3.2 Unternehmereigenschaft von Vereinen
3.2.1 Unternehmer allgemein
460Nicht unternehmerisch tätig sind Vereine, wenn sie nur in Erfüllung ihrer satzungsgemäßen Gemeinschaftsaufgaben tätig werden, ohne Einzelleistungen an die Mitglieder (oder Dritte) zu erbringen ().
461Der betriebliche (= unternehmerische) Bereich eines Vereines umfasst alle im Rahmen eines Leistungsaustausches nachhaltig ausgeübten Tätigkeiten, während der außerbetriebliche (= nichtunternehmerische) Bereich alle jene Tätigkeiten umfasst, die ein Verein in Erfüllung seiner satzungsgemäßen Gemeinschaftsaufgaben zur Wahrnehmung der Gesamtbelange seiner Mitglieder bewirkt. Hilfsgeschäfte, wie zB der Verkauf von Vermögensgegenständen, sind dann dem unternehmerischen Bereich zuzurechnen, wenn die Gegenstände zuletzt im unternehmerischen Bereich Verwendung gefunden hatten.
462Die Vereinseinnahmen sind dahingehend zu untersuchen, ob sie mit dem unternehmerischen oder dem nichtunternehmerischen Bereich im Zusammenhang stehen. Mit dem nichtunternehmerischen Bereich zusammenhängenden Einnahmen sind zB echte Mitgliedsbeiträge, Spenden, Schenkungen, Erbschaften und Subventionen zur allgemeinen Förderung des Vereines.
3.2.2 Liebhaberei
3.2.2.1 Liebhabereivermutung bei Betrieben gemäß § 45 Abs. 1 und 2 BAO
463Bei Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 34 bis 38 BAO), kann davon ausgegangen werden, dass die im Rahmen von wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben nach § 45 Abs. 1 und 2 BAO ausgeübten Tätigkeiten unter die Regelung des § 2 Abs. 5 Z 2 UStG 1994 fallen.
Eine nichtunternehmerische Tätigkeit ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Umsätze des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes jährlich regelmäßig unter 2.900 Euro liegen.
3.2.2.2 Keine Anwendung der Liebhabereivermutung
464Im Hinblick darauf, dass gemäß § 6 der Liebhabereiverordnung, BGBl. Nr. 33/1993 idgF, grundsätzlich auch bei Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen, Liebhaberei im umsatzsteuerlichen Sinn nur bei Betätigungen iSd § 1 Abs. 2 Liebhabereiverordnung vorliegen könnte (), kann die Liebhabereivermutung nach Rz 463 erster Satz, soweit sie sich auf andere wirtschaftliche Tätigkeiten iSd § 2 Abs. 1 UStG 1994 bezieht, nicht gegen den Willen des Unternehmers angewendet werden. Die 2.900 Euro Bagatellgrenze (Rz 463 zweiter Satz) ist jedoch zu beachten. Will der Unternehmer die Liebhabereivermutung nach Rz 463 erster Satz nicht anwenden, bedarf es keiner gesonderten Erklärung gegenüber dem Finanzamt, sondern es genügt die Abgabe von Voranmeldungen und Jahreserklärungen oder auch die Abgabe der Verzichtserklärung auf die Anwendung der Kleinunternehmerbefreiung (vgl. Rz 520).
465Bei Tätigkeiten iSd § 1 Abs. 2 Liebhabereiverordnung, BGBl. Nr. 33/1993 idgF, ist die Liebhabereivermutung nach Maßgabe der Bestimmung des § 2 Abs. 4 Liebhabereiverordnung widerlegbar.
3.2.2.3 Liebhaberei bei Betrieben gemäß § 45 Abs. 3 BAO bzw. Gewerbebetrieben; Beurteilung einer Vermögensverwaltung
466Werden alle unter § 45 Abs. 1 und 2 BAO fallenden Betriebe als nichtunternehmerische Tätigkeit gewertet, sind auch Gewerbebetriebe und wirtschaftliche Geschäftsbetriebe nach § 45 Abs. 3 BAO (wie zB eine Kantine) ebenfalls als nichtunternehmerisch zu werten, wenn die Umsätze (§ 1 Abs. 1 Z 1 und 2 UStG 1994) aus den Gewerbebetrieben bzw. wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben gemäß § 45 Abs. 3 BAO im Veranlagungszeitraum insgesamt nicht mehr als 7.500 Euro betragen. Auch diese Vermutung kann nicht gegen den Willen des Unternehmers angewendet werden.
467Eine Vermögensverwaltung fällt nicht unter die für gemeinnützige Vereine geltende Liebhabereivermutung nach Rz 463 und Rz 466.
3.2.2.4 Kleinunternehmerregelung
468Einnahmen aus einer unter die Liebhabereivermutung fallenden Tätigkeit bleiben bei der Ermittlung der Kleinunternehmergrenze gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 außer Ansatz (siehe Rz 515 bis 520).
3.2.2.5 Übergang von einer unternehmerischen Tätigkeit zu einer nichtunternehmerischen Tätigkeit und umgekehrt
469Bei Übergang von einer unternehmerischen Tätigkeit zu einer nichtunternehmerischen Tätigkeit im Sinn des § 2 Abs. 5 Z 2 UStG 1994 kommt die Eigenverbrauchsbesteuerung gemäß § 3 Abs. 2 UStG 1994 zum Tragen. Bei einem derartigen Übergang sowie bei Übergang von einer nichtunternehmerischen Tätigkeit im Sinn des § 2 Abs. 5 Z 2 UStG 1994 zu einer unternehmerischen Tätigkeit liegt kein Anwendungsfall des § 12 Abs. 10 oder 11 UStG 1994 vor.
470Nur in jenen Fällen, bei denen beim Übergang von der unternehmerischen Tätigkeit zur nichtunternehmerischen Tätigkeit im Sinn des § 2 Abs. 5 Z 2 UStG 1994 ein unecht steuerfreier Eigenverbrauch vorliegt (§ 6 Abs. 1 Z 9 lit. a UStG 1994), ist eine Vorsteuerberichtigung nach § 12 Abs. 10 UStG 1994 vorzunehmen (siehe Rz 456).
3.2.3 Unternehmerbegriff für Zwecke der Bestimmung des Leistungsortes bei sonstigen Leistungen
470aDer in § 3a Abs. 5 Z 1 und Z 2 UStG 1994 normierte Begriff des Unternehmers ist weiter als jener des § 2 UStG 1994 und gilt nur für den Leistungsempfänger, nicht für den die Leistung erbringenden Unternehmer.
Als unternehmerischer Leistungsempfänger gilt nach § 3a Abs. 5 Z 1 UStG 1994:
ein Unternehmer iSd § 2 UStG 1994, der die sonstige Leistung für seine steuerbaren Tätigkeiten bezieht;
ein Unternehmer iSd § 2 UStG 1994, der die sonstige Leistung ganz oder teilweise für seine nicht steuerbaren (nicht wirtschaftlichen) Tätigkeiten bezieht (zB Leistungsbezüge eines unternehmerisch tätigen gemeinnützigen Vereines für den nichtunternehmerischen Vereinsbereich).
Beispiel:
Der österreichische gemeinnützige Kulturverein KV, der auch unternehmerisch tätig ist, gibt eine wissenschaftliche Studie über die Historie einer bestimmten Kunstrichtung und deren Bedeutung für Österreich in Auftrag, die ausschließlich den ideellen Vereinsbereich betrifft. Der Auftragnehmer ist das deutsche Forschungsinstitut D. Der gemeinnützige Verein KV gilt für die Ermittlung des Leistungsortes der wissenschaftlichen Leistung als Unternehmer. Der Leistungsort dieser Leistung liegt daher entsprechend der Generalklausel des § 3a Abs. 6 UStG 1994 in Österreich. Die Steuerschuld geht gemäß § 19 Abs. 1 zweiter Satz UStG 1994 auf den gemeinnützigen Verein über. Mangels Ausführung der Leistung für den unternehmerischen Bereich des KV steht ein Vorsteuerabzug nicht zu (vgl. Rz 528).
470bAls unternehmerischer Leistungsempfänger gilt nach § 3a Abs. 5 Z 2 UStG 1994:
eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person, die über eine UID verfügt. Dazu gehören auch Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen ( §§ 34 bis 47 BAO).
Beispiel:
Ein gemeinnütziger Verein, der nicht unternehmerisch tätig ist (weil er zB keine entgeltlichen Lieferungen und sonstigen Leistungen ausführt oder hinsichtlich sämtlicher Tätigkeiten die Liebhabereivermutung nach Rz 463 und Rz 466 anwendet), aber zB wegen des Überschreitens der Erwerbsschwelle über eine UID verfügt, bezieht eine Beratungsleistung. Es kommen die Leistungsortregelungen für Unternehmer zur Anwendung, obwohl der Verein keine Unternehmereigenschaft iSd § 2 UStG 1994 besitzt.
470cEine nicht unternehmerisch tätige juristische Person (keine Unternehmereigenschaft iSd § 2 UStG 1994), die über keine UID verfügt, gilt nach § 3a Abs. 5 Z 3 UStG 1994 als nichtunternehmerische Leistungsempfängerin.
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Zusatzinformationen | |
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Gültig ab: | |
Materie: | Steuer |
Betroffene Normen: | EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 VerG, Vereinsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 66/2002 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 GrStG 1955, Grundsteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 149/1955 BewG 1955, Bewertungsgesetz 1955, BGBl. Nr. 148/1955 Werbeabgabegesetz 2000, BGBl. I Nr. 29/2000 KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 KVG, Kapitalverkehrsteuergesetz, dRGBl. I S 1058/1934 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987 § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 2 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 2 Abs. 5 Z 2 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 6 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 12 Abs. 10 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 §§ 34 bis 47 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 6 Liebhabereiverordnung, BGBl. Nr. 33/1993 § 1 Abs. 2 Liebhabereiverordnung, BGBl. Nr. 33/1993 § 2 Abs. 4 Liebhabereiverordnung, BGBl. Nr. 33/1993 § 3a Abs. 5 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 3a Abs. 6 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 19 Abs. 1 zweiter Satz UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Verweise: | VereinsR 2001, Vereinsrichtlinien 2001 Rz 515 VereinsR 2001, Vereinsrichtlinien 2001 Rz 520 VereinsR 2001, Vereinsrichtlinien 2001 Rz 456 VereinsR 2001, Vereinsrichtlinien 2001 Rz 528 |
Schlagworte: | Auslegungsbehelf - Vereine - Betriebe gewerblicher Art - Körperschaften öffentlichen Rechts - Unternehmereigenschaft - Liebhaberei - Kleinunternehmer - Eigenverbrauch |
Stammfassung: | 06 5004/10-IV/6/01 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
FAAAA-76463