Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.02.2023, RV/7101908/2021

Keine Verlängerung der Verjährung nach § 207 Abs 2 BAO mangels Abgabenhinterziehung iZm einem vermeintlich gemeinnützigen Verein

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Andrea Ebner in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch MAG. KNEIDINGER KG, Haslacher Straße 19, 4150 Rohrbach-Berg, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend die Umsatzsteuer der Jahre 2012 bis 2014, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden - ersatzlos - aufgehoben.

II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die steuerliche Vertretung des beschwerdeführenden Vereins übermittelte der belangten Behörde am eine Selbstanzeige für die Umsatzsteuererklärungen der Jahre 2015 bis 2019 sowie Körperschaftsteuererklärungen der Jahre 2011 bis 2019 und legte sämtliche nicht versteuerten Umsätze der Jahre 2011 bis 2019 offen. Betreffend der Jahre 2011 bis 2014 wurde in Bezug auf die Umsatzsteuererklärungen die Einrede der Verjährung geltend gemacht.

Die belangte Behörde legte die im Rahmen der Selbstanzeige ermittelte Bemessungsgrundlage auch den nunmehr angefochtenen Umsatzsteuerbescheiden für die Jahre 2012 bis 2014, alle samt vom , zu Grunde und verwies begründend auf jeweils gesondert zu ergehende Bescheidbegründungen.

Die gesonderten Bescheidbegründungen betreffend die Umsatzsteuer für die Jahre 2012 bis 2014 vom selben Tag enthalten Ausführungen, wonach sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand des § 33 Abs 1 iVm § 33 Abs 3 lit a FinStrG erfüllt seien, weshalb die zehnjährige Verjährungsfrist gemäß § 207 Abs 2 BAO im gegenständlichen Fall zur Anwendung komme. Es sei nämlich im Beschwerdefall nur vorgebracht worden, dass der Vorstand und die Geschäftsführung des Vereines der Meinung gewesen wären, es handle sich um einen gemeinnützigen Verein, der keinerlei steuerliche Verpflichtungen haben würde. Diese Einschätzung wäre auch auf die Annahme gestützt worden, dass unter Abzug von Mitgliedsbeiträgen das Vereinsergebnis regelmäßig negativ gewesen wäre und kein Gewinn erwirtschaftet worden wäre, was letztlich ohnehin nie Ziel gewesen wäre. Nach Ansicht der Behörde sei es absolut realitätsfremd, die Meinung zu vertreten, dass allein weil in bestimmten Jahren kein Gewinn erwirtschaftet worden sei und dies auch nicht geplant gewesen sei, es keinerlei steuerliche Verpflichtungen gäbe. Die Gründung der juristischen Person "Verein" - als potentielles Körperschaftsteuersubjekt iSd § 1 KStG 1988 - erfülle alleine schon den Anzeigentatbestand des § 120 BAO, unabhängig davon, ob man vermeint die Voraussetzungen für die Begünstigungen iSd §§ 34 ff BAO zu erfüllen oder nicht. Hinzu komme, dass es bei abgabenrechtlichen Begünstigungen an dem Verein und seinen verantwortlichen Entscheidungsträgern liege, jene Umstände darzulegen, die für die Begünstigung sprechen würden ().

Dagegen richtete sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom in welcher die ersatzlose Aufhebung mit der Begründung der Verjährung beantragt wurde, weil hinsichtlich der angefochtenen Umsatzsteuern keine vorsätzliche Abgabenhinterziehung vorliegen würde. Im Lichte der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hätte die belangte Behörde vor dem Hintergrund des bestrittenen Vorsatzvorwurfs sowie der vorgebrachten Gegenbeweise präzise herauszuarbeiten gehabt, aus welchen Erwägungen sie zur Ansicht gelange, dass dieser Sachverhalt vorliege und dass dieser dem Tatbestand der in Betracht kommenden Norm entspreche (). Darüber hinaus sei in der Offenlegung vom darauf hingewiesen worden, dass der fehlende Ansatz einer Umsatzsteuer bei diversen Abrechnungen über Projektarbeiten gegenüber Sponsorpartner durch die Organe des Vereins bzw der Geschäftsführung im vermeintlichen Wissen ob einer Gemeinnützigkeit erfolgt sei, womit festgehalten sei, dass auf keiner Ebene Vorsatz - auch kein Eventualvorsatz - vorgelegen sei. Zudem übersehe die Behörde, dass die Empfänger der Leistungen teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen seien und es daher in wirtschaftlicher Gesamtbetrachtung zu keinem Steuerschaden gekommen sei. Die Organe bzw involvierten Personen auf Vereinsebene seien vielmehr der Ansicht gewesen, dass sie durch die vermeintliche gemeinnützige Tätigkeit keinerlei steuerliche Pflichten gehabt hätten. Es sei folglich von der Abgabenbehörde zu prüfen, ob die Organe bzw involvierten Personen des Vereines hinsichtlich der Verrechnung von Projektleistungen ohne Umsatzsteuer einem Irrtum unterlegen seien. Aus dem bloßen Unterlassen der Einholung von Erkundigungen lasse sich kein bedingter Vorsatz abgeleitet. Daraus könne keine bewusste Gleichgültigkeit abgeleitet werden. Der "maßgerechte" Mensch werde nicht bei jedem ehrenamtlichen Tun in Zusammenhang mit umweltpolitischen Themen steuerpflichtige Tatbestände vermuten. Mangels Vorsatz betrage die Verjährungsfrist nur fünf Jahre, weshalb sich die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2012 bis 2015 als rechtswidrig erweisen würden.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Neben den im Wesentlichen bereits in der gesonderten Bescheidbegründung zur Umsatzsteuer für die Jahre 2012 bis 2014 vom enthaltenen Begründungselementen führte die belangte Behörde aus, dass der in der Beschwerde vorgebrachte Irrtum höchstens als Schutzbehauptung angesehen werden könne. Jeder, der einen Verein gründe oder aber eine Funktion darin übernehme, habe sich mit den einschlägigen Vorschriften bekannt zu machen und sich die notwendige Rechtskenntnis zu verschaffen, nicht nur in Bezug auf die damit zusammenhängenden Rechte, sondern auch auf die damit einhergehenden Pflichten. Die für den Verein verantwortlichen Entscheidungsträger hätten gewusst, dass die Einnahmen aus Tätigkeit des Vereins nicht angegeben gewesen seien und hätten es zumindest für möglich gehalten und hätten es billigend in Kauf genommen, dass dadurch Steuern hinterzogen worden seien. Damit sei sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand des § 33 Abs 1 iVm § 33 Abs 3 lit a FinStrG erfüllt, weshalb die zehnjährige Verjährungsfrist gemäß § 207 Abs 2 BAO zur Anwendung komme.

Die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers brachte am fristgerecht einen Vorlageantrag ein und beantragte darin die ersatzlose Aufhebung der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide der Jahre 2012 bis 2014 wegen Verjährungseinrede bzw in eventu wurde für das Jahr 2012 die Kleinunternehmerbegünstigung gemäß § 6 Abs 1 Z 27 UStG geltend gemacht (Gesamtbetrag der Lieferungen und Leistungen im Kalenderjahr 2012 iHv EUR 22.260,00). Die begründenden Ausführungen entsprechen im Wesentlichen jenen der Beschwerde vom .

Die belangte Behörde legte die Beschwerde am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Im Vorlagebericht vom selben Tag wird zur Stellungnahme auf die Begründung der Beschwerdevorentscheidung vom verweisen und ausgeführt, dass die darin vertretene Rechtsansicht aufrecht erhalten bleibe.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der beschwerdeführende Verein wurde im Jahr 2011 mit dem Ziel der Förderung der erneuerbaren Energie gegründet.

Die für den Beschwerdezeitraum maßgebenden Statuten aus dem Jahr 2011 des beschwerdeführenden Vereines lauten auszugsweise wie folgt:

"[…]

§ 2 Tätigkeitsbereich, Vereinszweck

[…] Der Verein ist überparteilich, nicht auf Gewinn ausgerichtet. Der Verein versteht sich als Dachverband von Vereinen aus dem Bereich der Erneuerbaren Energien.
Zweck des Vereins ist es, die Förderung der Nutzung erneuerbarer Energiequellen, die Information der Öffentlichkeit über den Stellenwert der erneuerbaren Energie in Bezug auf Klima, Umweltschutz und Nachhaltigkeit, wirtschaftliche Perspektive, die Ausweitung des Anteils erneuerbarer Energie am gesamten Energieverbrauch sowie mittelfristig die vollständige Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien in den Verwendungsbereichen Strom, Wärme und Kälte sowie Mobilität zu betreiben. Hierzu setzt sich der Verein insbesondere für die Versachlichung der Diskussion und für die Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien, die Durchsetzung ihrer Chancengleichheit gegenüber fossilen Energieträgern und die Förderung erneuerbarer Energien in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit, Forschung, Entwicklung und Weiterbildung ein.

Zweck des Vereins ist es, als Verband die offizielle Vertretungskompetenz für erneuerbare Energie bei Behörden und politischen Entscheidungsträgern zu erreichen, soweit sie nicht durch die Mitgliedsvereine abgedeckt wird.

§ 3 Mittel zur Erreichung des Vereinszwecks, Aufgaben

(1) Der Vereinszweck soll durch die in Abs 2 und 3 angeführten ideellen und materiellen Mittel erreicht werden.

(2) Als ideelle Mittel dienen:

a. Die Beratung öffentlicher Stellen bei der Energie- und Umweltpolitik und anderen relevanten gesetzlichen Rahmenbedingungen im Sinne des Vereinszwecks,
b. Die Entwicklung von Strategien und Modellen zum vermehrten Einsatz erneuerbarer Energien und die Durchsetzung dieser Strategien auf allen politischen Ebenen;
c. Gezielte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Sinne des Vereinszwecks;
d. Die Förderung der Kooperation unter den Vereinigungen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien;
e. Organisation des Erfahrungsaustausches zwischen den verschiedenen Sparten der erneuerbaren Energien;
f. Marktunterstützende Aktivitäten, um der heimischen Wirtschaft den Zugang zu neuen Märkten zu erleichtern;
g. Aufzeigen der volkswirtschaftlichen Effekte des Ausbaus der Erneuerbaren Energie;
h. Lobbying bei nationalen und internationalen Organisationen sowie bei öffentlichen und politischen Einrichtungen;
i. Aufbau und laufende Weiterentwicklung von internationalen Kontakten und Kooperationspartnern;
j. Die Förderung der Kooperation mit den Netzbetreibern im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit notwendiger Investitionen in die Netzinfrastruktur und betreffend einer gemeinsamen Positionierung gegenüber öffentlichen Stellen;
k. Mitgliedschaft bei Verbänden (national und international), die dieselben oder ähnliche Zielsetzungen verfolgen;
I. Herausgabe von Publikationen und Positionspapieren;
m. Vorträge, Seminare und Fachveranstaltungen;
n. Durchführung von Projekten, die der Verfolgung des Vereinszwecks dienen;

(3) Die erforderlichen materiellen Mittel werden aufgebracht durch:

Mitgliedsbeiträge,

Fundraising und Sponsoring,

Zurverfügungstellung von Personal- und Sachleistungen durch die Mitglieder,

Erträgnisse aus sonstigen zur Mittelaufbringung geeignete Tätigkeiten, die dem Vereinszweck entsprechen und nicht auf Gewinn ausgerichtet sind,

Beiträge nationaler Organisationen,

Mittel der Europäischen Union und anderer internationaler Organisationen,

öffentliche und private Förderungen, Spenden, Sammlungen, Vermächtnisse und sonstige Zuwendungen,

[…]

(5) Das Vereinsvermögen darf nur im Sinn des Vereinszwecks verwendet werden.

[…]

§ 14 Auflösung des Vereins

[…]

(2) […] Bei Auflösung des Vereines ist das Vereinsvermögen für die aktiven Mitgliedsvereine, die nicht auf Gewinn ausgerichtet sind oder für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke im Sinne der §§ 34ff Bundesabgabenordnung zu verwenden."

Die Satzungsbestimmungen sind im Wesentlichen unverändert in Bestand (auf der Website veröffentlichte Vereinsstatuten). Die tatsächliche Geschäftsführung des beschwerdeführenden Vereins erfolgt im Einklang mit den Satzungsbestimmungen.

Die steuerliche Vertretung war im Beschwerdezeitraum für die Personalverrechnung des beschwerdeführenden Vereins zuständig. Sie wurde im Rahmen einer Prüfung von Lohnabgaben (Kommunalsteuerprüfung Stadt Wien) beim beschwerdeführenden Verein hinzugezogen. Die nunmehr strittige Umsatzsteuer wurde im Rahmen der Kommunalsteuerprüfung nicht thematisiert; soweit ersichtlich gab es in diesem Zusammenhang von Behördenseite keine weiteren Veranlassungen.

Die laufende Buchhaltung wurde vereinsintern von einer Buchhalterin durchgeführt, ebenso wie die Erstellung des jährlichen Vereins-Rechnungsabschlusses. Eine steuerliche Vertretung betreffend Umsatzsteuer bestand nicht. Im Zuge der Durchsicht der Unterlagen betreffend die Lohnabgaben haben sich - wie glaubwürdig in der Beschwerde dargelegt - für die steuerliche Vertretung Verdachtsmomente betreffend umsatzsteuerlichen Leistungsaustausch sowie eine mangelnde abgabenrechtliche Begünstigung iSd §§ 34 ff BAO ergeben. Die steuerliche Vertretung wurde daraufhin mit der Überprüfung der Buchhaltung und allenfalls Einleitung notwendiger finanzbehördlicher Schritte beauftragt.

Am übermittelte die steuerliche Vertretung dem Finanzamt eine Selbstanzeige gemäß § 29 FinStrG für die Umsatzsteuererklärungen der Jahre 2015 bis 2019 sowie der Körperschaftsteuererklärungen 2011 bis 2019. Mit der Selbstanzeige wurden unterfertigte Körperschaftsteuererklärungen für die Jahre 2011 bis 2019 sowie unterfertigte Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2015 bis 2019 übersandt. Sämtliche Umsätze für den Zeitraum 2011 bis 2019 wurden offengelegt. Betreffen der Jahre 2011 bis 2014 wurde hinsichtlich der Umsatzsteuererklärungen jedoch die Einrede der Verjährung gemäß § 207 Abs 2 BAO geltend gemacht. Die Körperschaftsteuer ist nicht beschwerdegegenständlich. Beschwerdegegenständlich ist ausschließlich die Umsatzsteuer der Jahre 2012 bis 2014.‬‬

Die Bemessungsgrundlagen der Lieferungen und Leistungen beliefen sich im Gründungsjahr 2011 auf 0,00, im Jahr 2012 auf EUR 18.550,00 (in eventu wird Kleinunternehmerbefreiung geltend gemacht), im Jahr 2013 auf EUR 38.027,00 und im Jahr 2014 auf EUR 46.083,33. Die konkrete Aufgliederung nach Konten wie etwa Mitgliedsbeiträge und Sponsoren sowie Projekte und Tagungserlöse ist aktenkundig.

Die Umsatzsteuer stellte sich für die Jahre 2012 bis 2014 wie folgt dar:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
2012
2013
2014
USt (20%)
EUR
3.710,00
EUR
7.605,40
EUR
9.216,67
VSt
EUR
-505,99
EUR
-3.399,71
EUR
-7.905,52
USt RevCharge
EUR
325,34
VSt RevCharge
EUR
-325,34
Summe
EUR
3.204,01
EUR
4.205,69
EUR
1.311,14

Im Beschwerdezeitraum ist es unstrittig objektiv zu einer Verletzung von abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten gekommen (Selbstanzeige vom sowie Beschwerdeausführungen) durch die Vereinsorgane gekommen.

Ein Finanzstrafverfahren betreffend die streitgegenständliche Verletzung von Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten im Beschwerdezeitraum Beschwerdezeitraum wurde nicht eingeleitet. Eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft ist nicht erfolgt (Angaben im Vorlagebericht).

Auf den Abrechnungen des Vereines waren im Beschwerdezeitraum keine Umsatzsteuerhinweise angebracht.

Der Verein finanziert sich überwiegend aus Mitgliedsbeiträgen und untergeordnet aus Projektabwicklungen durch Sponsorenentgelte.

Für das Bundesfinanzgericht gingen die Organe des beschwerdeführenden Vereins glaubhaft vom Erfüllen der Voraussetzungen für die abgabenrechtliche Begünstigung der Gemeinnützigkeit nach § 35 BAO aus.

Weiters ist für das Bundesfinanzgericht glaubhaft, dass sich die Vereinsorgane - wie in der Beschwerde eingeräumt - mangels gebührender Sorgfaltswaltung, die mit den entsprechenden Vereinsfunktionen einhergehen - im konkreten Beschwerdefall über die Umsatzsteuerpflicht geirrt haben. Sie haben nach Angaben in der Beschwerde keine steuerlichen Rechtseinkünfte iZm der Umsatzsteuerpflicht in den Streitjahren eingeholt. Die Vereinsorgane und involvierten Personen waren glaubwürdig im Beschwerdezeitraum von der (Umsatz-)Steuerfreiheit des beschwerdeführenden Vereins überzeugt. Sie haben dahingehend eine Verwirklichung einer Umsatzsteuerverkürzung nicht ernstlich für möglich gehalten und in Kauf genommen; eine solche war von den involvierten Personen nicht gewollt.

Im Beschwerdefall wurden bis zur Erstattung der Selbstanzeige im Jahr 2020 unstrittig keine nach außen erkennbaren Amtshandlungen durch die Behörde gesetzt, die auf die Geltendmachung der nunmehr strittigen Umsatzsteuer gerichtet gewesen wären.

2. Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes.

Für das Bundesfinanzgericht ergeben sich keine Anhaltspunkte an den Ausführungen der steuerlichen Vertretung zu zweifeln, dass diese ursprünglich nur für die Personalverrechnung beauftragt wurde und dadurch bei der Kommunalsteuerprüfung hinzugezogen wurde. Es erscheint dem Gericht insbesondere aufgrund der berufsrechtlichen Sorgfaltspflichten eines Steuerberaters (vgl insbesondere § 71 ff WTBG 2017) glaubwürdig, dass sich für diesen erst bei Durchsicht der Unterlagen im Rahmen der Kommunalsteuerprüfung Verdachtsmomente betreffend die abgabenrechtliche Begünstigung iSd §§ 34 ff BAO und damit die Steuerpflicht ergeben haben. Ebenso glaubwürdig erscheint, dass infolge dessen die vollständige Überprüfung angeboten und durchgeführt wurden, was letztendlich in der Übermittlung der Selbstanzeige vom mündete. Gegenteiliges wird auch von der belangten Behörde nicht behauptet. Damit wurde ursprünglich kein steuerlicher Vertreter für die Streitjahre betreffend die hier maßgebende Umsatzsteuer beigezogen.

Dass der beschwerdeführende Verein im Rahmen der tatsächlichen Geschäftsführung entgegen der Satzungsbestimmungen agierte, wird weder von der belangten Behörde behauptet, noch ergeben sich dafür Anhaltspunkte (Veröffentlichung auf der Website des beschwerdeführenden Vereins).

Die steuerliche Vertretung des beschwerdeführenden Vereins räumt in der Beschwerde, wie auch im Vorlageantrag ein, dass es im Beschwerdezeitraum unstrittig zu einer Verletzung von Offenlegungs-, Wahrheit- und Anzeigepflichten gekommen sei, indem trotz Steuerpflicht des Vereins weder Steuererklärungen abgegeben worden seien, noch Abgaben abgeführt worden seien. Die Verletzung von Offenlegungs-, Wahrheit- und Anzeigepflichten durch die Vereinsorgane wird daher unstrittig angenommen. Beschwerdegegenständlich ist nunmehr ausschließlich die Umsatzsteuer für die Jahre 2012 bis 2014.

Für die Annahme des Vorliegens einer Abgabenhinterziehung mangle es allerdings an der vorsätzlichen Tatbegehung. Der Vorstand und die Geschäftsführung des Vereins seien nämlich der Meinung gewesen, dass es sich bei dem betreffenden Verein um einen gemeinnützigen Verein handle, der keinerlei steuerliche Verpflichtungen habe. Diese Ansicht habe sich dadurch begründet, dass der beschwerdeführende Verein in seiner Konzeption und inhaltlichen Tätigkeit - letztlich für eine bessere Umwelt aller ÖsterreicherInnen durch entsprechend umweltfreundlicheren Energieeinsatz und somit zum Vorteil aller ÖsterreicherInnen - keine steuerlichen (somit auch keine umsatzsteuerlichen) Auswirkungen gehabt habe. Deswegen seien im Beschwerdezeitraum auch keine Umsatzsteuerhinweise angebraucht worden und man sei in jeder Hinsicht überzeugt gewesen, korrekt zu agieren.

Allgemeine Regelungen zur abgabenrechtlich begünstigten gemeinnützigen Zweckverfolgung finden sich in §§ 34 ff BAO.

Gemäß § 35 Abs 1 sind solche Zwecke gemeinnützig, durch deren Erfüllung die Allgemeinheit gefördert wird. Abs 2 leg cit enthält eine demonstrative Aufzählung von gemeinnützigen Zwecken wie etwa Natur-, Tier- und Höhlenschutzes. Demnach kommt die Förderung des Umweltschutzes (als Förderung des Naturschutzes) dem Grunde nach als gemeinnützige Zweckverfolgung iSd § 35 BAO in Betracht (vgl zB Ebner in Ebner/Hammerl/Oberhuber, Die Besteuerung der Vereine11, B163). Diese Sichtweise teilt auch die Finanzverwaltung, sofern nicht im Grunde eine politische Tätigkeit ausgeübt wird (vgl VereinsR 2001 Rz 77).

Nicht als gemeinnützig angesehen wird nämlich die Verfolgung parteipolitischer Zwecke wie etwa die auch die Beeinflussung der politischen Meinungsbildung (vgl ). Ebenso nicht gemeinnützig ist die Förderung des Erwerbes und der Wirtschaft. Die Vertretung von wirtschaftlichen Interessen bestimmter Wirtschaftszweige ist daher abgabenrechtlich nicht begünstigt (; ).

Für das Bundesfinanzgericht ist daher glaubhaft, dass bei Unterlassung von zweckdienlichen und sorgfaltsgemäßen Erkundungen, die zu den Obliegenheiten von Funktionen ausübenden Vereinsorganen gehören, ein Irrtum der Vereinsorgane hinsichtlich der Gemeinnützigkeit des beschwerdeführenden Vereins vorgelegen ist. Der bloße Irrtum über die das Erfüllen der Voraussetzungen für die Gemeinnützigkeit nach §§ 34 ff BAO begründet jedoch für sich noch keinen Irrtum über die (Umsatz-)Steuerpflicht des Vereines, sind doch die jeweiligen steuerlichen Begünstigungen in den Materiengesetzen unterschiedlich ausgestaltet (vgl zB § 5 Z 6 KStG 1988 oder § 8 KommStG).

Die ins Treffen geführte fehlende Gewinnerzielungsabsicht wird vom Gericht ebenfalls nicht in Zweifel gezogen, ergibt sich eine solche ja bereits aus § 1 Abs 2 VerG 2002, wonach ein Verein nicht auf Gewinn berechnet sein darf. Das Vereinsvermögen darf nur im Sinne des Vereinszwecks verwendet werden. Aufgrund der sich jedoch bereits zwingend aus der gesetzlichen Verpflichtung nach dem VerG 2022 ergebenden schädlichen Gewinnerzielungsabsicht, kann aus dem bloßen Vorbringen, dass der Verein keinen Gewinn erwirtschaftet hätte und dies auch nicht Ziel gewesen sei, hinsichtlich des Vorliegens eines Rechtsirrtums über die Steuerpflicht nichts gewonnen werden.

§ 120 BAO normiert, dass die Abgabepflichtigen dem Finanzamt alle Umstände anzuzeigen haben, die hinsichtlich der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer, der Umsatzsteuer oder Abgaben vom Vermögen die persönliche Abgabepflicht begründen, ändern oder beendigen. Sie haben dem Finanzamt auch den Wegfall von Voraussetzungen für die Befreiung von einer solchen Abgabe anzuzeigen.

Die Behörde führt zutreffend in den Begründungen zu den Beschwerdevorentscheidungen, alle vom , aus, dass die Gründung der juristischen Person "Verein" - als potentielles Körperschaftsteuersubjekt iSd § 1 KStG für sich den Anzeigetatbestand des § 120 BAO erfülle, unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für die abgabenrechtlichen Begünstigungen erfüllt seine oder nicht.

Dem tritt die steuerliche Vertretung in der Beschwerde insoweit entgegen, als es mit der Lebenserfahrung klar in Widerspruch stehe, pauschal jedem Österreicher/jeder Österreicherin ein Wissen zu unterstellen, dass logischerweise ein Verein auch sofort gegenüber der Finanzbehörde anzuzeigen sei.

Ein solcher von der steuerlichen Vertretung ins Treffen geführter Irrtum über die Anzeigepflicht dem Grunde nach erscheint insbesondere vor dem Hintergrund der von der Finanzverwaltung selbst in den VereinsR 2001 Rz 12 vertretenen Ansicht als glaubhaft, soweit darin ausgeführt wird, "ein Rechtsträger hat gemäß § 120 BAO von sich aus zu prüfen, ob Tatbestände verwirklicht sind, die eine Abgabepflicht auslösen und dies der zuständigen Abgabenbehörde anzuzeigen. Solange dies nicht der Fall ist, besteht gemäß § 133 Abs. 1 BAO eine Verpflichtung zum Einreichen von Abgabenerklärungen nur über Aufforderung durch die Abgabenbehörde".

Zur prüfen bleibt, ob bei vermeintlichem Annehmen der Erfüllung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der abgabenrechtlichen Begünstigungen iSd § 34 ff BAO für die Annahme der Umsatzsteuerfreiheit und einem Irrtum darüber Raum bleibt.

Vor dem Hintergrund der obig selbst von der Finanzverwaltung in den VereinsR 2001 nach außen vertretenen Sichtweise ist im konkreten Beschwerdefall gerade nicht ausreichend- wie die steuerliche Vertretung zurecht moniert - bloß auszuführen "hinsichtlich der wahrheitswidrigen Nichtangabe der Einkünfte in Verbindung mit der Nichtdarlegung vermeintlicher Umstände die für eine Begünstigung sprechen, handelte der Verein durch seine verantwortlichen Entscheidungsträger mindestens mit Eventualvorsatz. Es ist somit davon auszugehen, dass die für den Verein verantwortlichen Entscheidungsträger wussten, dass die Einnahmen aus Tätigkeit des Vereins nicht angegeben waren und dass sie es zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben, dass dadurch Steuern hinterzogen wurden" (Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung vom in Übereinstimmung mit den Bescheidbegründungen vom ).

Gemäß § 2 Abs 1 UStG 1994 ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

Vereine besitzen dann Unternehmereigenschaft, wenn sie mit Leistungen im Wirtschaftsleben nach außen in Erscheinung treten (vgl Ruppe/Achatz, Umsatzsteuergesetz5, § 2 Rz 20 mit weiteren Nachweisen der Judikatur). Keine Unternehmereigenschaft haben demnach Vereine, die den Mitgliedern gegenüber keine Einzelleistungen erbringen ().

Nach der Verwaltungspraxis umfasst der betriebliche (= unternehmerische) Bereich eines Vereines alle im Rahmen eines Leistungsaustausches nachhaltig ausgeübten Tätigkeiten, während der außerbetriebliche (= nichtunternehmerische) Bereich alle jene Tätigkeiten umfasst, die ein Verein in Erfüllung seiner satzungsgemäßen Gemeinschaftsaufgaben zur Wahrnehmung der Gesamtbelange seiner Mitglieder bewirkt (vgl VereinsR 2001 Rz 461). Zudem könne nach Ansicht der Finanzverwaltung davon ausgegangen werden, dass bei Körperschaften, die gemeinnützigen Zwecken dienen, die im Rahmen von wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben nach § 45 Abs 1 und 2 BAO ausgeübten Tätigkeiten unter die Regelung Liebhabereivermutung iSd § 2 Abs 5 Z 2 UStG 1994 fallen würden. Danach wird das Vorliegen einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit gerade nicht angenommen und es liegt ergibt sich keine Umsatzsteuerpflicht (vgl VereinsR 2001 Rz 463).

Vor dem Hintergrund der dargelegten Verwaltungspraxis erscheint das Vorbringen des (Rechts-)Irrtums hinsichtlich der Verrechnung von Projektleistungen ohne Umsatzsteuer durch die Organe des Vereins als plausiblen und entgegen den Ausführungen im der Beschwerdevorentscheidung vom nicht bloß eine Schutzbehauptung. Dass einerseits die in den VereinsR 2001 vertretene Ansicht der Finanzverwaltung hinsichtlich der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Vereinsleistungen in dieser Pauschalität möglicherweise nicht im Einklang mit der Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union steht (vgl etwa dazu Ruppe/Achatz, Umsatzsteuergesetz5, § 1 Rz 118) und anderseits allerdings auch die bloße Gemeinnützigkeit die Umsatzsteuerpflicht noch nicht ausschließt, spricht nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts für sich nicht gegen das Vorliegen eines, wenn auch womöglich nicht entschuldbaren, Rechtsirrtums.

Dass mangels Einholung von steuerrechtlichen Erkundungen, die zur Aufklärung des Rechtsirrtums beitragen hätten können, durch die handelnden Vereinsorgane sorglos gehandelt wurde, wird auch in der Beschwerde nicht in Abrede gestellt. Die Verkürzung der Umsatzsteuer wurde jedoch vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen im konkreten Beschwerdefall - wie glaubhaft dargelegt -nicht ernstliches für möglich gehalten und in Kauf genommen.

Zu berücksichtigen ist zudem, dass wie, glaubhaft dargelegt, die Empfänger der Leistungen ohne Annahme der vermeintlich unechten Steuerbefreiung teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen wären und jedenfalls keine unmittelbare Bereicherung der involvierten Personen ersichtlich ist, die auf eine gewollte oder zumindest in Kauf genommene Verkürzung hindeuten würden. Anderwärtiges wird von der Behörde auch nicht behauptet.

In Gesamtschau erscheint dem Bundesfinanzgericht somit als glaubhaft dargetan, dass die Vereinsorgane insgesamt einem Rechtsirrtum über die Umsatzsteuerpflicht unterlegen sind. Im Glauben der Steuerfreiheit im des vermeintlich gemeinnützigen Vereines haben die Vereinsorgane zu nicht mit der Verwirklichung von Umsatzsteuertatbeständen gerechnet. Vielmehr konnten auch zum Teil vorsteuerberechtigte Leistungsempfänger mangels Umsatzsteuerausweis die Vorsteuer nicht geltend machen, was nach der allgemeinen Lebenserfahrung Attraktivitätseinbußen nach sich ziehen kann. Aus all dem lässt sich aber gerade im konkreten Beschwerdefall für das Bundesfinanzgericht nicht ableiten, dass eine Verkürzung der Umsatzsteuer von den Vereinsorganen und involvierten Personen ernstlich für möglich gehalten und in Kauf genommen wurde. Für das Bundesfinanzgericht ergeben sich im Beschwerdefall keine Anhaltspunkte für eine willentliche Umsatzsteuerverkürzung.

Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse durfte das Bundesfinanzgericht daher in freier Beweiswürdigung von den obigen Sachverhaltsfeststellungen ausgehen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gemäß § 207 Abs 1 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung. Nach § 207 Abs 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist grundsätzlich fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre.

Entscheidend ist - nach dem Wortlaut des § 207 Abs 2 BAO - dass eine Abgabe hinterzogen. Es kommt dabei nicht darauf an, wer eine Abgabe hinterzogen hat (, mwN).

Ob Abgaben hinterzogen sind, bildet eine Vorfrage nach § 116 Abs 1 BAO für die Frage, ob die längere Verjährungsfrist des § 207 Abs 2 zweiter Satz BAO anzuwenden ist (vgl etwa ).

Damit die Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben zur Anwendung gelangt, bedarf es weder der Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, noch eines rechtskräftigen Schuldspruchs in einem Finanzstrafverfahren (vgl ; ). Die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen sind, setzt jedoch eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus (; ; ). Die maßgebenden Hinterziehungskriterien der Straftatbestände müssen nachgewiesen werden und die Begründung muss die Ermittlungsergebnisse sowie die Überlegungen zur Beweiswürdigung und zur rechtlichen Beurteilung, die die Annahme der Hinterziehung rechtfertigen, beinhalten (vgl Ritz/Koran, BAO7 § 207 Rz 15).

Die Beurteilung der Vorfrage der Abgabenhinterziehung hat in der Bescheidbegründung zu erfolgen. Aus der Begründung muss sich somit ergeben, aufgrund welcher Ermittlungsergebnisse sowie auf Grund welcher Überlegungen zur Beweiswürdigung und zur rechtlichen Beurteilung die Annahme der Hinterziehung gerechtfertigt ist (vgl ; ).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 207 Abs 2 BAO gilt für die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen wurden, der Grundsatz der freien Beweiswürdigung und damit ein anderes Beweismaß als im Finanzstrafverfahren (vgl sowie ).

Der Abgabenhinterziehung macht sich nach § 33 Abs 1 FinStrG schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.

Nach § 119 Abs 1 BAO sind die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände vom Abgabepflichtigen nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offenzulegen. Die Offenlegung muss vollständig und wahrheitsgemäß erfolgen. Nach § 119 Abs 2 BAO dienen der Offenlegung ua insbesondere die Abgabenerklärungen.

Eine Abgabenverkürzung ist nach § 33 Abs 3 lit a FinStrG mit Bekanntgabe des Bescheides oder Erkenntnisses bewirkt, mit dem bescheidmäßig festzusetzende Abgaben zu niedrig festgesetzt wurden oder wenn diese infolge Unkenntnis der Abgabenbehörde von der Entstehung des Abgabenanspruches mit dem Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist (Anmeldefrist, Anzeigefrist) nicht festgesetzt werden konnten.

Die objektive Tatseite der Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht ist im Beschwerdefall nach dem in freier Beweiswürdigung festgestellten Sachverhalt mangels Offenlegung die Umsatzsteuer begründender Sachverhalte (Umsatzsteuererklärung) unstrittig erfüllt. Infolge dessen wurde die Umsatzsteuer mangels Kenntnis der Behörde nicht festgesetzt und auch durch den beschwerdeführenden Verein unstrittig nicht rechtzeitig entrichtet. Strittig ist jedoch, die Vorsätzlichkeit als unabdingbares Tatbestandsmerkmal der Abgabenhinterziehung nach § 33 FinStrG.

Nach § 8 Abs 1 FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.

Die subjektive Tatseite verlangt ein vorsätzliches Handeln, dass jemand ein Tatbild mit Wissen und Wollen verwirklicht. Vorsätzliches Handeln beruht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen (vgl etwa ; , 99/15/0098).

Bloß aus der Erstattung einer Selbstanzeige ist nicht auf Vorsatz zu schließen (vgl ; , mwN).

Voraussetzung für die Annahme des bedingten Vorsatzes, der die Untergrenze des Vorsatzes darstellt, ist nicht ein Wissen um eine Tatsache oder um ihre Wahrscheinlichkeit im Sinne eines Überwiegens der dafürsprechenden Momente, sondern es genügt das Wissen um die Möglichkeit (). Unter Möglichkeit ist hier allerdings nicht das Bestehen eines abstrakten, in Anbetracht der allgemeinen Unsicherheit der menschlichen Erkenntnis zumeist möglichen letzten Zweifels an der Richtigkeit zu verstehen, sondern die Möglichkeit in einem konkreteren Sinn, wie sie etwa einem durch Bedenken erweckten Zweifel entspricht (vgl ). Der bedingte Vorsatz liegt nur dann vor, wenn der Täter die Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet. Der Täter muss also einerseits den Eintritt des verpönten Erfolges als naheliegend ansehen und anderseits bereit sein, diesen Erfolgseintritt in Kauf zu nehmen (vgl ; ).

Fahrlässig handelt hingegen, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht.

Fahrlässig handelt auch, wer es für möglich hält, dass er einen solchen Sachverhalt verwirkliche, ihn aber nicht herbeiführen will (§ 8 Abs 2 FinStrG).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schließt auch ein nicht entschuldbarer Rechtsirrtum nach § 9 FinStrG Vorsatz aus und bewirkt lediglich das Vorliegen von (grober) Fahrlässigkeit ().

Wie bereits ausgeführt, setzt die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen sind, eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare bescheidmäßige Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus. Die maßgebenden Hinterziehungskriterien der Straftatbestände sind von der Abgabenbehörde nachzuweisen. Dabei ist vor allem in Rechnung zu stellen, dass eine Abgabenhinterziehung nicht schon bei einer (objektiven) Abgabenverkürzung vorliegt, sondern Vorsatz erfordert, und eine Abgabenhinterziehung somit erst als erwiesen gelten kann, wenn -in nachprüfbarer Weise - auch der Vorsatz feststeht (vgl , 2013/15/0174, mwN). Solche nachprüfbaren Feststellungen wurden im Beschwerdefall - worauf in der Beschwerde zutreffen hingewiesen wurde - von der belangten Behörde nicht getroffen. Vielmehr sind, wie das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung vor dem dargelegten rechtlichen Hintergrund festgestellt hat, die im Beschwerdefall agierenden Vereinsorgane und involvierten Personen sowohl hinsichtlich der Erfüllung der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der abgabenrechtlichen Begünstigungen nach §§ 34 ff BAO, als auch hinsichtlich der Umsatzsteuerpflicht als solche einem - wenn auch möglicherweise nicht entschuldbaren - Rechtsirrtum unterlegen. Ein vorsätzliches Handeln der Akteure lag folglich nicht vor.

Eine (allenfalls auch grob) fahrlässige Abgabenverkürzung (§ 34 FinStrG) bewirkt jedoch keine Verlängerung der Verjährungsfrist auf zehn Jahre nach § 207 Abs 2 BAO, sodass im Beschwerdefall die allgemeinen Beschwerdefrist von fünf Jahren nach § 207 Abs 2 BAO anzuwenden war. Verlängerungshandlungen iSd § 209 BAO sind im Beschwerdefall unstrittig nicht erfolgt.

Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2012 bis 2014, alle vom , waren daher ersatzlos aufzuheben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist nicht zulässig, weil die zugrundeliegenden Rechtsfragen (Vorliegen einer hinterzogenen Abgabe im Sinne des § 207 Abs 2 BAO) durch die oben dargestellte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind (vgl insbesondere ). Darüber hinaus waren die in freier Beweiswürdigung vorgenommenen Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes entscheidungswesentlich (vgl zB ).

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 207 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 8 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 116 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 33 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 8 Abs. 2 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§§ 34 ff BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 34 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
Verweise



VereinsR 2001, Vereinsrichtlinien 2001 Rz 77



VereinsR 2001, Vereinsrichtlinien 2001 Rz 12
VereinsR 2001, Vereinsrichtlinien 2001

VereinsR 2001, Vereinsrichtlinien 2001 Rz 461
VereinsR 2001, Vereinsrichtlinien 2001 Rz 463













ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101908.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at