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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.02.2023, RV/1100279/2020

Schweizer Arbeitslosenentschädigung - steuerfrei oder steuerpflichtig?

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/1100279/2020-RS1
Schweizer Arbeitslosenentschädigung eines in Österreich ansässigen Steuerpflichtigen ist in Österreich steuerbar.
RV/1100279/2020-RS2
Das Besteuerungsrecht über die Schweizer Arbeitslosenentschädigung steht nach dem DBA-Schweiz Österreich zu.
RV/1100279/2020-RS3
Die Schweizer Arbeitslosenentschädigung ist in Österreich steuerfrei, wenn sie mit dem österreichischen Arbeitslosengeld vergleichbar ist. Die Vergleichbarkeit ist nicht gegeben, weil das österreichische Arbeitslosengeld vom Nettoeinkommen, die Schweizer Arbeitslosenentschädigung aber vom Bruttoeinkommen bemessen wird.
RV/1100279/2020-RS4
Die Steuerpflicht der Schweizer Arbeitslosenentschädigung verstößt nicht gegen das durch das Freizügigkeitsabkommen-Schweiz gewährleistete Recht auf Arbeitsfreizügigkeit.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Peter Bilger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bregenz vom betreffend Einkommensteuer 2018 u Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Weil der Beschwerdeführer (in der Folge: Bf.) keine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2018 abgegeben hatte, setzte das Finanzamt mit dem angefochtenen Bescheid die Einkommensteuer auf der Grundlage von gemäß § 184 BAO geschätzten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit fest.

2. Bei der Schätzung setzte es die Einkünfte aus der bis ausgeübten Tätigkeit bei der ***E-AG*** in Zürich mit 14.000,00 Euro brutto an und schätzte die für die Zeit vom bis zum bezogenen Leistungen aus der Schweizer Arbeitslosenversicherung mit 84.418,19 Euro (CHF 99.000,00) und die einbehaltene Schweizer Steuer mit 28.142,86 Euro (CHF 33.000,00). Insgesamt gelangte es so zu geschätzten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 98.428,59 Euro und zu einer Einkommensteuer in Höhe von 35.798,30 Euro, von der eine ausländische Steuer in Höhe von 29.742,86 Euro abgezogen wurde. Die festgesetzte Einkommensteuer 2018 betrug nach Abzug der ausländischen Steuer noch 6.055,00 Euro.

3. In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde wandte der Bf. ein, die Leistungen aus der Schweizer Arbeitslosenversicherung betrügen tatsächlich CHF 90.700,00 bzw. 77.426,98 Euro und seien gem. § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 steuerfrei zu belassen.

Zudem seien Kosten für die doppelte Haushaltsführung in Höhe von 12.059,66 Euro und für Familienheimfahrten in Höhe von 3.672,00 Euro, ferner Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 5.333,58 Euro, Kosten für Arbeitsmittel in Höhe von 3.133,58 Euro und Reisekosten in Höhe von 541,83 Euro als Werbungskosten, weiters Kinderfreibeträge für seine beiden Kinder in Höhe von je 440,00 Euro und Steuerberatungskosten in Höhe von 1.202,40 Euro als Sonderausgaben zu berücksichtigen. Das Einkommen bei der ***E-AG*** im Jänner 2018 sei richtig mit 11.808,19 Euro abzüglich Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 1.598,98 Euro anzusetzen. Dazu kämen sonstige Bezüge in Höhe von 27.552,42 Euro abzüglich Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 1.922,85 Euro.

4. Mit Beschwerdevorentscheidung vom änderte das Finanzamt den angefochtenen Bescheid zu Ungunsten des Bf. ab und setzte die Einkommensteuer 2018 mit 31.275,00 Euro fest. Dabei setzte es die Bezüge der ***E-AG*** gemäß den beiden übermittelten Lohnzetteln an, wobei es jedoch nur ein Sechstel der laufenden Bezüge (1.968,03 Euro bzw. CHF 2.307,69) der begünstigten Besteuerung nach § 67 Abs. 1 EStG 1988 zuführte. Die Sozialversicherungsbeiträge wurden anteilsmäßig auf diese begünstigt besteuerten Bezüge aufgeteilt.

Die beantragte Steuerfreiheit der Zahlungen aus der Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich wies es ab. Die Steuerbefreiung des § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 umfasse nur das österreichische Arbeitslosengeld samt Notstandshilfe gemäß dem (österreichischen) AIVG, ausländische Arbeitslosenbezüge seien hingegen nicht steuerbefreit und daher bei einem in Österreich unbeschränkt Steuerpflichtigen steuerbar. Dieses Besteuerungsrecht könne nur durch ein Doppelbesteuerungsabkommen eingeschränkt werden. Die Schweizer Arbeitslosenbezüge seien nicht unter Artikel 15 DBA-Schweiz zu subsumieren, da keine Löhne, Gehälter oder ähnliche Vergütungen aus unselbständiger Arbeit vorlägen. Auch Artikel 19 DBA-Schweiz komme nicht zur Anwendung, da keine Tätigkeit im öffentlichen Dienst vorliege. Aber selbst bei Anwendbarkeit der Artikel 15 und 19 DBA-Schweiz hätte der Ansässigkeitsstaat Österreich gemäß Artikel 23 Z 2 das Besteuerungsrecht unter Anrechnung der Schweizer Steuer. Die schweizerischen Arbeitslosenbezüge seien vielmehr unter die Einkünfte nach Artikel 21 DBA-Schweiz zu subsumieren. Das habe kürzlich das Bundesfinanzgericht im Erkenntnis vom , RV/4100436/2017, ausführlich dargelegt. Einkünfte im Sinne des Artikel 21 DBA-Schweiz seien jedoch - ausschließlich - dem Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates, im Beschwerdefall daher Österreich, zugewiesen. Die Arbeitslosenbezüge des Beschwerdeführers aus der Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich seien daher steuerbare und steuerpflichtige Einkünfte. Eine Anrechnung allfällig erhobener Schweizer Steuern sei nicht möglich, da das Besteuerungsrecht nach Artikel 21 DBA-Schweiz ausschließlich dem Ansässigkeitsstaat Österreich zukomme. Allfällige Schweizer Steuern wären bei den Schweizer Behörden zurückzufordern.

Von den beantragten Werbungskosten anerkannte es die Kosten für die doppelte Haushaltsführung (11.573,65 Euro) sowie Kosten für Familienheimfahrten (3.672,00 Euro), die Kosten für die Krankenversicherung (5.333,58 Euro), die Reisekosten (541,83 Euro) und die Kosten für Arbeitsmittel Post (37,05 Euro), CIGRE-Mitgliedschaft (89,55 Euro), Büro (5,79 Euro), Internet Vorarlberg 1/12 (16,94 Euro), Mitgliedsbeiträge Experteer (203,65 Euro), XING (95,40 Euro), JobLeads (262,80 Euro), Software Grammarly (75,19 Euro), 02 Telefon Jänner 2018 (13,79 Euro), Moneyhouse (68,91 Euro) und AfA IPad alt (173,54 Euro). Jene Aufwendungen, die nach dem getätigt wurden, anerkannte es hingegen nicht als Werbungskosten, weil diese nicht im Zusammenhang mit den Arbeitslosenbezügen stünden. Ferner berücksichtigte es die Steuerberaterkosten (1.202,80 Euro) und die Kinderfreibeträge für die beiden Kinder ***K1*** und ***K2*** (880,00 Euro).

Im Vorlageantrag vom beantragte der Bf. erneut die Steuerfreiheit der Zahlungen aus der Schweizer Arbeitslosenversicherung. Dass die Steuerbefreiung des § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 nur das österreichisches Arbeitslosengeld umfasse, sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Ungeachtet dessen sollte aus Gründen der Gleichbehandlung das Arbeitslosengeld zumindest bis zur Höhe des vergleichbaren österreichischen Arbeitslosengeldes von der Steuer befreit sein. Im zitierten Erkenntnis des BFG werde abschließend ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es rechtlich noch nicht geklärt sei, unter welchen Artikel des DBA-Schweiz das Arbeitslosengeld falle und es daher noch unklar sei, ob eine Anrechnung möglich sei oder nicht.

In der Zeit des Bezugs des Arbeitslosengeldes seien die Aufwendungen für das Telefon, das Büro und die IT-Infrastruktur notwendige, weil geforderte Voraussetzung für den Bezug des Arbeitslosengeldes gewesen, da die ständige Erreichbarkeit (Handy) und fortlaufende Arbeitssuche (ausgegangen von einer vollzeitigen Arbeitssuche, die dem Pensum einer normalen Anstellung entspricht) mit Online-Bewerbungen, schriftlichen Bewerbungsunterlagen (Computer, Drucker, Software), Teilnahme an Videokonferenzen, Erstellung von Präsentationen usw. verlangt worden seien. Es werde daher ersucht, die nach dem getätigten Aufwendungen als Werbungskosten zu berücksichtigen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

1. Der Bf. ist verheiratet und hat zwei Kinder. Sein Familienwohnsitz befand sich im Jahr 2018 in ***Bf-Adr1***, daneben unterhielt er beruflich bedingt einen Zweitwohnsitz in der Schweiz, ***Bf-Adr2***.

2. Mit beendete der Bf. seine Tätigkeit bei der ***E-AG*** in Zürich. Für den Monat Jänner 2018 erhielt er von der ***E-AG*** eine Lohnzahlung in Höhe von brutto 12.792,21 Euro (CHF 15.000,00) bzw. 11.047,86 Euro netto (CHF 12.954,60) und dazu eine Bonuszahlung in Höhe von brutto 26.568,44 Euro (CHF 31.153,85) bzw. netto 25.073,97 Euro (CHF 29.401,45). Von den Bezügen aus dieser Tätigkeit wurden in der Schweiz direkte Bundessteuer in Höhe von 606,82 Euro (711,55 CHF) sowie Kantonsteuer, Gemeindesteuer und Kirchensteuer in Höhe von insgesamt 3.483,40 Euro (CHF 4.084,60) vorgeschrieben und vom Bf. auch bezahlt.

3. Vom bis zum empfing der Bf. Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung in Höhe von brutto 82.316,17 Euro (CHF 96.523,00) bzw. netto 77.426,98 Euro (CHF 90.790,00). Auszahlende Stelle war die Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau. Von den Arbeitslosenversicherungszahlungen wurden keine Schweizer Steuern einbehalten oder abgeführt.

4. Im Zusammenhang mit der Tätigkeit bei der ***E-AG*** entstanden dem Bf. Kosten für die doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten, für eine Krankenversicherung sowie Reisekosten, Kosten für diverse Arbeitsmittel und Steuerberatungskosten. Diese Kosten wurden belegmäßig nachgewiesen. Auch während seiner Zeit der Arbeitslosigkeit entstanden dem Bf. Kosten, die für die Auszahlung der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erforderlich waren. Auch diese Kosten wurden belegmäßig nachgewiesen.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zu Punkt 1. des Sachverhaltes ergeben sich zweifelsfrei aus den Eintragungen zur Steuernummer des Bf. im Abgabeninformationssystem, die Feststellungen zu Punkt 2. beruhen auf den Angaben in den übermittelten Lohnabrechnungen der ***E-AG*** sowie der Definitiven Steuerrechnung des Steueramtes des Kantons Aargau vom und der Definitiven Steuerveranlagung 2018 des Kantons Aargau - Steuerkommission ***X*** vom samt Kontoauszug vom , jene zu Punkt 3. auf den Angaben in der Leistungsabrechnung der Öffentlichen Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau, die Feststellungen zu Punkt 4. aus übermittelten Belegen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

1. Im Beschwerdefall ist vor allem strittig, ob die Zahlungen, die der Bf. im Jahr 2018 von der öffentlichen Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau empfangen hat, in Österreich der Steuerpflicht unterlagen oder nicht.

2. Diese Frage ist zunächst nach innerstaatlichem Recht zu beurteilen:

Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind unbeschränkt steuerpflichtig jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.

Gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 sind Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Arbeitslosengelder und Notstandshilfe sind Ersatzeinkommen, welche unmittelbar vom vorangehenden Bruttoeinkommen abhängig sind und in einem bestimmten Verhältnis zu diesem stehen. Sie sind unmittelbar von den vorherigen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abhängig und daher grundsätzlich unter diese Einkunftsart zu subsumieren (vgl. ). Auch der Verwaltungsgerichtshof rechnet das Arbeitslosengeld den Einkünften aus nichtselbständige Arbeit zu, weil es an die Stelle der zuvor bezogenen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit tritt (vgl. ).

3. Das Schweizer Arbeitslosengeld, das der in Österreich wohnhafte Bf. im Jahr 2018 bezogen hat, war daher in Österreich steuerbar.

4. Zu prüfen ist in einem nächsten Schritt, ob das Besteuerungsrecht für die Schweizer Arbeitslosenentschädigung nach dem zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen abgeschlossenen Abkommen, BGBl. 1975/64 (DBA-Schweiz), überhaupt Österreich zustand.

5. Die in Frage kommenden Bestimmungen des DBA-Schweiz sind folgende:

Artikel 15 DBA-Schweiz:

1. Vorbehaltlich der Artikel 16, 18 und 19 dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass die Arbeit in dem anderen Vertragstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat versteuert werden.

Artikel 18 DBA-Schweiz:

Vorbehaltlich des Artikel 19 Absatz 1 dürfen Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen, die einer in einem Vertragstaat ansässigen Person für frühere unselbständige Tätigkeit gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden.

Artikel 21 DBA-Schweiz:

Die in den vorstehenden Artikeln nicht ausdrücklich erwähnten Einkünfte einer in einem Vertragstaat ansässigen Person dürfen nur in diesem Staat besteuert werden.

Artikel 23 DBA-Schweiz:

1. ….

2. Ungeachtet des Absatzes 1 darf Österreich Einkünfte im Sinne des Artikels 15 Absatz 1 sowie Einkünfte im Sinne des Artikels 19 (ausgenommen Ruhegehälter), die eine in Österreich ansässige Person aus ihrer in der Schweiz ausgeübten Arbeit aus öffentlichen Kassen der Schweiz bezieht, besteuern. Bezieht eine in Österreich ansässige Person unter Artikel 10, 15 und 19 fallende Einkünfte, die nach diesem Abkommen in der Schweiz und in Österreich besteuert werden dürfen, so rechnet Österreich auf die vom Einkommen dieser Person zu erhebende Steuer den Betrag an, der der in der Schweiz bezahlten Steuer entspricht; der anzurechnende Betrag darf jedoch den Teil der vor der Anrechnung ermittelten Steuer nicht übersteigen, der auf die aus der Schweiz bezogenen Einkünfte entfällt.

Zu Artikel 15 DBA-Schweiz führt der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2012/15/0128, aus:

"Die Zuordnung des Besteuerungsrechts hinsichtlich einzelner konkreter Zahlungen erfolgt dabei nach dem DBA Schweiz nach kausalen Gesichtspunkten (arg: "dafür bezogene Vergütungen" in Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA Schweiz). Die Zahlungen müssen somit ihren Grund in der im Quellenstaat ausgeübten Tätigkeit haben (vgl. Prokisch in Vogel/Lehner, DBA6, Art. 15 Rz 16). Es ist jedoch nicht maßgebend, zu welchem Zeitpunkt oder in welcher Form oder unter welcher Bezeichnung einzelne Zahlungen für eine im Quellenstaat ausgeübte Tätigkeit erfolgen (vgl. Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 15 MA Rz 77).

Wird ein Arbeitnehmer nach ausgesprochener Kündigung vom Dienst unter "Gehaltsfortzahlung" bis zum Kündigungstermin freigestellt, so sind die in dieser Zeit bezogenen Vergütungszahlungen nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs im Sinne des Kausalitätsprinzips keine für die Untätigkeit (ungenutzte Arbeitsbereitschaft) während der Dienstfreistellung bezogenen Vergütungen. Derartige Zahlungen haben ihren Grund - ebenso wie die beschwerdegegenständliche Abgangsentschädigung - vielmehr in der vor der Dienstfreistellung ausgeübten Tätigkeit und ihrer vertraglichen Abbildung. Damit besteht aber ein besonderer Veranlassungszusammenhang zur bisher ausgeübten Tätigkeit, weil die Zahlungen - vergleichbar mit Abfindungszahlungen - "quasi den letzten Akt des Dienstverhältnisses" darstellen (vgl. Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 15 MA Rz 56e). Dabei liegt es bei vertraglichen Ansprüchen im Gestaltungsspielraum der Vertragsparteien eines Dienstvertrages, ob sie für den Kündigungsfall eine höhere Abfindung oder eine längere Gehaltsfortzahlung vereinbaren. Eine unterschiedliche Besteuerungsfolge soll sich daraus gerade im Hinblick auf das Kausalitätsprinzip nicht ergeben."

6. Maßgeblich für die Unterordnung der Schweizer Arbeitslosenentschädigung unter Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz ist daher, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen dieser Zahlung und der in der Schweiz ausgeübten Tätigkeit besteht. Dieser kausale Zusammenhang ist im Beschwerdefall nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes gegeben, denn das Schweizer Arbeitslosengeld wurde an den Bf. nur ausbezahlt, weil er in der Schweiz eine unselbständige Arbeit ausgeübt hat und Beiträge vom Einkommen in die Schweizer Arbeitslosenversicherung einbezahlt hat. Auch wird das Arbeitslosengeld nicht für die Untätigkeit ausbezahlt. Der Bezieher bekommt das Arbeitslosengeld nicht, damit er untätig bleibt, vielmehr soll es Arbeitslosen in der Zeit der Arbeitssuche mit einem Einkommen unterstützen und eine finanzielle Überbrückung zwischen der alten und einer neuen Beschäftigung bieten. Abgesehen davon können vom Anwendungsbereich des Art. 15 OECD-MA auch Zahlungen erfasst sein, die für eine Untätigkeit geleistet werden (vgl. dazu Kerschner, Arbeitslosengeld im internationalen Steuerrecht, ÖStZ 5/2022, 138). Somit ist das Arbeitslosengeld als eine Gehältern und Löhnen ähnliche Vergütung im Sinne des Art. 15 Abs. 1 DAB-Schweiz zu werten (vgl. auch Lang in Theresa Gessl/Christian Knotzer, SWI-Jahrestagung: Grenzüberschreitendes Arbeitslosengeld, SWI 2022, 393; Beiser, Doppelbesteuerung von Schweizer Arbeitslosengeld bei in Österreich ansässigen Arbeitnehmern, SWI 2020, 416).

Die Besteuerung des Schweizer Arbeitslosengeldes steht gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz dem Ansässigkeitsstaat zu, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Staat ausgeübt. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden.

Der Bf. hat in der Zeit des Bezuges des Arbeitslosengeldes keine Arbeit in der Schweiz ausgeübt. Daher steht das Besteuerungsrecht über das Schweizer Arbeitslosengeld nach Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz Österreich als Ansässigkeitsstaat zu.

7. Auch wenn man die Anwendbarkeit des Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz auf das Schweizer Arbeitslosengeld verneinen und die Subsumtion der Arbeitslosengeldzahlungen unter Art. 18 "Ruhegehälter" DBA-Schweiz (so etwa Kerschner, Arbeitslosengeld im internationalen Steuerrecht, ÖStZ 5/2022) oder unter den Auffangtatbestand des Art. 21 "Andere Einkünfte" DBA-Schweiz (so ) vertreten würde, änderte sich für die Frage, welchem Staat das Besteuerungsrecht zukommt, nichts. Denn sowohl für Zahlungen im Sinne des Art. 18 DBA-Schweiz als auch für solche gemäß Art. 21 DBA-Schweiz steht das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat zu.

8. Damit hat Österreich nach dem DBA-Schweiz das Besteuerungsrecht über die nach in Österreich steuerbare Schweizer Arbeitslosenentschädigung.

9. Die Frage ist aber, ob sie auch in Österreich steuerpflichtig war.

Denn nach § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 ist von der Einkommensteuer befreit

"das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe oder eine an deren Stelle tretende Ersatzleistung".

Der Bf. hat das Arbeitslosengeld aufgrund seiner obligatorischen Arbeitslosenversicherung nach dem Schweizer Arbeitslosenversicherungsgesetz AVIG empfangen. Nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 hat es sich dabei um ein versicherungsmäßiges Arbeitslosengeld gehandelt.

10. Nun vertreten Teile der Lehre und der Rechtsprechung die Auffassung, von der Steuerbefreiung des § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 sei nur das inländische Arbeitslosengeld erfasst. Dieser Inlandsbezug bei der Steuerbefreiung des Arbeitslosengeldes ergebe sich aus der Gesetzessystematik des § 3 EStG 1988. Der Gesetzgeber habe nämlich in den Fällen, in denen er auch ausländische Geld- und Sachbezüge steuerfrei stellen wollte, dies im Gesetz ausdrücklich normiert. So befreie etwa § 3 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988 "…..Beträge aus einer ausländischen gesetzlichen Unfallversorgung, die einer inländischen gesetzlichen Unfallversorgung entspricht", § 3 Abs. 1 Z 4 lit. d EStG 1988 nenne "Sachleistungen aus der gesetzlichen Sozialversicherung oder aus einer ausländischen gesetzlichen Sozialversicherung, die der inländischen gesetzlichen Sozialversicherung entspricht" oder befreie § 3 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 "Leistungen aufgrund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1976 und gleichartige ausländische Leistungen, die den Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 4 Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 ausschließen". Ausländische Geld- und Sachbezüge seien daher nur dann nach § 3 EStG 1988 steuerfrei, wenn diese im Gesetz ausdrücklich genannt seien (sog. Auslandsklausel; vgl. Holzapfel, ; .

Dem ist entgegenzuhalten, dass 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 lediglich allgemein vom versicherungsmäßigen Arbeitslosengeld spricht und nicht wie etwa § 3 Abs. 1 Z 4 lit. a EStG 1988 (Wochengeld), § 3 Abs. 1 Z 4 lit. b EStG 1988 (Erstattungsbeträge für Kosten der Krankenheilbehandlung), § 3 Abs. 1 Z 4 lit. d EStG 1988 (Sachleistungen) an Leistungen aufgrund der (inländischen) gesetzlichen Sozialversicherung oder wie § 3 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 an das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 anknüpft. Aufgrund dieser einschränkenden Formulierung des Gesetzgebers war es erforderlich, die Steuerfreiheit für vergleichbare ausländischen Leistungen ausdrücklich zu erwähnen. § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 knüpft aber nicht an das Arbeitslosengeld aufgrund der inländischen gesetzlichen Sozialversicherung (wie etwa des Arbeitslosenversicherungsgesetzes) an, sondern lediglich an das Arbeitslosengeld aufgrund einer Versicherung.

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes lässt sich die Einbeziehung ausländischer versicherungsmäßiger Arbeitslosengelder in die Steuerbefreiung des § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 zumindest dann auch in gesetzessystematischer Interpretation rechtfertigen, wenn sie dem inländischen Arbeitslosengeld nach dem AlVG vergleichbar sind (so auch Zorn in Theresa Gessl/Christian Knotzer, SWI-Jahrestagung: Grenzüberschreitendes Arbeitslosengeld, SWI 2022, 393).

Die Frage ist daher, ob es sich bei der Schweizer Arbeitslosenentschädigung um eine dem Arbeitslosengeld nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz vergleichbare Leistung handelt.

11. Gesetzliche Grundlage für die Schweizer Arbeitslosenentschädigung ist das Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und Insolvenzentschädigung (Arbeitslosenversicherungsgesetz - AVlG). Das AVlG will den versicherten Personen einen angemessenen Ersatz für Erwerbsausfälle u.a. wegen Arbeitslosigkeit garantieren (Art. 1 AVlG). Beitragspflichtig in die Arbeitslosenversicherung sind der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber (Art. 2 Abs. 1 AVlG). Die Beiträge an die Versicherung sind je Arbeitsverhältnis vom maßgebenden Lohn im Sinne des AHV-Gesetzes zu entrichten (Art. 3 Abs. 1 AVlG). Arbeitgeber und Arbeitnehmer tragen den Beitrag je zur Hälfte (Art. 3 Abs. 3 AVlG). Zuständig für die Genehmigung, Berechnung und Auszahlung der Arbeitslosenentschädigung sind die Arbeitslosenkassen der Kantone (Art. 77ff AVlG). Die Arbeitslosenentschädigung wird als Taggeld ausgerichtet. Für eine Woche werden fünf Taggelder ausbezahlt (Art. 21 AVlG). Ein volles Taggeld beträgt 80% des versicherten Verdienstes (Art. 22 Abs. 1 AVlG), unter bestimmten Voraussetzungen nur 70% (Art. 22 Abs. 2 AVlG). Als versicherter Verdienst gilt der im Sinne der AHV-Gesetzgebung maßgebende Lohn, der während eines Bemessungszeitraumes aus einem oder mehreren Arbeitsverhältnissen normalerweise erzielt wird (Art. 23 Abs. 1 AVlG). Die Arbeitslosenentschädigung gilt als maßgebender Lohn im Sinne des AHVG, die Kasse zieht den Beitragsteil des Arbeitnehmers an die Alters- und Hinterlassenenversicherung, die Invalidenversicherung und die Erwerbsersatzordnung von der Entschädigung ab (Art. 22a Abs. 1 und Abs. 2 AVlG). Das Arbeitslosengeld ist in der Schweiz steuerbar und steuerpflichtig (vgl. Art. 23 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer, DBG).

12. Auch das österreichische Arbeitslosengeld soll arbeitslosen Menschen während der Zeit der Arbeitslosigkeit ein Einkommen sichern. Für Dienstnehmer besteht eine Pflichtversicherung in die Arbeitslosenversicherung (§ 1 Abs. 1 lit. a Arbeitslosenversicherungsgesetz - AlVG). Der Arbeitslosenversicherungsbeitrag beträgt bei Dienstnehmern 6 % (§ 2 Abs. 1 Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz - AMPFG) und ist vom Versicherten und vom Dienstgeber zu gleichen Teilen zu tragen (§ 2 Abs. 3 AMPFG). Bei geringem Einkommen verringert sich der vom Arbeitnehmer zu tragende Anteil (§ 2a Abs. 1 AMPFG). Die Beitragsgrundlage für Pflichtversicherte entspricht der nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) geltenden allgemeinen Beitragsgrundlage bis zur Höhe der gemäß § 45 festgelegten Höchstbeitragsgrundlage (§ 2 Abs. 1 AMPFG). Zuständig für die Genehmigung, Berechnung und Auszahlung des Arbeitslosengeldes ist das Arbeitsmarkt-Service (AMS), ein Dienstleistungsunternehmen des öffentlichen Rechts (§ 1 und 2 AlVG-Auszahlungsverordnung).

Das Arbeitslosengeld besteht gemäß § 20 Abs. 1 AlVG aus einem Grundbetrag und allfälligen Zuschlägen für Familienmitglieder. Für die Festsetzung des Grundbetrages wird gemäß § 21 Abs. 1 und Abs. 2 AlVG zunächst ein monatliches Bruttoeinkommen und von diesem ausgehend in weiterer Folge das tägliche Nettoeinkommen gemäß § 21 Abs. 3 AlVG ermittelt. Dazu ist das nach § 21 Abs. 1 und 2 AlVG 1977 ermittelte monatliche Bruttoeinkommen um die zum Zeitpunkt der Geltendmachung für einen alleinstehenden Angestellten maßgeblichen sozialen Abgaben und die maßgebliche Einkommensteuer unter Berücksichtigung der ohne Antrag gebührenden Freibeträge zu vermindern und sodann mit zwölf zu vervielfachen und durch 365 zu teilen. Als Grundbetrag gebühren schließlich 55% des täglichen Nettoeinkommens.

13. Somit besteht in beiden Fällen der Zweck des Arbeitslosengeldes darin, arbeitslos gewordene Arbeitnehmer im Falle der Arbeitslosigkeit finanziell zu unterstützen. In beiden Fällen besteht für Arbeitnehmer eine Pflicht zur Arbeitslosenversicherung, in beiden Fällen wird die Versicherungsleistung aufgrund von Beiträgen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer geleistet und in beiden Fällen erfolgt die Auszahlung des Arbeitslosengeldes durch öffentliche Stellen. Insoweit sind die Schweizer Arbeitslosenentschädigung und das österreichische Arbeitslosengeld vergleichbar.

Die Tatsache, dass es für die Beitragszahlungen unterschiedliche Beitragssätze gibt und das Schweizer Arbeitslosengeld und das österreichische Arbeitslosengeld mit unterschiedlichen Prozentsätzen festgesetzt werden, schadet der Vergleichbarkeit nicht.

Ein nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes entscheidender Unterscheid zwischen der Schweizer Arbeitslosenentschädigung und dem österreichischen Arbeitslosengeld besteht aber in der Bemessung der Arbeitslosenzahlungen.

Der Grundbetrag des österreichischen Arbeitslosengeldes soll das letzte Nettoeinkommen (zum Teil) ersetzen, nicht den Bruttoverdienst. Deshalb werden bei der Bemessung vom herangezogenen monatlichen Bruttoeinkommen noch die Sozialabgaben und die Einkommensteuer abgezogen. Das ausbezahlte Arbeitslosengeld ist somit bereits um eine Einkommensteuerkomponente vermindert. Insofern ist es nur konsequent, wenn das vom Nettoeinkommen bemessene Arbeitslosengeld steuerfrei belassen wird und ist die Steuerfreiheit auch in Hinblick auf den im Einkommensteuerrecht geltenden Grundsatz, dass Einkommensersatz (und um einen solchen handelt es sich beim Arbeitslosengeld) wie ein Erwerbseinkommen besteuert wird, gerechtfertigt (vgl. , ).

Daraus lässt sich nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes ableiten, dass ausländische versicherungsmäßige Arbeitslosengelder nur dann unter § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 subsumierbar sind, wenn sie vom Nettoeinkommen berechnet werden.

Die Schweizer Arbeitslosenentschädigung wird, wie ausgeführt, vom versicherten Verdienst und damit vom Bruttoeinkommen berechnet. Erst von der solcherart errechneten Arbeitslosentschädigung werden die Sozialversicherungsbeiträge abgezogen und der dadurch verminderte Betrag in Form von Taggeldern ausbezahlt. Weil die Arbeitslosenentschädigung vom Bruttoeinkommen berechnet wird, sieht das Schweizer Steuerrecht die Steuerpflicht der Arbeitslosenentschädigung vor. Damit kann die Schweizer Arbeitslosenentschädigung nicht als dem österreichischen Arbeitslosengeld vergleichbar eingestuft werden und ist § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 nicht auf das Schweizer Arbeitslosengeld anzuwenden.

14. Damit ist das Schicksal der Beschwerde aber noch nicht zu Ungunsten des Bf. entschieden. Zu prüfen ist nämlich, ob die Versagung der Steuerfreiheit für die Schweizer Arbeitslosenentschädigung mit den Grundfreiheiten des zwischen der Europäischen Union und der Schweizer Eidgenossenschaft abgeschlossenen Freizügigkeitsabkommens in Einklang zu bringen ist.

15. Das "Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit" (Freizügigkeitsabkommen-FZA) wurde am abgeschlossen und ist gemeinsam mit sechs weiteren sektoriellen Abkommen am in Kraft getreten. Formell handelt es sich bei diesem Abkommen um einen völkerrechtlichen Vertrag zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft bzw. deren Mitgliedstaaten. Laut seiner Präambel bezweckt das Abkommen, die Freizügigkeit der Personen auf dem Hoheitsgebiet der Vertragsparteien auf der Grundlage der in der Europäischen Gemeinschaft geltenden Bestimmungen zu verwirklichen. Dieses Ziel soll durch folgende Rechte erreicht werden (Art. 1 FZA):

a) Einräumung eines Rechtes auf Einreise, Aufenthalt, Zugang zu einer unselbständigen Erwerbstätigkeit und Niederlassung als Selbständiger sowie des Rechts auf Verbleib im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien;

b) Erleichterung der Erbringung von Dienstleistungen im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien, insbesondere Liberalisierung kurzzeitiger Dienstleistungen;

c) Einräumung eines Rechts auf Einreise und Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien für Personen, die im Aufenthaltsstaat keine Erwerbstätigkeit ausüben;

d) Einräumung der gleichen Lebens-, Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen wie für Inländer.

Artikel 2 FZA sowie Artikel 9, 15 und 19 Anhang I FZA normieren ein Diskriminierungsverbot.

Gemäß Artikel 11 Abs. 1 und 2 FZA haben die unter das Abkommen fallenden Personen das Recht, zur Durchsetzung ihrer Ansprüche nach dem FZA bei den zuständigen Behörden Beschwerde einzulegen, und Anspruch darauf, dass diese innert angemessener Frist behandelt wird.

Nach Artikel 16 Abs. 1 FZA treffen die Vertragsparteien zur Erreichung der Ziele des Abkommens alle erforderlichen Maßnahmen, damit in ihren Beziehungen gleichwertige Rechte und Pflichten wie in den Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft, auf die Bezug genommen wird, Anwendung finden. Und Artikel 16 Abs. 2 FZA statuiert, dass, soweit für die Anwendung dieses Abkommens Begriffe des Gemeinschaftsrechtes herangezogen werden, die hierfür einschlägige Rechtsprechung der Europäischen Gemeinschaften vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung berücksichtigt wird. Über die Rechtsprechung nach dem Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Abkommens wird die Schweiz unterrichtet.

Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass mit dem Freizügigkeitsabkommen die Personenfreizügigkeit, wie sie nach den in der Europäischen Gemeinschaft geltenden Bestimmungen verwirklicht wird, auch gegenüber der Schweiz hergestellt wird.

Konkret handelt es sich dabei um folgende Freiheiten:

- Freizügigkeit der Arbeitnehmer (entspricht Artikel 39 EGV)

- Niederlassungsfreiheit der Selbständigerwerbenden (entspricht Artikel 43 EGV)

- Dienstleistungsfreiheit für bestimmte natürliche oder juristische Personen (auf der Basis von Artikel 49 EGV).

Weiters ergibt sich daraus, dass das Abkommen direkt anzuwenden ist und dass sich jede unter das Abkommen fallende Person unmittelbar auf die durch das Abkommen gewährleisteten Rechte berufen kann.

16. Diese durch das Abkommen gewährleisteten Freizügigkeitsrechte sind auch für das Steuerrecht relevant. Nach Artikel 9 Abs. 2 Anhang I FZA genießen ein Arbeitnehmer und seine in Artikel 3 dieses Anhangs genannten Familienangehörigen die gleichen steuerlichen Vergünstigungen wie entsprechende Inländer und deren Familienangehörige. Diese Bestimmung entspricht Artikel 7 Abs. 2 der Verordnung EWG Nr. 1612/68 des Rates vom über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft. Auch der EuGH hat wiederholt darauf hingewiesen, dass die direkten Steuern zwar in die Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten fallen, dass diese Zuständigkeit aber unter Wahrung des Gemeinschaftsrechtes auszuüben ist. Die im Gründungsvertrag der Europäischen Gemeinschaften enthaltenen Grundfreiheiten sind daher auch im Einkommensteuerrecht zu beachten (vgl. ua , Schumacker).

17. Eine wesentliche Personenfreiheit im Gründungsvertrag der Europäischen Gemeinschaften wie auch im Freizügigkeitsabkommen ist die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Artikel 39 EGV; Artikel 1 und 2 FZA und Artikel 2 Anhang I FZA). Der Rechtsprechung des EuGH zu Artikel 39 EGV zufolge müssen die Mitgliedstaaten in ihrem vorbehaltenen Bereich ihre Befugnisse unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben und sich deshalb jeder offensichtlichen oder versteckten Diskriminierung auf Grund der Staatsangehörigkeit enthalten (vgl. das , Schempp, Randnr. 19). Die Freizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten, namentlich in Bezug auf die Entlohnung. Dazu hat der EuGH in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa das Urteil vom , C- 279/93, Schuhmacker, Randnr. 23) ausgeführt, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung auf dem Gebiet der Entlohnung seiner Wirkung beraubt wäre, wenn er durch diskriminierende nationale Vorschriften über die Einkommensteuer beeinträchtigt werden könnte. Aus diesem Grund hatte der Rat in Art. 7 seiner Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 vom über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft vorgeschrieben, dass ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten die gleichen steuerlichen Vergünstigungen genießt wie die inländischen Arbeitnehmer (vgl. ).

18. Der Geltendmachung der Arbeitnehmerfreizügigkeit aufgrund des Freizügigkeitsabkommens steht auch nicht entgegen, dass der Bf. in der Zeit des Bezugs des Arbeitslosengeldes in der Schweiz nicht mehr in einem aktiven Arbeitsverhältnis stand (vgl. abermals ; , Sehrer, Rn. 30).

19. Indem der Bf. eine Tätigkeit in der Schweiz aufgenommen hat, hat er von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht. Er kann sich daher auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit berufen.

20. Somit ist zu prüfen, ob der Bf. durch die Besteuerung des in der Schweiz bezogenen Arbeitslosengeldes gegenüber gebietsansässigen österreichischen Staatsbürgern, deren österreichisches Arbeitslosengeld nicht der Einkommensteuer unterliegt, eine Beschränkung des Rechts auf Arbeitnehmerfreizügigkeit erfahren hat. Eine solche Beschränkung kann sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes daraus ergeben, dass die unterschiedlichen Vorschriften auf vergleichbare Situationen angewendet werden oder dass dieselbe Vorschrift auf unterschiedliche Situationen angewendet wird. Entscheidend soll dabei sein, dass aus der Sicht der durch Österreich vorgenommenen Besteuerung davon auszugehen ist, dass sich in Österreich ansässige Personen unabhängig davon in einer vergleichbaren Situation befinden, ob sie ihre Einkünfte in Österreich oder durch eine Berufstätigkeit im Ausland erzielen (vgl. ).

21. Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes besteht zwischen der Schweizer Arbeitslosenentschädigung nach dem Schweizer Arbeitslosenversicherungsgesetz und dem österreichischen Arbeitslosengeld nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 keine solche Vergleichbarkeit. Wie schon bei der Auslegung des § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 schadet auch bei der Anwendung des FZA der Umstand, dass die Schweizer Arbeitslosenentschädigung vom Bruttoarbeitsverdienst (versicherter Verdienst), das österreichische Arbeitslosengeld aber vom Nettoarbeitsverdienst (Nettoeinkommen) berechnet wird, der Vergleichbarkeit. Wenn daher der in Österreich ansässige Bezieher des Schweizer Arbeitslosengeldes dieses in Österreich versteuern muss, liegt keine Beschränkung der Arbeitsnehmerfreizügigkeit nach dem FAZ vor. Er ist nämlich nicht schlechter gestellt als der Empfänger von Österreichischem Arbeitslosengeld, bei dem eine Einkommensteuer bereits vor der Auszahlung des Arbeitslosengeldes berücksichtigt wurde.

In dieser Weise hat auch der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2005/15/0166, zum Wochengeld entschieden, dass von einer Grenzgängerin von ihrem Arbeitgeber in Liechtenstein empfangene Geldleistungen für die Zeit des Mutterschutzes nur dann gemäß § 3 Abs. 1 Z 4 lit. a EStG 1988 steuerfrei sind, wenn diese mit dem österreichischen Wochengeld vergleichbar sind und diese Vergleichbarkeit nur dann gegeben ist, wenn die in Liechtenstein empfangenen Geldleistungen wie das österreichische Wochengeld nach dem Nettoarbeitsverdienst bemessen werden. Weil das liechtensteinische Krankenkassa-Taggeld aber vom Bruttolohn berechnet wird, steht die Steuerfreiheit des § 3 Abs. 1 Z 4 lit. a EStG 1988 nicht zu (vgl. UFS 30.4.20007, RV/0217-F/07; ).

22. Die Schweizer Arbeitslosenentschädigung ist daher auch in Beachtung des Freizügigkeitsabkommens nach § 25 Abs. 1 lit. a EStG 1988 steuerpflichtig. Eine Anrechnung einer auf die Schweizer Arbeitslosenentschädigung entfallende Schweizer Steuer nach Artikel 23 Z 2 DBA-Schweiz kommt nicht Betracht, weil der Schweiz kein Besteuerungsrecht über die Arbeitslosenentschädigung zukommt und abgesehen davon in der Schweiz auch keine Steuer von der Arbeitslosenentschädigung einbehalten wurde.

23. Was die übrigen Beschwerdepunkte angeht, war im Wesentlichen wie in der Beschwerdevorentscheidung vom zu entscheiden, auf die in diesem Zusammenhang verwiesen wird. Abweichend davon waren aber auch die Kosten für Arbeitsmittel, die nach dem angefallen sind, als Werbungskosten berücksichtigt, weil der Bf. auch in der Zeit der Arbeitslosigkeit zur Mitwirkung gegenüber der Arbeitslosenkasse (ständige Erreichbarkeit, fortlaufende Arbeitssuche etc.) verpflichtet war und daher auch die Aufwendungen, die nach dem angefallen sind, mit der steuerpflichtigen Arbeitslosenentschädigung in Zusammenhang standen. Somit werden zusätzlich Kosten für Arbeitsmittel in Höhe von 2.090,55 Euro berücksichtigt. Ferner waren die auf die Bezüge von der ***E-AG*** entfallenden Schweizer Steuern in Höhe von 4.090,22 Euro auf die Einkommensteuer anzurechnen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zur Frage, ob Zahlungen einer Schweizer Arbeitslosenentschädigung an einen im Inland ansässigen Steuerpflichtigen steuerfrei oder steuerpflichtig sind, besteht keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Revision hängt daher von der Klärung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ab und ist daher zulässig.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 21 Abs. 3 AlVG, Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, BGBl. Nr. 609/1977
Art. 15 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
Art. 18 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
Art. 21 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
Art. 39 EGV, EG-Vertrag, ABl. Nr. C 241 vom S. 1
§ 20 Abs. 1 AlVG, Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, BGBl. Nr. 609/1977
Art. 23 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
§ 3 Abs. 1 Z 4 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 1 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 3 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 3 Abs. 1 Z 4 lit. d EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 49 EGV, EG-Vertrag, ABl. Nr. C 241 vom S. 1
§ 3 Abs. 1 Z 7 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 3 Abs. 1 Z 5a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 39 EGV, EG-Vertrag, ABl. Nr. C 241 vom S. 1
Art. 43 EGV, EG-Vertrag, ABl. Nr. C 241 vom S. 1
§ 2 Abs. 1 AMPFG, Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, BGBl. Nr. 315/1994
§ 2 Abs. 3 AMPFG, Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, BGBl. Nr. 315/1994
§ 2a Abs. 1 AMPFG, Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, BGBl. Nr. 315/1994
Verweise
Beiser, Doppelbesteuerung von Schweizer Arbeitslosengeld bei in Österreich ansässigen Arbeitnehmern, SWI 2020, 416








Zorn in Theresa Gessl/Christian Knotzer, SWI Jahrestagung: Grenzüberschreitendes Arbeitslosengeld, SWI 2022, 393
Art. 1 lit. a Abkommen EG - Schweiz - Freizügigkeit, ABl. Nr. L 114 vom S. 6
Art. 39 EGV, EG-Vertrag, ABl. Nr. C 241 vom S. 1
Kerschner, Arbeitslosengeld im internationalen Steuerrecht, ÖStZ 2/2022, 138

-F/07

Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.1100279.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at