zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 09.01.2023, RV/7101097/2022

Rückforderung rechtsgrundlos ausbezahlter KESt-Erstattungen Rückwirkende Anwendung des § 241a BAO und Verjährung des Rückforderungsanspruches

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2023/13/0012. Zurückweisung mit Beschluss vom .

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK



Das Bundesfinanzgericht hat durch Senatsvorsitzenden Mag. Dieter Fröhlich, den Richter Mag. Christian Seywald sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Ulrike Richter und den fachkundige Laienrichter KomzR Friedrich Nagl über die Bescheidbeschwerde der
***Bf1***, ***Bf1-Adr***, A., vom gegen die Rückforderungsbescheide gemäß § 241a BAO des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart, vom , zugestellt am , iZm den im Jahr 2012 erfolgen Auszahlungen betreffend die KESt-Erstattungsverfahren, Evidenznummern: X2/2012, X3/2012 und X4/2012, nach Durchführung der mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des Schriftführers Dietmar Gratz

zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die angefochtenen Rückforderungsbescheide werden ersatzlos aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf. genannt) ist eine in Großbritannien ansässige Bank und Tochtergesellschaft der kanadischen Großbank, GB. Im Jahr 2011 hat die Bf. folgende Aktienkäufe von österreichischen, börsennotierten Aktiengesellschaften getätigt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Aktien
Stück in
Tausend
HV-
Beschluss
Kauf -
Handelstag
Erfüllung -
Einlieferung
Ex-Tag
Zahltag
Dividende
Euro
Verkaufs-
tag
1-AG
625'
656.250
2-AG
645'
354.750
1. DBA- KESt-Rückzahlung, EvidNr.: X2/2012, Überweis. am13.07.2012, 10% der Dividende 101.100
3-AG
4.000'
25./
4.000.0000
2. DBA- KESt-Rückzahlung, EvidNr.: X3/2012, Überweis. am , 10% der Dividende 400.000
4-AG
4.200
13./
3.360.000
3. DBA- KESt-Rückzahlung, EvidNr.: X4/2012, Überweis. am , 10% der Dividende 336.000
+ Anspruchsz
insen 1.747
Auszahlungen an Bf. auf Grund der drei DBA-Rückzahlungsanträge 2012, gesamt Euro 838.847

(Tabelle 1)

Auf Grund der o.a. Aktienerwerbe hat die Bf. im Jahr 2012 Anträge auf KESt-Rückerstattung (Formblatt ZS-RE1) beim Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart (FA BEO) eingebracht. Entsprechend dem im Art 10 und Art 23 des Doppelbesteuerungsabkommens Österreich-Großbritannien (DBA-GB) vorgesehenen zweistufigen Verfahren habe sie als Empfängerin der Dividenden Anspruch auf teilweise Erstattung der KESt in Höhe von 10% der erhaltenen Dividende.

Das Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart (FA BAO, nunmehr FA Großbetriebe) ist bundesweit für Quellensteuerrückerstattungen zuständig. In einer zwischen 2001 und 2013 geübten Verwaltungspraxis wurde in Anlehnung an die Rückzahlung von Guthaben auf dem Abgabenkonto gemäß § 239 BAO auch bei jenen Rückerstattungsverfahren, denen vollinhaltlich stattgegeben wurde, kein Bescheid erlassen, sondern die Anträge bloß durch den Realakt der Überweisung des beantragten Erstattungsbetrages erledigt (Stattgabe durch faktisches Entsprechen).

Vom FA wurden alle Rückerstattungsanträge in gesetzmäßige Bearbeitung genommen. Wenn nach Ansicht des Entscheidungsorganes dem Rückerstattungsantrag vollinhaltlich stattzugeben war, wurde der dazu gefasste normative Willensentschluss ("Stattgabe und Auszahlung des beantragten Rückzahlungsbetrages") nachvollziehbar in den behördeninternen Genehmigngsabläufen mit Datum und Unterschrift der Approbationsbefugten festgehalten (idR durch eindeutige Genehmigungs- und Auszahlungsvermerke auf dem dafür vorgesehenen Pkt. 7. des Antragsvormulars, ZS-RE1).

Auf Grundlage des in den Verwaltungsakten festgehaltenen behördlichen Entscheidungswillen der vollinhaltlichen Antragsbewilligung erfolgte dann, ohne jedoch einen Bescheid zu erlassen, die Überweisung des beantragten Rückzahlungsbetrages an die Antragsteller.

Diese vereinfachende Verwaltungsübung diente der Bewältigung des hohen Arbeitsanfalles, da für die Rückerstattungsverfahren keine Automationsunterstützung bestand und daher aufwendig sogenannte "händische Erstattungsbescheide", hätten erstellt und ausgefertigt werden müssen.

Auf Grund der langjährigen Verwaltungspraxis, gibt es eine große Anzahl an Rückerstattungsanträgen, denen nach behördeninterner Genehmigung nur faktisch durch Auszahlung des Rückzahlungsbetrages entsprochen wurde. Diese Vorgehensweise der faktischen Erledigung stattgebender KESt-Rückzahlungsanträge war sowohl im BMF wie auch in den Steuerfachkreisen bekannt und ist akzeptiert worden (siehe Bericht des Rechnungshofes, Reihe Bund 2018/35, Kapitalertragssteuer-Erstattungen nach Dividendenausschüttungen, Tz. 21).

Entsprechend dieser Gepflogenheit wurden vom FA BEO auch die gegenständlichen drei KESt-Rückzahlungsanträge über gesamt € 837.100 zuzüglich von Anspruchszinsen € 1.747 vollinhaltlich genehmigt und ohne Bescheiderlassung der beantragte Erstattungsbetrag durch Banküberweisung am und an die Bf. ausbezahlt.

Erst Jahre später wurde den österreichischen Abgabenbehörden die auf eine Mehrfacherstattung der KESt ausgelegten Gestaltungen der sogenannten Cum/Ex-Geschäfte (Dividendenstripping) bekannt. Hierbei handelt es sich um einen kurzfristigen, großvolumigen Aktienhandel (meist Leerverkäufe) um den Ausschüttungsstichtag, mit dem ausschließlichen Ziel, von der KESt-Erstattung zu profitieren. Dabei war für den Fiskus aus der Antragstellung nicht erkennbar, welcher Aktieneigentümer Empfänger der originären mit KESt belasteten Dividende und welcher Aktieneigentümer im gleichen Nettobetrag eine Dividenden-Kompensationszahlung erhalten hat.

Nachdem die Mehrfacherstattungen der KESt durch malversive Cum/Ex-Geschäfte auch in die mediale Öffentlichkeit rückten, fanden beim FA BEO, umfangreiche Nachprüfungen der bereits abgewickelten KESt-Erstattungen zurückliegender Jahre statt.

Mit Prüfungsauftrag vom hat das FA BEO bei der Bf. betreffend die gegenständlichen KESt-Rückzahlungsanträge eine Außenprüfung gemäß § 147 BAO begonnen. Gleichzeitig wurde der Bf. als Prüfungshandlung der BP ein Vorhalt ausgefolgt, in dem verlangt wurde, die den KEST-Rückerstattungsanträgen zu Grunde liegenden Aktienkäufe und Verkäufe im Detail offenzulegen und diese Sachverhalte mit geeigneten Unterlagen nachzuweisen. Die Beantwortung dieses Vorhaltes erfolgte mit Schreiben vom unter Anschluss der geforderten Belegnachweise.

Auf Grundlage dieser Offenlegung konnte von der Abgabenbehörde festgestellt werden, dass die 2011 von der Bf. getätigten Aktienerwerbe (siehe Tabelle 1) insofern die Wesensmerkmale der sogenannten Cum/Ex-Geschäfte aufwiesen, als alle von ihr erworbenen Aktienpakete erst kurz vor dem Ex-Tag angeschafft worden sind, sodass die Einlieferung in das Wertpapierdepot der Bf. (das Erfüllungsgeschäft) erst nach dem letzten Cum-Tag erfolgt ist.

Die Aktienpakete wurden auch jeweils erst nach dem Gewinnverteilungsbeschluss der Hauptversammlung der betreffenden Aktiengesellschaften gekauft und sind dann innerhalb eines Monats wieder verkauft worden.

Weitere Prüfungs- oder Ermittlungshandlungen der Abgabenbehörde betreffend die KESt-Erstattungsanträge und die ihnen zu Grunde liegenden Aktienerwerbe der Bf. sind nicht aktenkundig.

Rund ein Jahr später wurde der Bf. folgender BP-Prüfbericht vom zugestellt:

"Die Prüfung umfasste die Anträge auf Abzugssteuererstattung (EvNr.: X2/2012, X3/2012, X4/2012). Die beantragten Erstattungsbeträge wurde der Antragstellerin bereits ausbezahlt.

Da ein ausländischer Rechtsträger ohne Betriebsstätte in Österreich, der ausschließlich Dividenden in Österreich bezogen hat, keiner gesetzlich geregelten Buchführungs- oder Aufzeichnungspflicht unterliegt, wurde zur Kenntnis genommen, dass die Rechtslage für eine Außenprüfung gemäß § 147 BAO nicht gegeben ist. Aus diesem Grunde wird die gegenständliche Außenprüfung abgebrochen.

Nach Ansicht der Außenprüfung wurden die beantragten Erstattungsbeträge der Antragstellerin zwar überwiesen, jedoch die einzelnen Erstattungsverfahren nicht mit einem die Formerfordernisse des § 93 BAO (schriftlicher Bescheid) einhaltenden Verwaltungsakt abgeschlossen.

Eine Schlussbesprechung entfiel."

Nach dem Inkrafttreten des § 241a BAO mit (AbgÄG 2020, BGBl. 91/2019) erließ das FA BEO am an die Bf. gerichtete "Bescheide über die Rückforderung zu Unrecht erfolgter Erstattungen gemäß § 241a BAO" betreffend die genannten KESt-Rückerstattungsverfahren, (EvidenzNr. X2/2012, 5102/2012 und X4/2012) mit folgendem Spruch:

"Die mit Überweisungen vom und durchgeführten Erstattungen von KESt 2011 erfolgten zu Unrecht. Diese Beträge (€ 101.100, € 400.000 und € 337.747,20) sind gemäß § 241a BAO binnen eines Monats ab Bekanntgabe der Bescheide zurückzuzahlen."

Im Zuge einer nachträglichen Überprüfung sei vom FA festgestellt worden, dass die Bf. an den betreffenden österreichischen Aktien kein wirtschaftliches Eigentum vor dem jeweiligen letzten Cum-Tag begründet habe, weil die Einlieferung der Aktien in ihr Wertpapierdepot erst am Ex-Tag oder danach erfolgt sei (siehe Tabelle 1).

Aus diesem Grunde sei nach den Grundätzen der steuerrechtlichen Zurechnung von Einkünften die originären Dividenden nicht der Bf. zuzurechnen gewesen. Da die Bf. somit nicht die Empfängerin der Dividenden gewesen sei, habe sie auch keinen Anspruch auf KESt-Erstattung gehabt. Die Bf. sei folglich verpflichtet die vom FA ohne einen Rechtsgrund an sie geleisteten Zahlungen, wie im Spruch der Rückforderungsbescheide angeordnet, zurückzuzahlen.

Die Bf. erhob durch ihre steuerliche Vertretung (StV) gegen die Rückforderungsbescheide gemäß § 241a BAO rechtzeitig und formgerecht Bescheidbeschwerde () und beantragte diese wegen Rechtswidrigkeit ersatzlos aufzuheben.

In der Begründung der Beschwerde wurde Folgendes vorgebracht:

"Für eine Rückforderung gemäß § 241a BAO ist entscheidend, ob

1. die Bestimmung rückwirkend für die Rückforderung von KESt-Erstattungen, die vor dem erfolgten, anwendbar ist,

2. der dem Rückforderungsanspruch zugrunde liegende Abgabenanspruch nicht verjährt ist,

3. eine Rückzahlung oder Erstattung grundsätzlich nach den geltenden abgabenrechtlichen Vorschriften zulässig ist, und ob

4. die Rückzahlung oder Erstattung zu Unrecht erfolgte, weil (4.1.) der Antragsteller nicht antragslegitimiert war oder weil die Voraussetzungen für die Rückzahlung zum Zeitpunkt der Beantragung nicht erfüllt waren und (4.2.) die belangte Behörde dennoch die antragsgegenständlichen Beträge ohne eine entsprechende bescheidmäßige Erledigung auszahlte.

Zu 1. Keine Rückwirkung der Rückforderungsbestimmung

§ 241a BAO trat am in Kraft. Da Rückforderungen gemäß § 241a BAO die abermalige Prüfung von in der Vergangenheit eingetretenen Tatsachen verlangt, hat die Vorschrift des § 241a BAO eine gewisse wiederaufnehmende Wirkung und insoweit den Charakter eines Verfahrenstitels.

Weiters schafft§ 241a BAO einenmateriell-rechtlichen Anspruch der Abgabenbehörden in Form einer Rückforderung eines Geldbetrages. Die Entstehung dieses Rückforderungsanspruches setzt eine zu Unrecht erhaltene Rückzahlung oder Erstattung voraus. Dies bedeutet, dass ein Sachverhalt erneut einer abgabenrechtlichen Beurteilung unterzogen wird und die zuständige Abgabenbehörde in den Rückforderungsbescheiden festzustellen hat, obdie Voraussetzungen für eine erfolgte Rückzahlung oder Erstattung erfüllt waren (d.h. das Bestehen oder Nichtbestehen der Abgabenverpflichtung) und das zu verneinen ist, in welcher Höhe dem Rückforderungsanspruch eine nicht verjährte Abgabe zugrunde zu legen ist (im Beschwerdefall die vom FA erstatteten Beträge).

Ein Rückforderungsanspruch entsteht nur dann, wenn die zuständige Abgabenbehörde feststellt, dass die Voraussetzungen nicht erfüllt sind (und eine entsprechende Festsetzung in Bezug auf die Abgabenverpflichtung erfolgt) und kein Bescheid ausgefertigt wurde (d.h. keine über den Antrag absprechende Erledigung erlassen wurde, die in der Durchführungsverordnung zum anwendbaren DBA-UK vorgesehen ist).

Es ist darauf hinzuweisen, dass ein Abgabepflichtiger, der die Erstattung einer Abgabe auf Grundlage einer anwendbaren abgaberechtlichen Bestimmung beantragt und sodann den beantragten Betrag erhält, zulässigerweise davon ausgehen darf, dass die Abgabenbehörde den beantragten Betrag ausgezahlt hat, weil der Abgabepflichtige gemäß der durchgeführten abgabenbehördlichen Beurteilung der zuständigen Abgabenbehörde dazu berechtigt ist und deshalb kein Rückforderungsanspruch der Abgabenbehörden begründet werden wird.

Im vorliegenden Beschwerdeverfahren reichte die Beschwerdeführerin im Jahr 2012 die entsprechenden Anträge auf Erstattung der Kapitalertragsteuer ("KESt") 2011 ein. Die beantragten KESt-Erstattungen zahlte die belangte Behörde im Jahr 2012 ohne bescheidmäßiger Erledigung der Anträge - und somit entgegen der Maßgabe des § 1 Abs 7 der geltenden DBA-UK Durchführungsverordnung - aus. Deshalb könnte zum Auszahlungszeitpunkt ein Anspruch der belangten Behörde auf Rückzahlung der erstatteten Abzugsteuer gemäß § 241a BAO entstanden sein.

Allerdings wurde § 241a BAO nicht als rückwirkende Bestimmung umgesetzt. Folglich dürfen keine Rückforderungsbescheide im Hinblick auf rückgezahlte oder erstattete Beträge, deren Auszahlung vor dem erfolgte, weil der Rückforderungsanspruch nicht rückwirkend entstehen kann.

Zu 2. Abgabenanspruch nicht festgesetzt und verjährt

Wie eingangs ausgeführt, basiert ein etwaiger Rückforderungsanspruch der Abgabenbehörden auf dem zugrundeliegenden Abgabenanspruch. Im Beschwerdefall wäre dies die erstattete KESt, sofern - was ausdrücklich bestritten wird - das Recht auf deren Erstattung an die Beschwerdeführerin nicht bestand. Sollte der Rückforderungsanspruch - entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen und obig dargelegten Ansicht - rückwirkend entstanden sein, wäre zudem maßgeblich, dass der Abgabenanspruch der belangten Behörde nicht verjährt ist und die belangte Behörde die den Rückforderungsansprüchen zugrundeliegende Abgaben in den beschwerdegegenständlichen Rückforderungsbescheiden erstmalig festsetzen konnte und tatsächlich erstmalig festsetze, weil keine Festsetzung bei Auszahlung der KESt-Erstattung erfolgt war.

Die Bestimmungen zur Rückzahlung nach §§ 239 ff BAO verlangen eine Sacherledigung durch bescheidmäßige Feststellung des Anspruches. Gemäß § 207 Abs 2 BAO können Abgaben innerhalb von fünf Jahren festgesetzt werden. Die gegenständliche KESt wurde von der belangten Behörde im Rahmen des Erstattungsverfahrens nicht festgesetzt, womit keine bescheidmäßige Feststellung über das Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruches erfolgte, auf den sich ein Rückforderungsanspruch der belangten Behörde stützen könnte.

Fraglich ist, ob die Abgabe, die dem Rückforderungsanspruch zugrunde liegt, je festgesetzt wurde. Wurde nämlich die dem Rückforderungsanspruch zugrundeliegende Abgabe nicht festgesetzt, so fehlt der Rechtstitel des Rückforderungsanspruches.

Als Selbstberechnungsabgabe muss eine bei inländischen Dividenden anfallende KESt vom Abzugsverpflichteten einbehalten werden. Deshalb wurde die jeweilige Abzugssteuer bei Auszahlung der Dividende in 2011 nicht festgesetzt, sondern von der ausschüttenden Körperschaft einbehalten und abgeführt.

Mangels bescheidmäßiger Erledigung durch die belangte Behörde wurden die gegenständlichen KESt-Erstattungen betreffend das Jahr 2011 trotz der in 2012 gestellten Anträge nicht festgesetzt.

Da die belangte Behörde die in 2017 eingeleitete Außenprüfung 2018 einstellen musste, erfolgte 2018 ebenfalls keine Festsetzung in Zusammenhang mit den gegenständlichen KESt-Erstattungen. Auch in den 2019 erlassenen Rückforderungsbescheiden setzte die belangte Behörde den Abgabenanspruch betreffend die erstattete KESt 2011 nicht fest. Mangels Festsetzung der KESt 2011, bzw der diesbezüglich erfolgten Erstattungen, trat die Festsetzungsveijährung der diesbezüglichen Abgabenansprüche mit Ende 2019 ein. Somit beruft sich die belangte Behörde auf einen Rückforderungsanspruch, ohne den zugrundeliegenden Abgabenanspruch festgesetzt zu haben. Es fehlt daher der (Rechts)Titel, der den Rückforderungsanspruch entstehen lässt, weshalb die beschwerdegegenständlichen Rückforderungsbescheide rechtswidrig sind.

Zu 3. Zulässigkeit der KESt-Rückerstattung nach DBA-Vorschriften

Unstrittig ist, dass die Erstattung einer einbehaltenen KESt nach dem DBA-UK grundsätzlich zulässig ist. Vollständigkeitshalber wird festgehalten, dass die Beschwerdeführerin eine höhere KESt-Erstattung hätte beantragen können, weil die Voraussetzungen des § 21 Abs 1 Z 1 a KStG ebenfalls vorlagen.

Zu 4. Rechtmäßige Auszahlung der beantragten KESt-Erstattung

Infolge der Beantragung der gegenständlichen KESt-Erstattungen gemäß dem anwendbaren DBA-UK erhielt die Beschwerdeführerin die KEStErstattungen. Die beantragten KESt-Erstattungen wurden von der belangten Behörde ohne eine entsprechende bescheidmäßige Erledigung der Anträge ausgezahlt. Unabhängig davon, war die Beschwerdeführerin berechtigt, die gegenständlichen KESt-Erstattungen zu beantragen und wird dazu begründend ausgeführt wie folgt:

a) Zurechnung der Dividenden

Eindeutig bewiesen und unstrittig ist, dass die Beschwerdeführerin die gegenständlichen Aktien vor dem jeweiligen Dividendenstichtag (Ex-Tag) erworben hat. Da die Beschwerdeführerin in diesen Zeiträumen den Wertveränderungen, d.h. den Wertsteigerungen oder Wertminderungen, ausgesetzt war und die Aktien mit dem Dividendenanspruch erwarb, wurde sie zur wirtschaftlichen Eigentümerin der Aktien.

Zusätzlich zum Erwerb der Stellung als wirtschaftliche Eigentümerin der gekauften Aktien waren der Beschwerdeführerin ab diesem Zeitpunkt Dividenden aus diesen Aktien einkommensteuerlich zuzurechnen. Maßgeblich ist zudem, dass die Beschwerdeführerin die Dividendenzahlungen tatsächlich erhielt. Schließlich hat die Beschwerdeführerin an den gegenständlichen Aktien eine Long-Position erworben, d.h. sie hat nicht nur einen von der Aktie abgeleiteten Anspruch oder eine Erwartung, die Aktien irgendwann in der Zukunft zu erhalten, erworben. Vielmehr wurden die Aktien gekauft (und damit ein Anspruch auf den Erwerb der Aktien begründet) und die Aktien an die Beschwerdeführerin geliefert. Nach Abschluss der entsprechenden Aktienkäufe war nur mehr die Abwicklung (Lieferung der Aktien an die Beschwerdeführerin) offen. Deshalb sind diese Dividenden der Beschwerdeführerin zuzurechnen.

b) Qualifizierung als wirtschaftlicher Eigentümer

Dividenden sind jener Person zuzurechnen, die am Tag vor der Auszahlung der Dividende, d.h. am Cum-Tag, dem Tag vor dem Ex-Tag, wirtschaftlicher Eigentümerin der entsprechenden Aktien war. Daher ist die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums, insbesondere der Zeitpunkt, zu dem diese Übertragung stattfindet, von maßgeblicher Bedeutung. Entscheidend für die Qualifizierung als wirtschaftlicher Eigentümer einer Aktie sind (i) die Tragung der wirtschaftlichen Auswirkung wie Wertveränderungen (insbesondere für den Wertverlust - Preisgefahr), (ii) der Anspruch auf Erträge (Dividenden), (iii) die Möglichkeit der Einflussnahme auf das Unternehmen (Stimmrecht) und (iv) die Möglichkeit, andere Personen von einer der vorgenannten Möglichkeiten auszuschließen. Es bedarf einer Gesamtbetrachtung aller Tatsachen und Umstände, welche jedoch nicht gleich gewichtet sind. Beispielsweise wird im Falle eines Kleinaktionärs das Kriterium "Einfluss auf das Unternehmen" in einer Gesamtbetrachtung nicht als besonders wichtig für die Bestimmung des wirtschaftlichen Eigentums angesehen. Insbesondere ist es aber in Österreich seit jeher Marktpraxis, dass ein Erwerber, der dividendenberechtigte Aktien erwirbt, zum Erhalt der entsprechenden Dividenden berechtigt sein muss, um als wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien angesehen zu werden.

Aus diesen Gründen war über Jahre hinweg von Finanzverwaltung und in der österreichischen Literatur überwiegend vertreten, dass im Falle eines Erwerbs von börsennotierten Aktien der Käufer im Zeitpunkt des Kaufabschlusses zum wirtschaftlichen Eigentümer der Aktien wird (vgl. Kirchmayr in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG16, § 27 Rz 36; EStR 2000, Rz 6103a; EAS 2945; EAS 707; für Deutschland mit ähnlicher Rechtslage so auch: Schön RdF 2015, 115 ff, 116 mit Verweis auf BFH ,1 R 29/87 und ,1R 85/05). Insbesondere wurde nicht die Lieferung der Aktien in das Wertpapierdepot des Käufers als ausschlaggebend angesehen, weil der Verkäufer bereits zur Lieferung verpflichtet war und nach dem Kaufabschluss nicht mehr wie ein wirtschaftlicher Eigentümer über die zugrundeliegenden Aktien, einschließlich des Erhalts der Dividende, verfügen konnte (BFH , IR 29/97, bestätigt durch BFH , IR 85/05).

Hinsichtlich des Aspekts, dass der Käufer die Dividenden aus den gekauften Aktien erhielt, ist entscheidend, dass die Aktien gemeinsam mit dem Dividendenanspruch gehandelt wurden. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall insbesondere, dass die Beschwerdeführerin als Käuferin zum Erhalt der in Bezug auf die Aktien ausbezahlten Dividenden ab dem Handelstag berechtigt war. Tatsächlich und rechtlich kann die Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums durch den Verkäufer von Aktien nach Abschluss des zugrunde liegenden Geschäfts nicht verhindert werden (Blum ÖStZ, 2015, 360).

Die tatsächliche Lieferung in das Wertpapierdepot des Käufers ist vielmehr als rückwirkendentstehender Beweis dafür zu sehen, dass das wirtschaftliche Eigentum vorher übertragen wurde. Es handelt sich somit um eine reine Formalität. Die Lieferung ist ein Beweis für den Besitz von Aktien, aber sie ist weder notwendig noch ausreichend für die Qualifizierung des wirtschaftlichen Eigentums, weil alle mit den Aktien verbundenen Risiken bereits vor der Lieferung der Aktien übertragen werden und die Lieferung nicht rückgängig gemacht werden kann (zB trägt der Käufer das Risiko, dass die Aktien zwischen dem Kaufdatum und dem Lieferdatum an Wert verlieren).12 Würde man für die Bestimmung des wirtschaftlichen Eigentums nur auf die Lieferung der Aktien in das Wertpapierdepot abstellen, würde dies in dem Fall, in dem die Aktien bereits aus dem Wertpapierdepot des Verkäufers ausgebucht, aber noch nicht in das Wertpapierdepot des Käufers eingebucht sind, dazu führen, dass weder der Verkäufer noch der Käufer der wirtschaftliche Eigentümer der Aktien wäre. Im Ergebnis würden die Aktien genau im Zeitpunkt der Dividendenausschüttung in diesem Fall niemandem gehören, sollte dies möglich sein.

Vom Tag des Kaufes an (in der obigen Übersicht als "Handelstag" bezeichnet) trug die Beschwerdeführerin das Risiko und die Chancen hinsichtlich WertVeränderungen der Aktien und hatte das unwiderrufliche Recht, die Aktien in ihr Wertpapierdepot zu erhalten. Darüber hinaus wurden die entsprechenden Aktien mit Dividendenanspruch gehandelt. Somit war die Beschwerdeführerin berechtigt, die Dividenden aus den entsprechenden Aktien zu erhalten und hat diese auch tatsächlich erhalten. Entsprechend der dargestellten Auffassung, sind die Dividenden der Beschwerdeführerin einkommensteuerlich zuzurechnen, zumal sie - aufgrund der unabhängig von zeitlichen Aspekten und einer Nähe zum Cum-Tag geltenden Grundsätze der Einkommenszurechnung - zum jeweiligen Cum-Tag (Ex-Tag minus eins) wirtschaftliches Eigentum an den Aktien erhalten hatte (Diese Ansicht wird auch vom BMF in EAS 2945, vom , wonach eine Zurechnung von Dividenden an den Käufer möglich ist, obwohl die entsprechenden Aktien am Dividendenstichtag nicht ins Wertpapierdepot geliefert werden.)

Daher war die Beschwerdeführerin als wirtschaftliche Eigentümerin und durch das Vereinnahmen der Dividenden, die ihr als Anspruchsberechtigte zugeflossen sind, berechtigt, die Erstattung der diesbezüglich einbehaltenen KESt 2011 zu beantragen.

Der Nachweis des wirtschaftlichen Eigentums ist gegeben. Bewiesene und unstrittige Tatsache ist, dass die Beschwerdeführerin am Cum-Tag die wirtschaftliche Eigentümerin der Aktien war, weil sie ab diesen Tag das Risiko der Wertveränderungen zu tragen hatte und die Aktien mit Dividendenanspruch erwarb. Dies bedeutet, dass sie das ausschließliche Recht auf Erhalt der entsprechenden Dividenden hatte.

Die Beschwerdeführerin war im Ausschüttungszeitpunkt im Jahr 2011 die wirtschaftliche Eigentümerin der gegenständlichen Aktien.

5. Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Rückforderungsbescheide und der Rückforderungsbestimmung

Abschließend ist auf einige verfassungsrechtliche Bedenken in Bezug auf Rückforderungsbescheide nach § 241a BAO im Allgemeinen und die Rückforderungsbestimmung selbst hinzuweisen:

Werden mit Bescheid Rückforderungsansprüche gemäß § 241a BAO geltend gemacht, die ihren Entstehungszeitpunkt vor dem hatten, müsste dem § 241a BAO ein rückwirkender Effekt unterstellt werden. Die Umsetzung des § 241a BAO erfolgte ausweislich der Inkrafttretensbestimmung (§ 323 Abs. 66 BAO) allerdings nicht rückwirkend. Der Bestimmung würde somit ein verfassungswidriger Anwendungsbereich unterstellt werden.

Da der Rechtstitel des Rückforderungsanspruchs fehlt, wenn die ihm zugrundeliegenden Abgaben nicht festgesetzt wurden, würde ein in diesem Zusammenhang erlassener Rückforderungsbescheid das Eigentumsrecht nach Art 5 StGG verletzen.

Es sei darauf hingewiesen, dass Rückzahlungs- und Rückforderungsverfahren nach §§ 239ff BAO nur innerhalb einer bestimmten Frist eingeleitet werden können. § 241a BAO sieht eine solche Frist jedoch nicht vor. Die vorgenommene Differenzierung zwischen den anderen Rückforderungsbestimmungen und § 241a BAO könnte gleichheitswidrig sein."

Das FA wies mit Beschwerdevorentscheidungen (BVE) vom die Bescheidbeschwerde gegen die Rückforderungsbescheide gemäß § 241a BAO als unbegründet ab und führte in der Bescheidbegründung Folgendes aus:

Gemäß § 241a BAO hat, wer Rückzahlungen oder Erstattungen aufgrund abgabenrechtlicher Vorschriften ohne Rechtsgrund erlangt hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Die Bf. wendet ein, dass § 241a BAO eine zu Unrecht erhaltene Rückzahlung oder Erstattung voraussetze, sie allerdings davon habe ausgehen dürfen, dass die Abgabenbehörde den beantragten Betrag deshalb ausbezahlt habe, weil sie aufgrund der abgabenbehördlichen Beurteilung des Antrages als dazu berechtigt qualifiziert worden sei. Dem sei zu entgegnen, dass das in Art 18 Abs. 1 B-VG normierte Legalitätsprinzip stärker wirke als der Grundsatz von Treu und Glauben. Ein Vertrauen der abgabepflichtigen Partei sei nur insoweit geschützt, als sie durch die Abgabenbehörde zu einem bestimmten Verhalten veranlasst werde (VwGH, , 89/14/0234).

Nun könne die ohne Bescheiderlassung erfolgte Rückzahlung von beantragten Abzugsteuern als kein Verhalten der Abgabenbehörde angesehen werden, welches die Partei zu einer bestimmten Vorgangsweise veranlasst habe. Sie dürfe daher im Rahmen der gegebenen Rechtsmittel-, Aufhebungs- und Berichtigungsfristen nicht auf die Rechtsbeständigkeit vertrauen. Es sei bei der Rückforderung nach § 241a BAO überdies nicht zu prüfen, ob die Rückforderung allenfalls unbillig wäre.

Die Behörde vertrete entgegen dem Einwand der Bf. die Rechtsansicht, dass die Einführung eines öffentlich-rechtlichen Rückforderungsanspruches für im Rahmen von Erstattungsverfahren rechtsgrundlose erfolgter Zahlungen der Abgabenbehörde im § 241a BAO nicht in materiell-rechtliche Regelungen, welche überhaupt erst einen Anspruch auf Abgabenrückerstattung begründen oder ausschließen, eingreife. Die Bestimmung des § 241a BAO stelle eine zwingende Verfahrensnorm dar, welche nur vorsehe, dass jemand, dem im Zuge eines Erstattungs- oder Rückzahlungsverfahrens ohne einen Rechtsgrund vom FA Beträge ausbezahlt werden, eine Rückzahlungsverpflichtung treffe. Die Abgabenbehörde habe dazu einen Rückforderungsbescheid gemäß § 241a BAO zu erlassen.

Für die Geltendmachung dieser Rückforderung bedürfe es gerade keiner vorangehenden bescheidmäßigen Festsetzung einer Abgabe als Rechtstitel. Wenn nun die Bf. vorbringe, dass ohne bescheidmäßige Festsetzung der Abgabe eine Rückzahlung an sie durchgeführt worden sei, so bestätige diese Argumentation die Unrechtmäßigkeit der Auszahlung. Mangels eines über den Antrag absprechenden Bescheides sei die gegenständliche Auszahlung ohne Rechtsgrundlage gewesen und habe die Empfängerin den Geldbetrag deshalb ohne einen Erwerbstitel inne. Dies erfülle den Rückforderungstatbestand des § 241a BAO.

Die Bf. führe zudem das Fehlen einer rückwirkenden Bestimmung in § 241a BAO an, sodass es rechtlich nicht gestattet sei Rückforderungsbescheide wegen bereits vor dem erfolgter Auszahlungen, auszufertigen. Die Behörde vermag dieser Rechtsmeinung nicht zu folgen, weil § 241a BAO eindeutig eine Verfahrensnorm sei. Im Verfahrensrecht gelte das Prinzip, dass die Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides relevant ist. Im Zeitpunkt der Erlassung des strittigen Bescheides war § 241a BAO bereits in Geltung (vgl. z.B. VwGH, , 0898/75).

Auf eine Rückwirkung bis zum Zeitpunkt der durchgeführten Auszahlung sei in § 241a BAO nicht abzustellen, da mit dieser Norm explizit lediglich ein eigenständiger öffentlich-rechtlicher Titel zur Rückforderung von rechtsgrundlos empfangenen Leistungen der Abgabenbehörde geschaffen wurde. Die Norm des § 241a BAO drücke kategorisch und eindeutig das Recht zur bescheidmäßigen Rückforderung rechtsgrundlos erhaltener Zahlungen aus, unabhängig wann und auf welche Weise diese dem Empfänger zugeflossen seien.

Auch das Argument der Partei, mangels bescheidmäßiger Feststellung des Anspruches sei die Abgabenfestsetzung für die Kapitalertragsteuer 2011, bzw. KESt-Erstattung bereits verjährt, erachte die Abgabenbehörde nicht für zutreffend. § 241a BAO greife in die Verjährungsbestimmungen der BAO hinsichtlich Festsetzung eines Abgabenanspruches nicht ein. Die Rückzahlung von KESt-Erstattungsbeträgen stelle eine Angelegenheit der öffentlichen Abgaben gem. § 1 und § 2 BAO dar. Daher kämen die Verjährungsbestimmungen der BAO zur Anwendung. Durch die 2017 begonnene Außenprüfung sei gemäß § 209 BAO das Ende der Verjährungsfrist um ein Jahr bis zum verlängert worden.

Eine die Verjährungsfrist verlängernde Amtshandlung könne sich in Form eines Bescheides, einer Außenprüfung, einer Nachschau, einer Verhandlung, einer Besprechung, einer Befragung, also auf verschiedene Weise darstellen. Maßgeblich hierfür sei, dass die zuständige Behörde eine auf die Geltendmachung eines Abgabenanspruches gerichtete Verfolgungshandlung setze. Deshalb sei die Tatsache unerheblich, dass die Außenprüfung ohne rechtskonforme Beendigung durch Bescheid, im Jahre 2018 habe eingestellt werden müssen. Eine den Abgabenanspruch verfolgende, nach außen in Erscheinung tretende Ermittlungshandlung, bzw. Verlängerungshandlung iS des § 209 BAO sei mit der Zustellung des BP-Berichtes vom dennoch durchgeführt worden. Somit sei hinsichtlich der Kapitalertragsteuer 2011, und KESt-Erstattung sowie hinsichtlich des Rückforderungsanspruches gemäß § 241a BAO im Jahr 2019 noch keine Verjährung eingetreten und der Rückforderungsbescheid vom , zugestellt am rechtmäßig ergangen.

Festgehalten werde, dass sich aufgrund der eingebrachten Beschwerde keine Änderungen zum Sachverhalt im Hinblick auf die Anschaffung und Einlieferung der gegenständlichen Wertpapiere ergeben habe. Infolgedessen bleibe das Finanzamt bei seiner Rechtsansicht, dass die Rückzahlung der KESt zu Unrecht erfolgt sei, weil hinsichtlich der gegenständlichen Wertpapiere und der entsprechenden Dividenden die Antragstellerin nicht wirtschaftliche Eigentümerin vor dem jeweiligen ex-Tag war.

Gegen die BVE wurde mit Anbringen vom fristgerecht ein Vorlageantrag eingebracht und die Entscheidung durch den gesamten Senat sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. In Erwiderung zur BVE und ergänzend zum bisherigen Vorbringen erfolgte von der Bf. noch folgende Äußerung:

"Festsetzung der Abgabe als Rechtstitel und als Voraussetzung für die Rückforderung:

§ 241a BAO verlangt das Vorliegen folgender Voraussetzungen:

a) Erhalt eines Auszahlungsbetrages (in Form einer Rückzahlung oder Erstattung einer Abgabe)

b) aufgrund abgabenrechtlicher Vorschriften

c) ohne Rechtsgrund.

a) Erhalt einer Erstattung

Der Begriff Erstattung in § 241a BAO wird iSd § 2 lit a Z 2 BAO zu verstehen sein und liegt vor, wenn einem Abgabepflichtigen eine zu Recht entrichtete Abgabe wegen der Erfüllung eines materiell-rechtlichen Tatbestandes ganz oder teilweise zurückzuzahlen ist (Stoll, BAO Bd I § 2, S. 28). Erstattungen entrichteter Quellensteuem aufgrund anwendbarer Doppelbesteuerungsabkommen zählen zu den Erstattungen iSd § 2 lit a Z 2 BAO (Unger in Althuber/Tanzer/Unger HB-BAO, §2, 19) und fallen somit in den Anwendungsbereich des § 241a BAO. Die abgabenrechtlich möglichen Rückzahlungen ergeben sich aus §§ 239 ff BAO, die als Rückzahlungsnormen festlegen, unter welchen Umständen eine entrichtete Abgabe oder eine sich daraus ergebende Gutschrift an einen Abgabepflichtigen zurückzuzahlen ist. Mangels Relevanz im vorliegenden Beschwerdefall werden Rückzahlungen in weiterer Folge nicht mehr angeführt.

b) Definition "aufgrund abgabenrechtlicher Vorschriften"

Eine Erstattung "aufgrund abgabenrechtlicher Vorschriften" liegt dann vor, wenn die Erstattung abgabenrechtlich vorgesehen ist oder, anders gesagt, wenn die Abgabenvorschriften ein Verfahren zur Erstattung von entrichteten Abgaben vorsehen und die erstatteten Beträge aufgrund dieses Verfahrens ausbezahlt wurden.

c) Definition "ohne Rechtsgrund"

Weiters ergibt sich aus dem Gesetz und den Gesetzesmaterialien nicht, was unter "ohne Rechtsgrund" zu verstehen ist. Sämtliches hoheitliches Handeln der Abgabenbehörden darf nur aufgrund der Gesetze ausgeführt werden (Art 18 B-VG). § 1 der geltenden DBA-UK Durchführungsverordnung regelt die Entlastung von der Kapitalertragsteuer in Österreich und normiert, dass ein Abgabepflichtiger die Rückerstattung beantragen kann (Abs 2) und das zuständige Finanzamt über diesen Antrag zu entscheiden hat (Abs 7).

Wenn nun eine Auszahlung des beantragten Erstattungsantrages erfolgte, obwohl über den Erstattungsantrag selbst nicht - wie eigentlich in der Durchführungsverordnung zum DBA-UK vorgesehen - abgesprochen wurde, könnte die Auszahlung rechtsgrundlos erfolgt sein. Dies würde bedeuten, dass eine Auszahlung entgegen der gesetzlich vorgeschriebenen Vorgehensweise (konkret: Auszahlung, die auf keiner entsprechenden bescheidmäßigen Erledigung basiert) als Auszahlung "ohne Rechtsgrund" zu qualifizieren wäre.

Die Beurteilung, ob eine Auszahlung tatsächlich rechtsgrundlos erfolgte, erfordert nach Ansicht der Beschwerdeführerin und vor dem Hintergrund der Implementierung des § 241a BAO zusätzlich, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Erstattung nicht erfüllt sind und somit der Antragsteller keinen Erstattungsanspruch hatte. "Ohne Rechtsgrund" bedeutet dementsprechend, dass ein Auszahlungsbetrag aufgrund abgabenrechtlicher Vorschriften ohne Rechtsgrund erhalten wurde, wenn (i) trotz Nichterfüllung der im materiellen Recht vorgesehenen Voraussetzungen für die Rückzahlung oder die Erstattung und (ii) ohne bescheidmäßige Erledigung eines Rückzahlungs- oder Erstattungsantrages (iii) die Auszahlung eines Betrages erfolgte.

Diese Auslegung entspricht nach Ansicht der Beschwerdeführerin dem Gesetzeszweck, zumal § 241a BAO nicht unterstellt werden kann, dass sämtliche faktischen KESt-Erstattungen zurückzuzahlen wären, denen keine bescheidmäßige Erledigung zugrunde liegen. In diesem Fall würde man jedem Antragsteller das von ihm nicht beeinflussbare, nicht den Gesetzen entsprechende Vorgehen einer Abgabenbehörden zur Last legen. Weiters würde diese Auslegung dazu führen, dass Auszahlungen, die nach materiell-rechtlichen Gesichtspunkten zu Recht erfolgten, weil der Antragsteller die materiell-rechtlichen Voraussetzungen erfüllt und somit ein durchsetzbarer Erstattungsanspruch besteht, ebenfalls zurückgezahlt werden müssten.

Zur Doppeleigenschaft des § 241a BAO:

Die belangte Behörde führt in der BVE aus, dass § 241a BAO "unstrittig eine Verfahrensnorm" darstellt. Bereits drei Sätze weiter hält die belangte Behörde fest, dass mit § 241a BAO "explizit[...] ein eigenständiger Titel zur Rückforderung von zu Unrecht bezogenen Leistungen geschaffen wurde". Dennoch behandelt die belangte Behörde hinsichtlich der Rückwirkungsfrage den § 241a BAO als reine Verfahrensbestimmung; Überlegungen im Zusammenhang mit der Rechtsgrundlagenkomponente des §241a BAO lässt die belangte Behörde in ihren Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung vermissen, obwohl sie sich mehrmals darauf beruft, dass § 241a BAO die Anspruchsgrundlage für die Rückforderung darstellt.

Offenbar unbewusst erkennt die belangte Behörde die von der Beschwerdeführerin bereits in der Bescheidbeschwerde dargelegte Doppeleigenschaft des § 241a BAO als Verfahrenstitel und Anspruchsgrundlage. Wenn nun aber die belangte Behörde meint, dass diese im Zusammenhang mit der Rückwirkung unbeachtlich ist, dann ist diesem Rechtsverständnis entschieden entgegen zu treten. Auch wenn § 241a BAO einerseits einen Verfahrenstitel darstellt, der grundsätzlich dem Rückwirkungsverbot nicht unterliegt, so darf die Eigenschaft als Anspruchsgrundlage nicht völlig ausgeblendet werden. Der in § 241a BAO normierte Anspruch auf Rückforderung der ausbezahlten Erstattung selbst unterliegt nämlich dem Rückwirkungsverbot. Da § 241 a BAO nicht als rückwirkende Bestimmung umgesetzt worden ist, kann kein Anspruch auf Rückforderung gemäß § 241a BAO rückwirkend entstehen.

Zur Erforderlichkeit eines Rechtstitels:

Mit der Einführung des § 241a BAO wurde eine Möglichkeit geschaffen, um Erstattungen zu Unrecht bzw rechtsgrundlos erlangter Leistungen mit Bescheid zurückzufordern. Dieser konstitutiv geschaffene Anspruch auf Rückforderung stellt eine selbständige Anspruchsgrundlage dar, die nicht als Abgabe zu qualifizieren ist, weil § 3 BAO nicht auf § 2 lit d BAO verweist. Unabhängig davon sieht § 2 lit d BAO jedoch die sinngemäße Anwendung der BAO auf Rückforderungen nach § 241a BAO vor. Auf den auf Grundlage von § 241a BAO zurückzuzahlenden Abgabenbetrag (d.h. die Erstattung, die die Abgabenbehörde gemäß § 241a BAO rückfordert) sind die Bestimmungen der BAO hingegen unmittelbar anzuwenden, weil es sich bei der Erstattung um eine Abgabe iSd § 3 Abs 1 BAO handelt (vgl in diesem Zusammenhang die Ausführungen zu § 2 lit b BAO in Stoll BAO Bd I § 2, 32 ff). Die Konsequenz daraus, dass es sich bei der Rückforderung nach § 241a BAO um keine Abgabe handelt, ist, dass der Anspruch nicht gemäß § 4 BAO entsteht. Fraglich ist, wann der für die Rückforderung maßgebliche Anspruch entsteht, wenn § 4 BAO nicht anwendbar ist. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin entsteht der Anspruch frühestens zu dem Zeitpunkt, in dem zwei kumulative Tatbestandsmerkmale vorliegen: (i) Festsetzung des Erstattungsanspruches und (ii) Auszahlung des Erstattungsbetrages, wobei diese Auszahlung bereits vor der Abgabenfestsetzung erfolgen kann. Würde nämlich nur der zweite Tatbestand verlangt werden, könnten grundsätzlich sämtliche Auszahlungen ohne materiell-rechtliche Prüfung zurückgefordert werden, die die Abgabenbehörden ohne vorherige bescheidmäßige Erledigung getätigt haben. Dies würde zu dem sinnwidrigen Ergebnis führen, dass auch Erstattungen zurückgefordert werden können, bei denen durch den unerledigten Antrag noch der Anspruch auf bescheidmäßige Festsetzung der Abgabenerstattung fortbesteht.

Um den Anspruch aufRückforderung dem Grunde nach feststellen und der Höhe nach beziffern zu können, bedarf es eines diesem Anspruch zugrundeliegenden Rechtstitels. Dieser zugrundeliegende Rechtstitel kann nach Maßgabe des § 241a BAO nur eine Erstattung sein (arg: "Wer [...] Erstattung [...] erlangt hat"). Gibt es keinen Ausspruch über die Erstattung, fehlt der für die Rückforderung der ausbezahlten Erstattung maßgebliche Rechtstitel (Stoll BAO Bd I § 2, 29).

Eintritt der Verjährung und keine einflussnehmende Verlängerungshandlung

Die belangte Behörde beruft sich hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin hervorgehobenen Verjährung darauf, dass aufgrund der 2017 eingeleiteten Außenprüfung, die 2018 eingestellt werden musste, eine Verlängerungshandlung vorliegt und deshalb die Verjährung der Kapitalertragsteuer 2011 sowie hinsichtlich des Rückforderungsbescheides nicht eingetreten ist. Dabei übersieht die belangte Behörde folgende wesentliche Punkte:

Nicht die Kapitalertragsteuer 2011 wurde gemäß § 241a BAO zurückgefordert, sondern die Erstattung der Kapitalertragsteuer 2011, die für sich eine Abgabe ist (§ 3 Abs 1 iVm § 2 lit a Z 2 BAO).

Die Erstattung wurde nie festgesetzt und ist - sofern man die Außenprüfung auch hinsichtlich der Erstattung als Verlängerungshandlung qualifiziert, was von der Beschwerdeführerin bestritten wird - seit Ende 2019 verjährt. Vollständigkeitshalber wird angemerkt, dass die Festsetzungsverjährung der Kapitalertragsteuer 2011 ebenfalls mit Ende 2019 eingetreten ist.

Da der Anspruch auf Rückforderung keine Abgabe ist und deshalb auch nicht von den allgemeinen Verjährungsbestimmungen des §§ 207 ff BAO erfasst sein kann, führt nach Ansicht der Beschwerdeführerin grundsätzlich keine Amtshandlung zur Verlängerung der Verjährungsfrist.

Da die Grundlage des § 241a BAO erst im Oktober 2019 geschaffen wurde, kann die 2018 eingestellte Außenprüfung nicht als Verlängerungshandlung des Anspruches auf Rückforderung qualifiziert werden, selbst wenn §§ 207 ff BAO auf § 241a BAO anzuwenden wären. Sollte entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin der Rückforderungsbestimmung eine Rückwirkung zukommen und die allgemeinen Verjährungsbestimmungen greifen, könnte selbst in diesem Fall keine die Verjährungsfrist verlängernde Amtshandlung gesetzt werden, bevor die Rechtsgrundlage für diesen rückwirkenden Anspruch implementiert wurde. Andernfalls käme es zu dem absurden Ergebnis, dass eine Verjährung für einen Anspruch verlängert werden würde, der sowohl faktisch als auch rechtlich im Zeitpunkt der Amtshandlung noch gar nicht bestehen hätte können, weil es noch keine Rechtsgrundlage dafür gab. Es ist denkunmöglich, dass eine Amtshandlung in Zusammenhang mit einem Anspruch gesetzt werden kann, dessen Rechtsgrundlage noch nicht geschaffen wurde.

Im Ergebnis führt dies dazu - sofern § 241a BAO überhaupt eine rückwirkende Anwendung zukommt und die allgemeinen Verjährungsbestimmungen der § 207ff BAO greifen, was beides von der Bf. angezweifelt wird, dass auch hinsichtlich eines etwaigen rückwirkend entstandenen Anspruches auf Rückforderung die Verjährung spätestens Ende 2017 eingetreten ist, weil die Verjährungsfrist nicht von Amtshandlungen verlängert werden kann, die gesetzt wurden, bevor die Rechtsgrundlage für diesen Anspruch in Kraft getreten ist."

Das FA legte im April 2022 gemäß § 265 BAO die Bescheidbeschwerde mitsamt den bezugshabenden Akten dem BFG zur Entscheidung vor (Vorlagebericht vom ).

Mit Anbringen vom wurde von der Bf. die Bescheidbeschwerde auf ihr Vorbringen in Punkt 1., 2. und 5. eingeschränkt und dazu ausgeführt:

Erst nach Einbringung der Beschwerde sei mit Erkenntnis vom , Ro 2022/13/0002, die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zu den Voraussetzungen für eine KESt-Rückerstattung im Zusammenhang mit außerbörslichem Aktienhandel rund um den Ex-Tag ergangen. Der Verwaltungsgerichtshof habe ausgesprochen, dass bei der Antragslegitimation darauf abzustellen sei, ob die Antragstellerin am Tag der Hauptversammlung der ausschüttenden Aktiengesellschaft, und somit am Tag, an dem der Ausschüttungsbeschluss gefasst wird, wirtschaftliche Eigentümerin der Aktie war. Als wirtschaftliche Eigentümerin gelte nur jene Person, auf deren Depot die entsprechende Aktie am Tag der Hauptversammlung bereits eingeliefert ist.

Im vorliegenden Beschwerdefall erfolgte die Einlieferung der Aktien auf das Depot der Beschwerdeführerin unstrittig erst nach dem Tag der Hauptversammlung. Mit der aktuellen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs wurde deshalb die noch in der Beschwerde vom thematisierte, bislang ungeklärte Rechtsfragen (Pkt. 3. und 4.) zum wirtschaftlichen Eigentum und der ertragsteuerlichen Zurechnung von Dividendenauszahlungen im Zusammenhang mit außerbörslichem Aktienhandel rund um den Ex-Tag, eindeutig beantwortet. Die gegenständliche Beschwerde wird deshalb auf die unter

1. Inkrafttreten und Rückwirkung des § 241 a BAO und

2. Eintritt der Verjährung

behandelten Punkte eingeschränkt, zumal eine entsprechende Einschränkung auch aus verfahrensökonomischen Gründen zweckmäßig ist.

Weiterhin werde angeregt, dass das Bundesfinanzgericht beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung des § 241a Bundesabgabenordnung, in Kraft seit , kundgemacht in BGBl I 91/2019, wegen Verfassungswidrigkeit beantragt (vgl. Pkt. 5 der Beschwerde).

In der mündlichen Verhandlung vom haben die Amtspartei sowie die Bf. an ihrer Rechtsauffassung unter Hinweis auf ihre bisheriges Vorbringen festgehalten.

Ergänzend wurde vom FA vorgebracht, dass zur Ermittlung des relevanten Sachverhaltes bei der Bf. deshalb keine Nachschau, sondern eine Außenprüfung gemäß § 147 BAO erfolgt sei, weil dies dem FA so vorgegeben wurde. Für bestimmte Anwendungsfälle hätte eine Buch- und Betriebsprüfung gemäß § 147 BAO eine umfangreichere Prüfungsmöglichkeit eröffnet. Es treffe zwar zu, dass die Außenprüfung und die konkret vorgenommenen Ermittlungshandlungen auf die KESt-Erstattungsanträge und damit auf die Frage, ob ein gesetzlicher KESt-Erstattungsanspruch der Antragstellerin bestanden habe, gerichtet war. Dieser Abgabenanspruch betreffend die KESt-Erstattungen, stehe nach Meinung des FA aber in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Rückforderungsanspruch, weil sich durch die Prüfung herausstellte, dass die tatsächlich ausbezahlten KESt-Rückerstattungen materiell-rechtlich rechtswidrig waren. Die explizit auf die KESt-Erstattungsverfahren gerichteten Amtshandlungen des FA hätten deshalb auch zur Geltendmachung der Rückforderung der zu Unrecht geleisteten KESt-Erstattungen gedient. Die im Rahmen der BP vorgenommenen Amtshandlungen seien daher Verlängerungshandlungen gemäß § 209 BAO betreffend die Rückforderung der rechtsgrundlos und materiell rechtswidrig ausbezahlen KESt-Erstattungen.

Der BP-Bericht vom November 2028 sei sehr wohl eine Amtshandlung im Sinne des § 209 BAO und enthalte entscheidungsrelevante Aussagen. Beispielsweise sei darin festgestellt worden, dass die Bf. keine Betriebsstätte in Österreich gehabt habe.

Dem entgegnete der StV, dass dieser Sachverhalt schon bei der Antragstellung eindeutig dargelegt und nachgewiesen worden sei. Auf den eingebrachten Erstattungsanträgen, befinde sich nämlich die Ansässigkeitsbescheinigung der britischen Steuerverwaltung.

Zudem wurde vom StV dargelegt, dass die wirtschaftlichen Gründe, weshalb die gegenständlichen Aktienkäufe von der Bf. getätigt wurden, im Detail nicht bekannt seien. Tatsächlich sei um den Dividendenstichtag aus mehreren Gründen ein verstärkter Aktienhandel festzustellen. Die Ursache dafür liegt sicher nicht, in Cum-Ex- oder Cum-Cum-Geschäften. Bei der Bf. handle es sich um die Tochtergesellschaft einer weltweit bedeutenden Systembank und spreche vieles dafür, dass es sich bei diesen Aktientransaktionen nicht um ein auf mehrfache KESt-Erstattung ausgerichtetes Dividendenstripping gehandelt habe. Ein wesentlicher Grund, weshalb es überhaupt zu KESt-Mehrfacherstattungen gekommen sei, liege vor allem auf der Verkäuferseite bei der Abwicklung der Aktientransaktionen und nicht in den Händen oder der Geschäftsgestaltung des Käufers.

Die für den Streitfall maßgeblichen Rechtsfragen der rückwirkenden Anwendung des § 241a BAO auf Sachverhalte, die sich vor dem Inkrafttreten der Norm ereignet haben und des Eintritts der Verjährung des Abgabenrückforderungsanspruches bei den bereits 2012 erfolgten Auszahlungen, sind jedenfalls unabhängig von der Art des Grundgeschäftes - nämlich des von der Bf. vorgenommenen Aktienhandels - zu lösen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die in der Tabelle 1 angeführten Daten über die von der Bf. getätigten Aktiengeschäfte, die den im Jahr 2012 eingebrachten drei KESt-Rückerstattungsanträgen zu Grunde lagen, sind belegt und unstrittig. Ebenso unbestritten steht fest, dass von der belangten Behörde diesen Anträgen gemäß ihrer früheren Verwaltungspraxis durch Auszahlung des gesamten Rückerstattungsbetrages bloß faktisch entsprochen wurde, aber keine normative Absprache über die Anträge mit Bescheid erfolgte. Die beantragten Rückerstattungsbeträge sind vom FA im Jahr 2012 auf das Konto der Antragstellerin überwiesen worden.

Im Mai 2017 wurde bei der Bf. eine Außenprüfung gemäß § 147 BAO begonnen, die zum Prüfungsgegenstand die "Erstattung der österreichischen Abzugssteuer - KESt 2011" hatte und deren bezeichneter Prüfungszeitraum das Jahr 2011 war.

Mit dem Prüfungsauftrag wurde ein schriftlicher Vorhalt an die Bf. gerichtet, die antragsgegenständlichen 2011 getätigten Wertpapiergeschäften im Detail darzulegen und nachzuweisen. Mit Schreiben vom , beim FA eingelangt am , erfolgte die Vorhaltsbeantwortung mitsamt Belegvorlagen.

Ohne das nachfolgend noch eine weitere nach außen wirksame Prüfungshandlung der Abgabenbehörde feststellbar war - eine solche ist nicht aktenkundig und wurde vom FA auch nicht in der mündlichen Verhandlung dargelegt - wurde schließlich mit BP-Bericht vom November 2018 die Außenprüfung mit dem Hinweis beendet, dass die Erstattungsverfahren noch nicht mit einem die Sache erledigenden Bescheid abgeschlossen worden sind.

2. Beweiswürdigung

Der vorstehende Sachverhalt liegt der Entscheidung zu Grunde und ist durch die vorgelegten Verwaltungsakte und die Vorbringen der Partien eindeutig bewiesen.

Strittig sind im Wesentlichen Rechtsfragen zur Verlängerung der Verjährungsfrist betreffend den Rückforderungsanspruch gemäß § 241a BAO durch die 2017 begonnene und 2018 ohne weitere Prüfungshandlungen aus rechtlichen Gründen eingestellte Außenprüfung sowie Rechtsfragen zur rückwirkenden Anwendung dieser 2019 in Kraft getretenen Vorschrift auf eine im Jahr 2012 erfolgte Auszahlung des FA.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

1. Faktische Erledigung der Rückzahlungsanträge durch den Realakt der Auszahlung des Erstattungsbetrages

Grundsätzlich sind Parteienanträge von der Verwaltungsbehörde mit Bescheid zu erledigen.

Nur in bestimmten Ausnahmefällen kann Anträgen - ohne Absprache mit Bescheid -durch bloße Vornahme des begehrten Realaktes entsprochen werden. Diese Anwendungsfälle sind idR ausdrücklich im Gesetz normiert (z.B. § 13 FLAG Gewährung der Familienbeihilfe, § 47 AIVG Zuerkennung von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe). Es handelt sich hierbei um Anbringen, die nicht primär auf eine hoheitliche Entscheidung gerichtet sind, sondern auf die Setzung eines bestimmten Verhaltens durch die Behörde (z.B. Auskunftserteilung, Dokumentenausfolgung, Geldauszahlung). Weitere Voraussetzung ist, diese nur faktische Antragserledigung das Rechtsschutzinteresse der Partei nicht beeinträchtigt und im Einklang mit den anzuwendenden Vorschriften steht.

Nach einhelliger Meinung (vgl. Ritz/Koran, BAO7 , § 240, Rz 5) sind Steuerrückerstattungsanträge in jedem Fall, also auch bei vollinhaltlichen Stattgaben, von der Behörde mit Bescheid zu erledigen (§§ 85a und 92 BAO).

Der Rückerstattungsanspruch des Steuerpflichtigen ist die Umkehrung des Abgabenanspruches der Abgabenbehörde, somit ein negativer Abgabenanspruch. Erst durch die Bescheiderlassung auf Grund eines gesetzlichen Abgabenanspruches entsteht der konkretisierte Abgabenzahlungsanspruch und wird diese Schuld fällig. Dasselbe gilt bei abgabenrechtlichen Rückerstattungsverhältnissen. Erst mit dem normativen Abspruch über den Rückerstattungsantrag durch Bescheid entsteht der erfüllbare Abgabenerstattungszahlungsanspruch des Steuerpflichtigen und entspricht die Behörde ihrer Entscheidungspflicht. Der beantragte Rückerstattungsbescheid ist nicht nur anspruchsbegründend für eine Abgabenrückerstattung, sondern im Rechtschutzinteresse der Partei erforderlich, weil nur daran die wesentlichen Rechtswirkungen der Unwiderrufbarkeit, der Unwiederholbarkeit und der Verbindlichkeit der behördlichen Entscheidung geknüpft sind.

Ohne Bescheiderlassung bleibt der Antrag unerledigt und liegt -ohne dass jemals Verjährung eintreten würde (§ 209a Abs. 2 BAO) eine durchsetzbare Verletzung der Entscheidungspflicht der Behörde vor.

Der gesetzwidrige Realakt der Auszahlung des beantragten Abgabenerstattungsbetrages ist nicht als Bescheid zu qualifizieren, weil in dieser Handlungsweise weder eine mündliche noch schriftliche Erledigung zu erblicken ist, die einen normativen Abspruch über den gestellten Antrag gegenüber einem bezeichneten Adressaten darstellt und eine Unterschrift oder einen Genehmigungsvermerk des Entscheidungsträgers enthält.

Einer bloßen Banküberweisung zur faktischen Antragserfüllung fehlen die essentiellen Bescheidmerkmale (Spruch, Bezeichnung des Bescheidadressaten und Genehmigungsklausel durch die Behörde, rechtswirksame Zustellung). Auch wenn die Behörde die Rückerstattungsanträge in einem ordentlichen Verfahren überprüft und dann intern genehmigt hat und die faktische Antragserledigung durch Auszahlung einer langjährigen Verwaltungsübung entspricht sowie die Banküberweisungen zu einer teilweisen Verschriftlichung von bescheidrelevanten Daten führt (Name der überweisenden Behörde, des Empfängers, des Zahlungsgrundes, Datum, Auszahlungsbetrag), vermögen alle diese Umstände eine bescheidmäßige Erledigung nicht zu ersetzen.

Es steht daher in Übereinstimmung mit den Parteien fest, dass die eingebrachten Rückerstattungsanträge nicht durch Bescheid erledigt wurden und die von der Behörde vorgenommenen Zahlungen in Höhe der beantragten Rückerstattungsbeträge rechtsgrundlos überwiesen wurden.

2. Zum Bestehen des von der Bf. geltend gemachten Rückerstattungsanspruches

2.1. Rechtliche Grundlagen

Artikel 10 und 23 des Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung bei den Steuern vom Einkommen (DBA-GB) in der für das Jahr 2012 maßgebenden Fassung lauten:

Art. 10 Abs. 1: "Dividenden, die eine im Vereinigten Königreich ansässige Person von einer in Österreich ansässigen Gesellschaft bezieht, dürfen im Vereinigten Königreich besteuert werden. Diese Dividenden dürfen auch in Österreich nach österreichischem Recht besteuert werden; die Steuer darf aber unter der Voraussetzung, daß der nutzungsberechtigte Empfänger der Dividenden eine im Vereinigten Königreich ansässige Person ist, nicht übersteigen:

a) 5 vom Hundert des Bruttobetrages der Dividenden, wenn der nutzungsberechtigte Empfänger eine Gesellschaft ist, die unmittelbar oder mittelbar mindestens 25 vom Hundert der Stimmrechte der die Dividenden zahlenden Gesellschaft kontrolliert;

b) 15 vom Hundert des Bruttobetrages der Dividenden in allen anderen Fällen."

Art. 23 - Anpassung der Abzugsbesteuerung: "Übersteigt die von Dividenden, Zinsen oder Lizenzgebühren an der Quelle abgezogene Steuer den Steuerbetrag, der nach den Artikeln 10, 11 oder 12 erhoben werden darf, so wird der übersteigende Steuerbetrag über Antrag rückerstattet; der Antrag ist bei der in Betracht kommenden zuständigen Behörde innerhalb von drei Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Dividenden, Zinsen oder Lizenzgebühren zahlbar wurden, zu stellen."

Die Frage des Bestehens eines abgabenrechtlichen Erstattungsanspruches gemäß den o.a. Bestimmungen ist im beantragten Erstattungsverfahren (Antragszahlen: X2/2012, X3/2012, X4/2012) die zu klärende Hauptfrage. Diese Rechtsfrage stellt in den Fällen einer vorzeitigen, rechtsgrundlosen Auszahlung des beantragten Erstattungsbetrages eine Vorfrage iSd § 116 BAO in einem vom FA eingeleiteten Rückforderungsverfahren gemäß § 241a BAO dar.

Im dem Rückforderungsverfahren gemäß § 241a BAO ist die Rechtsfrage des Bestehens eines Steuererstattungsanspruches (Art. 10 iVm. Art 23 DBA-GB) deshalb entscheidungsrelevant, weil es sinnwidrige wäre, wenn rechtsgrundlose vorzeitige Auszahlungen (vor fälliger Antragserledigung) auf Grund berechtigter Rückerstattungsanträge mit Bescheid gemäß § 241a BAO zurückgefordert werden, weil dieselbe Abgabenbehörde im Erstattungsverfahren säumig ist, die erforderlichen stattgebenden Erstattungsbescheide zu erlassen.

Da die Pflicht der Abgabenbehörde zur Antragserledigung durch Bescheid gemäß § 209a Abs. 2 BAO nicht verjährt, erscheint es zweckmäßig ein noch offenes Erstattungsverfahren, bei dem eine vorzeitige Auszahlung erfolgte, zumindest gleichzeitig mit einem Rückforderungsbescheid gemäß § 241a BAO, durch Abweisungsbescheid zu erledigen, wenn sich herausstellt, dass der gesetzliche Erstattungsanspruch nicht besteht. Auf diese Weise wird die Frage des Anspruches auf die beantragte Steuererstattung nämlich im zuständigen Hauptverfahren von der Abgabenbehörde erledigt.

2.2. Zur inhaltliche Beurteilung des KESt-Erstattungsanspruches der Bf.

Wie von der Bf. in der Beschwerdeeinschränkung vom November 2022 aufgezeigt, ist diese Rechtsfrage im Lichte der jüngsten Rechtsprechung des VwGH, Ro 2022/13/0002, , geklärt worden.

Da die betreffenden Aktien erst nach dem Tag des Beschlusses der Hauptversammlung über die Gewinnverteilung von der Bf. gekauft wurden (vgl. Tabelle 1), war sie nicht Zurechnungssubjekt der kapitalertragssteuerpflichtigen Dividendenausschüttungen. Die Bf. hat erst nachdem der kapitalertragssteuerpflichtige Dividendenanspruch gegenüber dem Aktionär entstanden ist, als Dritte vom Einkünftezurechnungssubjekt die Dividendenforderung erworben. Damit ist die Bf. aber nicht Einkünftezurechnungssubjekt dieser Kapitalerträge sondern als Dritter lediglich berechtigt die angekaufte Forderung auf Dividendenbezug einzuziehen.

Entsprechend dieser vom VwGH vertretenen Rechtsauffassung wurden die beantragten Erstattungsbeträge vom FA nicht nur rechtsgrundlos (ohne Bescheiderlassung), sondern auch ohne Bestehen eines materiell-rechtlichen Erstattungsanspruches im Jahr 2012 an die Bf. ausbezahlt.

3. Prüfung der Rückforderungsbescheide gemäß § 241a BAO

Vom FA wurden - ohne gemäß § 115 BAO vorher die Bf. zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zu hören - die angefochtenen Rückforderungsbescheide gemäß § 241a BAO vom wegen im Jahr 2012 zu Unrecht erfolgter Auszahlungen von KESt-Erstattungen in Höhe von insgesamt € 838.847 erlassen.

3.1. Verjährung des Rückforderungsanspruches

Der mit BGBl 91/2020 am in Kraft getretene § 241a BAO idF des Abgabenänderungsgesetzes 2020 lautet:

"Wer Rückzahlungen oder Erstattungen aufgrund abgabenrechtlicher Vorschriften ohne Rechtsgrund erlangt hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen."

Zudem wurden die Rückforderungen nach § 241a BAO in den Geltungsbereich der BAO gemäß § 2 lit. d BAO idF AbgÄG 2020 aufgenommen. Die Rückforderungen gemäß § 241a BAO sind ausdrücklich Abgaben im Sinne der Bundesabgabenordnung gemäß § 3 Abs. 1 BAO idF BGBl 228/2021.

Zu prüfen ist, ob Rückforderungsansprüche der Abgabenbehörde nach § 241a BAO einer Verjährung unterliegen und gegebenenfalls welche Verjährungsregelung gilt. Dass dieser Abgabenanspruch keiner Verjährung unterliege, wäre mit den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens nicht vereinbar.

Gemäß § 207 Abs. 1 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen der Verjährung.

Gemäß § 207 Abs. 4 BAO verjährt das Recht auf Rückforderung zu Unrecht zuerkannter Erstattungen in fünf Jahren. § 207 Abs. 2 BAO - wonach bei hinterzogenen Abgaben, die Verjährungsfrist zehn Jahre beträgt - gilt sinngemäß.

Nach § 208 Abs. 1 lit. c BAO beginnt für Rückforderungen zu Unrecht zuerkannter Erstattungen die Verjährung mit Ablauf des Jahres, in dem die rückzufordernde Erstattung geleistet wurde.

Da die Rückforderung gemäß § 241a BAO in einem Abgabenverfahren erfolgt und der Rückforderungsanspruch eine Abgabe nach der Bundesabgabenordnung darstellt, unterliegt diese Abgabe auch den Bestimmungen der Verjährung nach § 207 BAO.

Eine Erstattung liegt vor, wenn einem Abgabepflichtigen eine zu Recht entrichtete Abgabe auf Grund eines hinzutretenden Abgabentatbestandes ganz oder teilweise zurückzuzahlen ist (Stoll, BAO, 28).

Die antragsgebundene Zurückzahlung von KESt hat auf Grund der zur Regelung der Kapitalertragssteuer hinzutretenden Bestimmungen der Art 10 DBA-GB und Art 23 DBA-GB zu erfolgen. Der Begriff der Steuerrückerstattung wird ausdrücklich im Art 23 DBA-GB sowie im § 1 Abs. 4 der Durchführungsverordnung zum DBA-GB verwendet.

Die angefochtenen Rückforderungsbescheide gemäß § 241a BAO haben daher eine vom FA zu Unrecht geleistete Erstattung von KESt zum Gegenstand. Diese Abgabenerstattung wurde vom FA durch die positive Antragsbearbeitung, mit Genehmigungsvermerken auf den eingebrachten Rückerstattungsanträgen (ZS-RE-1, Pkt. 7), mit Datum und Unterschrift der approbationsbefugten Organwalter und genehmigungskonformer Auszahlung der Beträge der Bf. auch im Sinne des § 207 Abs. 4 BAO "zuerkannt".

Die gegenständlichen Rückforderungen - auf Grund der vom FA zwecks faktischer Antragsstattgabe 2012 erfolgten Auszahlungen - fallen daher unter den Verjährungstatbestand des § 207 Abs. 4 BAO (ebenso Ritz/Koran, BAO7, § 241a Rz. 10). Das Recht auf Rückforderung der zu Unrecht zuerkannten KESt-Erstattungen verjährt somit in fünf Jahren ab dem Jahr, in dem der Erstattungsbetrag dem Steuerpflichtigen geleistet worden ist. Diese Rechtsauffassung entspricht der herrschenden Meinung (Stieglitz/Gleiss, Rückforderung von Abgaben gemäß § 241a BAO, ZSS 2020, 140; Hayden/Simonishvili/Thorbauer, GES 2019, 438; Stoll, BAO, (Capek/Rzeszut) zu § 241a, Rz. 7, Onlineausgabe Stand Juni 2022) und wurde auch von der belangten Behörde in der BVE (Seite 5) vertreten.

Da die Auszahlungen (Banküberweisungen) an die Bf. im Jahr 2012 erfolgt sind, würde - selbst im Falle einer rückwirkenden Anwendung des § 241a BAO - grundsätzlich mit die Verjährung des Rückforderungsanspruches eintreten.

Auch wenn den Erstattungsanträgen ein außerbörslicher Aktienhandel um den Dividendenstichtag zu Grunde liegt - wie er auch bei den Cum-Ex-Geschäften auftritt - bestehen darüber hinaus keine Hinweise, dass diese KESt-Erstattungen den Tatbestand einer Abgabenhinterziehung erfüllen würden. Die verlängerte Verjährungsfrist von 10 Jahren für die Rückforderung hinterzogener Erstattungen kommt daher nicht zur Anwendung.

Die Bestimmung des § 209 Absatz 1 BAO lautet:

"Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist. Verfolgungshandlungen (§ 14 Abs. 3 FinStrG, § 32 Abs. 2 VStG) gelten als solche Amtshandlungen."

Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, dass durch die im Mai 2017 begonnene Außenprüfung gemäß § 147 BAO und deren Einstellung wegen fehlender Berechtigung mit BP-Bericht vom die Verjährungsfrist verlängernde Amtshandlungen im Sinne des § 209 BAO gesetzt worden seien. Durch diese beiden im Jahr 2017 und 2018 vorgenommenen Amtshandlungen sei die Verjährungsfrist für die Festsetzung des Rückforderungsanspruches gemäß § 241a BAO bis zum verlängert worden. Die angefochtenen Rückforderungsbescheide vom November 2019 seien daher noch vor Eintritt der Festsetzungsverjährung erlassen worden.

Nach ständiger Rechtsprechung erfordert eine fristverlängernde Amtshandlung, dass sie von der zuständigen Abgabenbehörde zur Geltendmachung eines bestimmten Abgabenanspruches vorgenommen wird. Aus diesem Grunde führt eine Außenprüfung nur hinsichtlich jener Abgaben, die Gegenstand der Prüfung sind, zur Verlängerung der Verjährungsfrist (z.B. VwGH, , 99/15/0098). Über die ausdrücklich im Prüfungsauftrag als Prüfungsgegenstand angeführten Abgaben hinaus, kann auch für jene Abgabenansprüche eine Verlängerung der Verjährung eintreten, auf deren Geltendmachung die Außenprüfung zweifelsfrei mittelbar gerichtet war (VwGH, , 82/13/0050, zur Prüfung der KöSt einer GmbH betr. verdeckte Ausschüttung hinsichtlich ESt beim Gesellschafter).

Die Außerprüfung, die im Mai 2017 begonnen wurde - hatte unstrittig die Prüfung der bescheidmäßig noch unerledigten KESt-Rückerstattungsanträge (Nr.: X2/2012, X3/2012, X4/2012) zum Gegenstand. Zu Prüfungsbeginn wurde deshalb ein Vorhalt an die Bf. gerichtet, die im Jahr 2011 getätigten Aktienkäufe, die den KESt-Rückerstattungsanträgen zu Grunde liegen, im Detail darzulegen und diesen Sachverhalt durch Belege nachzuweisen. Dieser im Rahmen der Außenprüfung ergangene Vorhalt wurde von der Bf. mit Schreiben vom September 2017 vollumfänglich beantwortet.

Außer diesem Vorhalt ist eine weitere Prüfungshandlung oder sonstige Amtshandlung im Zusammenhang mit den KESt-Erstattungen nicht feststellbar.

Der BP-Bericht vom enthält nur offenkundige Sachverhalte, die der Abgabenbehörde wie der Bf. bereits vor Beginn dieser Prüfung zweifelsfrei bekannt waren: Die Bf. habe auf Grund von Aktienkäufen 2011 Dividenden erhalten, von denen KESt einbehalten und abgeführt wurde und wegen denen sie Anträge auf KESt-Erstattung nach dem DBA-GB gestellt habe. Die beantragten Erstattungsbeträge habe das FA ausbezahlt. Die KESt-Erstattungsverfahren seien noch nicht rechtsförmlich mit Bescheid abgeschlossen worden. Da die beschränkt steuerpflichtige Bf. keiner Buchführungs- und Aufzeichnungspflicht in Österreich unterliege, sei keine Rechtsgrundlage für diese Außenprüfung gegeben und werde diese deshalb abgebrochen.

Da der Abgabenbehörde ein abgabenrechtlicher Rückforderungsanspruch auf Grund der rechtsgrundlos geleisteten KESt-Erstattungen erst durch § 241a BAO mit dem Inkrafttreten dieser Bestimmung, also ab dem , zustand, ist es denkunmöglich, dass eine von ihr vor diesem Zeitpunkt vorgenommene Amtshandlung auf die Geltendmachung dieser Abgabe (abgabenrechtliche Rückforderung der KESt-Erstattung) gerichtet sein konnte. Der negative Abgabenanspruch betreffend KESt-Erstattung ist ein anderer Abgabenanspruch als der Abgabenrückforderungsanspruch gemäß § 241a BAO. Die Prüfung eines KESt-Erstattungsanspruches ist daher nach Auffassung des BFG auch nicht mittelbar auf die Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Rückforderungsanspruches wegen rechtsgrundloser Leistung (die Zurückzahlung gemäß § 241a BAO) gerichtet.

Dazu kommt, dass es im Zeitraum der Außenprüfung 2017 bis 2018 diesen öffentlich-rechtlichen Rückforderungsanspruch der Abgabenbehörde noch gar keinen gegeben hat. Für diesen Standpunkt spricht ferner, dass in jenen Fällen einer nachträglichen Prüfung von KESt-Erstattungen, welche rechtskonform mit Bescheid erledigt wurden, gar kein Rückforderungsanspruch gemäß § 241a BAO entstehen kann (vgl. Ritz, Rückforderungen (Zurückzahlungen) gemäß § 241a BAO, AFS 2021, Heft 3, 82ff mit Hinweis auf die gesetzliche Rückzahlungspflicht gem. § 210 Abs. 2 BAO) oder erst dann entsteht, wenn der Erstattungsbescheid gem. §§ 299, 303 BAO aufgehoben oder abgeändert werden kann, wofür wiederum die Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen müssen. Eine auf die KESt-Erstattung gerichtete Amtshandlung gilt daher nicht zweifelsfrei auch mittelbar auf eine Abgabenrückforderung gemäß § 241a BAO gerichtet.

Überdies erfolgte im Rahmen dieser Außenprüfung im Jahr 2018 gar keine Amtshandlung, die überhaupt auf die Geltendmachung eines Abgabenanspruches gerichtet gewesen wäre. (auch nicht betreffend die geprüfte KESt-Erstattung). Der BP-Bericht enthält nur offenkundige der Partei sowie dem FA bereits vor der Außenprüfung bekannt gewesene Sachverhalte, die unter dem Aspekt der Geltendmachung eines Abgabenanspruches bedeutungslos sind. Es ist diesem BP-Bericht auch keine Feststellung oder Aussage zu entnehmen, dass die beantragten KESt-Erstattungen der Bf. nicht zustehen würden.

Der BP-Bericht ist inhaltlich als amtlicher Einstellungsbericht betreffend die 2017 begonnene Außenprüfung zu den KESt-Rückerstattungsanträgen zu qualifizieren. Dieses Amtsschreiben bedient sich zwar der Form eines BP-Berichtes, hat aber nicht dessen Inhalt. Diese Amtshandlung ist nach ihrem Inhalt gerade das Gegenteil einer Verfolgungshandlung im Sinne des § 209 Abs. 1 BAO. Sie verfügt nämlich nach außen wirksam lediglich die Einstellung einer begonnenen Amtshandlung und nicht die Geltendmachung eines Abgabenanspruches.

Eine auf die Geltendmachung einer Abgabe gerichtete Amtshandlung stellt der BP-Einstellungsbericht vom November 2018 nach Auffassung des BFG daher nicht dar und zwar weder betreffend die KESt-Erstattungen noch betreffend einen Abgabenanspruch auf Rückforderung der rechtsgrundlosen Zahlungen.

Die Auffassung der belangten Behörde, dass durch diese Außenprüfung die Verjährungsfrist des erst im Oktober 2019 in Kraft getretenen Rückforderungsanspruches gemäß § 241a BAO iVm § 209 Abs. 1 BAO - bis zum - verlängert worden wäre, wird für nicht zutreffend erachtet.

Selbst bei rückwirkender Anwendung der Bestimmung des § 241a BAO ist wegen Eintritts der Verjährung eine Rückforderung der rechtsgrundlosen KESt-Erstattungen nicht zulässig. Die fünfjährige Verjährungsfrist hat gemäß § 207 Abs. 4 1. Satz BAO mit Ablauf des Jahres der Auszahlung, 2012, zu laufen begonnen und damit am geendet. Selbst wenn die 2017 vorgenommene Amtshandlung betreffend die KESt-Erstattungen mittelbar als auf den künftigen Rückforderungsanspruch gerichtet beurteilt würde, liegt nach Ansicht des BFG keinesfalls im Jahr 2018 eine Amtshandlung im Sinn des § 209 BAO vor, die geeignet gewesen wäre, die Verjährungsfrist um ein weiteres Jahr bis zum zu verlängern.

Die im November 2019 erlassenen Rückforderungsbescheide waren daher wegen Verjährung der geltend gemachten Rückforderungsansprüche rechtswidrig.

3.2. Rückwirkende Anwendung des § 241a BAO

Das AbgÄG 2020 enthält zu der Schaffung des Rückforderungsanspruches der Abgabenbehörde für rechtsgrundlose abgabenrechtliche Erstattungen oder Rückzahlungen durch § 241a BAO keine Inkrafttretensbestimmung. Diese Norm ist daher mit dem auf die Kundmachung im Bundesgesetzblatt folgenden Tag, das ist der , in Kraft getreten.

Strittig ist, ob es sich bei dieser Bestimmung um eine Verfahrensvorschrift handelt oder um eine materiell-rechtliche Norm. Auf Grund der Zeitbezogenheit der Abgaben sind die materiell-rechtlichen Bestimmungen anzuwenden, die im Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches in Kraft gestanden sind, während Normen des Verfahrensrechtes im Allgemeinen ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens auch auf Sachverhalte, bzw Rechtsvorgänge anzuwenden sind, die sich davor ereignet haben (VwGH, , Ra 2019/13/0111).

Zu der Frage, ob durch § 241a BAO auch vor seinem Inkrafttreten () vorgenommene rechtsgrundlose abgabenrechtliche Erstattungen und Rückzahlungen von der Abgabenbehörde rückgefordert werden können, obwohl diese Rechtsvorschrift keine Rückwirkungsanordnung enthält, bestehen unterschiedliche Rechtsmeinungen und liegt noch keine Rechtsprechung vor.

Die BAO enthält ebenso zahlreiche materiell-rechtliche Normen (z.B. Zwangsstrafe, Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen, Stundungs- und Aussetzungszinsen, Säumniszuschläge, Mahngebühren), wie sich in den Abgabenmateriengesetzen verfahrensrechtliche Bestimmungen befinden. Es muss deshalb aus dem Norminhalt des § 241a BAO erschlossen werden, ob es sich um Verfahrensrecht oder materielles Recht handelt.

Verfahrensrecht sind jene Normen, die die Feststellung der Rechtsregeln und deren Durchsetzung zum Inhalt haben, die also den Weg regeln, auf dem aus einer Rechtserscheinung höherer Stufe eine Rechtserscheinung niedriger Stufe erzeugt wird (Ritz, Verfahrensrecht oder materielles Recht, AFS 2017, 203 mit Hinweis auf VwGH, , 83/17/0019; , 87/17/0271).

Unter materiellem Abgabenrecht versteht man all jene Normen, in denen Abgabentatbestände geregelt sind (Ritz, AFS 2017, 203).

Vor der Schaffung des § 241a BAO gab es keine Möglichkeit der Abgabenbehörde von ihr rechtsgrundlos geleistete abgabenrechtliche Auszahlungen in einem Abgabenverfahren zurückzufordern. Die Abgabenbehörde konnte in diesen Fällen nur im Zivilrechtsweg nach den Bestimmungen des ABGB zum Bereicherungsrecht irrtümlich erbrachte ungerechtfertigte Leistungen (Auszahlungen) zurückfordern (vgl. VwGH, , 99/14/0299).

Mit dem § 241a BAO wurde vom Gesetzgeber - nach dem Vorbild des § 26 FLAG und dem § 37 Abs. 2 der deutschen Abgabenordnung - konstitutiv ein Abgabenanspruch zur Rückforderung rechtsgrundloser abgabenrechtlicher Rückzahlungen und Erstattungen der Abgabenbehörde geschaffen.

Die Normierung dieses neuen Abgabenanspruches stellt eindeutig materielles Recht dar und ist keine Verfahrensbestimmung. Auf Grund der engen Verbindung zwischen dem materiellem Recht und dem Verfahrensrecht ist es eine logische Konsequenz, dass dieser neu geschaffene Abgabenanspruch zur Rückforderung rechtsgrundlos erfolgter Leistungen der Abgabenbehörde nach den Bestimmungen der BAO in einem Abgabenverfahren festzusetzen und durchzusetzen ist und ist dies nicht Ausdruck einer Verfahrensbestimmung.

Mit § 241a BAO wurde ein eigenständiger Abgabenanspruch für die Rückforderung bestimmter rechtsgrundloser Zahlungen der Abgabenbehörde erstmals konstituiert und kein Verfahren geregelt, wie die Abgabenbehörde bei rechtsgrundlosen Erstattungen vorzugehen hat. Das Verfahren zur Geltendmachung von Abgabenansprüche der Abgabenbehörde war bereits in der BAO geregelt und gilt in gleicher Weise für den neu geschaffenen Rückforderungsanspruch.

Abgabenrechtliche Erstattungsansprüche der Steuerpflichtigen werden in Umkehrung des Abgabenanspruches der Abgabenbehörde als "negative Abgabenansprüche" definiert und werden in ständiger Rechtsprechung als materielles Recht beurteilt. In Fortsetzung dieser Betrachtung wäre der abgabenrechtliche Rückforderungsanspruch ein umgekehrter Erstattungs- oder Vergütungsanspruch (Düren in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, § 37 Rz. 111) und muss daher ebenso materielles Recht sein.

Für die Qualifikation dieses öffentlich-rechtlichen Rückforderungsanspruches der Abgabenbehörde als materielle Norm spricht, dass es sich bei § 26 FLAG sowie § 37 dAO (Drüen, in Tipke/Kruse, § 37 Rz. 19 u. 112) eindeutig um materielles Recht handelt. Es erscheint logisch, dass ein im Abgabenverfahren durchzusetzender Rückforderungsanspruch wegen zu Unrecht ausbezahlter Familienbeihilfe die gleiche Rechtsnatur haben muss, wie ein abgabenrechtlicher Rückforderungsanspruch wegen rechtsgrundlosen Abgabenerstattungen.

In der Stammfassung des § 26 FLAG - wurde im Unterschied zum § 241a BAO ausdrücklich eine rückwirkende Anwendung im Gesetz angeordnet (ebenso Stieglitz/Gleis, Fragen zur Rückforderung von Abgaben gemäß § 241a BAO, ZSS 2020, 138; Hayden/Simonishvili/Thorbauer, GES 2019, 436f; aM Ritz/Koran, BAO, § 241a, Rz. 13 und Ritz, Rückforderungen gemäß § 241a BAO, AFS 2021, 85 mit Hinweis auf verfassungsrechtliche Schranken einer rückwirkenden Anwendung). Bei der Rückforderung nach § 241a BAO betreffend bestimmte Zahlungen der Abgabenbehörde ohne Rechtsgrund hat der Gesetzgeber bewusst von der Normierung einer rückwirkenden Anwendung Abstand genommen, wofür verfassungsrechtliche Schranken maßgebend sein dürften.

Nach Auffassung des BFG ist die materiell-rechtliche Bestimmung des § 241a BAO mangels einer ausdrücklichen Rückwirkungsanordnung nicht auf Sachverhalte rechtsgrundloser Rückzahlungen oder Erstattungen der Abgabenbehörde, die sich vor dem Inkrafttreten mit ereignet haben, anzuwenden.

3.3. Grenzen einer rückwirkenden Anwendung des § 241a BAO auf Grund des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzprinzips

Folgt man der vom FA und teilweise auch in der Literatur (Capek/Rzeszut, Stoll, BAO, Onlinekommentar, § 241a, Rz. 8) vertretenen Rechtsansicht, dass es sich bei § 241a BAO um eine reine Verfahrensbestimmung handle, die deshalb ab ihrem Inkrafttreten ohne Zeitbezogenheit auf alle Rückforderungssachverhalte anzuwenden sei, soweit nicht Verjährung vorliege, stellt sich die Frage, ob eine rückwirkende Anwendung des § 241a BAO auf die eingangs dargestellte rechtswidrige Verwaltungspraxis der faktischen Stattgabe von Rückzahlungsanträgen durch den Realakt der Auszahlung mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar ist.

Nach dem vom VfGH entwickelten Vertrauensschutz führt vor allem im Steuerrecht eine rückwirkende belastende Gesetzesanwendung zu einem gleichheitswidrigen Ergebnis, wenn der Eingriff von erheblichen Gewicht ist und das berechtigte Vertrauen der Normunterworfenen auf die Rechtslage enttäuscht wird und nicht besondere Umstände eine solche Rückwirkung verlangen.

Hätte die Abgabenbehörde rechtmäßig gehandelt, dann hätte sie über die Rückzahlungsanträge, denen sie vollinhaltlich stattgeben wollte und sie daher den Erstattungsbetrag auch ausbezahlt hat, mit Bescheid abgesprochen. Damit wären die Rechtswirkungen eines stattgebenden Erstattungsbescheides, insbesondere die Unwiderrufbarkeit, Unwiederholbarkeit und Verbindlich der behördlichen Entscheidung eingetreten. Die Abgabenbehörde hätte daher nur unter den Voraussetzungen einer Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund einer Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO oder einer Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO zu einem Rückforderungsanspruch über eine rechtswidrig aber rechtswirksam verfügte Abgabenerstattung kommen können.

Durch eine rückwirkende Anwendung des Rückforderungsanspruches gemäß § 241a BAO werden jene Steuerpflichtigen, die von der Abgabenbehörde durch ihre langjährig geübte Verwaltungspraxis rechtswidrig behandelt wurden, schlechter gestellt als jene, über deren Anträge gesetzeskonform ein Bescheid erlassen wurde (z.B. in den Fällen einer teilweisen Stattgabe von Rückzahlungsanträgen oder bei Erstattungen anderer Abgabenbehörden).

Es ist nach Ansicht des BFG sachlich nicht gerechtfertigt, den Nachteil dieser rechtswidrigen Verwaltungsübung - ohne eine Einschränkung des Anwendungsbereiches des § 241a BAO auf diese Gruppe von Steuerpflichtigen zu überwälzen. Mit anderen Worten, bei der Anwendung des § 241a BAO iZm der angesprochenen Verwaltungspraxis faktischer Antragserledigungen dürfen die Steuerpflichtigen nicht schlechter gestellt werden, als wenn sie pflichtgemäß behandelt worden wären und die Behörde die erforderlichen Bescheide erlassen hätte.

Hätte der Gesetzgeber eine Rückwirkung des § 241a BAO gewollt, hätte er diese rückwirkende Gesetzesanwendung an die erforderlichen Voraussetzungen des Vorliegens eines Wiederaufnahmegrundes oder Aufhebungsgrundes gem. §§ 299, 303 BAO für diese Fälle geknüpft. Dadurch wäre in sachlicher Weise gewährleistet, dass die Steuerpflichtigen gleich behandelt werden, unabhängig davon, ob ihnen entsprechend der Verwaltungsübung der Erstattungsbescheid vorenthalten wurde oder sie pflichtgemäß einen solchen von der Behörde erhalten haben.

Es ist nicht unverständlich, dass die Abgabenpflichtigen eine derartig langjährige Verwaltungsübung einer faktischen Antragsstattgabe akzeptiert und auf den Bestand dieser faktischen Disposition vertraut haben. Dieses Vertrauen lag auch darin, dass sie dem faktischen Verhalten der Abgabenbehörde die gleiche rechtliche Bedeutung zumaßen als einer gesetzeskonformen Absprache über ihren Rückzahlungsantrag. Ein sachlicher Grund in dieses berechtigte Vertrauen schrankenlos rückwirkend einzugreifen, ist nicht erkennbar.

Nach Ansicht des BFG verlangt daher das Vertrauensschutzprinzip eine verfassungskonforme Auslegung des § 241a BAO in der Weise, dass eine rückwirkende Gesetzesanwendung auf Sachverhalte vor dem in Kraft treten dieser Norm nicht rechtmäßig ist.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da zu den Rechtsfragen der Verjährung und der rückwirkenden Anwendung der Rückforderung gemäß § 241a BAO keine Rechtsprechung des VwGH besteht, war die Revision zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 241a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101097.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at