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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 31.03.2023, RV/7100758/2023

§ 9 KStG: Horizontaler Ergebnisausgleich zweier inländischer Tochtergesellschaften einer ausländischen Muttergesellschaft zulässig

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2023/13/0018. Mit Erk. v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7100758/2023-RS1
Die in § 9 Abs 3 KStG normierte Einschränkung der Gruppenbildung, die einen Ergebnisausgleich zweier inländischer Tochtergesellschaften einer nicht gebietsansässigen Beschwerdeführerin ohne inländische Zweigniederlassung nicht erlaubt, stellt eine unionsrechtlich verbotene Beschränkung dar. Auch wenn nationale Vorschriften einer Inlandsgruppe lediglich eine vertikale Ergebniszurechnung gestatten, verlangt die Niederlassungsfreiheit nach Art 49 und 54 AEUV, dass inländischen Tochtergesellschaften einer gebietsfremden Muttergesellschaft ein horizontaler steuerlicher Ergebnisausgleich zuzuerkennen ist.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter MMag. Gerald Erwin Ehgartner in der Beschwerdesache **BF**, Deutschland, vertreten durch ARTUS Steuerberatung GmbH & Co KG, Stubenring 24, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 (nunmehr zuständig: Finanzamt Österreich) vom betreffend Abweisung des Antrags auf Feststellung einer Unternehmensgruppe zu Recht:

I. Der Beschwerde wird Folge geleistet. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO derart abgeändert, dass die beantragte Feststellung der Unternehmensgruppe mit der Beschwerdeführerin als Gruppenträgerin und den inländischen Gesellschaften **T1-GmbH** und **T2-GmbH** als Gruppenmitglieder, in folgender Form stattgebend erledigt wird:

Der **T2-GmbH** kommt die steuerliche Funktion der Gruppenträgerin in dem Sinne zu, dass ihr das gesamte inländische Gruppeneinkommen, das sich aus den steuerlichen Einzelergebnissen der inländischen Gruppengesellschaften ergibt, zugerechnet wird. Die Funktion der Beschwerdeführerin als Muttergesellschaft der inländischen Tochtergesellschaften beschränkt sich auf jene eines Referenzobjekts für die inländische horizontale Ergebniszurechnung.

II. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.

Erkenntnisadressaten:

  • **M-GmbH**, **Adresse**

  • **T2-GmbH**, **Adresse**

  • **T1-GmbH**, **Adresse**

Entscheidungsgründe

Die gegenständliche Beschwerde wurde im ersten Verfahrensgang mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7104573/2020, stattgebend erledigt. Mit Erkenntnis vom , Ro 2022/13/0015, hob der Verwaltungsgerichtshof das BFG-Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf. Unter Verweis auf § 281 Abs 1 BAO wies der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass das im ersten Verfahrensgang ergangene BFG-Erkenntnis - neben dem Finanzamt - nur der **M-GmbH** zugestellt worden sei. Bereits deswegen, weil es nicht einheitlich an alle betroffenen Gesellschaften (Gruppenträger und Gruppenmitglieder) ergangen ist, erweise es sich als rechtswidrig.

Im nunmehr fortgesetzten Verfahren wird das BFG-Erkenntnis - grundsätzlich wortgleich - neben der Beschwerdeführerin (**M-GmbH**) auch der **T2-GmbH** sowie der **T1-GmbH** zugestellt.

Klarstellend wird von Seiten des Bundesfinanzgerichts noch darauf hingewiesen, dass bei der **T2-GmbH**, der vom Bundesfinanzgericht die steuerliche Funktion der Gruppenträgerin in dem Sinne zugewiesen wird, dass ihr das gesamte inländische Gruppeneinkommen, das sich aus den steuerlichen Einzelergebnissen der inländischen Gruppengesellschaften ergibt, zugerechnet wird, keine Vor- oder Außengruppenverluste vorliegen und somit diesbezüglich bereits aus diesem Grund keinerlei diesbezügliche Verrechnungsmöglichkeit besteht.

Verfahrensgang

Am stellte die steuerlich in Deutschland ansässige Beschwerdeführerin (**M-GmbH**) den Antrag auf Bildung einer Unternehmensgruppe mit sich als Gruppenträgerin und ihren inländischen Tochtergesellschaften **T1-GmbH** und **T2-GmbH** (Schwestergesellschaften), an denen sie unmittelbar 100 % bzw 99,8 % des Stammkapitals und der Stimmrechte besaß, als Gruppenmitglieder.

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag ab, da die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen des § 9 Abs 3 KStG nicht erfülle. Sie sei eine in Deutschland ansässige Kapitalgesellschaft, die in Österreich weder beschränkt noch unbeschränkt steuerpflichtig sei und verfüge auch über keine im Firmenbuch eingetragene Zweigniederlassung, noch über eine Beteiligung an einer operativ tätigen, im Firmenbuch eingetragenen Personengesellschaft, die die Beteiligungen an den Gruppenmitgliedern im Betriebsvermögen hält.

Mit Beschwerde vom beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung bzw Abänderung des Bescheids im Sinne einer stattgebenden Erledigung der beantragten Gruppenbildung. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dass durch die Ablehnung des Gruppenbildungsantrags ein grober Verstoß gegen die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit vorliege. Diese impliziere auch das Recht auf Gründung und Leitung eines Unternehmens als EU-Bürger zu den gleichen Bedingungen und Rechtsvorschriften, wie diese im Niederlassungsmitgliedstaat für dessen eigene Angehörige festgelegt seien. Das für die Beschwerdeführerin aufgestellte Sitzerfordernis schaffe eine Ungleichbehandlung zwischen gebietsansässigen Gesellschaften, die im Sinne des nationalen Steuerrechts durch eine in Österreich ansässige Muttergesellschaft verbunden sind gegenüber Gesellschaften, die durch eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft verbunden sind (wie dies gegenständlich der Fall sei). Die Beschwerdeführerin habe somit nicht denselben Zugang zu den Begünstigungen des österreichischen Körperschaftsteuergesetzes. Sie müsse vielmehr eine österreichische Zweigniederlassung gründen und in der Folge deren Anteile an den österreichischen Tochtergesellschaften der Zweigniederlassung zuordnen. Darin sei eine unverhältnismäßige und nicht zumutbare Erschwernis für nicht-österreichische EU Körperschaften zu erblicken.

Der österreichische Gesetzgeber untersage indirekt EU-Konzernen, welche dieselben Rechte wie rein inländische Konzerne anstreben, die freie Wahl jenes Mitgliedstaates, in dem die Bündelung von Managementaufgaben bzw strategischen Überlegungen stattfinden soll. Es komme zu einem deutlichen Mehraufwand in der Administration und Verwaltung (zum Beispiel: Aufstellung und Jahresabschlussprüfung eines Subkonzernabschlusses) und zu einer faktischen Unzumutbarkeit in der Firmenbuchabwicklung, welche nicht in Einklang mit der unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit zu bringen sei.

Der Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit ergebe sich, so das Beschwerdevorbringen weiter, auch aus diversen Urteilen des EuGH. Demnach sei in solchen Fällen eine Abwägung zwischen den Belastungen für den Steuerpflichtigen einerseits und der berechtigten Sicherung des Steueranspruchs eines Staates andererseits abzustellen. Gegenständlich stelle das Erfordernis der eingetragenen Zweigniederlassung kein geeignetes Instrument für die "Sicherung des Steueranspruchs" dar.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab und führte im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin die gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs 3 KStG nicht erfülle. Das erwähnte Urteil des EuGH zur Schwesterngruppe sei mit dem hier gegenständlichen Sachverhalt nicht vergleichbar, da dieses vor dem Hintergrund einer ausländischen Gruppenbesteuerungsregelung ergangen sei, die naturgemäß anders als die österreichische ausgestaltet sei. Die sich aus den Grundfreiheiten ergebenden Konsequenzen seien für jede Rechtsordnung anders und würden von der Ausgestaltung des jeweiligen Gruppenbesteuerungsregimes abhängen. Darüber hinaus sei nach der österreichischen Gruppenbesteuerungsregelung nur eine vertikale Ergebniszurechnung zum Gruppenträger möglich. Eine Schwesterngruppe stehe dem diametral entgegen und sei auch für Schwestergesellschaften mit einer inländischen Muttergesellschaft nicht vorgesehen. Somit liege hier keine Ungleichbehandlung vor. Weiter bewirke eine Gruppenbildung mit einem ausländischen Gruppenträger ohne Inlandsbezug eine Ergebniszurechnung zu einer, weder der unbeschränkten noch der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden, ausländischen Körperschaft. Es bestehe daher die Gefahr, dass die Besteuerung einer Schwesterngruppe im Inland sowohl aus faktischen als auch aus rechtlichen Gründen nicht gewährleistet werden könne. Der Ausschluss einer Gruppenbildung sei daher aus Gründen der Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse und der Sicherung des inländischen Steueranspruches gerechtfertigt.

Mit Eingabe vom beantragte die Beschwerdeführerin die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Ergänzend verwies sie dabei noch auf das zur Rechtssache C-749/18, welches mit dem gegenständlichen Sachverhalt vergleichbar sei und in welchem der EuGH ebenfalls einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit erkannt habe. Das von der belangten Behörde herangezogene Argument, wonach in Österreich eine horizontale Steuergruppe nicht vorgesehen sei und daher keine Ungleichbehandlung vorliege, sei nach dem Urteil des EuGH zu C-749/18 unerheblich.

Auch sei das Argument, dass die Sicherstellung der Besteuerung einer Schwesterngruppe im Inland aus rechtlichen und faktischen Gründen nicht gewährleistet sei unzutreffend. Außerdem bestehe gegenüber der Bundesrepublik Deutschland eine umfassende Amtshilfe sowie die Möglichkeit der Informationsgewinnung auf Grund des DBA. Die Besteuerung könne teilweise auch durch die Vorschreibung von quartalsweisen Körperschaftsteuervorauszahlungen gewährleistet werden. Zusätzlich sei nicht logisch, warum eine Abgabeneinhebung ohne inländische Betriebsstätte nicht gewährleistet werden könne, insbesondere da dies im Bereich der Umsatzsteuer durch Registrierung möglich sei.

Mit Bericht vom erfolgte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Im Zuge der am Bundesfinanzgericht am abgehaltenen mündlichen Verhandlung stellte die Beschwerdeführerin ihr Beschwerdebegehren insoweit richtig, als sie die Abänderung des angefochtenen Bescheides in stattgebender Hinsicht beantragte.

Beide Parteien gaben zu Protokoll, dass keine Bedenken dagegen bestünden, dass an alle drei Gesellschaften (**M-GmbH**, **T2-GmbH** und **T1-GmbH**) Erledigungen des Bundesfinanzgerichts ergehen. Das Erkenntnis an die deutsche Beschwerdeführerin sei dabei an die deutsche Adresse zu Handen des österreichischen steuerlichen Vertreters zu adressieren.

Von Seiten der belangten Behörde wurde dazu vorgetragen, dass alle drei Gesellschaften als antragslegitimiert behandelt und demnach auch von drei Beschwerden ausgegangen worden sei. Dementsprechend seien auch drei Beschwerdevorentscheidungen erlassen worden. Der Beschwerdeführerin sei eine österreichische Steuernummer vergeben worden, es handle sich dabei aber lediglich um eine technische Umsetzung, die weder zu einer beschränkten noch einer unbeschränkten Steuerpflicht in Österreich führe.

Betreffend den zugrundeliegenden Sachverhalt gab die Beschwerdeführerin zu Protokoll, dass es in Österreich nichts gebe, das als Zweigniederlassung in Frage käme. Die **B-Gruppe** sei im Übrigen international tätig, sie verfüge über 40 Gesellschaften weltweit verstreut und alle Gesellschaften seien unter der deutschen **M-GmbH** gebündelt. Über dieser Beteiligungsgesellschaft stehe eine Kommanditgesellschaft, deren Anteile zu 100 % von diversen Familienmitgliedern gehalten würden.

In rechtlicher Hinsicht werde letztendlich eine horizontale Verlustverrechnung beantragt. Nicht hingegen sei eine Transferierung des Ergebnisses nach Deutschland gewollt.

Von Seiten der belangten Behörde wurde ausgeführt, dass die Urteile des EuGH relativ klar seien. Das Problem liege jedoch insbesondere in der Inländerdiskriminierung, zumal es einem Inländer nicht offenstehe, eine reine Schwesterngruppe bzw horizontale Gruppe zu gestalten. Die Umsetzung der EuGH-Rechtsprechung eröffne für den Fall eines ausländischen Gruppenträgers einen größeren Gestaltungsspielraum. Zudem bestehe bei stattgebender Erledigung die Gefahr einer letztendlichen Nichtbesteuerung auf Grund von Vorgaben des anzuwendenden Doppelbesteuerungsabkommens.

Erörtert wurde weiter, ob mögliche zwingende Gründe des Allgemeininteresses gegen eine stattgebende Entscheidung sprächen. Es wurde dazu von beiden Parteien kein Vorbringen erstattet.

Schließlich gab die Beschwerdeführerin zu Protokoll, dass, sofern eine Zurechnung zu einer der inländischen Schwestergesellschaften vorgenommen werde, die Zurechnung zur **T2-GmbH** erfolgen solle.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Entscheidungsrelevanter Sachverhalt

Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung deutschen Rechts mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung in Deutschland. Der Geschäftsgegenstand liegt in der Bündelung und einheitlichen Leitung der Auslandsaktivitäten des Familienunternehmens **B**. Die **B-Gruppe** ist international tätig, verfügt über etwa 40 weltweit verstreute Gesellschaften, die allesamt unter der deutschen Beschwerdeführerin gebündelt sind.

In Österreich verfügte die Beschwerdeführerin über keinen von der Hauptniederlassung räumlich abgesonderten und organisatorisch weitgehend verselbstständigten Gesellschaftsteil, der unter eigener Leitung tätig ist und fortlaufend im Namen der Beschwerdeführerin handeln darf.

Die Beschwerdeführerin war unmittelbar am Stammkapital und an den Stimmrechten der beiden Gesellschaften **T2-GmbH** (Beteiligungsausmaß 99,8 %) und **T1-GmbH** (Beteiligungsausmaß 100 %) beteiligt. Die beiden Schwestergesellschaften hatten sowohl Sitz als auch Ort ihrer Geschäftsleitung in Österreich und waren in Österreich operativ tätig.

Sowohl die Beschwerdeführerin, als auch ihre beiden inländischen Tochtergesellschaften, haben ihren Bilanzstichtag jeweils zum 31.12. eines Jahres.

Mit Schreiben vom übermittelte die Beschwerdeführerin die amtlichen Formulare (Formulare G1, G2 und G4), die am von den gesetzlichen Vertretern der Beschwerdeführerin sowie ihrer inländischen Tochtergesellschaften unterfertigt worden waren, unter Anschluss eines aktuellen Organigramms, an das (vormals zuständige) Finanzamt Wien 1/23. Beantragt wurde damit die Feststellung einer Unternehmensgruppe mit Wirksamkeit ab dem Veranlagungsjahr 2017 mit der Beschwerdeführerin als alleiniger Gruppenträgerin. Als Gruppenmitglieder wurden die **T2-GmbH**, mit der die Beschwerdeführerin in Form einer unmittelbaren Beteiligung im Ausmaß von 99,8 % am Stammkapital seit dem finanziell verbunden war sowie die **T1-GmbH**, mit der die Beschwerdeführerin in Form einer unmittelbaren Beteiligung im Ausmaß von 100 % am Stammkapital seit dem finanziell verbunden war, benannt. Angegeben wurde, dass ein Steuerausgleich zwischen Gruppenträger und Gruppenmitgliedern vereinbart worden war.

Klarstellend wird zusätzlich noch angeführt, dass bei der **T2-GmbH** im relevanten Zeitpunkt keine Vor- oder Außengruppenverluste vorlagen und somit diesbezüglich bereits aus diesem Grund keinerlei Verrechnungsmöglichkeit besteht.

2. Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, insbesondere aus den vorliegenden amtlichen Formularen. Daneben erfolgten Abfragen im offenen Firmenbuch. Im Rahmen der abgehaltenen mündlichen Verhandlung wurde der festgestellte Sachverhalt von beiden Parteien bestätigt und kann derart als unstrittig angesehen werden.

Das Nicht-Vorliegen von Vor- und Außergruppenverlusten bei der **T2-GmbH** ergibt sich aus den eingesehenen Bescheiden und wurde sowohl von der belangten Behörde als auch von der Beschwerdeführerin bestätigt.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1 Zu Spruchpunkt I. (Beschwerdestattgabe)

Zu beurteilen ist die Zulässigkeit der beantragten Bildung einer Unternehmensgruppe zwischen der beschwerdeführenden deutschen **M-GmbH** als Gruppenträgerin und ihren österreichischen Tochtergesellschaften, **T2-GmbH** und **T1-GmbH**, als Gruppenmitglieder. Der diesbezüglich gestellte Antrag zielt dabei darauf ab, dass die steuerlichen Ergebnisse der beiden inländischen Tochtergesellschaften (Schwestergesellschaften) miteinander ausgeglichen werden können (und nicht, dass der deutschen Gruppenträgerin Ergebnisse zugerechnet werden).

Die Beschwerdeführerin ist eine GmbH nach deutschem Recht mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung in Deutschland. Mangels inländischer Geschäftsleitung bzw inländischem Sitz handelt es sich bei der Beschwerdeführerin gemäß § 1 Abs 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 (KStG) iVm § 27 der Bundesabgabenordnung (BAO) nicht um eine in Österreich unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft. Entsprechend obiger Feststellungen verfügt die Beschwerdeführerin in Österreich auch über keinen von der Hauptniederlassung räumlich abgesonderten und organisatorisch weitgehend verselbstständigten Gesellschaftsteil, der unter eigener Leitung tätig ist und fortlaufend im Namen der Beschwerdeführerin handeln darf. Sie verfügt somit über keine inländische Zweigniederlassung, der die Beteiligungen an ihren inländischen Tochtergesellschaften zugeordnet werden kann.

Die beiden inländischen Tochtergesellschaften, an denen die Beschwerdeführerin unmittelbar 100 % bzw 99,8 % des Stammkapitals und der Stimmrechte besitzt, sind Gesellschaften mit beschränkter Haftung nach österreichischem Recht. Sie haben ihre Geschäftsleitung als auch ihren Sitz in Österreich und sind somit gemäß § 1 Abs 2 Z 1 KStG iVm § 27 BAO unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften.

Nach der nationalen Gruppenbesteuerungsregelung können gemäß § 9 Abs 1 KStG finanziell verbundene Körperschaften nach Maßgabe des § 9 Abs 8 KStG eine Unternehmensgruppe bilden. Als Gruppenmitglieder kommen nach Abs 2 ua unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften, die unter § 7 Abs 3 KStG fallen, in Betracht.

In formaler Hinsicht sieht § 9 Abs 8 KStG dabei vor, dass sich die Gruppenbesteuerung auf den Gruppenträger und die Gruppenmitglieder, die in einem schriftlichen Gruppenantrag genannt sind, erstreckt. Dabei wird folgendes bestimmt:

  • Der Gruppenantrag ist von den gesetzlichen Vertretern des Gruppenträgers und aller einzubeziehenden inländischen Körperschaften zu unterfertigen.

  • Der Gruppenantrag muss nachweislich vor dem Ablauf jenes Wirtschaftsjahres jeder einzubeziehenden inländischen Körperschaft unterfertigt werden, für das die Zurechnung des steuerlich maßgebenden Ergebnisses erstmalig wirksam sein soll.

  • Im Gruppenantrag ist zu erklären, dass zwischen den finanziell verbundenen inländischen Körperschaften jeweils eine Regelung über den Steuerausgleich vereinbart worden ist.

  • Im Gruppenantrag sind die Beteiligungs- und Stimmrechtsverhältnisse sowie die Wirtschaftsjahre aller einzubeziehenden Körperschaften anzugeben.

  • Der Gruppenantrag ist vom Gruppenträger, bei Vorliegen einer Beteiligungsgemeinschaft vom Hauptbeteiligten oder im Zweifel von einem von der Beteiligungsgemeinschaft bestimmten Mitbeteiligten bei dem für den Antragsteller für die Erhebung der Körperschaftsteuer zuständigen Finanzamt, unter Verwendung des amtlichen Vordruckes, innerhalb eines Kalendermonats nach der Unterfertigung des letzten gesetzlichen Vertreters zu stellen. Alle übrigen einzubeziehenden inländischen Körperschaften haben dem jeweils für jede Körperschaft zuständigen Finanzamt die Tatsache einer Antragstellung anzuzeigen.

  • Das für die Erhebung der Körperschaftsteuer des Antragstellers zuständige Finanzamt hat das Vorliegen der Voraussetzungen für das Bestehen der Unternehmensgruppe gegenüber allen den Antrag unterfertigten Körperschaften bescheidmäßig festzustellen.

§ 9 Abs 3 KStG legt fest, wer als Gruppenträger in Frage kommt. Neben den benannten unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften, erfasst die Bestimmung unter konkreten Umständen auch beschränkt steuerpflichtige Gesellschaften. Die Bestimmung lautet diesbezüglich (auszugsweise):

"(3) Gruppenträger können sein

[…]

  • beschränkt steuerpflichtige

  • in der Anlage 2 zum Einkommensteuergesetz 1988 in der jeweils geltenden Fassung genannten, den von den Teilstrichen 1 bis 4 umfassten inländischen Rechtsformen vergleichbaren Gesellschaften und

  • den Kapitalgesellschaften vergleichbare Gesellschaften, die den Ort der Geschäftsleitung und den Sitz in einem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes haben,

wenn sie mit einer Zweigniederlassung im Firmenbuch eingetragen sind und die Beteiligung an den Gruppenmitgliedern (Abs. 2) der Zweigniederlassung zuzurechnen ist, und

[…]"

Abgesehen davon, dass es sich bei der beantragten Gruppenträgerin weder um eine unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft, noch um eine beschränkt steuerpflichtige Gesellschaft im genannten Sinne mit einer inländischen Zweigniederlassung handelt, sind die von § 9 KStG statuierten Erfordernisse im gegenständlichen Fall erfüllt. Die beantragten Gruppenmitglieder sind unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften, die unter § 7 Abs 3 KStG fallen. Die Beschwerdeführerin übermittelte dem zuständigen Finanzamt mit Schreiben vom die am von den gesetzlichen Vertretern der Beschwerdeführerin sowie der einzubeziehenden inländischen Tochtergesellschaften unterfertigten vorgesehenen amtlichen Formulare betreffend "Antrag auf Feststellung einer Unternehmensgruppe", samt aktuellem Organigramm. Die Unterfertigung erfolgte somit vor Ablauf des Wirtschaftsjahres (im gegenständlichen Fall gleich dem Kalenderjahr) 2017, für das die Zurechnung erstmalig wirksam sein soll und innerhalb eines Kalendermonats nach der Unterfertigung des letzten gesetzlichen Vertreters wurde der Antrag gestellt. Es wurde im Antrag die gesetzesmäßige Regelung über den Steuerausgleich vereinbart, die Beteiligungs- und Stimmrechtsverhältnisse sowie Wirtschaftsjahre wurden angegeben und die Einreichung bzw Anzeige erfolgte rechtzeitig und gesetzeskonform.

Es handelt sich jedoch bei der als Gruppenträgerin beantragten Beschwerdeführerin weder um eine in Österreich unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft, noch verfügt sie als nur beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft über eine inländische Zweigniederlassung, der die Beteiligungen an den inländischen Tochtergesellschaften zugerechnet werden könnten. Dem Wortlaut des § 9 Abs 3 KStG nach ist die Beschwerdeführerin somit keine gruppenträgerfähige Körperschaft.

Aus diesem Grund verwehrte das zuständige Finanzamt die nach § 9 Abs 8 6. TS KStG vorgesehene bescheidmäßige Feststellung der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen und erledigte die beantragte Gruppenbildung abweisend.

Betreffend das von § 9 Abs 3 KStG statuierte Erfordernis der "im Firmenbuch eingetragenen Zweigniederlassung" ist klarstellend vorweg darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin generell über keine inländische Zweigniederlassung, also über keinen von der Hauptniederlassung räumlich abgesonderten, weitgehend verselbständigten Teil des Unternehmens, der unter einer eigenen Leitung tätig wird, die fortlaufend namens der Gesellschaft für den betreffenden Unternehmensteil rechtsverbindlich zu handeln berechtigt ist, verfügt (vgl zur Definition des Begriffs "Zweigniederlassung" Lachmayer in Lachmayer/Strimitzer/Vock, 9 Abs 3 KStG, 34. Lfg, Dezember 2020, Tz 196, mit Verweis auf Jabornegg/Geist in Jabornegg/Strasser, AktG5 § 254 Tz 7). Vielmehr sind die Beteiligungen an den inländischen Tochtergesellschaften direkt der steuerlich in Deutschland ansässigen Beschwerdeführerin zuzuordnen.

Es mangelt gegenständlich somit nicht lediglich an der Erfüllung der Formalvoraussetzung der bloßen Firmenbucheintragung, sondern allgemein an der Existenz einer inländischen Zweigniederlassung bzw einer damit wohl gleichzeitig auch verlangten Betriebsstätte.

Es handelt sich bei der Beschwerdeführerin (jedoch) um eine in der Anlage 2 zum EStG erwähnten Körperschaft, einer sogenannten "EU-Gesellschaft" (vgl Anlage 2 zu § 94 Z 2 EStG Z 1 lit f, Gesellschaft deutschen Rechts mit der Bezeichnung "Gesellschaft mit beschränkter Haftung").

Von Seiten des Bundesfinanzgerichts ist daher zu prüfen, ob das für derartige Gesellschaften normierte Erfordernis einer inländischen Zweigniederlassung einen Verstoß gegen die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit nach Art 49 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) darstellt.

Art 49 AEUV bestimmt:

"Die Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten. Das Gleiche gilt für Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedstaats, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig sind.

Vorbehaltlich des Kapitels über den Kapitalverkehr umfasst die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbstständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften im Sinne des Artikels 54 Absatz 2, nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen."

Nach Art 54 AEUV stehen für die Anwendung des Kapitels "Niederlassungsrecht" die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Union haben, den natürlichen Personen gleich, die Angehörige der Mitgliedstaaten sind. Als Gesellschaften gelten dabei ua juristische Personen des privaten Rechts.

Aufgrund der Beteiligungen an den bezeichneten inländischen Tochtergesellschaften und der vorgenommenen Investition in die Beteiligungen übt die Beschwerdeführerin eine grenzüberschreitende, selbständige und wirtschaftliche Tätigkeit aus. Sie fällt somit unter den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit. Es ist somit jede Diskriminierung aufgrund des Ortes des Sitzes grundsätzlich untersagt. Neben der Diskriminierung ist auch die Beschränkung der Ausübung der Niederlassungsfreiheit untersagt.

Im vorliegenden Fall wirkt sich das Erfordernis der inländischen Zweigniederlassung beschränkend auf die Aufnahme sowie die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit aus, weil die wirtschaftliche Tätigkeit der Beschwerdeführerin in Österreich weniger attraktiv gemacht, eingeschränkt und beeinträchtigt wird. Der Eingriff ergibt sich im Konkreten daraus, dass die Ergebnisse der inländischen Tochtergesellschaften nicht untereinander verrechnet werden können, was einen Steuer- und Liquiditätsvorteil für die betroffenen Gesellschaften unterbindet. Eine Beeinträchtigung liegt auch dahingehend vor, dass der Beschwerdeführerin faktisch vorgeschrieben wird, ihre wirtschaftliche Tätigkeit in Österreich in Form einer Zweigniederlassung auszuüben, sofern sie vom Steuer- und Liquiditätsvorteil Gebrauch machen will. Die Wahl, wie sie ihre wirtschaftliche Tätigkeit in Österreich ausübt, wird damit eingeschränkt. Die Etablierung einer Zweigniederlassung würde bedingen, dass die Beschwerdeführerin neben ihrer in Deutschland ansässigen Hauptniederlassung einen räumlich abgesonderten und organisatorisch weitgehend verselbständigten Unternehmensteil in Österreich begründen müsste, was mit wirtschaftlichen und finanziellen Belastungen verbunden wäre.

Konkret hat sich der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) bereits mehrfach mit der Unionsrechtskonformität von Gruppenbesteuerungsmodellen beschäftigt. Für den vorliegenden Fall ist insbesondere auf folgende zwei Urteile hinzuweisen:

  • SCA Group Holding BV ua, verbundene Rechtssachen C-39/13, C-40/13 und C-41/13 (dabei insbesondere Rs X AG ua, C-40/13), sowie

  • B ua, C-749/18.

Derart erkannte der Gerichtshof in der Rs X AG ua zu Recht, dass Art 49 AEUV und 54 AEUV dahingehend auszulegen sind, dass sie Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegenstehen, nach denen eine Regelung der steuerlichen Einheit auf eine gebietsansässige Muttergesellschaft, die gebietsansässige Tochtergesellschaften hält, Anwendung findet, nicht aber auf gebietsansässige Schwestergesellschaften, deren gemeinsame Muttergesellschaft ihren Sitz nicht in diesem Mitgliedstaat und dort keine Betriebsstätte hat.

Zugrundeliegend sah das niederländische Gruppenbesteuerungssystem vor, dass in dem Fall, dass eine Muttergesellschaft, die zumindest 95 % rechtlich und wirtschaftlich am Nennkapital einer (oder mehrerer) Tochtergesellschaft(en) beteiligt ist, auf Antrag beider Steuerpflichtigen die Steuer so erhoben wird, als handle es sich um einen Steuerpflichtigen (eine steuerliche Einheit). Die Steuer würde diesfalls bei der Muttergesellschaft erhoben werden. Ein Steuerpflichtiger, der nicht in den Niederlanden ansässig ist, kann (jedoch nur) dann zu einer solchen steuerlichen Einheit gehören, wenn er sein Unternehmen über eine in den Niederlanden befindliche Betriebsstätte betreibt.

Im Ausgangsfall hielt die in Deutschland ansässige Muttergesellschaft unmittelbar bzw mittelbar die Anteile von drei in den Niederlanden ansässigen Gesellschaften (Schwestergesellschaften). Die Schwestergesellschaften beantragten, gemeinsam zu einer steuerlichen Einheit zusammengefasst zu werden, was von der niederländischen Finanzverwaltung abgelehnt wurde, zumal die Muttergesellschaft ihren Sitz nicht in den Niederlanden bzw dort keine feste Betriebsstätte hatte (vgl Rn 13 ff).

In Beantwortung der Vorlagefragte führt der Gerichtshof unter Rn 45 ff im Wesentlichen aus, dass die Niederlassungsfreiheit die Inländerbehandlung im Aufnahmestaat gewährleisten soll, indem sie jede Diskriminierung aufgrund des Ortes des Sitzes einer Gesellschaft untersagt. Eine Regelung der steuerlichen Einheit wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende stellt für die betreffenden Gesellschaften eine Steuervergünstigung dar. Sie beschleunigt den Ausgleich der Verluste der defizitären Gesellschaften durch ihre unmittelbare Verrechnung mit den Gewinnen anderer Konzerngesellschaften und verschafft dem Konzern dadurch einen Liquiditätsvorteil (Verweis auf das Urteil vom , Marks & Spencer, C-446/03, Rn 32). Die in Rede stehenden Vorschriften führen somit zu einer Ungleichbehandlung von Muttergesellschaften mit Sitz in den Niederlanden, denen eine Verlustverrechnung mit ihren Tochtergesellschaften gestattet ist und Muttergesellschaften, die gleichfalls in den Niederlanden ansässige Tochtergesellschaften halten, ihren Sitz aber in einem anderen Mitgliedstaat und in den Niederlanden keine Betriebsstätte haben, denen die Inanspruchnahme der steuerlichen Einheit und somit der Liquiditätsvorteil, zu dem diese berechtigt, verwehrt ist.

Durch die damit vorliegende Benachteiligung von Sachverhalten mit Gemeinschaftsbezug (Unionsbezug) gegenüber rein innerstaatlichen Sachverhalten, erkannte der EuGH, dass eine die Niederlassungsfreiheit grundsätzlich verbotene Beschränkung vorlag (mit Verweis auf das Urteil vom , Papillon, C-418/07, Rn 32).

Zur Thematik der Rechtfertigung der Beschränkung führt der Gerichtshof unter Rn 50 ff im Wesentlichen aus, dass das Ziel der in Rede stehenden Regelung der steuerlichen Einheit, nämlich Gesellschaften ein und desselben Konzerns zu ermöglichen, steuerlich so betrachtet zu werden, als handle es sich nur um einen einzigen Steuerpflichtigen, sich ebenso gut bei Konzernen mit gebietsansässiger Muttergesellschaft wie bei jenen erreichen lässt, deren Muttergesellschaft gebietsfremd ist. Er sah damit die unterschiedliche Behandlung hinsichtlich der Möglichkeit einer steuerlichen Integration von Schwestergesellschaften nicht als durch eine objektiv unterschiedliche Situation gerechtfertigt an. Eine Rechtfertigung war auch nicht durch die angeführten zwingenden Gründe des Allgemeininteresses, nämlich der Wahrung der Kohärenz der Steuerregelung in Verbindung mit der Verhinderung einer doppelten Verlustberücksichtigung, gegeben.

Der Gerichtshof kam damit zum Ergebnis, dass die Niederlassungsfreiheit nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, die einer gebietsansässigen Muttergesellschaft, die gebietsansässige Tochtergesellschaften hält, eine steuerliche Einheit erlaubt, aber gebietsansässige Schwestergesellschaften, deren gemeinsame Muttergesellschaft ihren Sitz nicht in diesem Mitgliedstaat und dort keine Betriebsstätte hat, davon ausschließt (vgl Rn 56).

In der Rs B ua ( C-749/18) bekräftigte der Gerichtshof dieses unionsrechtliche Erfordernis einer horizontalen steuerlichen Integration zwischen Schwestergesellschaften.

Zugrundeliegend sah das luxemburgische Recht (bis zum Jahr 2014) folgende Regelung zur steuerlichen Integration vor:

"(1) Unbeschränkt steuerpflichtige gebietsansässige Kapitalgesellschaften, deren Kapital zu mindestens 95 % unmittelbar oder mittelbar von einer anderen unbeschränkt steuerpflichtigen gebietsansässigen Kapitalgesellschaft oder von einer inländischen Betriebsstätte einer gebietsfremden Kapitalgesellschaft gehalten wird, die uneingeschränkt einer der Körperschaftsteuer entsprechenden Steuer unterliegt, können auf Antrag für steuerliche Zwecke in die Muttergesellschaft oder die inländische Betriebsstätte integriert werden, so dass ihre jeweiligen steuerlichen Ergebnisse mit denen der Muttergesellschaft oder der inländischen Betriebsstätte zusammengerechnet werden.

[…]

(4) Die steuerliche Integration setzt einen gemeinsamen schriftlichen Antrag der Muttergesellschaft oder der inländischen Betriebsstätte und der betreffenden Tochtergesellschaften voraus. Der Antrag ist vor dem Ende des ersten Wirtschaftsjahrs des Zeitraums, für den die steuerliche Integration beantragt wird und der sich über mindestens fünf Wirtschaftsjahre erstrecken muss, bei der Administration des contributions directes [(Finanzverwaltung)] einzureichen. […]"

Sachverhaltsmäßig beantragten drei Gesellschaften luxemburgischen Rechts mit steuerlichem Sitz in Luxemburg, deren Kapital mittelbar bzw unmittelbar von einer französischen Aktiengesellschaft mit steuerlichem Sitz in Frankreich gehalten wurde, das System der steuerlichen Integration in Anspruch nehmen zu dürfen.

Das vorlegende Gericht wollte dabei vom Gerichthof wissen, ob Art 49 und 54 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die zwar eine vertikale steuerliche Integration zwischen einer gebietsansässigen Muttergesellschaft oder einer inländischen Betriebsstätte einer gebietsfremden Muttergesellschaft und ihren gebietsansässigen Tochtergesellschaften, nicht aber eine horizontale steuerliche Integration zwischen den gebietsansässigen Tochtergesellschaften einer gebietsfremden Muttergesellschaft zulassen (vgl Rn 20).

Unter Rn 22 führte der Gerichtshof dazu aus, dass der Sitz von Gesellschaften im Sinne von Art 54 AEUV dazu dient, ihre Zugehörigkeit zur Rechtsordnung eines Staates zu bestimmen. Könnte der Ansässigkeitsmitgliedstaat nach seinem Belieben eine ungleiche Behandlung allein deshalb vornehmen, weil sich der Sitz einer Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat befindet, würde Art 49 AEUV seines Sinnes entleert. Die Niederlassungsfreiheit soll somit die Inländerbehandlung im Aufnahmemitgliedstaat gewährleisten, indem sie jede Diskriminierung aufgrund des Ortes des Sitzes einer Gesellschaft untersagt.

Das vorgesehene System der steuerlichen Integration stellt eine Steuervergünstigung dar, ein Liquiditätsvorteil wird geschaffen. Dieser Steuervorteil würde (nur) in Luxemburg ansässigen Muttergesellschaften oder inländischen Betriebsstätten gebietsfremder Muttergesellschaften gewährt, indem den gebietsansässigen Tochtergesellschaften gestattet wird, ihre steuerlichen Ergebnisse auf der Ebene dieser Muttergesellschaften und Betriebsstätten zu konsolidieren (vgl Rn 23 f).

Der EuGH erblickte derart in dieser Regelung eine Ungleichbehandlung einerseits zwischen Muttergesellschaften mit Sitz in Luxemburg, die dieses System nutzen konnten, und andererseits Muttergesellschaften, die zwar ebenfalls Tochtergesellschaften in Luxemburg haben, deren Sitz sich aber in einem anderen Mitgliedstaat befindet und die keine Betriebsstätte in Luxemburg haben, und somit die steuerliche Integration und folglich den damit verbundenen Steuervorteil nicht für sich in Anspruch nehmen können (vgl Rn 25). Klarstellend wies der Gerichtshof darauf hin, dass es nicht darum gehe, die gebietsfremde Muttergesellschaft in das luxemburgische System der steuerlichen Integration einzubeziehen, sondern nur um die Möglichkeit, die horizontale Integration der von ihren allesamt in Luxemburg ansässigen Tochtergesellschaften erzielten Ergebnissen vorzunehmen. Dass die gebietsfremde Muttergesellschaft nicht der luxemburgischen Steuerhoheit unterliegt, ist daher unerheblich (vgl Rn 27).

Die Niederlassungsfreiheit lässt den Wirtschaftsteilnehmern ausdrücklich die Möglichkeit, so der Gerichtshof, die geeignete Rechtsform für die Ausübung ihrer Tätigkeiten in einem anderen Mitgliedstaat frei zu wählen. Diese freie Wahl darf nicht durch diskriminierende Steuerbestimmungen eingeschränkt werden. Somit war für den Gerichtshof das Vorbringen, dass die Gründung einer für die bestehenden Tochtergesellschaften die Rolle der Muttergesellschaft übernehmenden Betriebsstätte, oder die Schaffung einer zwischengeschalteten Tochtergesellschaft in Luxemburg, es der gebietsfremden Muttergesellschaft ermöglicht hätte, die steuerliche Integration der Ergebnisse ihrer Tochtergesellschaften zu erreichen, ohne Belang.

Da die luxemburgische Regelung grenzüberschreitende Sachverhalte gegenüber rein innerstaatlichen Sachverhalten steuerlich benachteiligten, stellten sie eine durch die Vertragsvorschriften über die Niederlassungsfreiheit grundsätzlich verbotene Beschränkung dar (vgl Rn 31). Eine solche Beschränkung ist nur zulässig, wenn sie Situationen betrifft, die nicht objektiv miteinander vergleichbar sind, oder wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist und in einem angemessenen Verhältnis zu diesem Ziel steht (vgl Rn 32).

Im Fall lagen nach Ansicht des EuGH objektiv vergleichbare Sachverhalte vor und das Ziel der steuerlichen Neutralität hätte sich, was die Konsolidierung der Ergebnisse der in Luxemburg ansässigen Tochtergesellschaften und ihre Besteuerung in diesem Mitgliedstaat angeht, ebenso gut bei Gruppen mit gebietsansässigen Muttergesellschaften, wie bei solchen mit gebietsfremden Muttergesellschaften erreichen lassen (vgl Rn 36).

Zumal auch keine Gründe des Allgemeininteresses angeführt wurden, mit denen sich die vorliegende Ungleichbehandlung gegebenenfalls rechtfertigen lassen hätte, erkannte der Gerichtshof, dass Art 49 und 54 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die zwar eine vertikale steuerliche Integration zwischen einer gebietsansässigen Muttergesellschaft oder einer inländischen Betriebsstätte einer gebietsfremden Muttergesellschaft und ihren gebietsansässigen Tochtergesellschaften, nicht aber eine horizontale steuerliche Integration zwischen den gebietsansässigen Tochtergesellschaften einer gebietsfremden Muttergesellschaft zulassen.

Der beschwerdegegenständliche Fall, bei dem der steuerlich nicht in Österreich ansässigen Beschwerdeführerin ohne inländische Zweigniederlassung die beantragte Gruppenbildung bzw der damit gewollte Ergebnisausgleich zwischen ihren inländischen Tochtergesellschaften von der Abgabenbehörde verwehrt wird, zeigt, dass das österreichische Gruppenbesteuerungssystem durchaus mit den den EuGH-Urteilen zugrundeliegenden Systemen der steuerlichen Einheit in den Niederlanden bzw der steuerlichen Integration in Luxemburg vergleichbar gestaltet ist. Zwar fordern die ausländischen Systeme eine höhere Mindestbeteiligung und ist statt einer bloßen Ergebniszurechnung eine Vollkonsolidierung vorgesehen, doch ist/war (zumindest vor dem Jahr 2015) jeweils nur eine vertikale Ergebniszurechnung vorgesehen und beschäftigte sich der EuGH dennoch mit der Frage der Notwendigkeit einer horizontalen steuerlichen Zurechnung. Insbesondere statuierten sowohl das niederländische, als auch das luxemburgische Recht für gebietsfremde Muttergesellschaften auch das Erfordernis einer inländischen Betriebsstätte.

Das niederländische und das luxemburgische System sind insbesondere auch aus dem Grund mit dem österreichischen Gruppenbesteuerungssystem vergleichbar, weil alle Systeme eine Steuervergünstigung darstellen. Die durch solche Systeme eröffneten Ausgleichsmöglichkeiten von negativen Einzelergebnissen der einbezogenen Gesellschaften mit positiven Gesellschaftsergebnissen verschafft den betroffenen Gesellschaften in all diesen Systemen einen Liquiditätsvorteil und damit eine steuerliche Begünstigung.

Im vorliegenden österreichischen Fall wird diese Steuervergünstigung (vergleichbar mit den Regelungen in den Niederlanden bzw Luxemburg) jedoch nur Unternehmensgruppen mit steuerlich im Inland ansässigen Muttergesellschaften oder inländischen eingetragenen Zweigniederlassungen (Betriebsstätten) gebietsfremder Muttergesellschaften, denen die Beteiligung zuzurechnen ist, gewährt. Die Gesellschaften der beschwerdegegenständlich beantragten Unternehmensgruppe mit der steuerlich im Ausland ansässigen und über keine inländische Zweigniederlassung verfügenden Beschwerdeführerin als Gruppenträgerin, sind nach der nationalen Vorschrift von dieser Begünstigung ausgeschlossen, positive und negative Einzelergebnisse der inländischen Tochtergesellschaften könnten demnach nicht miteinander ausgeglichen werden.

Es ist damit das Vorliegen einer Ungleichbehandlung im Verhältnis zum reinen Inlandsfall festzustellen. Diese Ungleichbehandlung wird auch dadurch nicht in Frage gestellt, dass alle der österreichischen Steuerhoheit unterliegenden Gesellschaften gleichbehandelt werden.

Dem möglichen Einwand, es wäre der Beschwerdeführerin offen gestanden, eine inländische Zweigniederlassung zu schaffen und dieser die Beteiligungen zuzuordnen, kann, zumal inländischen Gruppenträgern ein derartiges Erfordernis nicht vorgeschrieben wird, keinerlei Belang zugemessen werden. Die Niederlassungsfreiheit räumt den Wirtschaftsteilnehmern eben ausdrücklich auch die Wahlfreiheit ein, die wirtschaftliche Tätigkeit in einem Mitgliedstaat durch eine Betriebsstätte oder durch eine Tochtergesellschaft auszuüben. Es ist in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, dass eine inländische Zweigniederlassung einen deutlichen Mehraufwand in der Errichtung und in der laufenden Administration verursachen würde, und dass das Konzept der Niederlassungsfreiheit eben auch die freie Wahl jenes Mitgliedstaates umfasst, in dem die Bündelung von Managementaufgaben bzw strategischen Überlegungen stattfinden soll. Darüber hinaus stellt sich die Voraussetzung einer Zweigniederlassung weder als geeignet noch als verhältnismäßig dar, den inländischen Besteuerungsanspruch sicher zu stellen. Vielmehr ist eine (Sicherung der) Besteuerung auch bei fehlender Zweigniederlassung leicht möglich.

Ein wesentlicher Einwand gegen die Gewährung der gegenständlich beantragten Gruppenbildung könnte dahingehend formuliert werden, dass das nationale Recht (bloß) eine vertikale Ergebniszurechnung zum jeweiligen Gruppenträger vorsieht. Im gegenständlichen Fall könnte sich dies insofern als problematisch erweisen, als dadurch die österreichische Besteuerungshoheit verletzt werden könnte, wenn etwa Doppelbesteuerungsvorschriften das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft zuweisen (siehe dazu weiter unten). Diesem Einwand wird damit begegnet, dass es nicht darum geht, darauf weist der EuGH etwa in seinem Urteil in der Rs B ua unter Rn 27 auch ausdrücklich hin, eine gebietsfremde Muttergesellschaft zu denselben Bedingungen wir ihre gebietsansässigen Tochtergesellschaften in ein nationales Gruppenbesteuerungssystem einzubeziehen, sondern letztendlich bloß darum, die steuerlichen Einzelergebnisse der inländischen Tochtergesellschaften horizontal miteinander auszugleichen.

Ein derartiger Ausgleich setzt nicht zwingend eine vertikale Ergebniszurechnung voraus, sondern kann auch auf andere Art und Weise erreicht werden. Unerheblich ist dabei, so auch wieder der EuGH, dass die gebietsfremde Muttergesellschaft nicht der nationalen Steuerhoheit unterliegt. Auch ist der Umstand, dass bei einem reinen Inlandssachverhalt ein horizontaler Ausgleich nicht zugelassen wird, bedeutungslos. Dies aus dem Grund, weil eine Ergebnisverrechnung bei einer gebietsansässigen Gruppenträgerin im Endeffekt immer möglich ist.

Es ergibt sich damit, dass die in § 9 Abs 3 KStG normierte Einschränkung der Gruppenbildung, die den gegenständlich beantragten Ergebnisausgleich zweier inländischer Tochtergesellschaften der nicht gebietsansässigen Beschwerdeführerin ohne inländische Zweigniederlassung nicht gestattet, eine unionsrechtlich grundsätzlich verbotene Beschränkung darstellt. Auch wenn nationale Vorschriften einer Inlandsgruppe lediglich eine vertikale Ergebniszurechnung erlauben, verlangt das Unionsrecht, dass den gegenständlichen Tochtergesellschaften der begehrte horizontale Ergebnisausgleich prinzipiell zuzuerkennen ist.

Als statthaft würde sich die vorliegende Beschränkung nach der zitierten Rechtsprechung bloß dann erweisen, wenn sie entweder Situationen betrifft, die objektiv nicht miteinander vergleichbar sind, oder ein zwingender Grund des Allgemeininteresses die Beschränkung rechtfertigt.

Die Vergleichbarkeit des vorliegenden grenzüberschreitenden Sachverhalts mit einem rein innerstaatlichen Sachverhalt ist dabei unter Berücksichtigung des mit der betreffenden Bestimmung verfolgten Ziels zu prüfen, welches offensichtlich darin liegt, allen oder einem Teil der Gesellschaften einen Ergebnisausgleich zu ermöglichen und derart für eine steuerliche Neutralität zu sorgen. Auf dieses Ziel bezogen, ist im vorliegenden Fall eine objektive Vergleichbarkeit gegeben. Die vorliegende Ungleichbehandlung betrifft somit objektiv vergleichbare Sachverhalte, wobei sich das erwünschte Ziel gleich gut bei Gruppen mit gebietsansässigen Muttergesellschaften, wie bei solchen mit gebietsfremden erreichen lässt.

Schließlich sind gegenständlich auch keine zwingenden Gründe des Allgemeininteresses ersichtlich, die die Beschränkung rechtfertigen könnten, und wurden von den Parteien, trotz erfolgter Aufforderung durch das Gericht, auch keine angeführt. Angemerkt sei diesbezüglich, dass sich weder die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse, noch die Wahrung der steuerlichen Kohärenz als tauglich erweisen würden (vgl EuGH Rs X AG ua, Rn 53 f). Erwähnt sei weiter, dass in anderen Fällen anerkannte Gründe des Allgemeininteresses, wie etwa das Argument der Steueraufsicht oder der Steuerkontrolle, die Verhinderung der doppelten Verlustberücksichtigung, die Verhinderung der Steuerfluchtgefahr oder die Sicherung des inländischen Steueranspruches, im vorliegenden Fall nicht zutreffen. Eine unionsrechtskonforme Lösung des vorliegenden Falls führt weder zu einer Verschiebung oder zum Verlust des Steueranspruchs, noch zu einer doppelten Verlustberücksichtigung. Die Argumente der Steueraufsicht oder der Steuerkontrolle können bereits schon aufgrund des Bestehens einer umfassenden Amtshilfe mit Deutschland nicht greifen. Der österreichischen Finanzverwaltung ist es somit (leicht) möglich, die Besteuerung der inländischen Einkünfte sicherzustellen. Eine Berufung auf allenfalls vorliegende (bloße) Umsetzungsschwierigkeiten im Zusammenhang mit der Gewährleistung der inländischen Besteuerung, kann diesbezüglich auch nicht als tauglich qualifiziert werden.

Die in Art 49 und 54 AEUV statuierte Niederlassungsfreiheit steht somit dem von § 9 Abs 3 KStG (nur) beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaften auferlegten Erfordernis der inländischen Zweigniederlassung entgegen. Nach Auffassung des erkennenden Gerichts ist die benannte nationale Bestimmung insoweit unionsrechtswidrig. Diese Beurteilung steht im Übrigen in Übereinstimmung mit einer in Teilen des Schrifttums vertreten Auffassung (vgl etwa Lachmayer in Lachmayer/Strimitzer/Vock, § 9 Abs 3 KStG Tz 201 mwN).

Der Anwendungsvorrang der in der vorliegenden Konstellation unmittelbar anwendbaren Regelungen zur Niederlassungsfreiheit (vgl beispielsweise Royal Bank of Scotland, C-311/97, Rn 22) führt dazu, dass die nationale, dem Unionsrecht widersprechende Vorschrift des Erfordernisses einer inländischen Zweigniederlassung, verdrängt wird und somit unangewendet bleibt (vgl dazu etwa : "Nationales Recht bleibt insoweit unangewendet, als ein Verstoß gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht gegeben ist."; grundlegend dazu van Gend & Loos, 26/62).

Der vorliegende Gruppenantrag, der sämtliche (für den reinen Inlandsfall vorgesehene) Formalvoraussetzungen erfüllt, ist, entsprechend vorstehender Ausführungen, somit stattgebend zu erledigen. Das von der antragstellenden Beschwerdeführerin angestrebte Ergebnis deckt sich mit dem von der österreichischen Gruppenbesteuerungsregelung verfolgten Ziel der Ermöglichung des steuerlichen Ergebnisausgleichs und der damit verbundenen Schaffung eines Liquiditätsvorteils. Dieses Ergebnis ist - unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der Ausgleichsmöglichkeit - zu gewähren und derart der beabsichtigte Ausgleich der im Inlandskreis erzielten steuerlichen Einzelergebnisse zuzulassen.

Zumal der österreichische Gesetzgeber bislang nicht auf die angeführte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs reagierte, findet sich nicht geregelt, in welcher Art und Weise die tatsächliche Umsetzung der unionsrechtlich gebotenen Zulässigkeit der Gruppenbildung bzw Ergebnisverrechnung zu erfolgen hat, welcher Gesellschaft somit welche Einzelergebnisse zuzurechnen sind bzw auf welcher Ebene die Besteuerung vorzunehmen ist.

Das rechtsanwendende Gericht hat somit, solange der nationale Gesetzgeber keine unionsrechtskonforme Regelung geschaffen hat, für den vorliegenden Fall der unmittelbaren Anwendbarkeit von Unionsrecht, eine "bereinigte Rechtslage" zur Anwendung zu bringen. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind nämlich ua nationale Gerichte, die im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit die Bestimmungen des Unionsrechts anzuwenden haben, gehalten, für die volle Wirksamkeit dieser Bestimmungen Sorge zu tragen (vgl Eesti Pagar AS, C-349/17, Rn 91; , The Trustees of the BT Pension Scheme, C-628/15, Rn 54).

Dabei ist darauf zu achten, dass der nationale Besteuerungsanspruch so weit wie möglich erhalten bleibt ("Methode der geltungserhaltenden Reduktion"). Die Verdrängung darf also bloß jenes Ausmaß erreichen, das gerade noch hinreicht, um einen unionsrechtskonformen Zustand herbeizuführen. Bestehen mehrere gleichwertige unionsrechtskonforme Lösungen, ist jene Lösung zur Anwendung zu bringen, mit welcher materiell am wenigsten in das nationale Recht eingegriffen wird. Soweit als möglich, ist die normative Anordnung des nationalen Gesetzgebers aufrechtzuerhalten (vgl ; , 2011/15/0070; , 2008/15/0064).

Im Sinne der geltungserhaltenden Reduktion läge der nahestehend gelindeste Eingriff darin, bloß das von § 9 Abs 3 KStG statuierte Kriterium der Zweigniederlassung auszublenden. In diesem Fall würden die erzielten inländischen steuerlichen Einzelergebnisse der deutschen Beschwerdeführerin als Gruppenträgerin zugerechnet werden. Bei dieser (grundsätzlich vorgesehenen) vertikalen Zurechnung des Gruppenergebnisses an die deutsche Muttergesellschaft könnten sich jedoch allenfalls (wenn auch nicht zwingend) aus DBA-rechtlichen Gründen Probleme hinsichtlich des österreichischen Besteuerungsrechts ergeben (vgl dazu Lachmayer in Lachmayer/Strimitzer/Vock, § 9 Abs 3 KStG Tz 203; Pinetz/Spies, Ergebniskonsolidierung inländischer Schwestergesellschaften im Rahmen des § 9 KStG (Teil II), GES 2014, 510; Hohenwarter-Mayr, EuGH: Weitere Liberalisierung nationaler Gruppenbesteuerungssysteme. Teil 2: Auswirkungen auf die österreichische Gruppenbesteuerung, RdW 2015/240). Insbesondere könnten sich auch Schwierigkeiten in der technischen Umsetzung der Durchführung der Besteuerung auftun. Das Wegdenken des Kriteriums der Zweigniederlassung könnte somit dem Sinn der geltungserhaltenden Reduktion zuwiderlaufen.

Aus den angeführten Gründen bzw generell aus Gründen der Zweckmäßigkeit und Einfachheit bietet sich für den vorliegenden Fall daher die Lösung an, die Funktion der gebietsfremden Beschwerdeführerin auf jene eines bloßen Referenzobjekts für die Möglichkeit zur Teilnahme an der Gruppe zu beschränken, ihr aber nicht, wie beim Inlandsfall, die Einzelergebnisse der Gruppenmitglieder zuzurechnen. Stattdessen soll die Zurechnung der Ergebnisse zu einem inländischen Gruppenmitglied erfolgen (vgl in diesem Sinne Kühbacher, EuGH zur Ergebniskonsolidierung bei inländischen Schwestergesellschaften, ).

Eine derartige horizontale Ergebniszurechnung stellt zwar eine umfassendere Änderung des österreichischen Systems und damit dem ersten Anschein nach einen wesentlicheren Eingriff dar, dennoch wird dieser Lösung vom Bundesfinanzgericht der Vorzug eingeräumt, zumal sie am ehesten den Wertungsentscheidungen und dem System des verdrängten nationalen Rechts entspricht.

Zudem verlangt eine derartige Vorgehensweise etwa auch nicht die Schaffung bzw Fingierung einer eigenen (fiktiven) Betriebsstätte. Darauf hinzuweisen bleibt schließlich noch, dass es sich bei der gesetzlich vorgeschriebenen Ergebniszurechnung zum Gruppenträger um eine rein technische und letztendlich willkürliche Entscheidung des Gesetzgebers handelt; die Zurechnung zu einem beliebigen Gruppenmitglied führt zum selben steuerlichen Ergebnis. Die Besteuerung der inländischen Ergebnisse bleibt auch bei der horizontalen Zurechnung gesichert.

Als praktikabel wird dazu ein den Gruppengesellschaften eingeräumtes Wahlrecht erachtet, eine inländische Gesellschaft zu bestimmen, die gegenüber der Finanzverwaltung die eigentliche steuerliche Funktion des Gruppenträgers übernimmt, der somit die steuerlichen Ergebnisse zugerechnet werden und bei der die Steuer erhoben wird. Im gegenständlichen Fall wurde von Seiten der Gruppengesellschaften die Zurechnung zur **T2-GmbH** beantragt.

Das Bundesfinanzgericht weist somit, im Zuge der Feststellung der beantragten Unternehmensgruppe, der **T2-GmbH** die steuerliche Funktion des Gruppenträgers in dem Sinne zu, dass ihr das gesamte inländische Gruppeneinkommen, das sich aus den steuerlichen Einzelergebnissen der inländischen Gruppengesellschaften ergibt, zugerechnet wird. Die Funktion der Beschwerdeführerin als Muttergesellschaft der inländischen Tochtergesellschaften wird auf jene eines Referenzobjekts für die inländische horizontale Ergebniszurechnung beschränkt.

Klarstellend bleibt darauf hinzuweisen, dass gemäß § 9 Abs 6 Z 4 KStG auf Ebene eines Gruppenträgers vorliegende Vorgruppenverluste oder Außergruppenverluste grundsätzlich mit dem Gruppenergebnis verrechenbar wären. Da nach den obigen Feststellungen auf Ebene der **T2-GmbH** ohnehin keine Vor- oder Außergruppenverluste vorlagen, konnte eine Befassung mit diesem Aspekt im gegenständlich Fall hintangehalten werden.

Zumal die gegenständliche Rechtsfrage vom Europäischen Gerichtshof bereits in sehr ähnlicher Weise behandelt wurde, konnte für die Lösung auf die bestehende europäische Rechtsprechung zurückgegriffen werden und konnte daher von einem Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof abgesehen werden (vgl CILFIT, C-283/81).

3.2 Zu Spruchpunkt II. (Zulässigkeit der Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Es widmete sich zwar bereits der Europäische Gerichtshof den zugrundliegenden Rechtsfragen, dennoch liegt bislang keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor, die die speziellen Ausgestaltungen des österreichischen Gruppenbesteuerungssystems betrifft. Insbesondere wurde bislang auch noch nicht die Frage, wie eine konkrete unionsrechtskonforme Umsetzung (horizontale Ergebniszurechnung zur Schwestergesellschaft oder vertikale Zurechnung zur gebietsfremden Muttergesellschaft) vorzunehmen ist, höchstgerichtlich geklärt. Es liegt damit eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, die Revision war somit für zulässig zu erklären.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 3 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
Art. 49 AEUV, ABl. Nr. C 83 vom S. 47
Art. 54 AEUV, ABl. Nr. C 83 vom S. 47
Verweise



Zitiert/besprochen in
Ehgartner in BFGjournal 2023, 121
Ehgartner in
Lachmayer in
Zorn in RdW 2024/307
Hirschler/Sulz/Oberkleiner/Bernwieser in BFGjournal 2024, 320
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100758.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at