TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.05.2023, RV/5100381/2022

Familienbeihilfenanspruch eines Polizeischülers während seiner Grundausbildung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Anna Zangerl-Reiter in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Auer Bodingbauer Leitner Stöglehner Rechtsanwälte OG, Spittelwiese 4, 4020 Linz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe ab Juni 2019, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO für die Kalendermonate Juni 2019 bis März 2021 Folge gegeben und im Übrigen abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid wird für die Kalendermonate Juni 2019 bis März 2021 ersatzlos aufgehoben und bleibt im Übrigen unverändert.

II. Die belangte Behörde hat gemäß § 25 BFGG und § 282 BAO in der über den Aufhebungszeitraum ergehende Mitteilung gemäß § 12 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) für die Kalendermonate Jänner bis Dezember 2020 darüber hinaus die Kürzung nach § 6 Abs. 3 FLAG 1967 zu beachten.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Am brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Familienbeihilfe für den Zeitraum Juni 2019 bis Mai 2021 ein. Darin gab er an, dass er sich in sonstiger Ausbildung an der Polizeischule, hauptsächlich Schulunterricht befinde, der Name der Ausbildungsstätte sei Bildungszentrum der Sicherheitsakademie ***4***, die Ausbildung ende mit einer sonstigen Abschlussprüfung und er trage seinen Unterhalt überwiegend selbst.

2. Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom ab, da sich bereits ein rechtskräftig ergangenes Urteil (Abweisung vom an die Mutter ***1***) auf dem Familienbeihilfenanspruch für das Kind während dessen Ausbildung beziehe und das Kind bei beiden Antragstellern dasselbe sei.

3. In der dagegen erhobenen Beschwerde vom brachte der Beschwerdeführer vor, in dieser Sache bestünde kein Familienbeihilfenanspruch seitens seiner Mutter, da er seit weder mit ihr im gemeinsamen Haushalt gelebt habe noch sein Lebensunterhalt von ihr finanziert worden und er somit die anspruchsberechtigte Person sei. Der Anspruch begründe sich darin, dass er am die Ausbildung zum Polizeibeamten begonnen und diese am erfolgreich absolviert habe. Er habe seit Beginn seiner Ausbildung nicht mehr mit seinen Eltern im gemeinsamen Haushalt gewohnt und alle monatlichen Kosten seien von seinem Ausbildungsgehalt finanziert worden. Er habe von keiner Person finanzielle Unterstützung erhalten.

Der Beschwerde wurden (nicht leserliche) Mietverträge und eine Ausbildungsbestätigung beigefügt.

4. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend führte es im Wesentlichen aus, es dürfe über eine bereits entschiedene Sache nicht nochmals ein Bescheid ergehen. Durch Ergehen des Abweisungsbescheides betreffend die beantragte Familienbeihilfe zu seiner Person liege bereits ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren vor, eine neuerliche Entscheidung sei aufgrund des Wiederholungsverbotes daher nicht möglich.

5. Im Vorlageantrag vom gab die rechtliche Vertreterin des Beschwerdeführers an, es liege keine entschiedene Rechtssache vor. Die Polizeigrundausbildung sei sehr wohl eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967.

6. In einem Vorhalteverfahren forderte das Bundesfinanzgericht vom Beschwerdeführer Unterlagen an und ersuchte ihn um eine Stellungnahme. Dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer mit Vorhaltsbeantwortung vom nach.

Der aufgrund dieser Unterlagen vom Bundesfinanzgericht (vorläufig) festgestellte Sachverhalt wurde dem Finanzamt zur Stellungnahme übermittelt. Diese erstattete das Finanzamt am .

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer wurde im Oktober 1999 geboren.

2. Er hat bis Ende Mai 2019 ***Wohnsitz1***, danach für einen Monat bei seiner damaligen Lebensgefährtin in der ***Wohnsitz2*** gewohnt. Mit Juli 2019 ist er in die ***Wohnsitz3*** gezogen und wohnt seit August 2020 am ***Wohnsitz4*** (siehe Hauptmietvertrag mit der ***2***, Nutzungvertrag mit der ***3*** und Mietzahlungen laut Umsatzliste des Kontos des Beschwerdeführers für den Zeitraum Mai 2019 bis April 2023).

Seine Eltern haben bis Juli 2019 ***Wohnsitz1*** gewohnt, sind danach in die ***Wohnsitz5*** übersiedelt und wohnen seit November 2020 am ***Wohnsitz6*** (siehe ZMR-Abfragen der Eltern vom ).

3. Der Beschwerdeführer hat im Juni 2019 seine Grundausbildung für den Exekutivdienst begonnen (siehe Sondervertrag mit der Republik Österreich Landespolizeidirektion Oberösterreich vom ) und im Jänner mit der Dienstprüfung beendet (siehe Dienstprüfungszeugnis vom ).

Die erste Praxisphase hat der Beschwerdeführer von 1. Juni bis in der Polizeiinspektion ***5*** absolviert. Die zweite Praxisphase erfolgte nach Absolvierung der Dienstprüfung von 1. Februar bis in der Polizeiinspektion ***6*** (siehe Vorhaltsbeantwortung des Beschwerdeführers vom ).

Pandemiebedingt bestand beim Ausbildungsplan des Beschwerdeführers eine Abweichung; er wurde im Zeitraum vom bis zum der FGA (Fremdenpolizei) zugeteilt und hat das Kaderpersonal bei Kontrollen in Bezug auf die geltenden Einreisebestimmungen, welche sich durch die Corona-Maßnahmen ergaben, unterstützt. In dieser Zeit fand kein Schulunterricht statt (siehe Vorhaltsbeantwortung des Beschwerdeführers vom ).

4. Der Ausbildungsplan zur Polizeigrundausbildung (siehe Ausbildungsplan zur Grundausbildung für den Exekutivdienst vom Bundesministerium für Inneres, Stand 2022) ist wie folgt strukturiert:

BASISAUSBILDUNG - 12 MONATE
Die Polizeibediensteten sollen jenes rechtliche sowie einsatztaktische und -technische Basiswissen erlangen, das sie für den Dienst in einer Polizeiinspektion (PI) benötigen. Die Wissensvermittlung soll kompetenzorientiert und praxisnah unter Vernetzung aller Ausbildungsinhalte erfolgen.
BERUFSPRAKTIKUM I - KENNENLERNEN DES DIENSTBETRIEBES - 3 MONATE
Das Berufspraktikum dient zur Vermittlung des für die Verwendung in einer Polizeiinspektion nötigen dienstbetrieblichen Wissens sowie der Beurteilung der persönlichen und fachlichen Eignung für den exekutiven Außendienst. Die Polizeibediensteten werden dabei, ohne zum Personalstand der Praktikumsdienststelle zu zählen, von Exekutivbediensteten geschult und betreut.
VERTIEFUNG - 5 MONATE
Die Polizeibediensteten sollen die Ausbildungsinhalte, Erlebnisse und Erfahrungen des Berufspraktikums reflektieren. Darüber hinaus sollen sie das in der Basisausbildung erworbene Wissen vertiefen und mit den Ausbildungsinhalten des Berufspraktikums vernetzen.
BERUFSPRAKTIKUM II - EINFÜHRUNG IN DEN DIENSTBETRIEB - 4 MONATE

Während der Einführung in den Dienstbetrieb werden die Auszubildenden von Exekutivbediensteten kontinuierlich in den Dienstbetrieb ihrer Polizeidienststelle eingeführt.

STUNDENTAFEL:
1 PERSONALE UND SOZIALKOMMUNIKATIVE KOMPETENZEN 204 Stunden (laut Lehrplan und Stundentafel)
2 POLIZEIFACHLICHE KOMPETENZEN 1134 Stunden (laut Lehrplan und Stundentafel)
3 SITUATIONSADÄQUATE HANDLUNGSKOMPETENZEN SOWIE WAHRNEHMUNGS- UND REFLEXIONSKOMPETENZEN 806 Stunden (laut Lehrplan und Stundentafel)
4 BERUFSPRAKTIKUM 468 Stunden (kein Lehrplan und keine Stundentafel)

Die Ausbildung umfasst insgesamt 2.612 Unterrichtseinheiten.

Die Dienstprüfung schließt die Ausbildung ab.

4. Er hat seine Unterhaltskosten im Zeitraum von Juni 2019 bis Mai 2021 überwiegend selbst getragen (siehe Vorhaltsbeantwortung des Beschwerdeführers vom und Umsatzliste des Kontos des Beschwerdeführers für den Zeitraum Mai 2019 bis April 2023).

5. Der Beschwerdeführer hatte im Jahr 2019 ein zu versteuerndes Einkommen iHv € 9.400,63 und im Jahr 2020 iHv € 22.298,26 (siehe Einkommensteuerbescheide 2019 und 2020). Sein zu versteuerndes Einkommen betrug von Jänner bis März 2021 € 5.754,71 (=Bruttobezug (ohne Sonderzahlung) minus SV-Beiträge ergibt € 1.791,57 für den Jänner, € 1.971,83 für den Februar und € 1.991,31 für den März; siehe Monatslohnzettel für die entsprechenden Monate).

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus den in Klammer angeführten, von den Parteien nicht bestrittenen Unterlagen und aufgrund folgender Überlegungen:

1. Laut Meldung im Zentralen Melderegister hatte der Beschwerdeführer bis zum ***Wohnsitz1*** gewohnt. In der Vorhaltsbeantwortung vom gab er an, dass er im Juni 2019 bei seiner damaligen Lebensgefährtin in der ***Wohnsitz2*** gewohnt, eine Anmeldung in der Wohnung jedoch verabsäumt habe. Aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Kontodaten geht am eine Zahlung an seine damalige Lebensgefährtin mit dem Verwendungszweck "Miete" hervor.

Die polizeiliche An-und Abmeldung hat lediglich Indizwirkung (vgl. Ritz/Koran, BAO7 § 26, Rz 7). Die Angaben des Beschwerdeführers, dass er bereits in Juni 2019 aus dem gemeinsamen Haushalt mit den Eltern ausgezogen ist, erscheinen aufgrund der einmaligen Zahlung der Miete an die damalige Lebensgefährtin und aufgrund der vom Beschwerdeführer in ***4*** absolvierten Ausbildung zum Polizisten nachvollziehbar und glaubwürdig. Im Übrigen wurden die Angaben des Beschwerdeführers vom Finanzamt nicht bestritten.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Aufhebung und Abweisung)

1. Der Verwaltungsgerichtshof judiziert in ständiger Rechtsprechung, dass über ein und dieselbe Rechtssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist (ne bis in idem). Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit der Entscheidung unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen. "Sache" einer rechtskräftigen Entscheidung ist dabei stets der im Bescheid enthaltene Ausspruch über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit, die durch den Bescheid ihre Erledigung gefunden hat, und zwar aufgrund der Sachlage, wie sie in dem von der Behörde angenommenen maßgebenden Sachverhalt zum Ausdruck kommt, und der Rechtslage, auf die sich die Behörde bei ihrem Bescheid gestützt hat (vgl. zu § 68 AVG).

Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob die bereits entschiedene Sache ident mit jener ist, deren Entscheidung im Wege des neuerlichen Antrages begehrt wird. Abgesehen von der Identität des Begehrens und der Partei (Parteien) muss Identität des anspruchserzeugenden Sachverhaltes gegeben sein, damit das Verfahrenshindernis der res iudicata vorliegt (, unter Hinweis auf Stoll, Bundesabgabenordnung, 944, Rz 1514 und 1515).

Unstrittig ist, dass dem Verfahren, auf das das Finanzamt in seinen hier gegenständlichen Erledigungen verweist, ein Antrag der Mutter des Beschwerdeführers zugrundeliegt. Hier anhängig ist jedoch der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe des Beschwerdeführers (Eigenanspruch). Somit liegt aber keine Identität der Parteien vor und ist daher meritorisch zu entscheiden.

2. Ein Eigenanspruch besteht für volljährige Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten (§ 6 Abs. 5 FLAG 1967).

Zunächst ist diejenige Person anspruchsberechtigt, zu deren Haushalt ihr Kind (§ 2 Abs. 3 FLAG 1967) gehört (§ 2 Abs. 2 erster Satz FLAG 1967). Teilt keine Person die Wohnung mit ihrem Kind (das Kind führt einen eigenen Haushalt oder teilt die Wohnung mit einer Person, zu der keine Kindeseigenschaft nach § 2 Abs 3 FLAG 1967 besteht), ist die Person anspruchsberechtigt, die die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt (§ 2 Abs 2 zweiter Satz FLAG 1967; ). Trägt das Kind seine Unterhaltskosten überwiegend selbst, so besteht grundsätzlich ein Eigenanspruch auf Familienbeihilfe (§ 6 Abs 5 FLAG 1967).

3. Nach § 6 Abs. 2 lit a FLAG 1967 haben volljährige Kinder, die im Bundesgebiet ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. § 2 Abs 1 lit. b zweiter bis letzter Satz FLAG 1967 sind anzuwenden.

Gemäß dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2020/16/0067, stellt die am Beginn des Exekutivdienstes stehende "Basisausbildung" mit Lehrplan und Stundentafel, die - abgesehen allenfalls von einer Ausbildung im Waffengebrauch, in Selbstverteidigung oder im Sport - in theoretischen Unterweisungen, Aufgabenstellungen, Übungen und Arbeiten besteht, noch eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 dar.

Ihren Abschluss findet eine Berufsausbildung jedenfalls mit dem Beginn der Ausübung eines bestimmten Berufes, auch wenn für den konkreten Arbeitsplatz noch eine spezifische Einschulung erforderlich sein mag. Der Verwaltungsgerichtshof stuft die ersten drei Ausbildungsblöcke der Polizeigrundausbildung (Basisausbildung, Berufspraktikum I und Vertiefung der Basisausbildung samt Dienstprüfung) als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 ein. Beim letzten, nach der Ablegung der Dienstprüfung zu absolvierenden Teil der Polizeigrundausbildung - dem Berufspraktikum II - handelt es sich hingegen um eine Einschulung im Beruf des Polizisten am Arbeitsplatz (vgl. ).

4. Nach § 6 Abs. 3 FLAG 1967 führt ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) eines Kindes bis zu einem Betrag von € 10.000,00 bzw. ab dem Kalenderjahr 2020 € 15.000.00 (BGBl. I Nr. 109/2020) in einem Kalenderjahr nicht zum Wegfall der Familienbeihilfe. Übersteigt das zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) eines Kindes in einem Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem das Kind das 19. Lebensjahr vollendet hat, den Betrag von € 10.000,00 bzw. ab 2020 € 15.000,00, so verringert sich die Familienbeihilfe, die für dieses Kind nach § 8 Abs. 2 einschließlich § 8 Abs. 4 gewährt wird, für dieses Kalenderjahr um den € 10.000,00 bzw. ab 2020 € 15.000,00 übersteigenden Betrag. § 10 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) des Kindes bleiben außer Betracht:
a) das zu versteuernde Einkommen, das vor oder nach Zeiträumen erzielt wird, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht,
b) Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis,
c) Waisenpensionen und Waisenversorgungsgenüsse …

Es ist eine ex-post-Betrachtung zum Ende des jeweiligen Kalenderjahres anzustellen (vgl. ). Diese kann dazu führen, dass, sofern im Zeitpunkt der Auszahlung entsprechende Einkommensdaten bereits vorliegen, die Auszahlung für das betreffende Kalenderjahr unter Umständen bis auf Null zu kürzen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Ro 2022/16/0004, ausgesprochen, dass die Polizeigrundausbildung, nicht zuletzt im Hinblick auf das Gehalt der Auszubildenden, mit der Lehre in einem Lehrberuf nicht vergleichbar und somit nicht als "anerkanntes Lehrverhältnis" iSd § 5 Abs. 1 lit b FLAG 1967 - und auch nicht iSd § 6 Abs. 3 lit b FLAG 1967 (bei Eigenanspruch) - anzusehen sei. Daraus ergibt sich, dass die aus dieser Tätigkeit erzielten Einkünfte gemäß § 5 Abs 1 FLAG 1967 - bzw. § 6 Abs. 3 lit b FLAG 1967 - bei der Ermittlung des Einkommens gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1988 zu berücksichtigen sind und den Anspruch auf Familienbeihilfe um den im Kalenderjahr 2019 noch € 10.000,00 und danach € 15.000,00 übersteigenden Betrag verringern.

5. Gemäß § 15 Abs. 1 FLAG 1967 finden für Personen, die im Zeitraum von einschließlich März 2020 bis einschließlich Februar 2021 für zumindest einen Monat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind haben, die während dieses Zeitraumes vorliegenden Anspruchsvoraussetzungen im unmittelbaren Anschluss an den Anspruchszeitraum bis März 2021 in Bezug auf dieses Kind weiter Anwendung, solange während dieses Zeitraumes keine andere Person anspruchsberechtigt wird.

6. Im Familienbeihilfeverfahren ist, wenn der Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid zu entsprechen ist, der angefochtene Bescheid aufzuheben (Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl. 2020, § 13, Rz 224).

7. Der Beschwerdeführer hat im Zeitraum Juni 2019 bis Mai 2021 nicht zum Haushalt seiner Eltern gehört und seinen Unterhalt selbst getragen. Er hat im Juni 2019 die Basisausbildung im Exekutivdienst begonnen und im Jänner 2021 mit der Dienstprüfung beendet. Somit liegt iSd angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in diesem Zeitraum eine Berufsausbildung iSd § 6 Abs. 2 lit a FLAG 1967 vor und besteht somit dem Grunde nach ein Anspruch auf Familienbeihilfe (Eigenanspruch gemäß § 6 Abs. 5 FLAG 1967).

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes schadet die Zuteilung zur FGA (Fremdenpolizei) im April und Mai 2020 dem Anspruch auf Familienbeihilfe nicht, da sich der Beschwerdeführer zum einen weiterhin in einer Berufsausbildung befunden hat und zum anderen im Zeitraum zwischen März 2020 bis Februar 2021 in zumindest einem Monat Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden hat.

Für den nach Monaten bestimmten FLAG-Anspruchszeitraum Jänner bis Dezember 2019 wird auch der maßgebliche Jahresbetrag von € 10.000,00 gemäß § 6 Abs. 3 FLAG 1967 nicht überschritten. Die Familienbeihilfe steht in voller Höhe zu.

Für den nach Monaten bestimmten FLAG-Anspruchszeitraum Jänner bis Dezember 2020 wird der maßgebliche Jahresbetrag von € 15.000,00 gemäß § 6 Abs. 3 FLAG 1967 um € 7.298,26 überschritten. Für diesen Zeitraum ist die Familienbeihilfe um diesen Betrag zu kürzen (Satz 2 des § 6 Abs. 3 FLAG 1967).

Im Monat Jänner 2021 besteht der Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 6 Abs 2 lit. a FLAG 1967.

Für die Monate Februar und März 2021 steht die Familienbeihilfe gemäß § 15 Abs. 1 FLAG 1967 zu, weil der Beschwerdeführer im Zeitraum von März 2020 bis Februar 2021 in zumindest einem Monat Anspruch auf Familienbeihilfe hatte. Im Zeitraum von Jänner bis März 2021 hat er den maßgeblichen Jahresbetrag von € 15.000,00 gemäß § 6 Abs. 3 FLAG 1967 nicht überschritten. Die Familienbeihilfe steht in diesem Zeitraum in voller Höhe zu.

Für die Monate April und Mai 2021 besteht hingegen kein Anspruch auf Familienbeihilfe, da der Beschwerdeführer in diesem Zeitraum nicht (mehr) für einen Beruf iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 bzw. § 6 Abs. 2 lit a FLAG 1967 ausgebildet wurde. Das in diesen Monaten absolvierte "Berufspraktikum II" stellt nach der Rechtsprechung des BFG und des VwGH eine Einschulung am Arbeitsplatz und daher keine Berufsausbildung dar. Im vorliegenden Fall ist der Beschwerdeführer auf jener Polizeidienststelle eingeschult worden, an der er nach seiner Übernahme in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis seinen Dienst versieht. Diese Einschulung am Arbeitsplatz ist nicht mehr als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 bzw. § 6 Abs. 2 lit a FLAG 1967 anzusehen.

3.2. Zu Spruchpunkt II (Mitteilung)

Gemäß § 25 Abs. 1 BFGG und § 282 BAO ist das Finanzamt verpflichtet, im gegenständlichen Fall mit den ihm zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Bundesfinanzgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen und die Auszahlung der Familienbeihilfe im ausgeführten Umfang vorzunehmen.

[...]

3.3. Zu Spruchpunkt III. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Revision ist nicht zulässig, da es sich ausschließlich um die Beantwortung von Tatfragen handelt und die zugrunde liegenden Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des VwGH und das Gesetz ausreichend beantwortet sind.

Linz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at