Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.12.2022, RV/7101921/2013

WA: Keine neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den seit zuständigen Richter Dr. Hans Blasina in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Berufung (nunmehr Beschwerde, § 323 Abs 38 BAO) vom gegen die Bescheide des FA Wien 9/18/19 Klosterneuburg (nunmehr Finanzamt Österreich, § 323b BAO) vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens zum Feststellungsverfahren 2007 sowie Feststellung und Nichtfeststellung von Einkünften 2007, und gegen den "Bescheid" vom betreffend Feststellung und Nichtfeststellung von Einkünften 2007, Steuernummer ***BF1StNr1***

I. zu Recht erkannt: Der angefochtene Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens wird gemäß § 279 BAO - ersatzlos - aufgehoben.

II. beschlossen:

II.1. Die Beschwerde gegen den "Bescheid" über die Feststellung und Nichtfeststellung von Einkünften 2007 vom wird gemäß § 278 Abs 1 lit a iVm § 260 Abs 1 lit a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

II.2. Die Beschwerde gegen den Bescheid über die Feststellung und Nichtfeststellung von Einkünften 2007 vom wird gemäß § 278 Abs 1 lit b iVm § 261 Abs 2 BAO als gegenstandlos erklärt.

III. Gegen dieses Erkenntnis und diese Beschlüsse ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Einleitung

Die Beschwerdeführerin (Bf) ist eine KG, deren Komplementärin einen Kapitalmarktprospekt zur Finanzierung von Startups aufgelegt hat. Die Finanzierung ist dabei dergestalt, dass Investoren mit der Kommanditistin der Bf Treuhandvereinbarungen abschließen und das so in die KG gelangte Kapital im Wege atypisch stiller Beteiligungen an Unternehmen zur Finanzierung weitergegeben wird. Im Gegenzug erhalten die Treuhänder anfänglich eine Verlustzuweisung, die bis zu 190 % ihrer Einlage ging.

Strittig ist im Verfahren inhaltlich, ob die Treuhänder ein hinreichendes Unternehmerwagnis tragen, um betriebliche Einkünfte zu erzielen und damit die vorgesehene Verlustzuweisung steuerlich anerkannt werden kann, ob diesfalls eine Verlustverwertungsbeschränkung nach § 2 Abs 2a EStG vorliegt und ob die Umgründungsschritte alle Formvorschriften erfüllen, um die Verlustzuweisung rückwirkend wirksam zu machen.

Formal strittig ist, ob die Wiederaufnahme des Verfahrens im Jahr 2007 zurecht erfolgte und ob ein automationsunterstützt aus technischer Notwendigkeit "intern" erstellter "Bescheid", den der steuerlichen Vertreter der Bf in FinanzOnline aufgefunden hat, die Qualität eines Bescheides hat.

Gesellschaftsgründung

Mit Schreiben vom (AS 167-180 der Dauerbelege des Verwaltungsaktes [Gewinnfeststellungsakt]), bei der belangten Behörde eingelangt am , ersucht die Beschwerdeführerin um Zuteilung einer Steuernummer und UID und legt u.a. den Gesellschaftsvertrag vor.

Mit Eingabe vom (AS 1-130 der Dauerbelege des Verwaltungsaktes), bei der belangten Behörde eingelangt am , wird seitens der Bf angezeigt, dass sich die aus dem Komplementär *Bf* GmbH und der Treuhandkommanditistin THK GmbH bestehende *Bf* GmbH & Co KG (Beschwerdeführerin, in weiterer Folge Bf) an mehreren näher bezeichneten Unternehmen als atypisch stille Gesellschafter beteiligt haben und diese atypisch stillen Einlagen Zusammenschlüsse nach Art IV UmgrStG darstellten. Weiters seien über die Treuhandkommanditistin zahlreiche Treuhandkommanditisten mit einer Gesamteinlage von 2.254.000 Euro beteiligt und die Treuhandkommanditistin mit einer eigenen Einlage von 1.000 Euro vertreten. Beigelegt werden dem Schreiben

  1. der Gesellschaftsvertrag der Bf mit Bezugnahmen auf die Umgründungspläne zu den atypisch stillen Gesellschaften;

  2. die Zusammenschlussbilanz der Bf & atypisch Stille zum mit einer Bilanzsumme von 0;

  3. eine Liste der Treugeberkommanditisten mit Name, Anschrift, Steuernummer, SVN und Einlage;

  4. die Zusammenschlussverträge zwischen der Bf und den Unternehmen zu atypisch stillen Gesellschaften samt den Zusammenschlussbilanzen zum und Umgründungsplänen.

Im Rahmen einer Nachschau am (AS 153-164 der Dauerbelege des Verwaltungsaktes; das Datum laut Bericht ist der , jenes laut Niederschrift fälschlich ) anlässlich der Betriebseröffnung der Bf (FB-Eintragung ) werden

  1. drei Zeichnungsscheine von Anlegern

an die belangte Behörde übergeben. Im Rahmen dieser Nachschau wird festgehalten, dass die Treuhandkommanditistin lediglich eine Vergütung für die Übernahme der Treuhand und Verwaltung von 0,16% pro Quartal und einmalig von 5% des gezeichneten Kapitals erhält, steuerlich ausschließlich die Treugeberkommanditisten an der Gewinnfeststellung teilnehmen und der Treuhandvertrag mit Erwerb der Zeichnungsscheine akzeptiert werde.

Weiters findet sich in den Dauerbelegen im Anschluss an einen Beschluss des Firmenbuchgerichtes vom (AS 181 f der Dauerbelege des Verwaltungsaktes) ohne Eingangsstempel der Kapitalmarktprospekt des von der Bf vertriebenen Beteiligungsanbotes (AS 183-223 der Dauerbelege des Verwaltungsaktes), der in seinen Anlagen den Gesellschaftsvertrag der Bf, den Treuhandvertrag und den Zeichnungsschein enthält.

Den Abschluss der Dauerbelege bilden ein von der belangten Behörde erstellter Firmenbuchauszug vom (AS 224 f) und eine undatierte Checkliste zum Zusammenschluss nach Art IV UmgrStG (AS 226-228).

Bescheide

Zunächst erfolgte mit Bescheid vom eine antragsgemäße Veranlagung.

Im Zuge von Ermittlungen bei der Bf und mehreren anderen Publikums-Treuhandgesellschaften, die nach dem selben Muster aufgebaut waren, wurde aus den unter I.1. bezeichneten Gründen die Mitunternehmerstellung der Treugeber durch die belangte Behörde aberkannt.

Am erließ die belangte Behörde deshalb Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Feststellung der Einkünfte 2007 und Feststellung der Einkünfte 2007.

Die belangte Behörde führt zur Wiederaufnahme aus, die Feststellung der Einkünfte erfolgte mit Bescheid vom anfgrund der eingereichten Erklärung antragsgemäß. Im Zuge des im Jänner 2011 begonnenen Erhebungsverfahrens wurden folgende Unterlagen im März 2011 vorgelegt, die im Zeitpunkt der erstmaligen Bescheiderlassung nicht bekannt gewesen seien:

  1. Kapitalmarktprospekt,

  2. Gesellschaftsvertrag der KG [=Bf],

  3. Treuhandvertrag zwischen der Treuhandkommanditistin und den Treugebern.

Aufgrund der neu vorgelegten Unterlagen ergebe sich für die Finanzverwaltung ein vom erlassenen Bescheid maßgeblich abweichender Sachverhalt, weil die vertragliche Ausgestaltung (keine Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechte, maßgebliche Verminderung des Unternehmerrisikos) hinsichtlich der beteiligten Personen deren Stellung in der KG so stark einschränke, dass diese in die Feststellung nicht einbezogen worden wären, wenn dies im Zeitpunkt der erstmaligen Bescheiderlassung bereits bekannt gewesen wäre.

Außerdem fertigte die belangte Behörde vorab im Rahmen der Datenverarbeitung zur Vorbereitung des neuen Sachbescheides am ein elektronisches Schriftstück an, das nur an sie selbst adressiert war, aber auch durch die Bf in FinanzOnline auffindbar war. Zwar sind sich die Parteien einig, dass diesem Erledigungsentwurf nicht der Charakter eines Bescheides zukommt, doch wurde aus prozessualer Vorsicht auch dagegen Berufung (nunmehr Beschwerde) erhoben.

Rechtsmittelverfahren

Gegen die Wiederaufnahme bringt die Bf in der nachgereichten Begründung vom zur Beschwerde vom zunächst vor, Gesellschaftsvertrag der Bf und Treuhandvertrag seien im Rahmen der Meldung dem Finanzamt übermittelt worden und seien daher bei Erstbescheiderlassung bekannt gewesen. Der Kapitalmarktprospekt spiele keine Rolle und enthalte keine entscheidungsrelevanten Informationen.

Im weiteren Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht wendet die belangte Behörde ein, nach den Eingangsvermerken sei der Treuhandvertrag nicht ursprünglich vorgelegen. Die Bf macht dagegen geltend, schon in der Niederschrift vom werde so detailliert über Vergütungen geschrieben und der Treuhandvertrag zitiert, dass die belangte Behörde bereits damals hinreichend Einsicht genommen haben müsse. Außerdem liege der Treuhandvertrag nach dem Protokoll über die Nachschau vom im Akt und müsse daher spätestens bei dieser Gelegenheit zum Akt genommen worden sein.

Dem hält die belangte Behörde wiederum entgegen, bei den am übernommenen Unterlagen sei der Treuhandvertrag nicht protokolliert. Dem gegenüber ergibt sich für die Bf bereits aus der Nummerierung der Akten, dass der Treuhandvertrag bereits 2008 bei der belangten Behörde gewesen sei. Die wiederum entgegnet, aus der Nummerierung im Akt könnten keine Rückschlüsse auf den Zeitpunkt des Einlangens von Schriftstücken gezogen werden. Und die bloße Kenntnis von bei der Bf vorhandenen Unterlagen (wie das kurze Einsichtnehmen in Verträge im Rahmen einer Nachschau, ohne sich inhaltlich damit auseinanderzusetzen) könne nicht dem Bekanntsein des Sachverhaltes gleichgesetzt werden.

Die Bf repliziert dazu, was, wenn nicht auch zeitliche Kriterien seien für die Aktenführung maßgeblich? Es werde jedenfalls offensichtlich, dass die belangte Behörde mangels Datierung oder Protokollierung selbst nicht wisse, wann sie welche Unterlagen erhalten habe. Daher könne sie auch nicht beweisen, dass Tatsachen neu hervorgekommen seien. Dafür treffe sie aber die Beweislast im Rahmen der amtswegigen Wiederaufnahme. Denn der Bf könne schwerlich der Beweis dafür auferlegt werden, wann die Behörde welche Urkunden zum Akt genommen hätte.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die belangte Behörde hatte vor Bescheiderlassung am bereits sämtliche Unterlagen in ihren Akten zur Verfügung, die für eine Beurteilung des Sachverhaltes erforderlich waren, namentlich den Gesellschaftsvertrag der Bf, die Zusammenschlussverträge zu atypisch stillen Gesellschaften samt Zusammenschlussbilanzen, den Kapitalmarktprospekt und das diesem angeschlossene Muster des Treuhandvertrages, der mit jedem Treugeberkommanditisten in gleicher Weise abgeschlossen wurde sowie die Liste sämtlicher Treugeber.

Am fertigte die Behörde elektronisch ein internes Dokument an, das technisch nötig war, um am einen neuen Sachbescheid erlassen zu können. Es enthielt grundsätzlich die Merkmale eines Bescheides, war aber nur an die Behörde selbst adressiert und wurde nicht schriftlich ausgefertigt, sondern lediglich vom steuerlichen Vertreter der Bf in FinanzOnline im Steuerakt gefunden. Der Wille der Behörde war auf die Verarbeitung der für den am erlassenen Bescheid erforderlichen Daten gerichtet, nicht aber darauf, einen Bescheid zu erlassen.

Am hob die belangte Behörde mit einem Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs 1 lit b BAO den Bescheid über die Feststellung von Einkünften 2007 vom auf und verband mit der Aufhebung einen neuen Bescheid über die Feststellung und Nichtfeststellung von Einkünften. Die Wiederaufnahme begründete sie mit dem Neuhervorkommen der Beweismittel Gesellschaftsvertrag der Bf, Kapitalmarktprospekt und Treuhandvertrag.

Beweiswürdigung

Zur Wiederaufnahme

Dass die für die Begründung der Wiederaufnahme herangezogenen Unterlagen bereits bei Erlassung des Erstbescheides am vorgelegen sind, ergibt sich aus den Aktenseiten 1-228 des Gewinnfeststellungsaktes (den einzelnen Jahresfahnen vorgelagerter Dauerakt).

Nachweislich bereits am bei der belangten Behörde eingelangt ist der Gesellschaftsvertrag als Anhang zum Schreiben betreffend Zuteilung einer Steuernummer (vgl AS 171 mit eigenem Eingangsstempel).

Ein Schreiben der steuerlichen Vertretung der Bf vom , versehen mit dem Eingangsstempel der belangten Behörde vom , mit dem Betreff "*Bf* GmbH & Co KG Meldung gemäß § 24 iVm § 13 UmgrStG", zählt weitere Unterlagen auf, die gleichzeitig eingebracht worden sind. Diese Unterlagen sind im Akt unmittelbar nach dem besagten Schreiben abgelegt, nämlich Gesellschaftsvertrag der Bf vom , Zusammenschlussbilanz zum , Umgründungspläne vom , , und , die Liste der Treugeber und die Gesellschaftsverträge der atypisch stillen Gesellschaften sowie deren Zusammenschlussbilanzen.

Die Feststellung der belangten Behörde im Wiederaufnahmebescheid, der Gesellschaftsvertrag der Bf sei erst im Rahmen der Ermittlungen ab dem Jahr 2011 und damit nach Erlassung des Feststellungsbescheides vom neu hervorgekommen, ist eindeutig aktenwidrig. Der Vertrag ist zweimal in den Dauerbelegen des Verwaltungsaktes abgelegt, einmal davon sogar mit eigenem Eingangsstempel vom .

Was die weiteren Unterlagen betrifft, auf die sich die Wiederaufnahme stützt (Kapitalmarktprospekt und Treuhandvertrag), so gibt es weder ein Schreiben der Bf, in dem diese Urkunden ausdrücklich als Beilagen bezeichnet werden, noch gibt es eine gesonderte Erfassung des Einganges dieser Aktenteile. Sie sind lediglich in den Dauerbelegen des Verwaltungsaktes mit den AS 183-219 abgelegt. Es ist daher vorderhand offen, ob bloß die Übermittlung von beiden Seiten nicht dokumentiert wurde, oder ob die belangte Behörde diese Aktenteile erst später in die Dauerbelege eingefügt hat.

Für das Bundesfinanzgericht erscheint die erste Möglichkeit wahrscheinlicher, denn sämtliche übrigen Dauerbelege (AS 1-182 und 224-228) weisen Eingangs- bzw. Erstellungsdaten auf, die vor dem datieren oder sind zwar undatiert, müssen aber davor erstellt worden sein (zB die Checkliste zum Zusammenschluss nach Art IV UmgrStG, AS 226-228). Darüber hinaus war die belangte Behörde selbst unordentlich bei der Aktenanlage, denn einerseits gibt es undatierte und nicht unterzeichnete Aktenteile (wie den Bericht über die "Nachschau am ", wobei das unterschriebene Nachschauprotokoll fälschlich das Datum trägt [dass die Nachschau am war, ist unstrittig]), andererseits gibt es innerhalb der Dauerbelege keinerlei Ordnung, weder chronologisch noch sachlich.

Es ist aber auch bei unordentlicher Aktenführung wider jede Lebenserfahrung, in einem Aktenteil, dessen Unterlagen zur Gänze im Jahr 2008 bei der Behörde abgelegt worden sind, Jahre später (im Zuge der 2011 begonnenen Ermittlungshandlungen) zusätzliche Unterlagen irgendwo mitten hinein zu heften und nicht - je nach Art der Heftung - hinten anzuhängen oder vorne anzufügen. So vorzugehen erforderte nämlich bei der vorhandenen Heftung, dass zuvor Blätter dem Akt entnommen und nachher wieder angefügt werden. Und es kann nicht angenommen werden, dass in den ersten Jahren nur eine völlig unsortierte "Loseblattsammlung" ohne jegliche Heftung existiert hätte.

Letztlich sind auch sonst keine Unterlagen, die im Rahmen der ab Jänner 2011 begonnenen Ermittlungen von der belangten Behörde abverlangt worden sind, im Gewinnfeststellungsakt abgelegt worden, der neben den Dauerbelegen die Jahresfahnen 2007-2012 enthält und bis einschließlich der Jahresfahne 2011 von 1 bis 533 durchnummeriert ist. Zumindest der Gesellschaftsvertrag, der angeblich auch erst im Rahmen der Nacherhebungen zugegangen wäre, müsste dann ebenfalls ein weiteres Mal im Gewinnfeststellungsakt abgelegt worden sein. Hinzu kommt, dass die von der Behörde getätigte Behauptung, auch der Gesellschaftsvertrag sei für sie erst nach erstmaliger Bescheiderlassung neu hervorgekommen, eindeutig dem Inhalt ihres eigenen Aktes widerspricht.

Insgesamt ergibt sich somit, dass sämtliche Unterlagen, die in den Dauerbelegen abgelegt wurden (AS 1-228), bereits vor Erlassen des ersten Feststellungsbescheides bei der belangten Behörde Aktenbestandteile des konkreten Verfahrens und ihr bekannt waren.

Zum "Bescheid" vom

Dass es sich bei dem Vorgang vom nicht um einen Bescheid gehandelt hat, ergibt sich aus dem eindeutigen Willen der belangten Behörde, der schon darin zum Ausdruck kommt, dass die technische Verarbeitung nur an das Finanzamt selbst adressiert ist und weiters aus dem diesbezüglichen Parteienkonsens (die Bf trägt schließlich vor, die Ansicht der belangten Behörde zu teilen, aber aus prozessualer Vorsicht auch gegen den "Bescheid" vom Beschwerde zu erheben).

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Aufhebung)

Zur Wiederaufnahme

Gemäß § 303 Abs 1 lit b BAO ist für eine Wiederaufnahme aufgrund des Neuerungstatbestandes, auf den sich die belangte Behörde stützt, unter anderem erforderlich, dass Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind.

Es ist nicht Sache des Abgabepflichtigen, das Nichtvorliegen eines Wiederaufnahmegrundes nachzuweisen, sondern Aufgabe der Abgabenbehörde, die von ihr verfügte Wiederaufnahme durch unmissverständliche Hinweise darauf zu begründen, welche Tatsachen oder Beweismittel auf welche Weise neu hervorgekommen sind ().

An das Erwiesensein von Tatsachen, die als Wiederaufnahmegründe in Betracht kommen, sind keine höheren Anforderungen zu stellen als an andere Tatsachen, die der Besteuerung zugrunde zu legen sind (zB ; , 2003/13/0115; , 2009/13/0258). Kann somit eine Tatsache in freier Beweiswürdigung als erwiesen angenommen werden (dies ist bereits der Fall, wenn sie von allen in Betracht kommenden Möglichkeiten die größte Wahrscheinlichkeit für sich hat), dann stellt sie einen Wiederaufnahmegrund dar ().

Im Zusammenhang mit der Frage, ob die in der Begründung des Wiederaufnahmebescheides aufgezählten Unterlagen der belangten Behörde schon ursprünglich bekannt waren oder erst nachträglich für sie neu hervorgekommen sind, hat nach der angestellten Beweiswürdigung die Kenntnis aller relevanten Unterlagen vor Abschluss des Verfahrens mit Bescheid vom die größte Wahrscheinlichkeit für sich.

Damit konnte die belangte Behörde die Wiederaufnahme nicht auf jene Gründe stützen, die sie in ihrer Begründung herangezogen hat.

Es ist zwar der belangten Behörde zuzugestehen, dass die bloße Kenntnis über die Existenz eines Vertrages noch nicht der Behörde als Wissen über seinen Inhalt zugerechnet werden kann. Es ist aber dann, wenn dieser Vertrag bereits von der Behörde zum Akt genommen worden ist, davon auszugehen, dass auch sein Inhalt bekannt ist. Wie der VwGH in seinem Erkenntnis vom ausgesprochen hat, bezieht sich die Kenntnis über Tatsachen und Beweismittel auf den Wissensstand (auf Grund der Abgabenerklärungen und ihrer Beilagen) des jeweiligen Veranlagungsjahres. Entscheidend ist, ob der abgabenfestsetzenden Stelle alle rechtserheblichen Sachverhaltselemente bekannt waren. Dass die Prüfungsabteilung in einem ein anderes Prüfungsjahr betreffenden Prüfungsverfahren oder im Abgabenverfahren eines anderen Steuerpflichtigen von den maßgeblichen Tatsachen Kenntnis hatte, steht der Wiederaufnahme nicht entgegen ().

Im vorliegenden Fall sind aber der Erlassung des Feststellungsbescheides 2007 Ermittlungen der Behörde genau dieses Verfahren betreffend vorausgegangen (nämlich zur Gründung im Jahr 2007 und zur sodann entfalteten Tätigkeit im Rahmen der Nachschau am ) und der zeitliche Zusammenhang zwischen Bescheiderlassung und möglichem davor gelegenem Zeitfenster des Einlangens von Treuhandvertrag und Kapitalmarktprospekt so eng, dass die Existenz im Verwaltungsakt eine Kenntnis für genau dieses Verfahren geradezu erfordert. Ein "Vergessen-Dürfen" iSv , kann hier auch nicht zum Tragen kommen, weil die Verträge nicht Vorjahre betreffen, sondern genau das Gründungsjahr 2007; überdies wären Dauerbelege wohl anders zu behandeln, als bloß mit einer Jahreserklärung abgegebene Unterlagen.

Bei einem verfahrensrechtlichen Bescheid wie dem der Wiederaufnahme des Abgabenverfahrens von Amts wegen wird die Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde (vgl. ).

Es stünde somit auch dem Bundesfinanzgericht nicht zu, einen untauglichen durch einen anderen besser geeigneten Wiederaufnahmegrund zu ersetzen (der im Verfahren auch nicht behauptet wurde bzw ersichtlich wäre). Die Wiederaufnahme erfolgte zu unrecht, der diesbezügliche Bescheid war gemäß § 279 Abs 1 BAO aufzuheben. Damit erübrigt sich für das Jahr 2007 eine Auseinandersetzung mit den inhaltlichen Streitpunkten des Verfahrens. Die das Feststellungsverfahren 2007 betreffende Beschwerde war vielmehr gemäß § 261 Abs 2 BAO als gegenstandlos zu erklären.

Zum "Bescheid" vom

Erledigungen werden dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekannt gegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen durch Zustellung (§ 97 Abs 1 lit a BAO). Anstelle der schriftlichen Ausfertigung kann durch Verordnung des Bundesministers für Finanzen auch eine elektronische Zustellung erfolgen (§ 97 Abs 3 BAO).

Die auf Basis dieser Bestimmung ergangene FinanzOnline-Verordnung (FOnV) regelt allerdings nicht, welche Erledigungen mit FinanzOnline "zugestellt" werden dürfen. Damit ist es bereits grundsätzlich fraglich, ob die elektronische Übermittlung des Inhaltes von Abgabenbescheiden als Bekanntgabe von Bescheiden zu werten ist (Ritz/Koran, BAO7, § 97 Rz 12).

Auch dann, wenn man diese Bedenken nicht teilt, und wenn man letztlich konzediert, dass eine Erledigung, die im Spruch die Bf und ihre Treugeber anführt, ihrem Inhalt nach gerade für diese bestimmt gewesen wäre, so fehlt es letztlich an einer rechtsgültigen Zustellung.

Wesentlich ist für eine erfolgreiche elektronische Zustellung, dass die Daten "in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt" sind, was "bei FinanzOnline der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox" ist (270 BlgNR XXIII. GP 13; vgl ). Dass bei Akteneinsicht im Wege des Einstieges in FinanzOnline der "interne Bescheid" vom steuerlichen Vertreter der Bf entdeckt worden ist, kann noch nicht als Zustellung angesehen werden; der elektronische Erledigungsentwurf zur Vorbereitung des tatsächlichen Bescheides am Folgetag ist ein "Nochnicht-Bescheid" und kann daher jederzeit von der Behörde zurückgenommen, abgeändert oder durch eine andere Erledigung ersetzt werden (vgl ; , 94/16/0010, 0011, 0012).

Außerdem war nie eine Zustellung an die Bf beabsichtigt, und ihre Kenntnis von dem internen Verwaltungsakt am führt auch nicht zu einer Heilung eines Zustellmangels durch Zukommen an den tatsächlichen Empfänger iSd § 7 ZustG. Keine Heilung nach § 7 ZustG ist nämlich möglich, wenn die Zustellverfügung auf einen falschen Empfänger (hier: die belangte Behörde selbst) lautet (st Rspr seit , Slg 10.327A, vgl Ritz/Koran, BAO7 ZustG § 7 Rz 4).

Entscheidend für die Bescheidqualität ist, dass und wie eine Erledigung ihrem Adressaten zugeht. Erfolgt dies nicht oder nicht gehörig, so knüpft sich daran keinerlei Bescheidwirkung (Althuber/Tanzer/Unger, BAO-Handbuch, § 92, 288). Somit konnte dem Verarbeitungsvorgang vom kein Bescheidcharakter zugemessen werden.

Anmerkung zu den übrigen anhängigen Verfahren

Soweit zur GZ RV/7101921/2013 Entscheidungen ausgesetzt sind (vgl Beschluss vom ), bleibt diese Aussetzung zur GZ RV/7101922/2013 weiter bestehen, weil abweichend von der Annahme des genannten Beschlusses über die Folgejahre nicht mit diesem Erkenntnis abgesprochen wird, sondern in einem weiteren Verfahren.

Es erschien im Sinne der Verfahrensökonomie sinnvoll, die Entscheidung über das Jahr 2007 gesondert und losgelöst von den anderen Jahren zu treffen, weil dieses Jahr vorwiegend verfahrensrechtliche Aspekte beinhaltete, die eine Auseinandersetzung mit den materiellrechtlichen Fragen entbehrlich machten, während die übrigen anhängigen Jahre ausschließlich materielle Rechtsfragen betreffen. Darüber hinaus ist bei der Ausfertigung der Entscheidung für die übrigen Jahre der belangten Behörde noch hinreichend Zeit zu geben, die Liste der Bescheidadressaten zu aktualisieren Da die für die Aussetzung maßgebenden Rechtsfragen nunmehr nicht im Erkenntnis zu RV/7101921/2013 entschieden werden, sondern zu RV/7101922/2013, bleibt die Aussetzung materiell zu dieser GZ weiter aufrecht.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Ob Tatsachen neu hervorgekommen sind, ist eine Frage der Beweiswürdigung und somit auf Sachverhaltsebene zu lösen. Soweit Rechtsfragen aufgeworfen worden sind, liegt höchstgerichtliche Rechtsprechung vor (vgl die zitierten Quellen), in deren Rahmen sich das vorliegende Erkenntnis bewegt. Daher war die Revision nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7101921.2013

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