Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.05.2023, RV/7101685/2017

Behinderungsbedingte Fehlstunden können die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit des Kindes, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, begründen

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2023/16/0019.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/7101685/2017-RS1
Fallen aufgrund einer chronischen Behinderung bereits während der Schulausbildung regelmäßig in einem Ausmaß Fehlstunden an, sodass das Kind dem Unterricht nicht mehr zu folgen in der Lage ist, wodurch der schulische Erfolg ausbleibt, und ist davon auszugehen, dass die chronische Behinderung im Arbeitsverhältnis regelmäßig zu überdurchschnittlich vielen Krankenständen führen wird, kann das im Einzelfall die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit des Kindes, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, gemäß § 8 Abs 6 FLAG 1967 begründen. Ist für das Kind darüber hinaus eine Intelligenzminderung festgestellt worden, die für sich alleine ebenfalls eine Behinderung darstellt, so ist iVm der zuvor genannten Erkrankung die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit des Kindes, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, geradezu als gewiss anzunehmen.
RV/7101685/2017-RS2
Die Sachverständigengutachten des Bundessozialamtes (SMS) haben die Fehlzeiten und die durch eine chronische Erkrankung verursachten, regelmäßig anfallenden Krankenstände zu erheben und medizinisch unter Berücksichtigung der auf dem fremdüblichen, allgemeinen Arbeitsmarkt bestehenden Chancen und Arbeitsplatzlage zu beurteilen. Verfügt das Bundessozialamt (SMS) nicht über das dafür erforderliche Fachwissen, hat es entweder im Wege der Amtshilfe die Sachverständigengutachter der PVA einzubinden oder sich das erforderliche Fachwissen anders zu besorgen. Andernfalls ist das BFG befugt, mit der Begutachtung einen anderen Sachverständigen zu beauftragen.
RV/7101685/2017-RS3
Der Wortlaut des § 8 Abs 6 FLAG 1967 kann auch dahin ausgelegt werden, dass das BSA aufgrund eines von einem anderen Sachverständigen erstellten Gutachtens eine Bescheinigung ausstellt.
RV/7101685/2017-RS4
hier: Mittelmeerfieber, Intelligenzminderung
Folgerechtssätze
RV/7101685/2017-RS4
wie RV/7101427/2017-RS3
Eine Person ist dann iSd §§ 2 Abs 1 lit c, 6 Abs 2 lit d FLAG 1967 fähig, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, wenn sie aufgrund einer tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeit (§ 2 Abs 3 Z 1-4 EStG 1988) Bruttoeinkünfte mindestens in der Höhe des Richtsatzes für die Gewährung einer Ausgleichszulage gemäß § 293 Abs 1 lit a Sublit bb ASVG (Mindestpensionsrichtsatz) zuzüglich der für die Abdeckung der behinderungsbedingten wirtschaftlich getragenen Eigenkosten erwirtschaftet. Dabei ist es ohne Belang, ob die Höhe der Erwerbseinkünfte aufgrund einer Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung erwirtschaftet werden. Da es um die Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes geht, bleiben die Erhöhungsbeträge für dessen Kinder iSd § 293 Abs 1 lit a ASVG außer Ansatz.
RV/7101685/2017-RS5
wie RV/7101427/2017-RS2
Die Fähigkeit einer Person, sich iSd §§ 2 Abs 1 lit c, 6 Abs 2 lit d FLAG 1967 selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist das wirtschaftliche Abgrenzungsmerkmal des Kindes von der erwachsenen Person.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Silvia Gebhart in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom , nunmehr Finanzamt Österreich, betreffend Abweisung des Antrages vom auf Zuerkennung des Grundbetrages und Erhöhungsbetrages an Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbetrag ab Jänner 2016 für das volljährige Kind ***1***, geboren ***2*** 1995, Steuernummer ***BF1StNr1***, wegen nicht zeitgerechter Erlangung der Selbsterhaltungsfähigkeit zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

II. Die belangte Behörde hat mit Wirkung ab eine dem oben bezeichneten Antrag stattgebende Mitteilung zu lassen und Grundbetrag und Erhöhungsbetrages an Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbetrag auszuzahlen.

III. Die belangte Behörde hat beim zuständigen Bezirksgericht einen Antrag auf Erwachsenenvertretung für die Tochter unter Beilage dieses Erkenntnisses zu stellen.

IV. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Beim Beschwerdeführer (Bf) wurde überprüft, ob die Voraussetzungen für den weiteren Beihilfenanspruch für seine inzwischen volljährig gewordene Tochter, für die bis Dezember 2015 der Grundbetrag und Erhöhungsbetrag für Behinderung an Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbetrag (im Folgenden nur: erhöhte Familienbeihilfe) gewährt worden waren, weiterhin vorlagen und zur Klärung ein Sachverständigengutachten samt Bescheinigung beim Bundessozialamt in Auftrag gegeben. Entsprechend der ab etablierten Vorgangsweise erhielt die belangte Behörde das Gutachten nicht, sondern lediglich die Bescheinigung vom , mit welcher der GdB aufgrund der beiden aktenkundigen Erkrankungen (familiäres Mittelmeerfieber, Schilddrüsenunterfunktion) mit 50vH bescheinigt sowie die dauernde Selbsterhaltungsfähigkeit bejaht wurde. Gründe für diese Feststellung sind dem Gutachten nicht zu entnehmen. Vonseiten der festgestellten Gesundheitsschädigungen bestünde keine maßgebliche Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit. Sachverständiger war ein Facharzt für Innere Medizin. Daraufhin stellt die belangte Behörde den Bezug der Familienbeihilfe ab Jänner 2016 ein.

Mit amtlichen Formularen Beih1 und Beih3 vom beantragte der Bf ab Jänner 2016 die erhöhte Familienbeihilfe. Die Mutter hatte auf ihr vorrangiges Recht ordnungsgemäß verzichtet. Im Antrag Beih3 wurde die Behinderung bzw Erkrankung beschrieben als "familiäres Mittelmeerfieber FMF, Schilddrüsenunterfunktion, Untergewicht" sowie auf die Beilage MA40 hingewiesen. Beigelegt wurden das Gutachten der Sigmund Freud Privatuniversität vom , welches diese für den Magistrat der Stadt Wien, MA 40, erstellt hat (im Folgende kurz "Magistratsgutachten"), das vom Bundessozialamt erstellte Sachverständigengutachten vom und der Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, MA40, vom , mit welchem dem Bf eine Leistung zur Deckung des Lebensunterhaltes und der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs ab (im Folgenden: Mindestsicherung 2015) zuerkannt wurde. Aus dem Magistratsgutachten ergaben sich weitere Erkrankungen, die im kognitiven Bereich und der Belastbarkeit lagen.

Den Antrag wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab und gab als Begründung ausschließlich den Wortlaut der §§ 8 Abs 5, 2 Abs 1 lit c FLAG 1967 wieder, wogegen der Bf form- und fristgerecht die als Berufung bezeichnete Beschwerde erhob und beantragte, das Gutachten des Sachverständigen und den Bescheid der MA 40 zu berücksichtigen, woraus sich ergebe, dass seine Tochter arbeitsunfähig sei und Krankheiten habe.

Die belangte Behörde gab beim Bundessozialamt ein zweites Gutachten in Auftrag. Das Sachverständigengutachten vom , das der belangten Behörde vom Bundessozialamt ebenso nicht übermittelt wurde, und die Bescheinigung kamen zum selben Ergebnis wie das Vorgutachten. Sachverständige war eine Ärztin für Innere Medizin. In der Folge wurde die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen, wogegen wiederum form- und fristgerecht Vorlageantrag gestellt wurde. Ergänzend trug der Bf vor, dass er mit dem amtswegigen Gutachten nicht einverstanden sei und Bestätigungen von amtlichen Stellen habe, dass er arbeitsunfähig sei.

Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde mitsamt Verwaltungsakt elektronisch vorgelegt und die Abweisung der Beschwerde beantragt. Die belangte Behörde vertrat die Ansicht, dass beide Gutachten vollständig und schlüssig seien.

Beide Sachverständigengutachten waren so knappgehalten, dass sich das BFG kein Bild vom Gesundheitszustand der Tochter machen konnte, weshalb mit hg Beschluss vom ein drittes Gutachten veranlasst wurde, wobei angeordnet wurde, einen/e Facharzt/ärztin für Neurologie sowie eine/n Dolmetscher/in hinzuzuziehen seien. Aus dem Magistratsgutachten ergab sich, dass die Tochter ihre Deutschkenntnisse verbessern wolle. Keines der beiden Gutachten setzte sich mit dem von der MA40 beauftragten Gutachten auseinander, demzufolge die Tochter, wenn auch nur befristet, arbeitsunfähig war. Im Magistratsgutachten war von einer psychischen Beeinträchtigung mit reduzierter Stresstoleranz, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsdefiziten die Rede, weshalb die Arbeitsfähigkeit befristet vom bis nicht, die Kursfähigkeit eingeschränkt (halbtags) gegeben gewesen sei. Die Intelligenz wurde als unterdurchschnittlich bewertet. Auch dem Bf wurden mit dem Beschluss Aufträge erteilt.

Der hg Beschluss lautet:

I. "Der belangten Behörde wird bis längstens beim Bundesfinanzgericht einlangend aufgetragen,

ein neuerliches Sachverständigengutachten durch einen Arzt /eine Ärztin für Innere Medizin gemeinsam mit einem Arzt /einer Ärztin für Neurologie und Psychiatrie und unter Beiziehung eines Dolmetschers / einer Dolmetscherin Türkisch-Deutsch oder Kurdisch-Deutsch und gegebenenfalls eines/r Sachverständigen der PVA beim Bundessozialamt zu beauftragen, mit dem die im Folgenden dargestellten Fragen beantwortet werden;

Einkommensnachweise bezüglich der Tochter des Bf ab 2016 vorzulegen (LZ, ANV-Bescheide, §109 Mitteilungen, Meldungen vom AMS etc).

II. Dem Beschwerdeführer wird aufgetragen, jene Unterlagen zu beschaffen und zur Untersuchung durch das Bundessozialamt mitzubringen, die für den Sachverständigen notwendig sind, um die nachfolgend dargestellten Fragen zu beantworten.

[…]

Begründung

Nach ha Ansicht sind die beiden Sachverständigengutachten des BSA vom und vom unvollständig und unschlüssig. Da es sich bei den BSA-Gutachten um Amtsgutachten handelt, sind Unvollständigkeit und Unschlüssigkeit (auch) von Amts wegen aufzugreifen.

Vorgelegt wurden auch die Vorjahresgutachten 2009 und 2012, aus denen sich die Leiden familiäres Mittelmeerfieber und kongenitale Hypothyreose ergeben. Beide Krankheiten bestehen daher seit Geburt (erlich). Der Grad der Behinderung von 50% besteht bereits seit März 2004. Der Leidenszustand wurde wie folgt festgestellt:

Gutachten vom :

"… mit Anerkennung von gesamt 50% GdB für die Diagnosen familiäres Mittelmeerfieber und kongenitale Hypothyreose. Bauchschmerzen treten wöchentlich auf. häufige Fehlzeiten in der Schule dadurch. […] besucht die 3. Klasse einer KMS, mit mässigem Erfolg, häufige Fehlzeiten, Stimmung wechselnd, Onychophagie."

Diagnose(n):

Gesamtgrad der Behinderung: 50 vH voraussichtlich mehr als 3 Jahre anhaltend.

Eine Nachuntersuchung in 3 Jahren ist erforderlich. Der(Die) Untersuchte ist voraussichtlich n i c h t dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. keine Änderung gegenüber Untersuchung 11/2006"

Gutachten vom :

"[Die Tochter] besucht einen Berufsvorbereitungslehrgang nach Abschluss der Sonderschule. Häufige Fehlzeiten durch stationäre Aufnahmen.

Diagnose(n):

Gesamtgrad der Behinderung: 50 vH voraussichtlich mehr als 3 Jahre anhaltend.

Eine Nachuntersuchung in 3 Jahren ist erforderlich. Der (Die) Untersuchte ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. keine Änderung gegenüber Untersuchung 11/2009, voraussichtliche Erwerbsunfähigkeit ab aktueller Untersuchung 11/2012, da im 18. Lebensjahr und weiter in Ausbildung"

Seit 2004 wird der Tochter ein GdB mit 50% bescheinigt und dass dieser voraussichtlich mehr als drei Jahre bestehe. Nach den im Beschwerdeverfahren erstellten Gutachten hat sich der leidensbedingte Zustand der Tochter nicht geändert. Das Mittelmeerfieber hat während der Schulzeit zahlreiche Fehlzeiten verursacht, die Tochter litt auch im Jahr 2016 zumindest ein Mal monatlich an einer Fieberattacke mit Bauch- und Knochenschmerzen.

  1. Es fehlen den Gutachten des Beschwerdeverfahrens konkrete Angaben zur Dauer einer Fieberattacke und der leidensbedingten Krankenhaus- und Ordinationsaufenthalte wegen Infusionen und anderer Therapien. Die tatsächlichen Krankenstandstage je Jahr sind ab Jänner 2016 zu erheben sowie die voraussichtlichen Krankenstandstage ab Untersuchungstag zu prognostizieren.

Im Beschwerdefall RV/7102510/2018 ist wegen Morbus Fabry (was ebenfalls Fieberschübe verursacht, genetisch bedingt und unheilbar ist) hervorgekommen, dass die Invaliditätspension gewährt wurde, weil trotz medizinischer Behandlung Krankenstände in der Dauer von über 7 Wochen pro Jahr regelmäßig jedes Jahr leidensbedingt auftreten, das sind 35 Arbeitstage (Gerichtsprotokoll in anonymisierter Form wird beigelegt). Für die Tochter ist in der Zeit von 2004 bis 2016 keine Besserung hins der Fiederschübe und Schmerzzustände eingetreten, die den GdB verringert hätte, weshalb nach Ansicht des BFG, Krankenstände in hoher Tagesanzahl regelmäßig anfallen werden, wie sie in der Vergangenheit bereits zu Fehltagen in der Schule geführt haben. Die Fälle sind vergleichbar. Anders als im Fall RV/7102510/2018 ist die Tochter des Bf aber bereits in Kindes- und Jugendtagen von der Krankheit derart intensiv betroffen, dass das ihre Schulausbildung und ihren Gesamtgesundheitszustand negativ beeinflusst hat.

  1. Es fehlen den Gutachten des Beschwerdeverfahrens Feststellung zu psychischen Beeinträchtigungen mit reduzierter Stresstoleranz, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsdefiziten, unterdurchschnittliche Intelligenz.

Durch Verweis auf das Gutachten MA40 im amtlichen Formular Beih3 wurde auch die Beurteilung dieser psychischen Erkrankungen beantragt. Die unterdurchschnittliche Intelligenz wurde im MA40-Gutachten diagnostiziert, Untersuchung am , und damit vor Vollendung des 21. Lebensjahres der Tochter. Die Tochter hat am ***2*** 2016 ihr 21. Lebensjahr vollendet. Insbesondere zur Beurteilung des psychischen Zustandes der Tochter erscheint die Beiziehung eines Dolmetschers hilfreich.

  1. Es fehlen den Gutachten des Beschwerdeverfahrens Feststellung zu Berufen, die die Tochter des Bf auf dem freien (nicht behinderungsgeschützten) Arbeitsmarkt ausüben könnte, die sie körperlich und psychisch leisten könnte, mit denen sie Bruttoeinkünfte zumindest in Höhe der Mindestpension (war im Jahr 2016 EUR 882,78) zzgl Abdeckung der Krankheitskosten erzielen könnte. Sollte die Tochter nur zu einer Halbtagsarbeit fähig sind, wäre auch das festzustellen.

Auf die Besprechung zwischen Vertretern des BSA und Richtern des BFG im Dezember 2017 wird verwiesen. § 4 Abs 1 EinschätzVO ist keinesfalls auf Psychologen beschränkt, sodass nach Rechtsanschauung des BFG Sachverständige der PVA zur Beantwortung dieser Frage vom BSA beigezogen werden können. Zu betonen ist in diesem Zusammenhang auch, dass nach dem Wortlaut des § 8 Abs 5 FLAG 1967 nur die Bescheinigung, nicht jedoch das ärztliche Sachverständigengutachten selbst vom BSA erstellt werden muss. Die Tochter ist rechtlich verpflichtet, eine derart gravierende Erkrankung vor Abschluss eines Arbeitsvertrages offenzulegen.

  1. Es mögen bei der weiteren Begutachtung Feststellung dahin getroffen werden, ob inzwischen Selbsterhaltungsfähigkeit eingetreten ist oder nicht.

Hervorgehoben wird, dass damit nicht Erwerbsfähigkeit oder Arbeitsfähigkeit gemeint sind.

"Ein Kind ist nach allgemeinem Verständnis selbsterhaltungsfähig, wenn es selbständig aus eigener Kraft mit eigenen Mitteln leben kann. Insofern entspricht dies der zum Unterhaltsrecht vertretenen Rechtsansicht" [ 7Ob17/12v zu ARB ARt5.1.3.]. "Für den Zeitpunkt des Eintritts der Selbsterhaltungsfähigkeit ist als Richtlinie die Höhe des Richtsatzes für die Gewährung einer Ausgleichszulage [Mindestpensionsrichtsatz] heranzuziehen" ( 20R81/03s). "Solange das Kind auf die elterliche Unterkunftsgewährung oder Betreuung angewiesen bleibt, ist es noch nicht selbsterhaltungsfähig, insbesondere dann nicht, wenn es krankheitsbedingt besonders intensiver Pflege bedarf, die es selbst zu finanzieren nicht imstande ist. Selbsterhaltungsfähig ist daher ein Kind nur dann, wenn es - auf sich allein gestellt - mit seinen Einkünften auch den fiktiven Geldaufwand zur Erlangung notwendiger Pflegeleistungen decken könnte" ( 2Ob55/97w).

Für den Beschwerdeführer […]:

Beschaffen Sie von den Ärzten und von den Krankenhäusern Bestätigungen über die Krankentage Ihrer Tochter, sofern Sie darüber nicht bereits Unterlagen besitzen. Sollte das nicht möglich sein, erstellen Sie selbst eine Liste darüber. Machen Sie am Tag der Untersuchung konkrete Angaben zur Dauer jedes einzelnen Fieberschubes und zur Anzahl sämtlicher Krankheitstag pro Jahr. Bringen Sie die Abschlusszeugnisse und sämtliche Ausbildungsnachweise Ihrer Tochter für eine aussagekräftige Sozialanamnese zum BSA mit. Weiterreichende Befunde sind selbstverständlich ebenso mitzubringen. Erstellen Sie eine Liste über die Auslandsaufenthalte Ihrer Tochter und Angabe des Zwecks für den jeweiligen Auslandsaufenthalt und unter Beilage von Beweismitteln."

Aufgrund von Problemen des Bundessozialamtes, den Vater zum Begutachtungstermin zu laden, trat die belangte Behörde an das BFG heran, und fragte nach, ob weiterhin gewünscht werde, eine Gutachtenserstellung zu versuchen, das der Bf anscheinend nie zu den Untersuchungsterminen erscheine. Dem Bericht war nicht zu entnehmen, an welche Adresse zugestellt worden war. Das BFG empfahl, direkt die Tochter, die volljährig sei, zu laden, und die Ladung RSb zuzustellen (Mail vom ).

Das Bundessozialamt veranlasste in der Folge zwei Gutachten, und zwar jenes vom , erstellt von der Fachärztin für Innere Medizin, die die Selbsterhaltungsfähigkeit weiterhin bejahte, und jenes vom , erstellt von einem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, der die Selbsterhaltungsfähigkeit ab März 2018 verneinte und ab März 2018 den GdB mit 60vH feststellte. Beide Gutachten wurden in einer Gesamtbeurteilung zusammengeführt, in der sich die Ansicht des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie durchsetzte. Im März 2018 war die Tochter 22 ½ Jahre alt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Rechtsgrundlagen

§ 2 Absatz 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der für den Streitraum gültigen Fassung lautet auszugsweise:

"Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

[…]

b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet […]

c) für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, […]"

§ 8 Abs 5 FLAG 1967 ordnet an:

"Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweilsgeltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen."

§ 8 Abs 6 FLAG 1967 lautet:

"Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen."

Anlage zur Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) idF der Verordnung vom , BGBl. II Nr. 251/2012

02.02 GENERALISIERTE ERKRANKUNGEN DES BEWEGUNGSAPPARATES

Es ist die resultierende Gesamtfunktionseinschränkung bei entzündlich rheumatischen Systemerkrankungen, degenerative rheumatischen Erkrankungen und systemischen Erkrankungen der Muskulatur einzuschätzen. Falls sie mit Lähmungserscheinungen einhergehen, sind sie entsprechend den funktionellen Defiziten nach Abschnitt 04. "Neuromuskuläre Erkrankungen" im Kapitel "Nervensystem" zu beurteilen.

Mit funktionellen Auswirkungen geringen Grades 10-20%

leichte Beschwerden mit geringer Bewegungs- und Belastungseinschränkung

Mit funktionellen Auswirkungen mittleren Grades 30-40%

Mäßige Funktionseinschränkungen, je nach Art und Umfang des Gelenkbefalls, geringe Krankheitsaktivität

Mit funktionellen Auswirkungen fortgeschrittenen Grades <50-70%

50 %: Dauernde erhebliche Funktionseinschränkungen, therapeutisch schwer beeinflussbare Krankheitsaktivität, Notwendigkeit einer über mindestens 6 Monate andauernden Therapie

70 %: Dauernde erhebliche Funktionseinschänkungen mit maßgeblichen Einschränkungen im Alltag und Arbeitsleben, therapeutisch schwer beeinflussbare Krankheitsaktivität, Gehbehinderung

Mit funktionellen Auswirkungen schweren Grades 8ß-100%#

Irreversible Funktionseinschränkungen mehrerer großer Gelenke mit entsprechender Mobilitätseinschränkung, hochgradige Progredienz

03 Psychische Störungen

03.01 Kognitive Leistungseinschränkung

Die Beurteilung der kognitiven Leistungsbreite erfolgt unabhängig der Ursachen (angeborene, posttraumatische, genetische, entzündliche oder toxisch bedingte Leistungsminderung) abhängig vom Ausmaß der Einschränkungen. Auf kognitive Funktionsbehinderungen zurückgeführte Sprach - und Artikulationsstörungen bis hin zur Aphasie sind zu berücksichtigen.

Teilleistungsschwächen geringen Grades 10-20%

Ohne wesentliche Beeinträchtigungen im Alltags- und Arbeitsleben bzw. der schulischen Leistungen Lese-, Rechtschreib- und Rechenstörung leichten Ausmaßes

Intelligenzminderung mit geringen bis mäßigen sozialen Anpassungsstörungen 30-40%

Anamnestisch leichte Anpassungsstörung Probleme in Ausbildung und Arbeitsleben Unabhängigkeit in der Selbstversorgung, im Alltagsleben

Intelligenzminderung mit maßgeblichen Anpassungsstörungen 50-80%

50-70 %: Manifeste Probleme im Arbeitsleben und bei der Alltagsbewältigung Ungelernte Arbeiten Vollständige Unabhängigkeit eher selten

70-80 %: Manifeste Probleme im Arbeitsleben und bei der Alltagsbewältigung Betreuten Arbeitsformen Alleine leben nur eingeschränkt möglich, deutliche Probleme bei der Alltagsbewältigung, Eigenversorgung nur unter Aufsicht, Anleitung, Hilfe durch externe Betreuer/Angehörige notwendig

Schwere Intelligenzminderung 90-100%

Anamnestisch kaum bildungsfähig, deutliche Alltagsprobleme Hilfe im sachlichen und persönlichen Bereich sowie zur Wahrung der Eigeninteressen erforderlich, Kommunikation höhergradig eingeschränkt

09.03 PHENYLKETONURIE

[Anm BFG: angeborene Stoffwechselkrankheit des Aminosäurestoffwechsels, bei der Phenylalanin aufgrund eines Mangels an Phenylalaninhydroxylasen nicht zu Tyrosin verstoffwechselt werden kann]

Phenylketonurie ohne manifeste Folgeerscheinungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr 30%

Vorliegende cerebrale Folgeerkrankungen (geistige Retardierung) sind nach Abschnitt 03 entsprechend den funktionellen Defiziten einzuschätzen

Phenylketonurie ohne manifeste Folgeerscheinungen nach dem vollendeten 18. LJ bei erforderlicher Diät 10%

Eine Stufe existiert nicht

2. Informationsquellen:

ICD-Code- F70.0: Leichte Intelligenzminderung Keine oder geringfügige Verhaltensstörung (Quelle: ICD-10-Code: F70.0 Leichte Intelligenzminderung Keine oder geringfügige Verhaltensstörung (bund.de, Stand )

Die geistigen Fähigkeiten sind leicht eingeschränkt und entsprechen einem IQ von 50-69. Das entspricht einem geistigen Alter von 9 bis 12 Jahren. Dadurch kann es sein, dass betroffene Menschen nicht so schnell neue Dinge lernen und anwenden können. Sie können trotzdem arbeiten und mit anderen Menschen gut umgehen. Das Verhalten kann dadurch verändert sein.

Familiäres Mittelmeerfieber

Quelle: https://www.medizinische-genetik.de/diagnostik/humangenetik/erkrankungen/syndrome/fiebersyndrome/mittelmeerfieber-fmf, Stand

Bei FMF handelt es sich um die häufigste familiäre Form von periodisch wiederkehrenden Fieberschüben, die vor allem bei den Völkern des südlichen Mittelmeers auftritt. Der häufige, klassische Typ des familiären Mittelmeerfiebers wird autosomal-rezessiv mit reduzierter Penetranz vererbt. Besonders häufig ist das Leiden bei Nordafrikanern, anatolischen Türken, irakischen Juden und Armeniern. Die Inzidenz beträgt z.B. bei Nordafrikanern 1 : 2.000, die Heterozygotenfrequenz erreicht regional bis zu 20%. Erstmanifestationen zeigen sich in 70% der Fälle bereits vor dem 10. Lebensjahr in Form von kurzzeitigen, 3-5 Tage andauernden Fieberschüben, Pleuritis und Peritonitis, begleitet von Schmerzen in Gelenken, Muskeln und Abdomen. Unbehandelt führt in 12-40% der Fälle eine sekundäre Amyloidose zur Niereninsuffizienz mit Todesfolge. Die prophylaktische Gabe von Colchizin vermindert die Frequenz der Schübe und das Risiko für die Entwicklung einer sekundären Amyloidose. […]

Quelle: https://www.orpha.net/consor/cgi-bin/OC_Exp.php?Expert=342&lng=DE, Stand

Das Familiäre Mittelmeer-Fieber (FMF) ist eine auto-inflammatorische Erkrankung und gekennzeichnet durch rezidivierende Episoden von Fieber und Serositis mit Schmerzen im Abdomen, im Thorax und in den Gelenken und Muskeln. Das FMF wird primär im südöstlichen Bereich des Mittelmeeres gefunden.

Epidemiologie

Bevölkerungen mit hoher Prävalenz der Erkrankung (1:200-1:1.000) sind Nicht-Ashkenazi-Juden, Türken, Armenier und Araber. Nicht selten ist die Krankheit in Italien, Griechenland und Spanien.

Klinische Beschreibung

Die Krankheit beginnt in der Regel vor dem 30. Lebensjahr, ein früherer Beginn ist mit einer schwereren Symptomatik verbunden. Beim FMF können 2 Typen unterschieden werden. Der Typ 1 ist gekennzeichnet durch Attacken (ein Mal wöchentlich oder alle paar Jahre) von Fieber und Serositis, die 1 bis 4 Tage dauern und spontan abklingen. Mögliche Auslöser dieser Attacken sind Stress, Kälteexposition, fettreiche Mahlzeiten, Infektionen, einige Medikamente und Menstruation. Leichte Symptome (Muskelschmerzen, Kopfschmerzen, Übelkeit, Dyspnoe, Arthralgie, Kreuzschmerzen, Asthenie und Angst) gehen den Attacken voraus und dauern etwa 17 Stunden. Die Attacken äußern sich mit Fieber (38-40°C über 12-72 Stunden, das nicht auf Antibiotika anspricht), mit diffusen oder lokalisierten Leibschmerzen, Obstipation (bei Kindern Diarrhoe), Gelenkschmerzen, Arthritis (in den oberen/unteren Gliedmassen oder Kniegelenken) und mit durch Pleuritis und/oder Perikarditis verursachten Thoraxschmerzen. Bei 7-40 % der Patienten bestehen auch Hautveränderungen. Eine mögliche schwerwiegende langfristige Komplikation ist eine Amyloidose Typ AA. Als Typ 2 des FMF wird ein Phänotyp mit Amyloidose als erstem und einzigem Zeichen beschrieben.

[…]

Diagnostische Verfahren

Die Tel-Hashomer-Kriterien verlangen für die Diagnose, dass zwei große Kriterien (Fieber und Serositis, Amyloidose AA, Wirksamkeit von Kolchizin) und zwei kleine Kriterien (rezidivierende Fieber-Attacken, erysipel-ähnliches Erythem, Verwandte mit FMF) vorhanden sind. Der positive Voraussagewert einer genetischen Analyse beträgt nur 70-80%.

[…]

Pränataldiagnostik

Das FMF wird autosomal-rezessiv vererbt. Eine vorgeburtliche Diagnostik ist möglich.

[…]

Management und Behandlung

Kolchizin (oral oder i.v.) ist das Medikament zur Behandlung des FMF. Es eliminiert die FMF-Attacken und verhindert das Auftreten einer Amyloidose Typ AA. Die Dosierung reicht von 0.03 mg/kg Körpergewicht/Tag bis zu einem Maximum von 3 mg/Tag und muss lebenslänglich regelmäßig eingenommen werden. Während einer Attacke können nicht-steroidale Antirheumatika verordnet werden. Für Patienten, die Kolchizin nicht vertragen, gibt es keine gleich wirksame Alternative, es wurden aber bei einigen Patienten ermutigende Ergebnisse mit Anakinra, Interferon-alpha und selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren (SSRIs) erzielt. Zur Vermeidung einer Amyloidose sollen die Patienten jährlich untersucht und ihr Serum-Amyloid A-Protein (SAA) kontrolliert werden. Kolchizin kann eine B 12-Malabsorption verstärken und in seltenen Fällen Alopezie und Knochenmarkinsuffizienz verursachen. Wegen der Möglichkeit fataler Toxizität sollen bei der Behandlung mit Kolchzin Makrolide, Diltiazem, Grapefruit und Cyclosporin gemieden werden. Renale Amyloidose macht evtl. Dialyse und Organtransplantation erforderlich.

Prognose

Die FMF kann nicht geheilt werden, aber die Behandlung mit Kolchizin verbessert die Lebensqualität der Patienten. Ohne Behandlung oder bei renaler Amyloiddose ist die Prognose weniger günstig.

3. Sachverhalt

Aufgrund der von der belangten Behörde vorgelegten Unterlagen, insbesondere der Vorgutachten vom und vom , dem Antrag, dem Beschwerdevorbringen sowie des Ergebnisses des ergänzend vom BFG durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht folgender Sachverhalt fest:

Der Bf und seine Tochter (geboren ***2*** 1995) sind österreichische Staatsbürger mit türkischer Herkunft. Die Mutter hat ordnungsgemäß auf ihr vorrangiges Anspruchsrecht verzichtet. Die Tochter lebt im Haushalt ihrer Eltern. Seit 2022/23 ist sie verlobt.

Die Tochter leidet seit ihrer Kindheit an familiärem Mittelmeerfieber (FMF) und kongenitaler Hypothyreose (CH). Für beide Krankheiten wurde ab März 2004 ein GdB von 50vH festgestellt. Während des gesamten Zeitraumes bis zur letzten Unterschuchung Anfang 2023 hielt die Tochter ihre Therapien zu beiden Diagnosen ein (Colchizin betr FMF). Lediglich im Jahr 2016 befand sie sich gemeinsam mit ihrer Familie wegen eines Trauerfalles für drei Monate in der Türkei und hat dort ebenfalls einen Arzt aufgesucht.

Die Tochter besuchte 5 Klassen Volksschule und musste die 1. Klasse wiederholen. Seit damals galt sie als Intergrationskind. Auch die weiterführende Hauptschule (KMS, kooperative Mittelschule) und den Polytechnischen Lehrgang absolvierte sie als Intergrationskind nach dem ASO-Lehrplan [Anm BFG: Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule]). Im Dezember 2009 besuchte sie die 3. Klasse einer KMS (Alter 14 2/12 Jahre), mit mäßigem Erfolg, häufige Fehlzeiten, Stimmung wechselnd. Damals traten die Bauchschmerzen der Tochter wöchentlich auf, die kausal für die häufigen Fehlzeiten in der Schule waren. Im Dezember 2012 hatte die Tochter die Sonderschulde (Mittelschule und Polytechnikum) mit mäßigem Erfolg abgeschlossen und besuchte anschließend einen zweijährigen Berufsvorbereitungslehrgang (BVL), den sie nicht beendete.

Es gab weiterhin häufige Fehlzeiten bedingt durch stationäre Aufnahmen wegen der Fieberschübe. Ihre damalige Stimmung wurde beschrieben als "subdepressiv". Ihre Körpergröße betrug 160 cm und sie wog 51 kg. Mit BSA-Gutachten vom wurde erstmals eine Intelligenzminderung, ICD-F70.0. festgestellt. Die mit dem Gutachten und der Bescheinigung vom erstmals festgestellte Intelligenzminderung beruhte auf dem Befund vom 2012-09-25 ST. ANNA KINDERSPITAL, PSYCHOLOGIE SON-R. Zur Erlangung der Selbsterhaltungsfähigkeit wird in der Bescheinigung ausgeführt: "Der(Die) Untersuchte ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Voraussichtliche Erwerbsunfähigkeit ab aktueller Untersuchung 11/2012, da im 18. Lebensjahr und weiter in Ausbildung". Zum damaligen Zeitpunkt war die Tochter 17 2/12 Jahre alt. Im Jänner 2016 wurde der Hauptschulabschluss festgehalten, wobei das genaue Datum nicht erhoben wurde, die Tochter war beim AMS erfasst, ein Berufsförderungskurs wurde krankheitsbedingt nicht beendet.

Mit dem Gutachten und der Bescheinigung vom war für das familiäre Mittelmeerfieber der GdB mit 50vH im obere Rahmensatz angesetzt worden, da unter Therapie Fehlzeiten in der Schule. Ihre Körpergröße betrug 160 cm und sie wog 46 kg, was als unauffällig beurteilt wurde.

Im Zeitraum von 2009 bis 2012 hat sich der Zustand der Tochter demnach verschlechtert.

In den Folgegutachten/Bescheinigungen vom und wurde auf die Intelligenzminderung nicht mehr eingegangen.

Aus dem Gutachten vom ergibt sich zu den beiden Diagnosen FMF und CH, dass die Tochter monatliche Fieberattacken mit Bauch- und Knochenschmerzen hatte, ihr regelmäßig Schmerzinfusionen beim praktischen Arzt verabreicht wurden und sie von der Univ.-Klinik für Innere Medizin am AKH betreut wurde. Die Regelmäßigkeit wurde nicht näher umschrieben. Der praktische Arzt diagnostizierte Panikattacken und einen reduzierten Allgemeinzustand sowie eine chronisch entzündliche rheumatische Erkrankung. Was die Tochter gegen die Panikattacken unternahm, wurde ebenso nicht erhoben. Es wurde zwar die Häufigkeit der Fieberattacken mit Bauch- und Knochenschmerzen erhoben, jedoch nicht deren Dauer. Das Mittelmeerfieber hatte eine chronisch entzündliche rheumatische Erkrankung hervorgebracht. Bei einer Körpergröße von 165 cm und einem Gewicht von 50 kg wurde ihr Ernährungszustand als gut beschrieben. Zur Selbsterhaltungsfähigkeit wird ausgeführt: "Vonseiten der festgestellten Gesundheitsschädigungen besteht keine maßgebliche Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit." Das Familiäre Mittelmeerfieber wurde unter der PosNr eingereiht und festgehalten: unterer Rahmensatz, da rez. Beschwerden, auch unter Therapie,aber keine höhergradigen Komplikationen, somit 50%GdB.

Die PosNr existiert nicht und die PosNr 09 betrifft eine andere Erkrankung. Die PosNr 09 endet bei Stufe 02.

Im Zeitraum von Dezember 2012 bis Jänner 2016 hat sich der Zustand der Tochter demnach abermals verschlimmert. Die regelmäßigen Schmerzinfusionen waren neu und auch die Entzündungen waren neu.

Als Gründe für den Abbruch des Berufsförderungskurses führt das Magistratsgutachtenvom psychische Beeinträchtigungen mit reduzierter Stresstoleranz, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsdefizite bei den bekannten Diagnosen FMF und CH an und nennt darüber hinaus Untergewicht. Empfohlen wurde mit dem Magistratsgutachten ua Muskelaufbau und Wirbelsäulengymnastik. Auch dieses Gutachten bewertet die Intelligenz als unterdurchschnittlich. Die Tochter möchte gerne ihre Deutschkenntnisse verbessern. Bildschirmtauglichkeit ist gegeben. Bezogen auf einen 8-h-Arbeitstag können keine Tätigkeiten ausgeübt werden.

Nur einen Monat nach der Feststellung eines guten Ernährungszustandes wird der Tochter von einem anderen Gutachter Untergewicht bescheinigt. 50 kg Körpergewicht, Alter 20 Jahre und 165 cm Körpergröße ergeben einen BMI von 18,4, der knapp Untergewicht ergibt (Grenzwert <18,5).

Das Gutachten vom , erstellt von einer Fachärztin für Innere Medizin (Dr.in ***3***), zitiert folgenden Befund: "Letzter stationärer Aufenthalt im AKH 14.10. bis : Pyelonephritis [Anm BFG: eine meist durch bakterielle Infektionen verursachte, akut oder chronisch verlaufende Entzündung des Nierenbeckens mit Beteiligung des Nierenparenchyms]/ DD FMF, antibiotische Therapie, intermittierende Erhöhung der Colchizintherapie." Zur Selbsterhaltungsfähigkeit wurde festgestellt: "Durch die vorliegenden Befunde und auch bei der hierorts durchgeführten persönlichen Untersuchung konnte keine derart relevante persönliche Beeinträchtigung objektiviert werden, welche eine Arbeitsunfähigkeit begründen würde." Bei einer Körpergröße von 164 cm und 48 kg Körpergewicht wird der Ernährungszustand als normal beschrieben. Das Familiäre Mittelmeerfieber wurde ebenfalls unter der PosNr eingereiht und festgehalten: unterer Rahmensatz, da unter laufender Therapie weiter Beschwerden, jedoch keine höhergradigen Komplikationen, somit 50%GdB.

Im Zeitraum Jänner bis November 2016 hat sich der Entzündungszustand der Tochter abermals verschlechtert.

Das BSA veranlasste aufgrund des Beschlusses des BFG das Gutachten vom , erstellt von der bekannten Fachärztin für Innere Medizin. Unter dem Punkt Anamnese wurde auf ein FLAG Gutachten 09/2019 Bezug genommen, das 60vH ergeben habe wegen Depressio, Mittelmeerfieber, Hypothyreose, sowie weiters Bezug genommen auf ein Gutachten vom , das 60vH ergeben habe wegen mittelschwerer-schwerer kognitiver Störung, Depressio, rheumatische Erkrankung, fam Mittelmeerfieber, Hypothyreose.

Keines der beiden genannten Gutachten ist aktenkundig und wurde weder von der belangten Behörde nachgereicht noch vom BSA gemeinsam mit dem Gutachten vom übermittelt.

Als Beschwerden gab die Tochter zum Gutachten vom an, dass sie nicht lange stehen oder arbeiten könne. Sie werde schnell müde, müsse dann die Arbeit bleiben lassen. Sie brauche mehr Pausen. In der Schule sei sie immer krank gewesen und nicht mitgekommen. Der letzte Fieberschub sei vorige Woche gewesen. Beim Praktikum habe sie Beinschmerzen. Diese Aussage war unter Anführungszeichen gesetzt. Demnach hat die Ärztin von sich aus keine Fragen zur Häufigkeit der Fieberschübe, deren Dauer und zum Zustand der sich häufenden Entzündungen gestellt.

Die rheumatische Erkrankung, familiäres Mittelmeerfieber wurde nunmehr unter der PosNr im unteren Rahmensatz eingeordnet, da unter Therapie im stabilisierten Verlauf, somit 50%GdB, der von Leiden 2 nicht erhöht werde. Zu weiteren diagnostizierten Gesundheitsschädigungen, die keine GdB erreichen, wurde auf das neurologisch/psychiatrische Gutachten verwiesen. Zu den Vorgutachten wurde keine Stellungnahme abgegeben. Der GdB wurde unverändert ab 03/2004 mit 50vH bescheinigt. Weiters sei die Tochter voraussichtlich nicht dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, weil in den letzten beiden Jahren keine Krankenheitsexacerbationen mit stationären Aufenthalten dokumentiert seien, sodass, bei hierorts gutem Allgemein- und Ernährungszustand aus internistischer Sicht eine ausreichende körperliche Belastbarkeit bestehe.

Die Bescheinigung vom basierend auf dem Gutachten, erstellt von einem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, verneinte die Selbsterhaltungsfähigkeit ab März 2018 und bescheinigte ab März 2018 den GdB mit 60vH. Auch dieses Gutachten nimmt zur Anamnese Bezug auf ein Vorgutachten FLAG , demnach hirnorganisch depressive Störung mit leicht beeinträchtigten Alt- und Neugedächtnis, Intelligenz unter dem Ausgangsniveau, beinträchtigte Konzentrationsfähigkeit, Wortfindungsstörungen, verlangsamter Duktus, Ausdauer und Belastbarkeit seine für geregelte Tätigkeit laut PVA Gutachten 03/2018 nicht gegeben. Die hirnorganisch depressive Störung wurde mit 50%, das familiäre Mittelmeerfieber mit 50%, die congenitale Hypothyreose mit 20% eingestuft, was einen GdB von 60% seit 3/2018 zur Folge habe. Die Tochter sei seit diesem Zeitpunkt dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Das Vorgutachten vom wird als nach BBG (Bundesbehindertengesetz) erstellt konkretisiert. Gemäß diesem mittelschwere bis schwere kognitive Störung, Depressio, Panikattacken, 50% chronisch entzündliche rheumatische Erkrankung, familiäres Mittelmeerfieber, 50%

Die Tochter spreche sehr gut Deutsch und berichte, dass sie lange nachdenken müsse, bis sei eine Antwort geben könne. Wenn es zu schnell gehe, sei sie überfordert und blockiert, dann könne sie gar nichts mehr herausbringen. Sie sei 1x pro Monat in Psychotherapie. Die Tochter sagte, sie habe Schmerzen in den Händen, sie möchte den Führerschein machen, das Lernen falle ihr sehr schwer, die Führerscheinfragen seien schwer, Konzentration sei beeinträchtigt. Durch die Schmerzen in den Händen waren Feinmotorik und Faustschluss bds eingeschränkt.

An relevanten Befunden wurden festgehalten:

, AKH, nachspezifisch neuropsychologischer Befund:
Beeinträchtigungen im Bereich des Gedächtnisses, Teilbereichen der Aufmerksamkeit und Konzentration soweit in den untersuchten Bereichen der Exekutivfunktionen, alle übrigen erhobenen kognitiven Leistungen im durchschnittlichen Bereich. In Summe lasse sich aufgrund der Ergebnisse derzeit eine mittelschwere kognitive Leistungsbeeinträchtigung feststellen.

, Befund von FÄ für Neurologie:
MRT Schädel unauffällig, fühlt sich derzeit stabil, häufig Kopfschmerzen wie Druck im Kopf, vergesslich, rasch aufgeregt, beleidigt, innere Unruhe vor allem in engen Räumen. Diagnose: mittelschwere bis schwere kognitive Beeinträchtigung, Depressio, Spannungskopfschmerzen.

Der psychologische Status wird beschrieben: klar, wach, in allen Bereichen ausreichend orientiert, Duktus nachvollziehbar, inhaltlich etwas vereinfacht, adäquate Antworten auf gestellte Fragen mit jedoch geringer Frage Antwort Latenz, freundlich zugewandt, keine produktive Symptomatik oder wahnhafte Verarbeitung, Stimmung subdepressiv, etwas schüchtern, bds ausreichend affizierbar, Realitätssinn etwas eingeschränkt, Auffassung, Konzentration reduziert.

Als Ergebnis wurde eine hirnorganische depressive Störung festgestellt und unter PosNr im unteren Rahmensatz mit 50% eingeordnet, da eingeschränkte Kognition und Mnestiv, Unterstützung im Alltag erforderlich. Der GdB liege rückwirkend ab 3/2018 vor. Seit 3/2018 sei die Tochter weiters voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, da psychische und kognitive Fähigkeiten maßgeblich eingeschränkt seien.

Das Mittelmeerfieber verursacht wie bereits in den Vorjahren zumindest ein Mal pro Monat Fieberschübe mit Bauch- und Knochenschmerzen. Die Tochter benötigt regelmäßig Schmerzinfusionen, die vom praktischen Arzt regelmäßig verabreicht werden. Auch Aufenthalte im AKH sind laut Gutachten regelmäßig erforderlich.

4. Beweismittel und Beweiswürdigung

Verwaltungsakt, insbesondere Sachverständigengutachten des Bundessozialamtes vom , vom (Vorjahre), vom und vom , vom , vom sowie der Gesamtbeurteilung vom , Gutachten der Sigmund Freud Privatuniversität vom , Bescheide des Magistrates der Stadt Wien, MA 40, betreffend Mindestsicherung 2015 und Mindestsicherung 2016, Auskunft Zentrales Melderegister vom .

Oben festgestellter Sachverhalt ergab sich schlüssig aus den erwähnten Beweismitteln. Die von der belangten Behörde im Vorlagebericht vertretene Ansicht, die beiden aus dem Jahr 2016 stammenden Gutachten seien vollständig und schlüssig, wurde durch die beiden vom BFG veranlassten Gutachten und die Gesamtbeurteilung von Anfang 2023 widerlegt. Die Unschlüssigkeit und Unvollständigkeit zur Intelligenzminderung und zur Bescheinigung, dass die Tochter seit 11/2012 voraussichtlich dauern außerstande sein werde, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, was bereits seit Dezember 2012 im Verwaltungsakt der belangten Behörde durch ein BSA-Gutachten dokumentiert wurde, wurde durch die beiden Gutachten und die Gesamtbeurteilung von Anfang 2023 nicht beseitigt. Die BSA-Gutachten der Jahre 2016 und 2023 sind unvollständig, unschlüssig und zueinander und zum Vorgutachten 12/2012 widersprüchlich.

5. Rechtliche Beurteilung

5.1. Rechtsstandpunkte der Parteien:

Belangte Behörde:

angefochtener Bescheid: Es wurde ausschließlich der Wortlaut des Gesetzes widergegeben und keine Rechtsansicht vertreten.

Beschwerdevorentscheidung: Es wurde unter Hinweis auf die beiden Sachverständigengutachten des Bundessozialamtes vom und vom ausgeführt, dass beide Sachverständigengutachten eine dauernde Erwerbsunfähigkeit der Tochter nicht festgestellt hätten. Im Vorlagebericht wurde überdies ausgeführt, dass beide Sachverständigengutachten des Bundessozialamtes schlüssig seien und die belangte Behörde daran gebunden sei.

Die Vorlage der Gutachten und der Gesamtbeurteilung von Anfang 2023 erfolgte ohne Stellungnahme zu den Gutachten. Demnach geht die belangte Behörde davon aus, dass die Gutachten und die Gesamtbeurteilung von Anfang 2023 keinen Einfluss auf die beantragte Abweisung hat.

Beschwerdeführer:

Beschwerde: Es seien das Gutachten und der Bescheid der MA40 zu berücksichtigen. Laut Sachverständigen Gutachten von der MA 40 sei ersichtlich, dass die Tochter arbeitsunfähig sei und Krankheiten habe. Dadurch sei die Tochter nicht arbeitsfähig und für ihn als Pflege ein großer Aufwand.

Vorlageantrag: Er sei nicht einverstanden mit dem amtswegigen Gutachten. Er habe Bestätigungen von amtlichen Stellen, dass er arbeitsunfähig sei.

5.2. Zu Spruchpunkt I (Stattgabe)

Bescheidbeschwerde und Vorlageantrag sind frist- und formgerecht. Die Bescheidbeschwerde ist weiters begründet.

Zunächst ist auf die seit von den zuständigen Bundesministerien etablierte geänderte Vorgangsweise einzugehen, wonach die Finanzämter, seit das Finanzamt Österreich, nicht mehr die vom BSA erstellten Sachverständigengutachten erhalten. Das BSA stellte diese ausschließlich den Beihilfewerbern zu. Den Sachverständigengutachten sind die aufgenommenen Befunde (Beweismittel) und die Gründe für das Begutachtungsergebnis zu entnehmen. Die Bescheinigungen enthalten lediglich den Gesamtgrad der Behinderung, den Monat des Eintritts der Behinderung sowie die Angabe JA oder NEIN zur Frage, ob es sich um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, was in der Regel standardisiert mit einem Satz begründet wird.

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs "[sind b]ei der Antwort auf die Frage, ob eine solche körperliche oder geistige Behinderung, die zur Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, führt, vor Vollendung des 21. Lebensjahres (oder allenfalls während einer Berufsausbildung vor Vollendung des 27. oder 25. Lebensjahres) eingetreten ist, die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten gebunden und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechen" (vgl etwa , und VwGH Erkenntnisse jeweils vom , 2009/16/0307 und 2009/16/0310, mwN, ).

Nach zuvor zitierter Rechtsprechung muss die Beihilfenbehörde das bzw die Gutachten daher kennen, weil sie andernfalls nicht in der Lage ist, zu prüfen, ob für sie im konkreten Fall Bindungspflicht besteht oder nicht. Die Bindung der Beihilfenbehörde an das Gutachten ist daher nur relativ.

Mit Erkenntnis des , wurde in oben beschriebener Behördenorganisation ein Verstoß gegen den Legalitätsgrundsatz gesehen, weil zwei Bundesministerien entscheidungsrelevante Beweismittel im Beihilfenverfahren nicht zulassen. Diese Vorgangsweise war auch für das BFG vorgesehen. In intensiven Bemühungen konnte das BFG durchsetzen, dass mit der Beschwerdevorlage auch die Sachverständigengutachten von der belangten Behörde vorzulegen sind. Die Sachverständigengutachten werden daher im verwaltungsbehördlichen Verwaltungs- und Rechtsmittelverfahren nicht beachtet, weil das von höchster Verwaltungsebene nicht vorgesehen ist.

Diese Vorgangsweise hat zur Folge, dass die ersten beiden Gutachten in der Regel unambitioniert erstellt werden, was im Beschwerdefall auf die Gutachten des Jahres 2016 zutrifft. In beiden Gutachten wurde die unzutreffende PosNr für das Mittelmeerfieber herangezogen, wobei die herangezogene Stufe in der Einschätzverordnung gar nicht vorgesehen ist, und bei Untergewicht wurde ein guter Ernährungszustand diagnostiziert. Gemäß § 8 Abs 6 FLAG 1967 sind die Kosten für dieses ärztliche Sachverständigengutachten aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen. Nach Ansicht des BFG entspricht die vorliegende Behördenorganisation nicht dem Grundsatz der Verfahrensökonomie, wonach die Verwaltung zweckmäßig, rasch, einfach und kostensparend vorzugehen hat, doch wurde das bislang vom Rechnungshof nicht aufgegriffen.

Die vorliegende Behördenorganisation könnte weiters den Tatbestand des Missstandes gemäß Artikel 148a B-VG erfüllen, der jedoch nicht vom BFG gerügt werden kann.

Als zweites ist auf eine Besprechung von Richterinnen und Richtern unter der Leitung des damaligen Vizepräsidenten des BFG und Vertretern des Bundessozialamtes Ende 2017 hinzuweisen, anlässlich der neben zuvor beschriener Vorgangsweise betreffend Übermittlung der Gutachten an das BFG auch die Frage behandelt wurde, welche gutachterlichen Aussagen iZm der Fähigkeit, sich dauernd selbst den Unterhalt zu verschaffen, zu treffen sind. Die Richterinnen und Richter wiesen darauf hin, dass es auch Aussagen zu Berufen bedürfe, die ausgeübt werden könnten, wobei auch die Arbeitsmarktsituation beachtlich sein könnte, weil nicht alle Betroffenen in einem wenig anspruchsvollen Beruf unterkommen könnten (Schlagwort Portier). Hiezu wurde seitens des BSA geantwortet, dass das dafür notwendige Wissen bei der PVA angesiedelt sei, denn diese Fragestellung gehe über die Einschätzverordnung, die auch für das Behindertenpasswesen gilt, hinaus. Die PVA verfüge wegen ihrer Kompetenz betreffend Berufsunfähigkeit über das notwendige Fachwissen.

Sinn und Zweck der Bestimmung § 8 Abs 4 FLAG 1967ff ist, Kinder, die bereits vor Erreichen der gesetzlich geregelten Zeitpunkte nicht die Fähigkeit erlangt haben, sich voraussichtlich dauernd selbst den Unterhalt zu verschaffen, zu schützen, indem der Staat die Unterhaltslasten weiterhin abgilt, womit die Kinder nicht zum allgemeinen Arbeitsmarkt zugelassen werden. Demgegenüber fällt die Beurteilung einer erst später erlangten Berufsunfähigkeit in die Zuständigkeit der Sozialversicherungsträger.

Nach dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich das Bild eines willigen und bemühten Mädchens bzw einer jungen Frau, das/die bedingt durch die vom Mittelmeerfieber verursachten regelmäßigen Fieberschübe, die von Leib- und Knochenschmerzen begleitet wurden und rheumatische Entzündungen verursacht haben, während seiner Schulausbildung zahlreiche Fehlstunden hatte und nicht in der Lage war, den versäumten Stoff aufzuholen. Die anlässlich der seit 2006 erfolgten Begutachtungen im Vordergrund stehende Diagnose Mittelmeerfieber hat daher die Schulausbildung der Tochter nachweislich negativ beeinflusst. Seit der ersten Volksschulklasse wurde die Tochter als Integrationskind mit besonderem schulischen Bedarf eingestuft und diese Einstufung hat sie die gesamte Ausbildungszeit hindurch begleitet. Diese Einstufung wurde nach der Beweislage offenbar den Fehlstunden, die durch das Mittelmeerfieber verursacht waren, zugeordnet. Erst die Begutachtung im Dezember 2012 brachte für Zwecke der erhöhten Familienbeihilfe zu Tage, dass im November 2012 vom AKH eine Intelligenzschwäche diagnostiziert wurde. Seit November 2012 steht daher fest, dass die Tochter in zweifacher Hinsicht, nämlich durch die körperliche Schwäche wegen des Mittelmeerfiebers, was Fehlstunden im Unterricht zur Folge hatte, und die geistige Schwäche wegen der Intelligenzminderung, was für das Lernen an sich und das Nachlernen des versäumten Stoffes im Besonderen, belastet war. Beide Krankheiten sind chronisch und unheilbar.

Laut Beweiswürdigung sind die BSA-Gutachten vom , vom , vom und vom sowie die Gesamtbeurteilung vom 06.02.203 unvollständig, unschlüssig und widersprüchlich zum Vorgutachten vom , weshalb das BFG nicht an die BSA-Gutachten gebunden ist. Der sachverständige Arzt des Gutachtens vom war zur vollständigen Erledigung der Sache rechtlich verpflichtet und befugt, die über die im Antragsformular genannten Krankheiten familiäres Mittelmeerfieber und Schilddrüsenunterfunktion hinausgehende Intelligenzminderung von sich aus aufzugreifen, nachdem ein Befund des AKH dies im November 2012 festgestellt hatte. Die Gutachter der nachfolgenden Sachverständigengutachten des Jahres 2016 und vom haben die aktenkundige Intelligenzminderung laut Vorgutachten zu Unrecht nicht beachtet und dadurch ihre Gutachten mit Unvollständigkeit, Unschlüssigkeit und Widersprüchlichkeit belastet. Die ab Jänner 2016 begutachtenden Fachärzte und Fachärztinnen aus dem Bereich der Inneren Medizin waren rechtlich verpflichtet, für die aktenkundige Intelligenzminderung einen Facharzt/eine Fachärztin beizuziehen und eine Gesamtbeurteilung zu veranlassen.

Aber auch das familiäre Mittelmeerfieber mit seinen regemäßigen Fieberschüben ist nach hg Ansicht für sich allein geeignet, die mangelnde dauernde Selbsterhaltungsfähigkeit zu begründen. In einem Arbeitsverhältnis schuldet der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft. Für die Ausübung einer nichtselbstständigen Erwerbstätigkeit ist daher erforderlich, dass ein Arbeitgeber sich auf die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft durch den Arbeitnehmer unter fremdüblichen Vereinbarungen verlassen kann. In einem vergleichbaren Beschwerdefall hat die PVA zur Fiebererkrankung Morbus Fabry die durch die Fieberschübe bedingten Ausfälle berücksichtigt und als Begründung für die Berufsunfähigkeit herangezogen (). Das PVA-Gutachten des Parallelfalles wurde in anonymisierter Form dem hg Beschluss beigelegt und ersucht, analog das zeitliche Ausmaß der Fieberschübe zu erheben. Dem hat das BSA mit dem Gutachten vom nicht entsprochen. Das BSA hat sich daher die Kompetenz des PVA auch nach der Besprechung vom Dezember 2017 nicht zu eigen gemacht und seine Ärzte und Ärztinnen in diese Richtung offenbar nicht weitergebildet.

Das Magistratsgutachten bescheinigte der Tochter für ein Jahr die Arbeitsfähigkeit für einen 8 h-Tag. Arbeitsfähigkeit und Erwerbsfähigkeit sind synonyme Begriffe. Nach Ansicht des BFG ist davon die Fähigkeit, sich dauernd selbst den Unterhalt verschaffen zu können, zu unterscheiden.

Selbsterhaltungsfähigkeit in der Rechtsprechung des OGH

Ein Kind ist nach allgemeinem Verständnis selbsterhaltungsfähig, wenn es selbständig aus eigener Kraft mit eigenen Mitteln leben kann. Insofern entspricht dies der zum Unterhaltsrecht vertretenen Rechtsansicht [ zu ARB (Allgemeine Rechtsschutzbedingungen) ARt5.1.3.]. Selbsterhaltungsfähigkeit liegt dann vor, wenn [die Person] in der Lage ist, die seinen Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse zu befriedigen (OGH 20.10.20053, Ob157/05t, ABGB §143). Für den Zeitpunkt des Eintritts der Selbsterhaltungsfähigkeit ist als Richtlinie die Höhe des Richtsatzes für die Gewährung einer Ausgleichszulage (Mindestpensionsrichtsatz) heranzuziehen (), doch ist die Annahme keineswegs zwingend ().

Nach ; 1Ob262/99g; 4Ob109/14d; 7Ob99/15g, ist die Frage der Selbsterhaltungsfähigkeit des vom Elternhaus losgelöst lebenden volljährigen Kindes nach den bisherigen Lebensverhältnissen des Kindes zu beurteilen. Diese Aussage ist nur für die zivilrechtlichen Ansprüche des Kindes zutreffend, ist aber nach hg Ansicht nicht auf Ansprüche nach dem FLAG1967 übertragbar.

Solange das Kind auf die elterliche Unterkunftsgewährung oder Betreuung angewiesen bleibt, ist es noch nicht selbsterhaltungsfähig, insbesondere dann nicht, wenn es krankheitsbedingt besonders intensiver Pflege bedarf, die es selbst zu finanzieren nicht imstande ist. Selbsterhaltungsfähig ist daher ein Kind nur dann, wenn es - auf sich allein gestellt - mit seinen Einkünften auch den fiktiven Geldaufwand zur Erlangung notwendiger Pflegeleistungen decken könnte ().

voraussichtlich dauernde Unfähigkeit des Kindes, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, in der Rechtsprechung des BFG (§ 8 Abs 6 FLAG 1967)

Die Fähigkeit einer Person, sich iSd §§ 2 Abs 1 lit c, 6 Abs 2 lit d FLAG 1967 selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist das wirtschaftliche Abgrenzungsmerkmal des Kindes von der erwachsenen Person. Eine Person ist dann iSd §§ 2 Abs 1 lit c, 6 Abs 2 lit d FLAG 1967 fähig, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, wenn sie aufgrund einer tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeit (§ 2 Abs 3 Z 1-4 EStG 1988) Bruttoeinkünfte mindestens in der Höhe des Richtsatzes für die Gewährung einer Ausgleichszulage gemäß § 293 Abs 1 lit a Sublit bb ASVG (Mindestpensionsrichtsatz) zuzüglich der für die Abdeckung der behinderungsbedingten wirtschaftlich getragenen Eigenkosten erwirtschaftet. Dabei ist es ohne Belang, ob die Höhe der Erwerbseinkünfte aufgrund einer Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung erwirtschaftet werden. Da es um die Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes geht, bleiben die Erhöhungsbeträge für dessen Kinder iSd § 293 Abs 1 lit a ASVG außer Ansatz. […]().

Die Erwerbsfähigkeit ist daher primär die Fähigkeit, eine tägliche Arbeitsleistung von acht Stunden erbringen zu können, wobei es auf die Höhe der dadurch erzielten Einkünfte nicht ankommt. Ob aufgrund der Erwerbstätigkeit Mindesteinkünfte, solche im Medianeinkommen oder in den Grenzsteuersatz des EStG fallende Einkünfte erzielt werden, ist dafür ohne Belang. Die Selbsterhaltungsfähigkeit verlangt davon abweichend nach hg Ansicht eine Mindesthöhe an Erwerbseinkünften, wobei im Anwendungsbereich des FLAG 1967 der Höhe nach eine Begrenzung einzuziehen ist. Unüblich hohe eigene Einkünfte oder der Lebensstandard der Eltern oder Vorfahren sind für die Beurteilung nach dem FLAG wiederum unerheblich.

Für die Tochter stand ab November 2012 fest, dass sie nur in Anlernberufen tätig sein und dass sie körperlich nur eine Halbtagstätigkeit verkraften kann. Unter diesen Umständen ist es ausgeschlossen, ein Erwerbseinkommen zu erzielen, das den eigenen Unterhaltsbedarf abdeckt. Die überdies regelmäßig zu erwartenden Krankenstände wegen Fieberschüben und Schmerzzuständen erschweren die Arbeitsplatzsuche zusätzlich.

Fallen aufgrund einer chronischen Behinderung bereits während der Schulausbildung regelmäßig in einem Ausmaß Fehlstunden an, sodass das Kind dem Unterricht nicht mehr zu folgen in der Lage ist, wodurch der schulische Erfolg ausbleibt, und ist davon auszugehen, dass die chronische Behinderung im Arbeitsverhältnis regelmäßig zu überdurchschnittlich vielen Krankenständen führen wird, kann das im Einzelfall die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit des Kindes, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, gemäß § 8 Abs 6 FLAG 1967 begründen. Ist für das Kind darüber hinaus eine Intelligenzminderung festgestellt worden, die für sich alleine ebenfalls eine Behinderung darstellt, so ist iVm der zuvor genannten Erkrankung die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit des Kindes, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, geradezu als gewiss anzunehmen.

Die Sachverständigengutachten des Bundessozialamtes (SMS) haben die Fehlzeiten und die durch eine chronische Erkrankung verursachten, regelmäßig anfallenden Krankenstände zu erheben und medizinisch unter Berücksichtigung der auf dem fremdüblichen, allgemeinen Arbeitsmarkt bestehenden Chancen und Arbeitsplatzlage zu beurteilen. Verfügt das Bundessozialamt (SMS) nicht über das dafür erforderliche Fachwissen, hat es entweder im Wege der Amtshilfe die Sachverständigengutachter der PVA einzubinden oder sich das erforderliche Fachwissen anders zu besorgen. Andernfalls ist das BFG befugt, mit der Begutachtung einen anderen Sachverständigen zu beauftragen.

Der Wortlaut des § 8 Abs 6 FLAG 1967 kann auch dahin ausgelegt werden, dass das BSA aufgrund eines von einem anderen Sachverständigen erstellten Gutachtens eine Bescheinigung ausstellt.

Nach der oben dargestellten Rechtslage (Punkt 1) kommt es für die erhöhte Familienbeihilfe auf den Gesundheitszustand oder die soziale wirtschaftliche Situation des Beihilfenwerbers nicht an.

Ergebnis:

Das BFG sieht es als erwiesen an, dass die Tochter des Bf seit 11/2012 voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen und dass seit 11/2012 der Gesamtgrad der Behinderung 60vH für die Leiden familiäres Mittelmeerfieber (PosNr , 50%), Intelligenzminderung mit maßgeblichen Anpassungsstörungen (PosNr , 50%), Hypothyreose (PosNr , 10%) beträgt.

Im November 2012 war die Tochter 17 2/12 Jahre alt.

Rechtsfolge:

Damit werden die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 lit c iVm § 8 Abs 4ff FLAG 1967 erfüllt, weshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides auszusprechen war.

5.3. Zu Spruchpunkt III. (Erwachsenenvertretung)

Es erscheint fraglich, ob der Bf in der Lage ist, die Verfolgung der Interessen seines Kindes ausreichend wahrzunehmen. Der Bf hat anhand der Rechtslage des § 8 Abs 4ff FLAG 1967 nicht erkannt, dass es für die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe für ein volljähriges Kind außerhalb der Ausbildung nicht mehr ausreicht, dass das Kind Krankheiten hat. So wäre es die Pflicht des Bf gewesen, das FLAG-Gutachten vom und das nach dem Behinderteneinstellungsgesetz ergangene PVA-Gutachten vom März 2018 sowie die diesen zu Grunde gelegten Befunde in gegenständlichem Beschwerdeverfahren dem Bundesfinanzgericht nachträglich vorzulegen. Erschwert wurde dies dem Bf dadurch, dass die Begründung des angefochtenen Bescheides keine diesbezügliche Aussage traf, sondern sich in der Wiedergabe des Gesetzeswortlautes erschöpfte.

Eine am Rechtsschutzgedanken orientierte Bescheidbegründung (§ 93 Abs 3 lit a BAO) soll den Abgabepflichtigen/Beihilfenwerber in die Lage versetzen, sich effizient und zielgerichtet verteidigen zu können. Ein Bescheid, dessen Begründung sich in der Wiedergabe der verba legalia erschöpft, genügt diesem Anspruch auch dann nicht, wenn die zitierten Gesetzesstellen einschlägig sind.

5.4. Zu Spruchpunkt IV. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Falllösung hat mehrere Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen, zu denen eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt:

1.) Ist es als Verstoß gegen das Legalitätsprinzip anzusehen, wenn Beweismittel, konkret die Sachverständigengutachten gemäß § 8 Abs 6 FLAG 1967, auf Anordnung der beteiligten Bundesministerien nicht der entscheidungspflichtigen Abgabenbehörde übermittelt werden (s )?

2.) Hat ein Sachverständigengutachter gemäß § 8 Abs 6 FLAG 1967 zur Klärung der Frage, ob ein Kind dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, auf krankheitsbedingt regelmäßig wiederkehrende Fieberschübe, die zu erheblichen Fehlzeiten in der Schule geführt haben, und aufgrund der chronischen Krankheit (hier familiäres Mittelmeerfieber) damit zu rechnen ist, dass sie auch im Erwachsenenalter und während der Arbeitszeit bestehen werden, Bedacht zu nehmen und daher das zeitliche Ausmaß der Fiebertage mit der Anamnese zu erheben und bei der Beurteilung zu berücksichtigen (s )?

3.) Ist ein Sachverständigengutachter gemäß § 8 Abs 6 FLAG 1967 an die im Formular Beih3 genannten Krankheiten gebunden oder hat er darüber hinausgehende Erkrankungen zu berücksichtigen, die sich aus vorgelegten Befunden ergeben und für eine fachgerechte Beurteilung notwendig sind (hier Intelligenzminderung neben Mittelmeerfieber)?

4.) Der Verwaltungsgerichtshof verwendet in seiner ständigen Rechtsprechung für die Wortfolge "Kind, das dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen" den Begriff der Erwerbs(un)fähigkeit des Kindes. Nach Ansicht des BFG sind Selbsterhaltungsfähigkeit und Erwerbs(un)fähigkeit keine synonymen Begriffe, weshalb das BFG eine eigene Definition vorgenommen und sich dabei an der Rechtsprechung des OGH zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes orientiert hat (Selbsterhaltungsfähigkeit als Formalbegriff des Unterhaltsrechts, s ).

Somit war die ordentliche Revision zuzulassen.

Wien, am

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FLAG
betroffene Normen
§ 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 189/1955
§ 2 Abs. 3 Z 1 bis 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 93 Abs. 3 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 8 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 8 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 8 Abs. 5 und 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 2 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010
Schlagworte
familiäres Mittelmeerfieber
Intelligenzminderung
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101685.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at