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Säumnisbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 17.05.2023, RS/2100007/2023

Zurückweisung einer Säumnisbeschwerde: Keine Säumnis der Abgabenbehörde mangels bestehender Entscheidungspflicht (Anregung auf amtswegige Wiederaufnahme)

Entscheidungstext

Beschluss

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri. in der Beschwerdesache N.N., Adr.Bf., vertreten durch X.X. Steuerberatung GmbH & Co KG, Adr.StB., über die Beschwerde der beschwerdeführenden Partei vom wegen behaupteter Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Finanzamt Österreich btr. Anbringen bezeichnet als "Antrag auf amtswegige Wiederaufnahme des EHW-Bescheides 2014 (Hauptfeststellung)", datiert , eingegangen am , hinsichtlich Einheitswertbescheid zum vom zu EWAZ yyy, Steuernummer xxx, beschlossen:

Die Säumnisbeschwerde wird gemäß § 284 Abs. 7 lit. b Bundesabgabenordnung (BAO) iVm § 260 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig zurückgewiesen.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Gemäß § 284 Abs. 1 BAO kann die Partei wegen Verletzung der Entscheidungspflicht Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97 BAO) werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.

Nach § 284 Abs. 2 BAO hat das Verwaltungsgericht der Abgabenbehörde aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde zu entscheiden und gegebenenfalls eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt. Die Frist kann einmal verlängert werden, wenn die Abgabenbehörde das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Entscheidung unmöglich machen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, so ist das Verfahren einzustellen.

Zufolge § 284 Abs. 7 BAO sind sinngemäß anzuwenden:
"...
b) § 260 Abs 1 lit. a (Unzulässigkeit)
..."

Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung
(§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.

Die beschwerdeführende Partei (Bf.) hat mit Schreiben vom gemäß § 284 Abs. 1 BAO Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch die belangte Behörde betreffend Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom hinsichtlich Einheitswertbescheid zum vom zu EWAZ yyy erhoben.

Die Säumnisbeschwerde langte beim Bundesfinanzgericht am ein.

Die belangte Behörde wurde mit Beschluss vom aufgefordert, der Entscheidungspflicht bis zum nachzukommen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt (§ 284 Abs. 2 BAO).

Die steuerliche Vertretung des Bf. teilte mit Schreiben vom mit, dass sie am selben Tag ein Schreiben des Finanzamts Österreich, datiert , erhalten hätte, welches bis dato nicht vorgelegen sei bzw. die steuerliche Vertretung auch keinen abweisenden Bescheid erhalten hätte. Die Ablehnung eines Wiederaufnahmeantrages sei mit Bescheid zu erledigen - das ergangene Schreiben stelle - abgesehen von einer anscheinend mangelnden Zustellung - keinen Bescheid dar. Aus Sicht der steuerlichen Vertretung seien für die Behörde durchaus neue Tatsachen hervorgekommen, da das Vorliegen eines gewerblichen Schweinemastbetriebes zum Zeitpunkt der Bescheiderstellung nicht bekannt gewesen sei, da ansonsten der erlassene Bescheid einen anderen Spruch gehabt hätte.
Als Anhang war das Schreiben des Finanzamts Österreich vom beigefügt. Nach Anführung des Betreffs "Antrag auf amtswegige Wiederaufnahme des EW-Bescheides 2014 vom , eingebracht am " wurde ausgeführt: "Sehr geehrter Herr N.N.! Im oben angeführten Schreiben Ihrer steuerlichen Vertretung geht es explizit um eine amtswegige Wiederaufnahme. Somit handelt es sich hier um eine Anregung zur amtswegigen Wiederaufnahme und nicht um einen Antrag auf Wiederaufnahme (der Antrag auf Wiederaufnahme wurde bereits am abgewiesen). Da es keine antragsgemäße amtswegige Wiederaufnahme gibt, unterliegt dies auch keiner Entscheidungspflicht, da es ein unzulässiges Verfahren darstellt. Nach Ansicht der Behörde liegen keine amtswegige Wiederaufnahmsgründe vor, deswegen wird keine Wiederaufnahme des Verfahrens verfügt. Mit freundlichen Grüßen" [Unterschrift].

Das Schreiben der steuerlichen Vertretung inkl. Anhang wurde der belangten Behörde elektronisch am weitergeleitet.

Die belangte Behörde beantragte in Folge mit Eingabe vom die Zurückweisung der Säumnisbeschwerde. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Säumnisbeschwerde den als Antrag auf amtswegige Wiederaufnahme des EHW-Bescheides 2014 (Hauptfeststellung) bezeichneten Schriftsatz vom betreffe. Da laut Bundesabgabenordnung kein Antragsrecht auf eine Wiederaufnahme bestehe, könne es sich nur um eine Anregung zu einer amtswegigen Wiederaufnahme handeln. Zudem sei betreffend denselben Einheitswertbescheid bereits ein Antrag auf Wiederaufnahme (auf Antrag) mit Schriftsatz vom gestellt worden, welcher bereits am abgewiesen worden sei. Gegen diesen Abweisungsbescheid sei kein Rechtsmittel eingebracht worden. Es sei vielmehr in weiterer Folge ein als Antrag auf auf amtswegige Wiederaufnahme bezeichneter Schriftsatz vom am eingebracht worden, welchem nur die Qualität einer Anregung zukomme, da kein Neuerungstatbestand aus Sicht des Antragsstellers vorgebracht worden sei, das Schreiben explizit und auch wörtlich ("amtswegig") darauf gerichtet sei, die Behörde zu einer amtswegigen Maßnahme zu bewegen und ein Antrag auf Wiederaufnahme bereits am eingebracht und abweisend erledigt worden sei. Nach herrschender Rechtsauffassung bestehe bei einer Anregung zu einer amtswegigen Maßnahme keine Entscheidungspflicht.
Dem Schreiben wurden als Beilagen angefügt:
- Antrag den Einheitswertbescheid (Hauptfeststellung) vom gemäß § 303 BAO wiederaufzunehmen, über FinanzOnline (FON) am eingebracht.
- Bescheid vom , mit dem der Antrag vom abgewiesen wurde.

Aufgrund der im Zuge des Säumnisbeschwerdeverfahrens vorgelegten Unterlagen lässt sich die Chronologie des Verfahrens wie folgt darstellen - hinzuweisen ist, dass die steuerliche Vertretung laut Grunddatenverwaltung seit über eine Zustellvollmacht verfügt:
- : Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens, eingebracht über FON durch die steuerliche Vertretung (BFG-Akt OZ 9);
- : Abweisung des Antrages vom , zugestellt an den Bf. Ob eine Heilung gem. § 9 Abs. 3 zweiter Satz iVm § 7 ZustG erfolgte (s. zB , Rn 13), ist nicht Gegenstand des nunmehrigen Säumnisbeschwerdeverfahrens;
- : Antrag auf amtswegige Wiederaufnahme, datiert , eingebracht über FON durch die steuerliche Vertretung (BFG-Akt OZ 4);
: Mitteilung der belangten Behörde an den Bf., dass keine Entscheidungspflicht bestehe und keine amtswegige Wiederaufnahme verfügt werde (BFG-Akt OZ 6).
- : Säumnisbeschwerde zum Antrag auf amtswegige Wiederaufnahme vom
(BFG-Akt OZ 1).

Nach Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs sind Parteienerklärungen nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, d.h., es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss ().
Bei einem eindeutigen Inhalt eines Anbringens ist eine davon abweichende, nach außen nicht zum Ausdruck kommende Absicht des Einschreiters nicht maßgebend ().

Zwar wird die Eingabe des Bf. vom , eingegangen am , als "Antrag" bezeichnet, allerdings geht aus dem Schriftsatz aufgrund des gesamten Betreffs ("Antrag auf amtswegige Wiederaufnahme ...") und der Textierung deutlich die Anregung auf amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens hervor ("amtswegig wiederaufzunehmen", ... "Wir gehen davon aus, dass der Behörde bisher anscheinend nicht bekannt war", ... "sodass aus Sicht der Behörde neue Tatsachen hervorgekommen sind und ein amtswegiger Wiederaufnahmetatbestand gegeben ist"). Zudem wurde vom Bf. bereits ein Antrag auf Wiederaufnahme mit eingebracht - aus der Diktion des Anbringens ist die Heranziehung des Neuerungsbestands als Wiederaufnahmegrund ersichtlich - und von der belangten Behörde mit Bescheid vom abgewiesen.
Eine Auslegung der Anregung auf amtswegige Wiederaufnahme vom als (neuerlichen) Antrag auf Wiederaufnahme ist daher nicht zulässig.

Auf die amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 Abs. 4 BAO besteht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kein subjektives öffentliches Recht () und begründet die Anregung einer amtswegigen Wiederaufnahme keine Entscheidungspflicht ().
Besteht aber überhaupt keine Entscheidungspflicht kann keine Verletzung der belangten Behörde gem. § 284 BAO vorliegen und ist die Beschwerde zurückzuweisen (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 284 Rz 12 mVa ).

Da somit die behauptete Säumnis nicht vorliegt, war die Säumnisbeschwerde gemäß § 284 Abs. 7 lit. b BAO iVm § 260 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig zurückzuweisen.

Nur ergänzend wird darauf verwiesen, dass das - eine formlose Mitteilung ohne Bescheidcharakter darstellende - Schreiben vom als bloße Serviceleistung der belangten Behörde nicht mit einem Zustellmangel behaftet sein kann, setzt ein solcher doch eine Erledigung gem. § 92 BAO iVm § 97 BAO voraus.

Zur Unzulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die ordentliche Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Der Beschluss folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Es liegt damit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb die (ordentliche) Revision nicht zulässig ist.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 284 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 284 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 284 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RS.2100007.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at