaltung nicht in Österreich getroffen worden seien und der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit daher nicht in Österreich liege (vgl. Pfeiffer, Kleinunternehmerregelung neu ab , ÖStZ 2017/298).

Die vom Beschwerdeführer in Österreich ausgebübten Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Vermietung entsprächen nicht den vom Bundesfinanzgericht geforderten Kriterien für die Annahme der unternehmerischen Tätigkeit im Inland. Zu den Entscheidungen zur allgemeinen Leitung der Vermietung zählten unter anderem auch die Entscheidung über die Beauftragung oder den Wechsel der Hausverwaltung, die Vornahme von Zahlungsanweisungen, die Aufbewahrung der von der Hausverwaltung übermittelten Unterlagen sowie die Unterlagen in Zusammenhang mit Steuererklärungen. Solche Aufgaben würden nach den Erfahrungen des täglichen Lebens an einem Ort des Einflussbereiches des Beschwerdeführers stattfinden. Die Wohnung eines engen Freundes falle nach Ansicht des Finanzamtes nicht darunter. Dafür spreche unter anderem auch, dass beispielsweise die Steuerbescheide an die Wohnadresse des Bf. in *N* zugestellt worden seien. Diese Adresse werde auch auf der Umsatzsteuererklärung 2019, unterfertigt am , ausgewiesen. Der Bf. habe bei der Finanz seine deutsche Telefonnummer hinterlegt, im Mietvertrag habe er seine deutsche Adresse angegeben und sei die Kaution auf sein deutsches Konto überwiesen worden. In Ermangelung eigener Räumlichkeiten im Inland sei der Ort, an dem die Handlungen zur zentralen Verwaltung des Unternehmens vorgenommen werden, an der privaten Wohnstätte des Bf. in *N* anzunehmen (vgl. auch Gaedke/Huber-Wurzinger in SWK 25/2017, S 1092).

Mit Erkenntnis vom , RV/7102211/2020, sei das Bundesfinanzgericht in einem ähnlich gelagerten Fall zum selben Ergebnis gelangt. In diesem Fall der Vermietung einer Wohnung in Wien seien die Bankgeschäfte mit einer Wiener Bank abgewickelt worden, seien alle Verwaltungsangelegenheiten betreffend die Mietimmobilie vor Ort geklärt, potentielle Mieter an der Immobilie empfangen, Vermieterversammlungen in Wien abgehalten, Besprechungen mit dem Wiener Hausverwalter in Österreich durchgeführt, Schäden an der Immobilie vor Ort begutachtet und gegebenenfalls Handwerker aus dem Umland beauftragt und alle Verwaltungsunterlagen in Wien erstellt und aufbewahrt worden. Dennoch sei das Bundesfinanzgericht zum Erkenntnis gelangt, dass in Ermangelung eines im Inland gelegenen Büros, von dem aus die Verwaltung ausgeübt werden hätte können, die Vermietung nicht vom Inland aus betrieben werde.

Im Beschwerdefall komme hinzu, dass der Beschwerdeführer auch in Deutschland Einkünfte aus einer Vermietungstätigkeit erwirtschafte. Ein Unternehmer könne für sein Gesamtunternehmen nur einen einzigen Ort der Ansässigkeit haben. Habe der Beschwerdeführer nun Umsätze aus einer Vermietung in Deutschland sowie Umsätze aus einer Vermietung in Österreich, zählten diese zum selben Unternehmen. Der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit für die gesamte (unternehmerische) Vermietungstätigkeit könne schon deshalb nicht am Wohnsitz des Freundes des Beschwerdeführers in Österreich liegen, da die Vermietungstätigkeit in Deutschland jedenfalls nicht von Österreich aus betrieben werde. Aber auch ohne die Vermietungsumsätze in Deutschland vertrete das Finanzamt den obigen Ausführungen entsprechend die Ansicht, dass der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit betreffend die österreichische Vermietung nicht im Inland liege.

4. Mit Schreiben vom stellte der Bf. den Antrag auf Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag).
Gegen die Ausführungen des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung wandte er im Wesentlichen ein, Grund für die Abweisung der Beschwerde mit dem zitierten Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7102211/2020, sei das Fehlen eines im Inland gelegenen Büros gewesen. In seinem Fall sei aber ein Büro im Inland vorhanden. Dem Argument in der Beschwerdevorentscheidung, er verfüge in Österreich über keine Räumlichkeiten, von denen aus er seine unternehmerische Tätigkeit entfalten könne, sei daher vehement zu widersprechen. Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens sei es höchst wahrscheinlich, dass der äußerst geringe Verwaltungsaufwand für die Betreuung einer einzigen Immobilie ausschließlich im Inland in der Wohnung eines engen Freundes erbracht werden könne. Der Nachweis über seine tatsächliche regelmäßige Anwesenheit in Vorarlberg könne jederzeit durch Befragung von Personen in der unmittelbaren Nachbarschaft seines Freundes überprüft werden.

Darüber hinaus würden sämtliche Dokumente, die im direkten Zusammenhang mit seiner Vermietungstätigkeit stünden, in den von ihm als "Büro" genutzten Räumlichkeiten am *D-Adr***, *Plz-D* *D* aufbewahrt.

Der Umstand, dass auf Finanzonline seine "Wohnadresse" hinterlegt sei, resultiere aus der wahrheitsgemäßen Beantwortung dieser Frage. Sollte sich bei einer Änderung dieser Adresse auf *D-Adr***, *Plz-D* *D*, für ihn keine nachteilige Steuerpflicht in Österreich ergeben, könne dies sofort geändert werden, um den allgemeinen Vorgaben zu entsprechen. Steuerbescheide ergingen dann künftig direkt an "seine österreichische Adresse". Gerne sei er bereit, seine bei Finanzonline hinterlegte deutsche Telefonnummer ebenfalls auf seine österreichische abzuändern. Letztendlich solle es aber irrelevant sein, wohin physische Kopien von Steuerdokumenten postalisch verschickt würden, da sich das elektronische "Original" zu jedem Zeitpunkt für ihn zugänglich auf einem österreichischen Finanzonline-Server in Österreich befinde. Dasselbe gelte auch für Mietüberweisungen und Mietkautionszahlungen. Diese könnten jederzeit, falls überhaupt notwendig, auf ein österreichisches Konto unter seinem Namen überwiesen werden.

Der Vorwurf, dass er die Kleinunternehmerregelung in mehreren EU-Staaten in Anspruch nehmen könnte, sei leicht zu entkräften. Seine deutsche Einkommenssteuererklärung 2019 enthalte lediglich Mieteinkünfte seiner Ehefrau, die im Zuge der gemeinsamen Veranlagung ("Ehegattensplitting") von ihrer Seite eingebracht worden seien. Er selbst sei nur in Österreich unternehmerisch tätig und verfüge über keine Mieteinkünfte in Deutschland.

5. Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte im Vorlagebericht die Abweisung der Beschwerde.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer war in den Streitjahren und ist nach wie vor in *Plz-N* *N*, *N-Adr*, mit Hauptwohnsitz wohnhaft.

2. Seit dem Jahr 2005 ist er Eigentümer des Grundstückes EZ *x* in *Verm-Adr*1*. In den Jahren 2008 und 2009 ließ er auf diesem Grundstück ein Wohnhaus errichten. Die Gesamtherstellungskosten für das Haus betrugen 365.801,09 Euro.

3. Seit dem vermietet er Teile des Wohnhauses um einen monatlichen Mietzins in Höhe von 2.300,00 Euro. Die aus der Vermietung erzielten Jahresumsätze 2019 und 2020 betrugen 27.600,00 Euro.

4. Die aus der Vermietung erzielten und erklärten Einkünfte in Höhe von 13.557,21 Euro im Jahr 2019 und 17.165,28 Euro im Jahr 2020 wurden im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht des Beschwerdeführers in Österreich der Einkommensteuer unterzogen. In den Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen über die Vermietung der Jahre 2019 und 2020 wurden jeweils 4 Fahrten nach *L* à 640 km bzw. 1.075,00 Euro als Werbungskosten geltend gemacht.

2. Beweiswürdigung

Diese Feststellungen ergeben sich eindeutig aus den dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Akten und sind zwischen den Parteien unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

1. Gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 idF Abgabenänderungsgesetz 2016, BGBl. I 117 ab sind die Umsätze der Kleinunternehmer steuerfrei. Kleinunternehmer ist ein Unternehmer, der im Inland sein Unternehmen betreibt und dessen Umsätze nach § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 UStG 1994 im Veranlagungszeitraum 30.000 Euro nicht übersteigen. Bei dieser Umsatzgrenze bleiben die Umsätze aus Hilfsgeschäften einschließlich der Geschäftsveräußerungen sowie Umsätze, die nach § 6 Abs. 1 Z 8 lit. d und Z 9 lit. b und d, Z 10 bis 15, Z 17 bis 26 und Z 28 UStG 1994 steuerfrei sind, außer Ansatz.

2. Bis zum galt als Kleinunternehmer iSd § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 ein Unternehmer, der seinen Wohnsitz oder Sitz im Inland hatte.

3. Die Gesetzesänderung mit Abgabenänderungsgesetz 2016 begründen die Erläuternden Bemerkungen wie folgt:
" Vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Vorgaben soll hinsichtlich der Ansässigkeit im Inland, die Voraussetzung für Anwendung der Kleinunternehmerregelung ist, eine Anpassung erfolgen, dass nur Unternehmer, die ihr Unternehmen im Inland betreiben, die Steuerbefreiung in Anspruch nehmen. Folglich kann aufgrund des Innehabens eines Wohnsitzes in Österreich, wenn das Unternehmen im Ausland betrieben wird, gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 19954 nicht angewendet werden (vgl. , Schmelz und
C-421/10, Stoppelkamp)."

4. Die unionsrechtlichen Grundlagen für die Kleiununternehmerregelung findet sich in der Richtlinie 206/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuer-Richtlinie):

Nach Art. 272 Abs. 1 Buchst. d Mehrwertsteuer-Richtlinie (MwSt-RL) können die Mitgliedstaaten Steuerpflichtige, die die Steuerbefreiung für Kleinunternehmen nach den Artikel 282 bis 292 in Anspruch nehmen, von bestimmten oder allen Pflichten nach den Kapiteln 2 bis 6 ausnehmen.

Gemäß Art. 282 MwSt-RL gelten die Steuerbefreiungen und -ermäßigungen nach Abschnitt 2 für Lieferungen von Gegenständen und für Dienstleistungen, die von Kleinunternehmern bewirkt werden.

Gemäß Art. 283 Abs. 1 Buchst. c MwSt-RL gilt Abschnitt 2 (Steuerbefreiungen und Steuerermäßigungen für Kleinunternehmer) nicht für die Lieferungen von Gegenständen und die Erbringung von Dienstleistungen durch einen Steuerpflichtigen, der nicht in dem Mitgliedstaat ansässig ist, in dem die Mehrwertsteuer geschuldet wird.

5. Im Urteil vom , Rs C-97/09, Schmelz, hat der EuGH die Einschränkung der alten Kleinunternehmerreglung des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994, mit der noch der inländische Wohnsitz oder Sitz des Unternehmers Voraussetzung für deren Inanspruchnahme war, als zulässige Beschränkung der Grundfreiheiten der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit beurteilt, weil sie sich als Notwendigkeit einer wirksamen Steuerkontrolle erweise. Die Regelung des Art. 283 Abs. 1 Buchst. c der MwSt-RL bezwecke u.a. zu behindern, dass Steuerpflichtige, die in mehreren Mitgliedstaaten tätig sind, der Besteuerung ihrer Tätigkeit durch Verweis auf die dort geltenden Kleinunternehmerbefreiungen entgehen könnten, auch wenn diese Tätigkeiten in Ihrer Gesamtheit den Umfang der Geschäftstätigkeit eines Kleinunternehmers objektiv überschreiten würden.

Mit dem Urteil vom , Rs C-421/10, Stoppelkamp, hat der EuGH entschieden, der Begriff des im Ausland ansässigen Steuerpflichtigen sei derart auszulegen, dass darunter der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit zu verstehen sei und nicht der private Wohnsitz. In Umsetzung dieses Urteils der EuGH stellt § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 idF Abgabenänderungsgesetz 2016 BGBl. I 117/2016 auf den Ort ab, an dem das gesamte Unternehmen betrieben wird.

7. Die Formulierung "im Inland sein Unternehmen betreibt" in § 6 Abs. 1 Z 27 idF Abgabenänderungsgesetz 2016 entspricht der Terminologie des § 3a Abs. 6 und 7 UStG 1994, der ebenfalls auf den Ort, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt, anknüpft.

8. Nach Art 44 MwSt-RL (für Dienstleistungen an Steuerpflichtige) und Art 45 MwSt-RL (für Dienstleistungen an Nichtsteuerpflichtige) sind für diesen Ort in erster Linie der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung des Unternehmers maßgeblich. In Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung gilt als Ort der Dienstleistung der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthaltsort des Dienstleistungserbringers.

9. Nach Art. 10 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom (EU-DfV) ist der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit der Ort, an dem die Handlungen zur zentralen Verwaltung des Unternehmens vorgenommen werden. Für die Bestimmung dieses Ortes werden der Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung des Unternehmens getroffen werden, der Ort seines satzungsmäßigen Sitzes und der Ort, an dem die Unternehmensleitung zusammenkommt, herangezogen. Lassen diese Kriterien keine Entscheidung zu, wird der Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung des Unternehmens getroffen werden, zum vorrangigen Kriterium.

Nach Art. 11 EU-DfV gilt als "feste Niederlassung" jede Niederlassung mit Ausnahme des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit nach Artikel 10 dieser Verordnung, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die es ihr von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen, die für den eigenen Bedarf dieser Niederlassung erbracht werden, zu empfangen und dort zu verwenden.

Fehlt es bei natürlichen Personen an einem einzigen Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit oder einer festen Niederlassung, so ist nach Art. 44 und 45. MwSt-RL auf den Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt abzustellen.

11. In einem Teil der Lehre wird die Meinung vertreten, im Falle einer Vermietung eines Grundstückes bilde der Ort des vermieteten Grundstückes sowohl den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung des Vermieters (vgl. Beiser in SWK 19/2017, 939; Kanduth-Kristen, taxlex 2017, 263), so dass in solch einem Falle der von § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 geforderte Inlandsbezug immer gegeben wäre.

Dieser Lehrmeinung folgt das Bundesfinanzgericht nicht. Der Ort, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt, ist nicht automatisch der Ort des Grundstückes. Wie bereits ausgeführt, knüpft § 6 Abs. 1 Z 27 UStG idF BGBl. I 117/2016 an die Begrifflichkeit des § 3a Abs. 7 (Unternehmerort) und nicht an jene des § 3a Abs. 9 (Grundstücksort). Maßgeblich ist der Ort der Geschäftsleitung der Vermietung, nicht der Grundstücksort. Über den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit einer Vermietung sagt der Grundstücksort nichts aus (vgl. dazu auch ). Zudem hat der Europäische Gerichtshof im Urteil "Schmelz", Rs C-97/09, die Ansicht der Generalanwältin nicht geteilt, wonach der Begriff Ansässigkeit so auszulegen sei, dass eine Person lediglich einen dauerhaften festen Bezugspunkt in den betroffenen Staat haben müsse und der Eigentümer einer Immobilie als ansässiger Steuerpflichtiger zu betrachten sei, auch wenn dieser die Immobilie nicht selbst als Wohnung nutze.

12. Der Ansässigkeitsort im Falle einer Vermietung ist daher in der Regel nicht der Ort, an dem sich das vermietete Objekt befindet. Maßgeblich für diesen Ort ist vielmehr der Ort, an dem der Unternehmer die Handlungen zur zentralen Verwaltung des Unternehmens vornimmt (EuGH Rs. Stoppelkamp, C-421/10), an dem das gesamte Unternehmen betrieben wird ().

Entscheidend für die Bestimmung des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit ist daher, wo die entscheidende Willensbildung für die Unternehmensleitung gebildet wird. Die für eine Vermietungstätigkeit einer Liegenschaft wesentlichen Entscheidungen betreffen z.B. den Beginn, die Dauer und das Ende der Vermietungstätigkeit, die Höhe des Mietzinses und der Betriebskosten oder die Frage, ob alle oder nur Teile der Liegenschaft vermietet werden sollen (vgl. ).

13. Die Willensbildung für diese Entscheidungen muss einem Ort zugrechnet werden, weil der Begriff "Sitz" eine örtliche Anknüpfung erfordert. Der Begriff "Sitz" impliziert zudem, dass der Unternehmer mit der Anschrift des Sitzes nach außen auftritt und sein Unternehmen damit örtlich identifizierbar macht. Der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit wird in der Regel ein Büro oder die Wohnung des Vermieters (vgl. Gaedke/Huber-Wurzinger, SWK 25/29017, 1092ff;
).

14. Im Beschwerdefall ist die Wohnung des Beschwerdeführers in *N* als Sitz der wirtschaftlichen (Vermietungs-)Tätigkeit anzusehen. Hier wird die Willensbildung für die Vermietungstätigkeit erfolgt sein und nicht in der Wohnung eines Freundes in *D*. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eigens in die Privatwohnung seines im Übrigen namentlich nicht genannten Freundes gefahren ist, um hier die wichtigen Entscheidungen für die Vermietung zu treffen. Derartige Entscheidungen bedürfen schließlich längerer Überlegungen und Zeit, um zu reifen. Es mag sein, dass der Beschwerdeführer in dieser Wohnung genächtigt hat, dass diese Wohnung über Büro mit technischer Büro-Infrastruktur verfügt und der Beschwerdeführer hier einige Arbeiten für die Vermietung verrichtet hat, es mag sogar sein, dass er Unterlagen in dieser Wohnung zurückgelassen hat (einen Nachweis darüber hat er allerdings nicht erbracht), zum Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit wird diese Wohnung damit aber nicht. Denn es kommt für den Sitz nicht darauf an, wo einzelne Handlungen ausgeführt werden, sondern wo die Willensbildung zu den wichtigen Entscheidungen für die Vermietung - welches Objekt soll in welchem Ausmaß ab wann und wie lange vermietet werden, in welcher Höhe sollen Mietzins und Betriebskosten festgesetzt werden etc. -, gebildet wird. Diese Entscheidungen werden aber nicht in der Wohnung eines Freundes getroffen worden sein. Zudem wird ein Büro nur dann den Sitz einer wirtschaftlichen Tätigkeit bzw. den Ort der Geschäftsleitung eines Unternehmens bilden, wenn wie bei der festen Niederlassung (siehe dazu weiter unter) über dieses Büro eine jederzeitige Verfügungbarkeit auf einer rechtlichen Grundlage (Mietvertrag etc.) besteht. Die lediglich geduldete und jederzeit einseitig beendigbare Nutzungsmöglichkeit einer Privatwohnung bietet keine solche Verfügbarkeit.

Dementsprechend ist es für den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit auch nicht entscheidend, dass die Mieter vor Ort ausgesucht und regelmäßig in *L* besucht werden, dass die Fassadenreinigung vor Ort in die Wege geleitet und überwacht wurde oder dass notwendige Tätigkeiten im Zusammenhang mit Kreditverträgen mit der Bank in *D* erledigt wurden. Dass angesichts des Umstands, dass der Beschwerdeführer in seinen Einkünfteerklärungen für die Jahre 2019 und 2020 Fahrtkosten für lediglich 4 Fahrten nach *L* als Werbungskosten geltend gemacht hat, von regelmäßigen Besuchen vor Ort keine Rede sein kann, ist daher für die Beschwerdeentscheidung daher nicht weiter von Relevanz. Richtete sich der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit eines Unternehmens nämlich nach den Orten, an denen einzelne unternehmerische Handlungen durchgeführt werden, würde kein einheitlicher Sitz zu bestimmen sein, sondern würden mehrere Sitze vorliegen. Es kann aber nur einen Sitz der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit geben. Und der befindet sich im Beschwerdefall in der Wohnung des Beschwerdeführers. Für diese Beurteilung spricht auch, dass der Beschwerdeführer im Mietvertrag vom mit seiner Wohnanschrift aufgetreten ist und sein Konto bei der Deutschen Bank *N* angegeben und auch auf der Umsatzsteuererklärung 2019 die deutsche Wohnanschrift angegeben hat. Somit ist er als Unternehmer mit dieser Wohnanschrift nach außen aufgetreten und hat seine deutsche Ansässigkeit auch nach außen dokumentiert.

15. Nach Satz 2 des Art. 45 MwSt-RL kann der Ort der Ansässigkeit auch durch eine feste Niederlassung, durch die die Vermietungstätigkeit erbracht wird und die an einem anderen Ort als der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit gelegen ist, bestimmt werden.

Der Begriff "feste Niederlassung" wird durch Art. 11 Abs 1 und 2 EU-DfV bestimmt. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH verlangt der Niederlassungsbegriff einen ausreichenden Mindestbestand an Personal- und Sachmitteln, dessen ständiges Zusammenwirken für die Erbringung der Dienstleistungen erforderlich ist, und einen hinreichenden Grad an Beständigkeit, der eine autonome Erbringung der Dienstleistung ermöglicht. Im Falle der Vermietung wird eine technische Mindestausstattung für die erforderliche Struktur ausreichend sein (vgl. Gaedke/Huber-Wurziunger, SWK 25/2017, 1092). Der Vermieter muss auch nicht Eigentümer des Büros sein. Das Kriterium der Beständigkeit ist aber nur dann erfüllt, wenn über dieses verfügen kann, als wären sie sein eigenes, z.B. über einen Mietvertrag (vgl. , Rz 41). Eine ohne Rechtstitel erfolgte Nutzung der Privatwohnung und der Büro-Infrastruktur eines Freundes genügt dem Kriterium der Beständigkeit aber nicht, da der Beschwerdeführer keinerlei Rechtssicherheit hat, das Büro dauerhaft zu nutzen. Schon aus diesem Grund konnte die angebliche Wohnung bzw. das Büro keine feste Niederlassung im Sinne des Art 11 Abs 1 und 2 EU-DfV sein.

16. Somit liegen im Beschwerdefall weder der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit noch eine feste Niederlassung, von der aus die Vermietungstätigkeit ausgeübt wird, im Inland. In diesem Fall gilt gemäß Art. 44 und 45 Mehrwertesteuer-Richtlinie subsidiär der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit jedenfalls als am Wohnsitz des Beschwerdeführers gelegen, auch wenn nicht wie in dieser Entscheidung die wesentlichen Entscheidungen diesem Wohnsitz zugrechnet werden könnten (vgl. auch Ruppe/Achatz, UStG5, § 6 Rz 449).

17. Der Beschwerdeführer hat sein Unternehmen somit nicht im Inland betrieben. Dass er nur eine Wohnung vermietet und daher der Fall, der mit der Beschränkung der Kleinunternehmerregelung verhindert werden soll, nämlich dass Steuerpflichtige, die in mehreren Mitgliedstaaten tätig sind, ohne dort ansässig zu sein, der Besteuerung unter dem Deckmantel der dort geltenden Befreiungen ganz oder zum Teil entgehen könnten, auch wenn diese Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit den Umfang der Geschäftstätigkeit eines Kleinunternehmers objektiv überschreiten würden, im Beschwerdefall nicht gegeben ist, mag zutreffen. Die Kleinunternehmerregelung des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 ist aber auf alle Rechtsfälle gleichermaßen anzuwenden und auszulegen.

18. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist mit diesem Erkenntnis nicht angesprochen, Eine (ordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 11 DVO 282/2011, ABl. Nr. L 77 vom S. 1
Art. 10 DVO 282/2011, ABl. Nr. L 77 vom S. 1
§ 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 3a Abs. 6 und 7 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Verweise

Kanduth-Kristen, taxlex 2017, 263

Pfeiffer, Kleinunternehmerregelung neu ab , ÖStZ 2017/298

Gaedke/Huber-Wurzinger in SWK 25/2017, S 1092
Beiser in SWK 19/2017, 939
Ruppe/Achatz, UStG5, § 6 Rz 449

ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.1100309.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at