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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.03.2023, RV/7103208/2021

Abrechnungsbescheid, Entstehungszeitpunkt der Umsatzsteuergutschriften aus Rechnungsberichtigungen von Scheinrechnungen gemäß § 11 Abs. 14 UStG, Verrechnung mit Konkursforderungen?

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7103208/2021-RS1
Der Zeitpunkt der Verwirklichung der Abgabenrechtsfolgen richtet sich nicht nach der seinerzeitigen Rechnungsausstellung, sondern nach der Rechnungsberichtigung, da bei der hier vorliegenden Steuerschuld kraft Rechnungslegung gemäß § 11 Abs. 14 UStG im Gegensatz zu § 11 Abs. 12 UStG eine (sinngemäße) Rechnungsberichtigung nach § 16 Abs. 1 UStG zwar nicht vorgesehen ist, allerdings verlangt der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer dem , Schmeink & Cofreth AG & Co KG und Manfred Strobel, zufolge, dass im Falle der rechtzeitigen und vollständigen Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer berichtigt werden kann.
RV/7103208/2021-RS2
Aus diesem Grund kann auch die zu § 11 Abs. 12 UStG ergangene Judikatur des VwGH in Analogie herangezogen werden, wonach sich durch den Verweis in § 11 Abs. 12 letzter Satz UStG auf § 16 Abs. 1 UStG ergibt, dass für den Aussteller der Rechnung die Steuerschuld aufgrund der Rechnung zu dem Zeitpunkt (in jenem Voranmeldungszeitraum) wegfällt, in dem die Rechnung berichtigt wird (). Für den Aussteller der Rechnung wirkt die Rechnungsberichtigung somit ex nunc, d.h. die Steuerschuld des Rechnungsausstellers entfällt durch die spätere Rechnungsberichtigung nicht etwa rückwirkend auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung (). Im Falle der erst im Konkurs bewirkten Rechnungsberichtigung kommt daher eine Verrechnung mit Konkursforderungen nicht in Betracht.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. als Vertreterin der Gerichtsabteilung N-2 in der Beschwerdesache Rechtsanwalt P-1 als Masseverwalter im Konkurs der G-1, A-1, vertreten durch Vanas & Partner Steuerberatung GmbH, Teinfaltstraße 9/7, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer N-1, betreffend Abrechnung gemäß § 216 BAO, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben und entschieden, dass die Verrechnung der Umsatzsteuergutschrift 2015 in Höhe von € 306.000,00 und der Umsatzsteuergutschrift 2016 in Höhe von € 1.203.800,00 mit fälligen Konkursforderungen zu Unrecht erfolgt ist.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Schreiben vom beantragte der steuerliche Vertreter des Masseverwalters im Konkurs der G-1 die Rückzahlung der für die Jahre 2015 (€ 306.000,00) und 2016 (€ 1.203.800,00) festgesetzten Umsatzsteuergutschriften sowie im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigender Vorsteuern (€ 2.106,40 und € 3.500,00).

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Nachdem dem Rückzahlungsantrag hinsichtlich der Beträge von € 306.000,00 und € 1.203.800,00 kein Erfolg beschieden war (Beschwerdeverfahren anhängig unter RV/7100023/2022), da die Gutschriften mit Zahllasten gemäß § 215 BAO verrechnet worden seien, beantragte der steuerliche Vertreter mit Schreiben vom die Ausstellung eines Abrechnungsbescheides gemäß § 216 BAO.

Begründend wandte er ein, dass die Verrechnung rechtswidrig erfolgt sei, da ihr das Aufrechnungsverbot des § 20 IO entgegenstehe.

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Mit dem an den Masseverwalter im Konkurs der GmbH ergangenen Abrechnungsbescheid vom stellte das Finanzamt fest, dass mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom D-1 über das Vermögen der Schuldnerin das Konkursverfahren eröffnet worden sei.

Mit Bescheiden vom sei auf dem Abgabenkonto der Schuldnerin die Verbuchung des Umsatzsteuerbescheides 2015 mit einer Gutschrift in Höhe von Euro 306.000,00 sowie des Umsatzsteuerbescheides 2016 mit einer Gutschrift in Höhe von Euro 1.203.800,00 erfolgt.

Diese Gutschriften in Höhe von gesamt Euro 1.509.800,00 seien mit den zu diesem Zeitpunkt auf dem Abgabenkonto der Schuldnerin aushaftenden Konkursforderungen in Höhe von Euro 3.162.570,59 gemäß § 215 Abs. 1 BAO gegenverrechnet worden. Im Konkreten sei die Verrechnung mit folgenden Abgabenschuldigkeiten erfolgt:


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Abgabe
Zeitraum
Betrag in €
Umsatzsteuer
2004
212.901,60
Umsatzsteuer
2005
267.648,72
Umsatzsteuer
2006
63.053,97
Umsatzsteuer
2007
410.891,68
Umsatzsteuer
11/2013
860,16
Umsatzsteuer
04/2014
2.096,55
Lohnsteuer
2010
2.522,25
Lohnsteuer
2011
1.061,91
Lohnsteuer
2012
1.592,86
Säumniszuschlag 1
2005
78,00
Körperschaftsteuer
2004
421.552,18
Körperschaftsteuer
2005
125.540,12
gesamt
1.509.800,00


Das sich aus § 20 Abs. 1 Insolvenzordnung (IO) ergebende Aufrechnungsverbot stand der abgabenrechtlich durchzuführenden Verrechnung nicht entgegen, weil der Sachverhalt im Sinn des § 46 Z 2 IO, der die Gutschriften ausgelöst habe, vor der Insolvenzeröffnung verwirklicht worden sei. Er sei in der Ausstellung der Rechnungen mit Ausweis der Umsatzsteuer zu erblicken. Auch die dadurch verursachten Umsatzsteuervorschreibungen seien vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt. Ohne die unberechtigte Rechnungslegung mit Steuerausweis vor Insolvenzeröffnung wäre somit weder ein Sach- noch ein Rechtsgrund für die Rechnungsberichtigungen und Umsatzsteuergutschriften vorgelegen. Da somit der auslösende Grund für die Steuerkorrekturen (Gutschriften) auf Grund der nachträglichen Rechnungsberichtigungen vor der Insolvenzeröffnung verwirklicht worden sei, sei die Aufrechnungslage bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten. Aus diesem Grund sei der durchgeführten Verrechnung § 20 IO nicht entgegengestanden, sie sei vielmehr durch § 19 IO gedeckt und abgabenrechtlich nach § 215 Abs. 1 BAO verpflichtend durchzuführen gewesen.

Diese Beurteilung stehe im Einklang mit der Rechtsprechung beider Höchstgerichte:

So vertrete der Oberste Gerichtshof in seinem Beschluss vom , 8 Ob 2244/96z, zur Vorsteuerberichtigung nach § 12 Abs. 10 UStG 1994, dass die durch die Veräußerung einer Liegenschaft im Konkurs erfolgte Korrektur des Vorsteuerabzugs zur Vorschreibung gelangende Umsatzsteuer eine Konkursforderung darstelle, wenn das dem zu berücksichtigenden Vorsteuerabzug zugrundeliegende Rechtsgeschäft vor Konkurseröffnung erfolgt sei. Lege man diese Rechtsansicht auf den vorliegenden Fall um, seien hier die zur Berichtigung führenden Rechnungen bereits lange Zeit vor der Konkurseröffnung ausgestellt worden.

Der Verwaltungsgerichtshof betone in seinem Erkenntnis vom , 2005/15/0163, mit weiteren Hinweisen zwar grundsätzlich die ex nunc-Wirkung einer Steuerberichtigung nach § 16 UStG 1994. Die Änderung führe jedoch nicht zu einer Berichtigung der ursprünglichen Steuerfestsetzung, sondern sei erst im Zeitraum der Änderung zu berücksichtigen. Diese Aussagen bezögen sich auf eine Änderung der Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz iSd § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 UStG 1994, den es gegenständlich aber gar nicht gegeben habe. Gegenständlich sei die Steuerschuld gemäß § 11 Abs. 14 UStG 1994 auf Grund des Ausweises der Steuer in den Rechnungen entstanden, obwohl eine umsatzsteuerbare Lieferung oder Leistung nicht ausgeführt worden sei. Die im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes unter Hinweis auf seine Vorjudikatur angesprochene ex nunc-Wirkung der Berichtigung, falls die Uneinbringlichkeit des Entgelts erst nach Insolvenzeröffnung über das Vermögen des leistenden Unternehmers eingetreten sei und in diesem Fall der die Abgabenforderung auslösende Sachverhalt der Eintritt der Uneinbringlichkeit des Leistungsentgelts darstelle, habe somit im vorliegenden Fall von vornherein nicht zum Tragen kommen können. Mit der entscheidungswesentlichen Sachlage im vorliegenden Fall durchaus vergleichbar sei jedoch die durch den Verwaltungsgerichtshof im erwähnten Erkenntnis ebenfalls zum Ausdruck gebrachte Konstellation, in der die Ursache einer nachträglichen Änderung der Bemessungsgrundlage in Mängeleinreden liege und sich die Mängeleinreden auf Lieferungen oder sonstige Leistungen bezögen, die vor der Konkurseröffnung ausgeführt worden seien. Für diesen Fall vertrete der Verwaltungsgerichtshof die Rechtsansicht, dass der Grund für die Änderung der Steuerbemessungsgrundlage in der mangelhaften Ausführung der (seinerzeitigen) Lieferung oder sonstigen Leistung vor der Konkurseröffnung liege und es sich dabei um aufrechenbare Konkursgegenforderungen handle. Nichts Anderes könne für den vorliegenden Fall gelten: Der Sachgrund für die Steuergutschriften auf Grund der Rechnungsberichtigungen liege in der Rechnungslegung mit Ausweis der Umsatzsteuer (lange Zeit) vor der Insolvenzeröffnung.

Hätte die Insolvenzschuldnerin die Rechnungen vor Insolvenzeröffnung nicht ausgestellt, dann gäbe es auch die Rechnungsberichtigungen bzw. Gutschriften nicht. Ein Auseinanderklaffen der Steueranspruchsverwirklichungen, die zu unterschiedlichen insolvenzrechtlichen Qualifikationen führe (Steuerschuld auf Grund der Rechnungslegung vor Konkurseröffnung als Insolvenzforderung und Steuergutschrift auf Grund der Rechnungsberichtigung nach Konkurseröffnung als Gutschrift der Masse), wäre durch nichts zu rechtfertigen.

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In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Beschwerde verzichtete der steuerliche Vertreter gemäß § 262 Abs. 2 BAO auf die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung und führte aus wie folgt:

Sachverhalt

Die G-1 ("G-1"), vormals G-2, habe in den Jahren 2004 - 2008 Scheinrechnungen an die G-3 Gruppe ("G-3") unter Ausweis von Umsatzsteuer ausgestellt. Diese Umsatzsteuer sei laufend bezahlt worden, die G-3 habe den Vorsteuerabzug geltend gemacht.

Am D-1 sei Insolvenz über die G-1 eröffnet worden. Im Jahr 2015, also nach Insolvenzeröffnung, seien die Scheinrechnungen vom Insolvenzverwalter in enger Abstimmung mit der Finanzbehörde storniert worden. Die Finanzverwaltung habe dies nur akzeptiert, weil im Rahmen von zwei in den Jahren 2011 und 2016 abgeschlossenen Betriebsprüfungen die gesamten aus diesen Rechnungen geltend gemachten Vorsteuern der Rechnungsempfänger G-3 sowie G-4 (vormals G-5) iHv insgesamt EUR 1.509.800,00 erstattet worden seien. Nach der vollständigen Rückerstattung der Vorsteuern durch die G-3-Gesellschaften seien in den Jahren 2015 und 2016 die Berichtigungen (Stornierungen) aller Scheinrechnungen vorgenommen worden. Entsprechend hätten sich aus den Umsatzsteuerbescheiden der Jahre 2015 und 2016 Gutschriften in folgender Höhe ergeben:

Umsatzsteuerbescheid 2015 vom iHv EUR 308.653,65
Umsatzsteuerbescheid 2016 vom iHv EUR 1.207.300,00

Angefochtene Punkte

Im Abrechnungsbescheid gemäß § 216 BAO vom sei die Verrechnung des Abgabenguthabens aus den Umsatzsteuerbescheiden 2015 und 2016, beide iHv insgesamt EUR 1.509.800,00, mit anderen offenen Abgabenschuldigkeiten (Insolvenzforderungen) iHv insgesamt EUR 3.162.570,59 als zutreffend dargestellt und festgestellt worden, dass die entsprechende Verbuchung auf dem Abgabenkonto zurecht erfolgt sei. Begründend führe die Finanzverwaltung aus, dass nach Durchführung der Verrechnung zur Tilgung fälliger Abgabenschuldigkeiten gemäß § 215 Abs. 1 BAO kein rückzahlbares Abgabenguthaben verblieben sei.

Der Abrechnungsbescheid vom erweise sich als rechtswidrig, weil zunächst von einem nicht mehr aktuellen Stand der aushaftenden Insolvenzforderungen ausgegangen und weiters darin ausgesprochen werde, dass die am Abgabenkonto vorgenommene Verrechnung der sich aus den Umsatzsteuerbescheiden 2015 und 2016, beide ausgestellt am , ergebenden Gutschriften mit anderen offenen Abgabenschuldigkeiten aus der Vergangenheit zulässig gewesen sei. Dabei werde übersehen, dass das Aufrechnungsverbot des § 20 IO der abgabenrechtlichen Verrechnung des Guthabens mit fälligen Abgabenschuldigkeiten (Insolvenzforderungen) gemäß § 215 Abs. 1 BAO entgegenstehe.

1. Rechtswidriger Abrechnungsbescheid

Im gegenständlich bekämpften Bescheid vom werde die Gebarung am Abgabenkonto der G-1, insbesondere die Verrechnung gemäß § 215 Abs. 1 BAO der sich aus den Umsatzsteuerbescheiden 2015 und 2016 ergebenden Gutschriften iHv insgesamt EUR 1.509.800,00 mit anderen offenen Abgabenschuldigkeiten (Insolvenzforderungen) iHv insgesamt EUR 3.162.570,59, als zutreffend dargestellt.

Zunächst sei darauf hinzuweisen, dass der Stand der aushaftenden Insolvenzforderungen aktuell nicht mehr EUR 3.162.570,59, sondern nur mehr EUR 1.634.911,69 betrage. Dies ergebe sich aus folgenden, bereits auf dem Abgabenkonto erfolgten Buchungen:


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Abgabe
Bescheiddatum
Betrag in €
Insolvenzforderungen laut Abrechnungsbescheid
(uE Stand )
3.162.570,59
Körperschaftsteuer 2004
- 605.361,48
Umsatzsteuer 2004
62.928,00
Körperschaftsteuer 2005
- 279.097,50
Umsatzsteuer 2005
39.402,00
Körperschaftsteuer 2006
- 103.487,50
Umsatzsteuer 2006
14.610,00
Körperschaftsteuer 2007
- 450.712,50
Umsatzsteuer 2007
63.630,00
Körperschaftsteuer 2008
- 282.803,52
Umsatzsteuer 2008
45.900,00
Körperschaftsteuer 2009
- 5.250,00
Körperschaftsteuer 2009
- 27.416,40
Aushaftende Insolvenzforderungen zum
1.634.911,69


Insgesamt hätten sich die Insolvenzforderungen laut Abrechnungsbescheid vom um Umsatzsteuern iHv EUR 226.470,00 erhöht und um Körperschaftsteuergutschriften der Jahre 2004 - 2009 iHv insgesamt EUR 1.754.128,90 verringert, sodass nur mehr Insolvenzforderungen iHv EUR 1.634.911,69 aushafteten.

Nach den bereits erfolgten Verrechnungen ergäben sich nur mehr Insolvenzforderungen iHv EUR 1.634.911,69. Die Verrechnung der Gutschrift aus den Umsatzsteuerbescheiden 2015 und 2016 iHv insgesamt EUR 1.509.800,00 sei wie folgt vorgenommen und im Abrechnungsbescheid als zutreffend dargestellt worden:


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Gutschrift verrechnet mit
Umsatzsteuer
2004
212.901,60
Umsatzsteuer
2005
267.648,72
Umsatzsteuer
2006
63.053,97
Umsatzsteuer
2007
410.891,68
Umsatzsteuer
11/2013
860,16
Umsatzsteuer
04/2014
2.096,55
Lohnsteuer
2010
2.522,25
Lohnsteuer
2011
1.061,91
Lohnsteuer
2012
1.592,86
Säumniszuschlag 1
2005
78,00
Körperschaftsteuer
2004
421.552,18
Körperschaftsteuer
2005
125.540,12
Summe
1.509.800,00


Diese Verrechnung erweise sich als rechtswidrig, wie im folgenden Punkt dargelegt werde.

2. Rechtswidrige Verrechnung gemäß § 215 Abs. 1 BAO auf dem Abgabenkonto

Durch die Ausstellung von Scheinrechnungen in den Jahren von 2004 bis 2008, dh im Zeitraum vor Insolvenzeröffnung, sei es zu einer Steuerschuld kraft Rechnungslegung gemäß § 11 Abs. 14 UStG gekommen. Die auf diese Steuerschuld entfallenden Umsatzsteuern seien vollständig entrichtet worden, sodass diese Steuerschulden unstrittig erloschen seien. In der Folge seien vom Insolvenzverwalter nach Insolvenzeröffnung in Abstimmung mit der Finanzverwaltung Rechnungsberichtigungen vorgenommen worden. Gleichzeitig sei zur vollständigen Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens die Rückzahlung der geltend gemachten Vorsteuern aus den Scheinrechnungen seitens der G-3 erfolgt (entsprechend den Voraussetzungen der UStR 2000, Rz 1771). Die aus den Rechnungsberichtigungen der Scheinrechnungen gemäß § 12 Abs. 14 iVm § 16 Abs. 1 UStG angefallenen Umsatzsteuergutschriften seien vom Finanzamt mittels Umsatzsteuerbescheiden 2015 und 2016 entsprechend festgesetzt und auch auf dem Abgabenkonto verbucht worden.

Allerdings seien die Gutschriften aus der Rechnungsberichtigung mit bestehenden Abgabenforderungen (Insolvenzforderungen) verrechnet worden.

Im gegenständlichen Fall sei daher zu klären, ob eine Verrechenbarkeit der bestehenden Abgabenforderungen (Insolvenzforderungen) mit den hier strittigen Gutschriften aus den Rechnungskorrekturen bestehe oder nicht (, und ; Schubert in Konecny, Insolvenzgesetze, § 20 Rz 18). Insofern sei strittig, ob die aus der Rechnungsberichtigung resultierenden Gutschriften zur Tilgung von Insolvenzforderungen der Abgabenbehörde verwendet werden dürften. Dabei komme den Aufrechnungsvorschriften der IO (insbesondere der §§ 19 und 20 IO) der Vorrang vor den Verrechnungsregelungen der BAO zu (). Gemäß § 20 Abs. 1 IO sei die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach Insolvenzeröffnung Schuldner der Insolvenzmasse geworden sei (Schubert in Konecny, Insolvenzgesetze, § 20 Rz 3).

Abgabenrückforderungsansprüche des Abgabepflichtigen seien "negative Abgabenansprüche" (; ; ; ). Solche Ansprüche entstünden kraft Gesetzes jeweils zum Zeitpunkt, in dem ein gesetzlicher Tatbestand, mit dessen Konkretisierung das Gesetz Abgabenrechtsfolgen verbinde, verwirklicht werde. Auf die Bescheiderlassung und die näheren Modalitäten der Geltendmachung der Ansprüche komme es dabei nicht an. Mit dem Bescheid werde lediglich die Durchsetzung des Anspruchs bewirkt, nicht aber das Entstehen des Anspruchs (). Diese Ausführungen gälten entsprechend für die Umsatzsteuergutschriften aus den durchgeführten Rechnungsberichtigungen für die Scheinrechnungen.

Für den Beschwerdefall sei daher entscheidend, ob die gegenständlichen Umsatzsteuergutschriften aus den Rechnungsberichtigungen bei gleichzeitiger vollständiger Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens aus insolvenzrechtlicher Sicht in den Zeitraum vor (Insolvenzgegenforderung) oder nach Insolvenzeröffnung fielen und je nachdem mit Insolvenzforderungen des Finanzamtes aufrechenbar seien oder nicht.

Gemäß § 46 Z 2 IO gehörten zu den Masseforderungen unter anderem öffentliche Abgaben, wenn und soweit der die Abgabepflicht auslösende Sachverhalt während des Insolvenzverfahrens verwirklicht werde. Entsprechendes müsse auch für die zeitliche Abgrenzung der Forderungen der G-1 als Gemeinschuldnerin auf die Umsatzsteuerrückforderungsansprüche aufgrund der Rechnungsberichtigungen gelten. Die insolvenzrechtliche Einordung der Umsatzsteuerrückforderungen aufgrund der Rechnungsberichtigungen erfordere somit die Feststellung, ob der die Forderung auslösende Sachverhalt vor oder nach Insolvenzeröffnung verwirklicht worden sei ().

Im vorliegenden Fall sei somit zu ermitteln, was der die Forderung auslösende Sachverhalt sei. Dies könne seines Erachtens nicht die ursprüngliche Ausstellung der Scheinrechnungen sein, die zur Steuerschuld kraft Rechnungslegung gemäß § 11 Abs. 14 UStG geführt habe und nunmehr zurückgedreht werde, sondern nur (losgelöst von der seinerzeitigen Ausstellung der Scheinrechnungen) die nunmehrige Rechnungskorrektur in Kombination mit der gleichzeitig durchgeführten vollständigen Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens durch Rückabwicklung des Vorsteuerabzuges beim Rechnungsempfänger.

a) Ausstellung der Scheinrechnung nicht auslösender Sachverhalt

Bei der Ausstellung der Scheinrechnungen handle es sich zwar um den die Abgaben/ Steuerschuld nach § 11 Abs. 14 UStG auslösenden Sachverhalt, der vor Insolvenzeröffnung verwirklicht worden sei (Pernegger, Zum Verhältnis von Insolvenz- und Umsatzsteuerrecht - Teil 1, ÖStZ 2000, 131). Die dadurch ausgelöste Umsatzsteuerschuld sei in der Folge im hier vorliegenden Fall aber noch vor Insolvenzeröffnung wieder weggefallen, da diese jeweils vollständig und rechtzeitig von G-1 entrichtet worden sei. Insofern könne die Ausstellung der ursprünglichen Scheinrechnungen aber nicht (mehr) als kausaler Sachverhalt für die nunmehr nach Insolvenzeröffnung anfallenden Umsatzsteuerrückforderungen aufgrund der Rechnungskorrektur beurteilt werden. Dies könnte allenfalls dann denkbar sein, wenn die Umsatzsteuer tatsächlich nie abgeführt worden sei, was aber im hier vorliegenden Fall nicht gegeben sei (vgl. diesbezüglich die Aussagen der Finanzverwaltung in den UStR 2000 Rz 2420).

b) Ausstellung der Rechnungskorrektur als auslösender Sachverhalt

Die Berichtigung von Scheinrechnungen, die zu einer Steuerschuld gemäß § 11 Abs. 14 UStG geführt hätten, sei gesetzlich nicht unmittelbar geregelt, jedoch in unionsrechtskonformer Interpretation nur und erst dann zulässig, wenn die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt worden sei, beispielsweise durch Rückabwicklung eines gewährten Vorsteuerabzuges beim Rechnungsempfänger (Ruppe/Achatz, UStG 5. Auflage, § 11 Tz 142/1; UStR 2000, Rz 1771). Insofern sei die Rechnungsberichtigung losgelöst von der ursprünglichen Ausstellung der Scheinrechnungen als eigenständiger Sachverhalt zu beurteilen. Aus insolvenzrechtlicher Sicht sei der die Umsatzsteuerrückforderung auslösende Sachverhalt die vom Insolvenzverwalter durchgeführte Rechnungsberichtigung bei gleichzeitiger Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens durch Rückabwicklung des vorgenommenen Vorsteuerabzuges durch den Rechnungsempfänger. Da die Rechnungsberichtigungen und somit die die Umsatzsteuerrückforderungen auslösenden Sachverhalte allesamt nach Insolvenzeröffnung verwirklicht worden seien, erweise sich die vom Finanzamt durchgeführte Verrechnung gemäß § 215 BAO als rechtswidrig.

Die von der Finanzverwaltung für die Einordnung der Umsatzsteuerrückforderung als Insolvenzgegenforderung herangezogene Rechtsprechung des sei im vorliegenden Fall nicht einschlägig, da es sich dort um Fragen der Vorsteuerberichtigung gemäß § 12 Abs. 10 UStG handle. Selbst wenn man jedoch diese Judikatur heranziehe, werde deutlich, dass § 12 Abs. 10 UStG und § 11 Abs. 14 UStG nicht gleichbehandelt werden können, weil § 12 Abs. 10 UStG die Rückforderung der Vorsteuer bei Änderung der Verhältnisse bis zum Ablauf der Frist vorsehe, § 11 Abs. 14 UStG aber lediglich eine Umsatzsteuerschuld aufgrund der Rechnung begründe.

Der OGH führe aus, dass insolvenzrechtlich bis zum Ablauf der Fristen des § 12 Abs. 10 UStG, innerhalb derer sich steuerrechtlich eine Änderung der Verhältnisse als Auslöser der Vorsteuerberichtigung ergeben müsse, eine aufschiebend bedingte Umsatzsteuerforderung des Fiskus vorliege, die gemäß § 16 IO bereits im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bestehe. Daher sei bei Eintritt der Bedingung die Forderung als Konkursforderung zu qualifizieren (). In der Literatur werde vertreten, dass die Argumentation als bedingter Rückforderungsanspruch des Fiskus gekünstelt erscheine und die Rsp des OGH nicht überzeuge (Ruppe/Achatz, in Ruppe Achatz, UStG5 (2018), Einführung, Rz 140).

Diese Ansicht des OGH sei auch deshalb nicht auf den konkreten Sachverhalt übertragbar, weil der OGH bei der Argumentation, dass die Forderung bis zum Ablauf der Frist des § 12 Abs. 10 UStG bedingt sei, konkret auf die Frist des § 12 Abs. 10 UStG Bezug nehme. Eine solche Frist gebe es iZm Rechnungsberichtigungen nicht. Es wäre daher überschießend und in Hinblick auf die Rechtssicherheit nicht vertretbar, in Anwendung dieser Ansicht des OGH, auch im Zusammenhang mit Rechnungsberichtigungen unbefristet eine bedingte Forderung des Fiskus anzunehmen. Dieses Ergebnis würde dazu führen, dass der Fiskus in Fällen der Rechnungsberichtigung immer bessergestellt sei als alle anderen Gläubiger. Nach der Einführung des klassenlosen Konkurses mit dem IRÄG 1982 könne dieses Ergebnis rechtlich nicht gedeckt sein.

Auch der VwGH entscheide abweichend vom OGH in ständiger Rechtsprechung, dass die Vorsteuerberichtigung gemäß § 12 Abs. 10 UStG durch die Veräußerung nach Insolvenzeröffnung nicht auf den Kauf der Liegenschaft rückbezogen werden dürfe, sondern im Zeitpunkt des Verkaufs vorzunehmen sei (novum productum), sodass die aliquote Vorsteuerkorrektur aus der Masse zu befriedigen sei ().

Ebenso sei der Verweis auf die Judikatur des zu den dort angeführten Fällen der Mängelrüge nicht einschlägig, zumal aus insolvenzrechtlicher Sicht die hier strittigen Umsatzsteuerrückforderungen aus Rechnungsberichtigungen von Scheinrechnungen keinerlei Parallelen zu Umsatzsteuerrückforderungen aufgrund mangelhaft gelieferter Produkte aufwiesen. Der Mangel sei ja bei Lieferung, somit vor Insolvenzeröffnung, schon vorhanden, aber nicht bekannt gewesen. Der Mangel sei erst nach Insolvenzeröffnung entdeckt worden und stelle bloß ein novum repertum dar, was die Zuordnung der Entgeltminderung zum Zeitraum vor Insolvenzeröffnung durch den VwGH erkläre. Die Rechnungsberichtigung durch den Masseverwalter stelle hingegen ein novum productum dar, eine Handlung, die am Tag der Insolvenzeröffnung noch nicht gesetzt gewesen sei und eben eine neue (negative) Abgabenforderung begründe. Am ehesten sei noch die von der Finanzverwaltung angeführte Judikatur des , zu den dort angeführten Fällen der Uneinbringlichkeit von Forderungen einschlägig. Nach Ansicht des VwGH sei der Sachverhalt, der die Umsatzsteuerrückforderung nach § 16 UStG ausgelöst habe, in dem Zeitpunkt verwirklicht, in dem die Uneinbringlichkeit eintrete. Liege dies nach Insolvenzeröffnung, sei eine Aufrechnung mit Insolvenzforderungen nicht zulässig ().

Mit der von der Finanzverwaltung vorgenommenen Begründung, wonach der abgabenrelevante Sachverhalt vor Insolvenzeröffnung verwirklicht worden sei, verkenne sie die Rechtslage und führe eine unrechtmäßige Verrechnung gemäß § 215 BAO der Umsatzsteuerrückforderungen mit Insolvenzforderungen durch. Diese unrechtmäßige Verrechnung führe darüber hinaus zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Finanzamtes als Abgabengläubiger, zumal die Umsatzsteuerschuld aus den Scheinrechnungen vollständig entrichtet worden sei.

Die gemäß § 11 Abs. 14 UStG geschuldete Mehrwertsteuer sei von der Gesellschaft vollständig entrichtet, allerdings von den G-3-Gesellschaften zunächst ebenfalls zur Gänze als Vorsteuer geltend gemacht worden. Bis zu diesem Zeitpunkt habe es also noch kein Steueraufkommen für den Fiskus gegeben. Im Gefolge einer Betriebsprüfung bei der G-3-Gruppe sei der Vorsteuerabzug vollständig an den Fiskus zurückgezahlt worden. Dadurch ergebe sich ein Steueraufkommen für den Fiskus. Wenn nun die Finanzverwaltung nach erfolgter Rechnungsberichtigung im Jahr 2015/2016 durch den Masseverwalter diesen Betrag als (negative) Masseforderung nicht mit Insolvenzforderungen verrechne, dann sei dadurch das Steueraufkommen wieder auf Null gestellt, aber keinerlei Steuerausfall für den Fiskus zu verzeichnen. Nach Beseitigung der Scheinrechnungen sei daher das Umsatzsteueraufkommen daraus wieder auf Null gestellt, was bloß dem Grundgedanken der Umsatzsteuerneutralität zwischen Unternehmern entspreche (, Zwiazek, Rz 26; , Schmeink & Cofreth, Rz 59; UStR 2000, Rz 187).

Darüber hinaus sei zusätzlich zur Umsatzsteuer kraft Rechnungslegung Umsatzsteuer für die Vermittlungsleistungen, die tatsächlich erbracht worden seien, festgesetzt worden. Dafür seien 15 % der Scheinrechnungsbeträge als Bemessungsgrundlage herangezogen worden. Dadurch ergebe sich eine zusätzliche Umsatzsteuerschuld der G-1 iHv EUR 226.470,00, die außer Streit gestellt worden sei.

Werde die Aufrechnung der Umsatzsteuergutschrift iHv EUR 1.509.800,00 zugelassen, ergebe sich eine ungerechtfertigte Bevorzugung der Finanzverwaltung und eine Masseinsuffizienz, sodass alle anderen Insolvenz- und Massegläubiger keine Befriedigung erlangten:


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Bezeichnung
EUR
Massevermögen
17.436,63
Masseforderungen Finanzverwaltung
10.116,00
Masseforderungen übrige (Schätzung)
- 380.000,00
Summe Masse / zur Verteilung gelangendes Vermögen
- 352.447,37
Insolvenzforderungen Finanzverwaltung
3.144,711,69
  1. Abgabenforderung
1.634.911,69
  1. Gegenforderung Gutschriften
1.509.800,00
Insolvenzforderung G-3
- 9.058.800,00
Insolvenzforderungen Rest (Schätzung)
- 4.376.111,69
Summe Insolvenzforderungen
- 10.290.200,00
Quote Finanzverwaltung im Insolvenzverfahren mit Aufrechnung
92,35%
Steueraufkommen mit Aufrechnung inklusive erhaltener und einbehaltener Vorsteuer der G-3
184,69%
Quote Insolvenzgläubiger mit Aufrechnung (Masseinsuffizienz)
0,00%


Folge man dieser Ansicht der Finanzverwaltung nicht und werde daher die Gutschrift ohne Aufrechnung an die Masse bezahlt und gelangten diese Mittel nach Bedienung der Masseforderungen zur Verteilung, ergebe sich folgendes Ergebnis:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Bezeichnung
EUR
Massevermögen
17.436,63
Gutschrift aus Rechnungsberichtigung
1.509.800,00
Masseforderungen Finanzverwaltung
10.116,00
Masseforderungen übrige (Schätzung)
- 380.000,00
Summe Masse / zur Verteilung gelangendes Vermögen
1.157.352,63
Insolvenzforderungen Finanzverwaltung
1.634.911,69
Insolvenzforderung G-3
- 9.058.800,00
Insolvenzforderungen Rest (Schätzung)
- 4.376.111,69
Summe Insolvenzforderungen
- 11.800.000,00
Quote Insolvenzgläubiger ohne Aufrechnung
9,81%


Beantragte Änderungen

Daher beantrage der steuerliche Vertreter die Abänderung des Abrechnungsbescheids gemäß § 216 BAO vom im Sinne der obigen Ausführungen (Unzulässigerklärung der vorgenommenen Verrechnung am Abgabenkonto und Ausweis eines Guthabens am Abgabenkonto der G-1 iHv EUR 1.509.800,00).

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Mit Bescheid (Abrechnungsbescheid) ist gemäß § 216 BAO über die Richtigkeit der Verbuchung der Gebarung (§ 213) sowie darüber, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, auf Antrag des Abgabepflichtigen (§ 77) abzusprechen. Ein solcher Antrag ist nur innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem die betreffende Verbuchung erfolgt ist oder erfolgen hätte müssen, zulässig.

Entscheidungsrelevanter Sachverhalt

Die G-1 hat in den Jahren 2004 - 2008 Scheinrechnungen an die G-3 bzw. nunmehr G-4 unter Ausweis von Umsatzsteuer ausgestellt. Diese Umsatzsteuer wurde von der Bf. laufend entrichtet, die G-3 machte den Vorsteuerabzug geltend.

Nachdem am D-1 über das Vermögen der G-1 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und die geltend gemachten Vorsteuerbeträge seitens der Betriebsprüfungen vom (2008) sowie vom (2004-2007) von der G-3 am aufgrund der auf den beiden Abgabenkonten N-3 und N-4 bestehenden Guthaben erstattet wurden, berichtigte der Masseverwalter in Abstimmung mit der Finanzbehörde die seinerzeitigen Scheinrechnungen, woraufhin mit Bescheiden vom Umsatzsteuergutschriften 2015 und 2016 in Höhe von insgesamt € 1.509.800,00 festgesetzt wurden, deren Rückzahlung der Masseverwalter am beantragte.

Da diese allerdings mit aushaftenden Konkursforderungen verrechnet wurden, begehrte der Masseverwalter die verfahrensgegenständliche Erteilung eines Abrechnungsbescheides.

Rechtmäßigkeit der Verrechnung der Umsatzsteuergutschriften
aus der Rechnungsberichtigung mit Konkursforderungen

Gemäß § 46 Z 2 IO sind Masseforderungen alle Auslagen, die mit der Erhaltung, Verwaltung und Bewirtschaftung der Masse verbunden sind, (…), sowie der die Masse treffenden Steuern, Gebühren, Zölle, Beiträge zur Sozialversicherung und anderen öffentlichen Abgaben, wenn und soweit der die Abgabepflicht auslösende Sachverhalt während des Insolvenzverfahrens verwirklicht wird. (…)

§ 19 IO:

(1) Forderungen, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits aufrechenbar waren, brauchen im Insolvenzverfahren nicht geltend gemacht zu werden.

(2) Die Aufrechnung wird dadurch nicht ausgeschlossen, dass die Forderung des Gläubigers oder des Schuldners zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch bedingt oder betagt, oder dass die Forderung des Gläubigers nicht auf eine Geldleistung gerichtet war.

Die Aufrechnung ist gemäß § 20 Abs. 1 IO unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Schuldner der Insolvenzmasse geworden oder wenn die Forderung gegen den Schuldner, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben worden ist. (…)

Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen Steuerbetrag, den er nach diesem Bundesgesetz für den Umsatz nicht schuldet, gesondert ausgewiesen, so schuldet er gemäß § 11 Abs. 12 UStG 1994 diesen Betrag auf Grund der Rechnung, wenn er sie nicht gegenüber dem Abnehmer der Lieferung oder dem Empfänger der sonstigen Leistung entsprechend berichtigt. Im Falle der Berichtigung gilt § 16 Abs. 1 sinngemäß.

Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt oder nicht Unternehmer ist, schuldet gemäß § 11 Abs. 14 UStG 1994 diesen Betrag.

Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 geändert, so haben 1. der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag, und 2. der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug gemäß § 16 Abs. 1 UStG 1994 entsprechend zu berichtigen. Die Berichtigungen sind für den Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung des Entgeltes eingetreten ist.

Strittig ist, ob die Umsatzsteuergutschriften mit Konkursforderungen aufgerechnet werden durften oder sie als Forderungen der Masse an den Masseverwalter zurückgezahlt werden müssen.

Der Abrechnungsbescheid dient ausschließlich der Entscheidung, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist. Wenngleich somit im Rahmen des Abrechnungsbescheides kein Raum besteht, etwa darüber abzusprechen, ob die strittigen Gutschriften Ansprüche der Masse oder Konkursgegenforderungen darstellen, so stellt sich die Frage nach der Verrechenbarkeit einer Abgabenforderung mit den strittigen Gutschriften als Vorfrage für die Entscheidung über das Bestehen eines (rückzahlbaren) Guthabens ().

Dabei kommt den Aufrechnungsvorschriften der IO (insbesondere §§ 19, 20 IO) der Vorrang vor den Verrechnungsregeln des § 214 BAO zu (vgl. erneut ).

Der Abgrenzung von Masse- und Konkursforderungen dient § 46 Abs. 1 IO, wonach es darauf ankommt, ob der die Abgabepflicht auslösende Sachverhalt vor oder während des Insolvenzverfahrens verwirklicht wird.

Für den Beschwerdefall ist daher entscheidend, ob die gegenständlichen Umsatzsteuergutschriften der insolventen Gesellschaft aus insolvenzrechtlicher Sicht in den Zeitraum vor (Konkursgegenforderung) oder nach Konkurseröffnung fallen und je nachdem mit Konkursforderungen des Finanzamts aufrechenbar sind oder nicht.

Der Masseverwalter vertritt dazu die Rechtsansicht, dass nicht die Ausstellung der Scheinrechnungen laut Rechtsmeinung der Abgabenbehörde, sondern die Rechnungsberichtigungen die die (negative) Abgabepflicht auslösenden Sachverhalte darstellen.

Dazu ist festzustellen, dass Abgabenrückforderungsansprüche des Abgabepflichtigen "negative Abgabenansprüche" sind. Solche Ansprüche entstehen (wie die Abgabenansprüche im engeren Sinn) kraft Gesetzes jeweils zu dem Zeitpunkt, in dem ein gesetzlicher Tatbestand, mit dessen Konkretisierung das Gesetz Abgabenrechtsfolgen verbindet, verwirklicht wird. Auf die Bescheiderlassung und die näheren Modalitäten der Geltendmachung der Ansprüche kommt es dabei nicht an. Mit dem Bescheid wird lediglich die Durchsetzung des Anspruchs gegenüber der Abgabenbehörde bewirkt, nicht aber das Entstehen des Anspruchs ().

Entgegen der Rechtsansicht des Finanzamtes richtet sich der Zeitpunkt der Verwirklichung der Abgabenrechtsfolgen allerdings nicht nach der seinerzeitigen Rechnungsausstellung, sondern nach der im Konkurs bewirkten Rechnungsberichtigung, da bei der hier vorliegenden Steuerschuld kraft Rechnungslegung gemäß § 11 Abs. 14 UStG im Gegensatz zu § 11 Abs. 12 UStG eine (sinngemäße) Rechnungsberichtigung nach § 16 Abs. 1 UStG zwar nicht vorgesehen ist, allerdings verlangt der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer dem , Schmeink & Cofreth AG & Co KG und Manfred Strobel, zufolge, dass im Falle der rechtzeitigen und vollständigen Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer berichtigt werden kann.

Aus diesem Grund kann auch die zu § 11 Abs. 12 UStG ergangene Judikatur des VwGH in Analogie herangezogen werden, wonach sich durch den Verweis in § 11 Abs. 12 letzter Satz UStG auf § 16 Abs. 1 UStG ergibt, dass für den Aussteller der Rechnung die Steuerschuld aufgrund der Rechnung zu dem Zeitpunkt (in jenem Voranmeldungszeitraum) wegfällt, in dem die Rechnung berichtigt wird (). Für den Aussteller der Rechnung wirkt die Rechnungsberichtigung somit ex nunc, d.h. die Steuerschuld des Rechnungsausstellers entfällt durch die spätere Rechnungsberichtigung nicht etwa rückwirkend auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung ().

Im Falle der erst im Konkurs bewirkten Rechnungsberichtigung kommt daher eine Verrechnung mit Konkursforderungen nicht in Betracht.

Da die zur Rückzahlung begehrten Umsatzsteuergutschriften somit erst in den Jahren 2015 und 2016 entstanden sind, hingegen das Insolvenzverfahren bereits am D-1 eröffnet wurde, war die Aufrechnung gemäß § 20 Abs. 1 IO unzulässig, da die Abgabenbehörde als Insolvenzgläubigerin erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Schuldnerin der Insolvenzmasse geworden ist.

Die Umsatzsteuergutschriften 2015 und 2016 konnten daher im Gesamtbetrag von € 1.509.800,00 nicht mit den aushaftenden Konkursforderungen gemäß § 214 Abs. 1 BAO verrechnet werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Die Entscheidung folgt vielmehr der dargestellten Judikatur des VwGH.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 216 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 46 Z 2 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 19 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 20 Abs. 1 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 11 Abs. 12 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 16 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 11 Abs. 14 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Verweise



ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103208.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at