Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.04.2023, RV/7102539/2022

Bei Eigenanspruch des Kindes auf Familienbeihilfe besteht kein Anspruch der Eltern auf den Familienbonus Plus,

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag. Günter Narat über die Beschwerde vom des Beschwerdeführers ***Bf1***, Bf Adr, vertreten durch die mit Zustellvollmacht ausgewiesene EURAX Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft m.b.H., Nußdorfer Straße 10-12 Tür 4, 1090 Wien, Steuernummer: ***BF1StNr1***, gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2020 zu Recht:

I)
Die Beschwerde wird gem. § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II)
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gem. Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Vom Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz BF) wurde am die Einkommensteuererklärung für 2020 elektronisch bei der belangten Behörde eingereicht. Der BF beantragte die Gewährung des ganzen Familienbonus Plus für drei Kinder.

Die belangte Behörde erließ am den Einkommensteuerbescheid 2020. Der Familienbonus Plus wurde für 2 Kinder gewährt. Für das dritte Kind wurde der Familienbonus Plus nicht berücksichtigt, da für das dritte Kind keine Familienbeihilfe bezogen worden sei.

Mit Schreiben vom erhob der BF Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2020. Als Begründung wurde vorgebracht, dass das Kind CR, Sozialversicherungsnummer XX, von Oktober 2017 bis März 2021 Familienbeihilfe erhalten habe.

Die belangte Behörde wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. In der Begründung wurde ausgeführt, dass weder der BF noch seine Gattin Familienbeihilfe für das Kind mit der Sozialversicherungsnummer XX beziehen würden. Die Tochter des BF, CR, sei selbst anspruchsberechtigt gewesen.

Mit Schreiben vom wurde vom BF ein Vorlageantrag bei der belangten Behörde eingebracht. Seitens des BF wurde ausgeführt, dass für das Kind mit der Sozialversicherungsnummer XX, Frau CR, seitens der Mutter des Kindes, Frau GR, im Jahr 2020 Unterhaltspflicht bestanden habe. Dies ergebe sich schon daraus, dass der Vater des Kindes Unterhalt an dieses bezahlt habe. Es bestehe daher für Frau GR gem. § 2 FLAG auch Anspruch auf Familienbeihilfe. Laut § 14 FLAG könne die Auszahlung der Familienbeihilfe auf das Girokonto eines volljährigen Kindes erfolgen. Das ändere jedoch nichts daran, wer die anspruchsberechtigte Person sei. Frau GR habe somit Anspruch auf den Familienbonus Plus, auf den sie zugunsten des BF verzichtet habe.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen wird folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

CL (vor Verehelichung CR), Sozialversicherungsnummer XX, ist die Tochter von Frau GR. Herr AF ist der Vater von Frau CL. Herr AF hat ab monatlich Unterhaltszahlungen an Frau CL geleistet.

Frau CL wohnte im Beschwerdezeitraum an der Adr. CL.

CL hatte im Zeitraum von Oktober 2017 bis März 2021 einen Eigenanspruch auf Familienbeihilfe gem. § 6 Abs 5 FLAG 1967.

2. Beweiswürdigung

Gem. § 167 Abs 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. In Befolgung dieser Grundsätze ist der oben dargestellte Sachverhalt deshalb wie folgt zu würdigen.

Die Feststellung betreffend den Wohnsitz von Frau CL (vor Verehelichung CR) wurde aufgrund der polizeilichen Meldedaten (ZMR-Abfrage) getroffen.

Die restlichen Feststellungen, insbesondere dass Frau CL, Sozialversicherungsnummer XX, im maßgeblichen Beschwerdezeitraum einen Eigenanspruch auf Familienbeihilfe gem. § 6 Abs 5 FLAG 1967 hatte, ergeben sich zweifelsfrei aus den von der belangten Behörde vorgelegten Unterlagen (Antrag von damals noch Frau CR auf Gewährung der Familienbeihilfe vom samt Beilagen, Mitteilung der belangten Behörde vom über den Bezug der Familienbeihilfe durch damals noch Frau CR für den Zeitraum Oktober 2017 bis März 2021).

Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gem. § 167 Abs 2 BAO als erwiesen annehmen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Außer in den Fällen des § 278 BAO hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen (§ 279 Abs 1 BAO).

§ 33 Abs 3a EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 96/2020 normiert (soweit für den Beschwerdefall maßgeblich) wie folgt:

"(3a) Für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, steht auf Antrag ein Familienbonus Plus nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu:

(…)

3. Der Familienbonus Plus ist in der Veranlagung entsprechend der Antragstellung durch den Steuerpflichtigen wie folgt zu berücksichtigen:

a) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat kein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:

- Beim Familienbeihilfenberechtigten oder dessen (Ehe-)Partner der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder

- beim Familienbeihilfenberechtigten und dessen (Ehe-)Partner jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.

b) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat ein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:

- Beim Familienbeihilfenberechtigten oder vom Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder

- beim Familienbeihilfenberechtigten und dem Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.

Für einen Monat, für den kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, steht dem Unterhaltsverpflichteten kein Familienbonus Plus zu.

(…)

Der Familienbonus Plus steht nur für ein Kind zu, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) gewährt wird. Der Bezug des Familienbonus Plus wird damit an die Familienbeihilfe geknüpft.

Anspruch auf Familienbeihilfe hat nach § 2 FLAG 1967 in der Regel nicht das Kind selbst, sondern der haushaltsführende, ersatzweise der überwiegend Unterhalt leistende (Groß-, Wahl-, Stief- oder Pflege-)Elternteil. Allerdings besteht nach § 6 FLAG 1967 ein subsidiärer Eigenanspruch von Vollwaisen und sogenannten Sozialwaisen (Kinder, denen nicht überwiegend Unterhalt geleistet wird, die sich aber nicht auf Kosten der öffentlichen Hand in Heimerziehung befinden; vgl Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG² § 6 Rz 1 f).

Gem. § 6 Abs 5 FLAG 1967 haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat.

Ein Eigenanspruch auf Familienbeihilfe besteht für minderjährige (§ 6 Abs 1) und volljährige (§ 6 Abs 2) Vollwaisen sowie für (ebenfalls minderjährige oder volljährige) Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die aus diesem Grund den Vollwaisen gleichgestellt sind (§ 6 Abs 5; sog "Sozialwaisen"). Es sollen damit in jenen Fällen Härten vermieden werden, in denen Kinder sich weitgehend selbst erhalten müssen (Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG2, § 6, Rz 2 mit Verweis auf mwN).

Wird bei volljährigen Kindern die Familienbeihilfe gem. § 14 FLAG 1967 direkt an das Kind ausgezahlt, bleibt der Familienbeihilfenberechtigte (typischerweise ein Elternteil) für den Familienbonus Plus antragsberechtigt.

Steht der Anspruch auf Familienbeihilfe dem Kind selbst zu, haben die Eltern nach der ständigen Rechtsprechung des BFG keinen Anspruch auf den Familienbonus Plus, weil ihnen für ihr Kind keine Familienbeihilfe gewährt wird (vgl ; ; , RV/6100284/2020; , RV/7100534/2021; vgl auch Mayr/Gensluckner in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG22 § 33 Rz 34/2; Kanduth-Kristen in Jakom EStG15 § 33 Rz 35).

Dies ergibt sich unzweifelhaft aus den Regelungen des § 33 Abs 3a Z 3 EStG 1988, aus denen hervorgeht, dass Anspruch auf den Familienbonus Plus ausschließlich der Familienbeihilfenberechtigte, der (Ehe-)Partner des Familienbeihilfenberechtigten oder der Steuerpflichtige, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, haben können.

Im vorliegenden Beschwerdefall hatte die Tochter von Frau GR, Frau CL (vormals CR), im maßgeblichen Beschwerdezeitraum gem. § 6 Abs 5 FLAG 1967 einen Eigenanspruch auf Familienbeihilfe.

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs 1 VwGG).

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs 4 B-VG).

Dies trifft nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu, wenn die in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig sind (vgl. mit vielen weiteren Nachweisen).

Mit dem vorliegenden Erkenntnis folgt das Bundesfinanzgericht dem klaren und eindeutigen Wortlaut der angeführten Gesetzesbestimmung (§ 33 Abs 3a EStG 1988), weshalb gem. § 25a Abs 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 14 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 33 Abs. 3a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 6 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 25a Abs. 1 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
§ 33 Abs. 3a Z 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102539.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at