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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.01.2023, RV/5100155/2020

Haftung eines pro forma-Geschäftsführers

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2023/13/0026. Zurückweisung mit Beschluss vom .

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Rechtsanwälte ***1***, ***2***, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid des ***FA*** vom , Steuernummer ***3***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt:

Die Fa. ***4*** GmbH (in der Folge: Primärschuldnerin) wurde laut Firmenbuch am errichtet.

Der Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) war seit als selbständig vertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer im Firmenbuch eingetragen. Am wurde die am beantragte Löschung dieser Funktion eingetragen.

Laut Insolvenzdatei wurde mit Beschluss vom das Insolvenzverfahren mangels Kostendeckung nicht eröffnet und festgestellt, dass die Schuldnerin zahlungsunfähig sei.

Laut Beschluss vom war die Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Kostendeckung rechtskräftig.

Die Primärschuldnerin befindet sich seither in Liquidation.

Mit Schreiben vom wies das Finanzamt den Bf darauf hin, dass die Vertreter juristischer Personen alle Pflichten des Vertretenen zu erfüllen hätten und für dessen unentrichtet gebliebene Abgaben hafteten, wenn sie an der Nichtentrichtung dieser Abgaben ein Verschulden treffe.

Auf dem Abgabenkonto der Primärschuldnerin hafteten die dort detailliert angeführten Abgaben in Höhe von 18.939,64 € uneinbringlich aus. Dies ergebe sich zweifelsfrei daraus, dass ein Insolvenzverfahren mangels Kostendeckung nicht eröffnet worden sei.

Die fraglichen Abgaben seien während der Vertretungsperiode des Bf, der seit Vertreter der Primärschuldnerin und als solcher für die Wahrnehmung deren abgabenrechtlichen Verpflichtungen verantwortlich gewesen sei, fällig geworden.

Das Finanzamt verwies auf das Erfordernis der Gläubigergleichbehandlung und forderte den Bf auf, den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung zu erbringen.

Der Bf beantwortete dieses Schreiben nicht.

Mit Haftungsbescheid vom nahm ihn das Finanzamt gemäß §§ 9, 80 ff BAO für nachstehende aushaftende Abgabenschulden der in Liquidation befindlichen Primärschuldnerin in Höhe von 18.178,43 € in Anspruch:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Betrag
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
04/17
0,05
Umsatzsteuer
08/17
3.161,21
Lohnsteuer
09/17
314,15
Dienstgeberbeitrag
09/17
277,50
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
09/17
24,37
Körperschaftsteuer *)
10-12/2017
125,00
Umsatzsteuer *)
09/17
5.746,47
Lohnsteuer
10/17
936,60
Dienstgeberbeitrag
10/17
368,86
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
10/17
32,39
Lohnsteuer
10/17
666,65
Lohnsteuer
08/17
316,55
Dienstgeberbeitrag
08/17
380,91
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
08/17
33,44
Kammerumlage
07-09/17
74,64
Umsatzsteuer
2016
17,44
Körperschaftsteuer *)
2016
500,00
Lohnsteuer
11/17
524,01
Dienstgeberbeitrag
11/17
455,52
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
11/17
40,00
Umsatzsteuer
10/17
2.103,45
Umsatzsteuer
11/17
1.422,14
Lohnsteuer
12/17
158,79
Dienstgeberbeitrag
12/17
127,57
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
12/17
11,20
Pfändungsgebühr *)
2018
154,33
Barauslagen *)
2018
0,68
Säumniszuschlag 1 *)
2017
89,58
Säumniszuschlag 1 *)
2017
114,93
Summe
18.178,43

*) Die Grundlagenbescheide seien angeschlossen. Die weiteren Abgaben seien selbst berechnet und erklärt worden.

In der Begründung führte das Finanzamt aus, dass die Haftung nach § 9 BAO eine Ausfallshaftung sei. Voraussetzung sei die objektive Uneinbringlichkeit. Diese liege vor, weil mit Gerichtsbeschluss vom das Konkursverfahren mangels Kostendeckung nicht eröffnet worden sei.

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO hafteten die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden könnten. Der Bf sei von bis alleiniger Geschäftsführer der Firma und als solcher für die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Pflichten verantwortlich gewesen.

Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehöre insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet würden.

Aufgrund der Aktenlage sei davon auszugehen, dass zwar Gesellschaftsmittel vorhanden gewesen seien, diese aber nicht zur (anteiligen) Entrichtung der Abgabenschulden verwendet worden seien. Da bei Tilgung der Schulden der Gesellschaft die Abgabenschulden offensichtlich schlechter als die übrigen Verbindlichkeiten behandelt worden seien und damit der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt worden sei, sei eine schuldhafte Pflichtverletzung anzunehmen. Ein diesbezüglicher Fragenvorhalt vom sei nicht beantwortet worden.

Die haftungsgegenständliche Lohnsteuer sei vom Gleichbehandlungsgebot ausgenommen. Nach § 78 Abs. 3 EStG 1988 habe nämlich der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten.

Die Geltendmachung der Haftung stelle die einzige Möglichkeit zur teilweisen Durchsetzung des restlichen Abgabenanspruchs dar.

In der gegen diesen Bescheid mit Schreiben vom fristgerecht erhobenen Beschwerde wandte der Bf ein, im angeführten Zeitraum alleiniger Geschäftsführer gewesen zu sein. Er müsse jedoch gestehen, dass er dies nur auf dem Papier gewesen sei. Herr ***5*** habe alle Geschäfte geführt und sei faktischer Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen. Er habe weder in das Geschäftskonto noch in die Geschäftsunterlagen Einsicht gehabt. Er habe dem Unternehmen tatsächlich nur als einfacher Arbeiter gedient. Dies könne auch sein Arbeitskollege, Herr ***6*** (***7***) bestätigen. Er sei nur einmal bei Gründung des Unternehmens beim Notar gewesen, um zu unterzeichnen, sowie einmal auf der Bank zur Kontoeröffnung und zum Schluss beim Verkauf des Unternehmens. Alle weiteren Schritte seien ihm nicht bekanntgegeben und nicht von ihm getätigt worden. Er habe nie die Geschäftsführung übernommen, daher sei er auch nie in den Zahlungsprozess involviert gewesen. Er habe als Arbeiter selber immer auf seinen Lohn gewartet.

Der Steuerberater, Herr Mag. ***8***, habe ihm mitgeteilt, dass Herr ***5*** mit seiner Unterschrift Dokumente unterzeichnet habe.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

Der Bf sei mit Bescheid vom , welcher ihm erst am habe zugestellt werden können, für uneinbringliche Abgabenschulden der Primärschuldnerin in Höhe von 18.178,43 € in Anspruch genommen worden.

Nach Zitierung der gesetzlichen Bestimmung des § 9 Abs. 1 BAO führte das Finanzamt weiter aus, dass der Bf als alleiniger Geschäftsführer der Primärschuldnerin für die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Pflichten verantwortlich gewesen sei.

Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehöre insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet würden.

Dem Beschwerdevorbringen sei zu entgegnen, dass für die Vertreterhaftung gemäß § 9 BAO die gesellschaftsrechtliche Stellung als Geschäftsführer der GmbH maßgebend sei. Dies gelte unabhängig davon, ob die betreffende Person tatsächlich als Geschäftsführer, nur als "pro forma-Geschäftsführer () oder "nur auf dem Papier" () tätig sei. Die Haftungsbestimmung des § 9 BAO stelle nicht auf die faktische Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten ab.

Das Einverständnis eines handelsrechtlichen Geschäftsführers, nur formell als Geschäftsführer zu fungieren und somit keinen Einfluss auf die operative Tätigkeit der Gesellschaft auszuüben, befreie nicht von der Verantwortung hinsichtlich der Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten. Die Untätigkeit des handelsrechtlichen Geschäftsführers führe zu einem Verschulden an der Uneinbringlichkeit der Abgabenschulden. Dabei komme es nicht darauf an, ob der handelsrechtliche Geschäftsführer Grund zu zweifeln gehabt habe, ob der faktische Geschäftsführer ordnungsgemäß vorgehe ().

Der Verwaltungsgerichtshof habe wiederholt ausgeführt, dass ein Geschäftsführer, der sich durch Gesellschafter oder dritte Personen behindert sehe, entweder sofort im Rechtsweg die Möglichkeit der ungehinderten Ausübung seiner Funktion zu erzwingen oder seine Funktion niederzulegen und als Geschäftsführer auszuscheiden habe (; ; VwGH 23.1.1007, 95/15/0163).

Mit Schreiben vom stellte der nunmehr anwaltlich vertretene Bf einen Vorlageantrag.

Der Bf sei kroatischer Staatsbürger, seine Muttersprache sei kroatisch. Der Bf verfüge de facto über keinerlei Deutschkenntnisse.

Über Initiative des ***5*** sei mit Erklärung vom die Primärschuldnerin errichtet und ins Firmenbuch eingetragen worden. Aufgrund seiner sprachlichen Einschränkungen habe der Bf keine, keinesfalls eine vollständige Kenntnis davon gehabt, dass durch diesen Vorgang eine GmbH errichtet und er gleichzeitig zu deren Geschäftsführer bestellt worden sei. Der Gründungsvorgang sei daher unwirksam.

Festzuhalten sei, dass der Bf von Anfang an (nur) als "Bauarbeiter" für die Primärschuldnerin tätig gewesen sei. Der Bf habe über keine Zeichnungsberechtigung auf irgendeinem Bankkonto dieser Gesellschaft verfügt. Er habe für seine Arbeitsleistungen als Bauarbeiter (bloßen) Lohn bezogen, der von ***5*** (meist in bar) übergeben worden sei. Dabei sei auch darauf zu verweisen, dass die diversen Zahlungsquittungen, die sich ***5*** vom Bf habe unterschreiben lassen, "blanko" gewesen seien, sodass dem Bf nicht bekannt gewesen sei, mit welchen Beträgen diese Quittungen schließlich ergänzt und in der Buchhaltung berücksichtigt worden seien.

Selbst wenn es - entgegen obigen Umständen - zu einer wirksamen Gründung der Primärschuldnerin gekommen und vor allem der Bf wirksam zu deren Geschäftsführer bestellt worden sein sollte, treffe ihn keine Haftung für die Abgabenverbindlichkeiten, da ihn kein Verschulden an deren Uneinbringlichkeit treffe.

Der Bf habe nach dem Gründungsvorgang Kenntnis davon bekommen, dass ***5*** Frau Mag. ***9*** mit der Buchführung und steuerlichen Vertretung der Primärschuldnerin beauftragt habe. Er habe daher darauf vertrauen dürfen, dass letztere jedenfalls alle Melde- und Erklärungspflichten ordnungsgemäß erfüllen werde. Einen Anlass oder eine Verpflichtung dazu, die Einhaltung dieser Verpflichtungen durch die Steuerberaterin zu überprüfen, bestehe nicht bzw. habe nicht bestanden.

Der Bf habe, wie bereits dargelegt, keinerlei Zeichnungsberechtigung auf irgendeinem Bankkonto der Gesellschaft gehabt. Er sei daher nicht in der Lage gewesen, Zahlungen zur Befriedigung allfälliger Abgabenschulden zu veranlassen. Im Hinblick auf seine mangelnden Sprachkenntnisse und vor allem auf die fehlende Kenntnis davon, Geschäftsführer der Primärschuldnerin zu sein, sei dem Bf nicht einmal bewusst gewesen, dass ihn eine Verpflichtung treffe, für die Abfuhr von Abgaben der Gesellschaft zu sorgen. Zwischenzeitig sei dem Bf auch bekannt geworden, dass ***5*** in der Vergangenheit offenbar diverse Urkunden mit dem (gefälschten) Namen des Bf unterfertigt habe. Um welche Urkunden es sich dabei genau gehandelt habe, sei dem Bf nicht bekannt. Diesbezüglich werde er eine entsprechende Strafanzeige erstatten.

Zumindest bis zum Konkurseröffnungsverfahren seien dem Bf die tatsächlichen rechtlichen Gegebenheiten nicht bekannt gewesen. Er habe daher davor keine Gelegenheit gehabt, abgabenrechtliche Pflichten zu erfüllen, die ihm unbekannt gewesen seien. Darüber hinaus habe er auch aufgrund der mangelnden Zeichnungsberechtigung keine Gelegenheit gehabt, diese Pflichten zu erfüllen.

Offenbar habe die Primärschuldnerin bereits von Anfang an nicht über ausreichende Mittel verfügt, um die Abgabenpflichten zu erfüllen. Selbst bei pflichtgemäßem Verhalten des Bf hätten daher die offenen Abgabenbeträge nicht, keinesfalls zur Gänze, einbringlich gemacht werden können. Keiner der anderen Gläubiger der Gesellschaft sei im Vergleich zum Finanzamt begünstigt worden.

Als Beweis wurde die Parteieneinvernahme genannt, wobei die Beiziehung eines Kroatisch-Dolmetsch beantragt wurde.

Am stellte der Bf durch seine anwaltliche Vertretung einen Beweisantrag.

Zum Beweis seines Vorbringens, insbesondere der fehlenden Sprachkenntnisse, würden folgende Zeugen namhaft gemacht:

-) ***10***, ***11***;

-) ***5***, ***12***;

-) Dr. ***13***, em. Notar, ***14***.

Beantragt werde, diese Zeugen zur mündlichen Verhandlung zu laden.

Unter Hinweis auf diese Beweisanträge wurde der Bf mit Schreiben vom aufgefordert, ***10*** vom Bankgeheimnis zu entbinden und die Adresse des Dr. ***13*** zu konkretisieren, da die Angabe lediglich der Straße zu ungenau sei.

Der Bf entband in der Folge mit Zustimmungserklärung vom ***10*** von der Wahrung des Bankgeheimnisses und Dr. ***13*** von seiner Verschwiegenheitspflicht gemäß § 37 Notariatsordnung, ohne allerdings dessen Adresse zu vervollständigen.

Nach Einsichtnahme der Richterin in das Zentrale Melderegister und Internetrecherchen ergaben sich sowohl eine geänderte Adresse der Raiffeisenbank ***15*** bzw. des ***10*** als auch die konkrete Adresse des Dr. ***13*** bei berichtigter Schreibweise des betreffenden Straßennamens.

Mit Schreiben vom wurde ***5*** zum Vorbringen des Bf., de facto über keine Deutschkenntnisse verfügt zu haben, sodass ihm nicht einmal bewusst gewesen sei, dass er zum Geschäftsführer der Primärschuldnerin bestellt worden sei, zur schriftlichen Zeugenaussage aufgefordert und ersucht, folgende Fragen zu beantworten:

"1) Waren Ihrer Wahrnehmung nach die Kenntnisse der deutschen Sprache des Herrn Bf ausreichend, um zu verstehen, dass er am zum Geschäftsführer der Fa. ***4*** GmbH bestellt worden ist?

2) Falls Herr Bf nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügte: Wurde er von Dr. ***13*** oder von Ihnen über den Inhalt der von ihm unterschriebenen Dokumente (Gründung der ***4*** GmbH und Bestellung als Geschäftsführer) aufgeklärt?"

Mit E-Mail vom teilte der Befragte dazu mit, dass seiner Erinnerung nach der Bf sehr wohl über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt habe, um die Bedeutung der Geschäftsführerbestellung zu erkennen. Der Bf sei sowohl von Notar Dr. ***13*** als auch von ihm ausreichend aufgeklärt worden. Über den Inhalt der unterschriebenen Dokumente habe er Bescheid gewusst.

Mit Schreiben vom wurde ***10*** zum Vorbringen des Bf., de facto über keine Deutschkenntnisse verfügt zu haben, sodass ihm nicht einmal bewusst gewesen sei, dass er zum Geschäftsführer der Primärschuldnerin bestellt worden sei, zur schriftlichen Zeugenaussage aufgefordert und ersucht, folgende Fragen zu beantworten:

"1) Waren Ihrer Wahrnehmung nach die Sprachkenntnisse des Herrn Bf ausreichend, um einer Unterhaltung in deutscher Sprache folgen zu können?

2) Wurde Herr Bf bei Ihnen im Beisein eines Übersetzers vorstellig? Falls ja, ist Ihnen der Name des Übersetzers bekannt?"

Der Befragte teilte dazu am mit, dass, soweit er sich erinnern könne, die Sprachkenntnisse jedenfalls eingeschränkt gewesen seien. Inwieweit der Bf der Unterhaltung in deutscher Sprache folgen habe können, könne er nicht beurteilen. Der Bf sei im Beisein des Prokuristen der Primärschuldnerin, ***5***, vorstellig geworden. Dieser sei zweifelsohne der deutschen Sprache mächtig und habe die Unterhaltung vermutlich in dessen Muttersprache übersetzt.

Mit Schreiben ebenfalls vom wurde Dr. ***13*** als ehemaliger Notar, vor welchem der Bf am die Erklärung über die Errichtung der Primärschuldnerin sowie einen Gesellschafterbeschluss, mit welchem er zum Geschäftsführer der genannten Gesellschaft bestellt worden war, unterzeichnet hatte, zum Vorbringen des Bf, de facto über keine Deutschkenntnisse zu verfügen, sodass ihm nicht einmal bewusst gewesen sei, dass er zum Geschäftsführer der Primärschuldnerin bestellt worden sei, zur schriftlichen Zeugenaussage aufgefordert und ersucht, folgende Fragen zu beantworten:

"1) Waren Ihrer Wahrnehmung (Erinnerung bzw. den Ihnen vorliegenden Unterlagen) nach die Kenntnisse der deutschen Sprache des Herrn Bf ausreichend, um zu verstehen, dass er zum Geschäftsführer der genannten GmbH bestellt wurde?

2) Falls Herr Bf nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügte: Wurde er über den Inhalt der von ihm unterschriebenen Dokumente bzw. über die Rechte und Pflichten als Geschäftsführer aufgeklärt?"

Die Ehegattin des Befragten teilte der Richterin am telefonisch mit, dass ihr Ehegatte nicht mehr handlungsfähig sei und die an ihn gerichteten Fragen daher nicht beantworten könne.

Dies bestätigte der Hausarzt des Befragten mit Schreiben vom , wonach dieser weder physisch noch psychisch in der Lage sei, eine zuverlässige schriftliche Zeugenaussage abzugeben.

Mit Schreiben vom wurden dem Bf sowohl die schriftlichen Zeugenbefragungen als auch die Antworten zur Kenntnis und Stellungnahme übermittelt.

Der Bf teilte dazu durch seine anwaltliche Vertretung am mit, dass es grundsätzlich unverständlich erscheine, dass die Aussage der Zeugen, insbesondere auch des Zeugen ***5***, nur schriftlich eingeholt worden sei. Insbesondere bei ***5*** erscheine es für die Glaubwürdigkeit unausweichlich, auch einen persönlichen Eindruck zu gewinnen, bei dem insbesondere auch eine Gegenüberstellung mit dem Bf geboten erscheine.

Die "schriftliche" Aussage von ***5*** sei nicht einmal handschriftlich unterfertigt. In dieser Form sei sie für das weitere Verfahren jedenfalls nicht verwertbar. Zu den Angaben des Zeugen ***10*** wären (zumindest) nachfolgende Zusatzfragen abzuklären:

Sei der Bf am Firmenkonto zeichnungsberechtigt gewesen, wer habe den Besprechungstermin initiiert bzw. vereinbart, ***5*** oder der Bf, wer habe ("auf Seiten des Bankkunden") vorrangig das Gespräch geführt, ***5*** oder der Bf, habe der Bf mit ***10*** direkt kommuniziert oder sei der Gesprächsinhalt nur durch ***5*** übersetzt worden, seien vom Bf (unter anderem) auch Informationen auf Deutsch erteilt worden, falls ja, welche?

Ausdrücklich beantragt werde eine mündliche Beschwerdeverhandlung, insbesondere auch unter persönlicher Ladung der Zeugen ***5*** und ***10***.

Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt vorgelegten Aktenteilen, dem Vorbringen des Bf, den Aussagen des ***5*** und des ***10***, der Abfrage des Abgabenkontos der Primärschuldnerin sowie des Zentralen Melderegisters, den Eintragungen im Firmenbuch, der Ediktsdatei, den genannten Internetrecherchen sowie dem Abgabeninformationssystem der Finanzverwaltung.

Rechtslage:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden (§ 80 Abs. 1 BAO).

Für die Haftung nach § 9 BAO ist nur die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten von Bedeutung.

Abgabenrechtliche Pflichten werden nicht erfüllt, wenn Abgaben, die zu entrichten gewesen wären, nicht entrichtet worden sind.

Nach der Judikatur sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, die Stellung als Vertreter, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit Voraussetzung für die Haftung.

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung. Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden. Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären.

Uneinbringlichkeit liegt etwa vor bei Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens.

§ 9 BAO stellt nicht auf die faktische Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten ab. Ein De-facto-Geschäftsführer ist kein Vertreter im Sinne des § 80 Abs. 1 BAO und des § 18 Abs. 1 GmbHG; seine Heranziehung zur Haftung ist daher unzulässig (vgl. aber § 9a BAO).

Maßgebend für die Vertreterhaftung nach § 9 BAO ist die gesellschaftsrechtliche Stellung als Geschäftsführer. Dies gilt unabhängig davon, ob die betreffende Person tatsächlich als Geschäftsführer tätig ist oder z.B. nur ein "Pro-forma-Geschäftsführer" oder "nur auf dem Papier" (Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § 9 Rz 1, mit Verweis auf die dort angeführte Judikatur).

Die Bestellung des Geschäftsführers durch Gesellschafterbeschluss wird mit der Fassung des entsprechenden Gesellschafterbeschlusses und der Annahme der Bestellung durch den Bestellten wirksam; die Eintragung ins Firmenbuch hat nur deklarative Bedeutung. Die Bestellung eines Geschäftsführers ist somit ein zweiseitiger Akt, der der Zustimmung des in Aussicht genommenen Geschäftsführers bedarf ().

Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, bestimmt sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären.

Bei Selbstbemessungsabgaben (z.B. Lohnsteuer) ist entscheidend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären.

Führt ein Geschäftsführer als Vertreter der Gesellschaft geschuldete Abgaben nicht spätestens zum Fälligkeitstag ab, liegt eine objektive Verletzung der den Geschäftsführer treffenden abgabenrechtlichen Pflichten vor. Haftungsbegründend kann sich diese Pflichtverletzung (unter der Voraussetzung der erschwerten Einbringlichkeit beim Abgabenschuldner) jedoch nur dann auswirken, wenn dem Geschäftsführer an der Pflichtverletzung auch ein Verschulden in Form eines vorsätzlichen oder fahrlässigen Handelns oder Unterlassens anzulasten ist.

Da § 9 BAO keine bestimmte Schuldform fordert, genügt für die Haftungsinanspruchnahme leichte Fahrlässigkeit.

Die Beauftragung eines Wirtschaftstreuhänders mit der Wahrnehmung der Abgabenangelegenheiten vermag den Vertreter (z.B. den Geschäftsführer der GmbH) nicht zu exkulpieren, wenn er seinen zumutbaren Informations- und Überwachungspflichten nicht nachkommt. Der Vertreter hat beauftragte Personen zumindest in solchen Abständen zu überwachen, die es ausschließen, dass ihm Steuerrückstände verborgen bleiben (Ritz/Koran, aaO, § 9 Rz 13)

Wird der Vertreter an der Erfüllung seiner Verpflichtungen gehindert, schließt dies ein Verschulden an der Verletzung seiner Pflichten ebenfalls nicht aus. Diesfalls wäre der Geschäftsführer verhalten, entweder sofort im Rechtsweg die Möglichkeit der unbehinderten Ausübung seiner Funktion zu erzwingen oder seine Funktion niederzulegen und als Geschäftsführer auszuscheiden (Ritz/Koran, aaO, § 9 Rz 17).

Das Einverständnis, nur formell als Geschäftsführer zu fungieren, somit auf die tatsächliche Geschäftsführung keinen Einfluss zu nehmen, stellt eine derartige Beschränkung der Befugnisse eines Geschäftsführers dar und ist auch nicht als Aufgaben(Zuständigkeits-)verteilung anzusehen ().

Die Behauptung der völligen Unkenntnis in buchhalterischen und steuerrechtlichen Belangen kann den Geschäftsführer einer GmbH - ohne Rücksicht auf seine Staatsangehörigkeit - schon deswegen nicht entschuldigen, weil ein Mindestmaß an Überwachung des mit der Wahrnehmung dieser Belange betrauten angestellten Personals für den allein verantwortlichen Geschäftsführer als gesetzliches Vertretungsorgan der Gesellschaft verlangt werden muss. Wer weiß, dazu nicht in der Lage zu sein und dessen ungeachtet die Funktion eines Geschäftsführers übernimmt, handelt schon deswegen schuldhaft, weil ihm bewusst sein muss, dass er der gesetzlichen Sorgfaltspflicht des § 25 Abs. 1 GmbHG nicht entsprechen kann (; Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 9 E 103 (Stand , rdb.at). Wer trotz Rechtsunkenntnis Erkundigungen unterlässt, handelt zumindest fahrlässig (), weil ein Geschäftsführer mit Übernahme der Geschäftsführung verpflichtet ist, sich unabhängig von seiner beruflichen Ausbildung und seinen bisherigen beruflichen Tätigkeiten mit den ihm zustehenden Rechten und Pflichten entsprechend vertraut zu machen.

Auf den Grund der Übernahme der Geschäftsführerfunktion sowie auf allfällige Einflüsse Dritter auf die Geschäftsführung kommt es nicht an.

Für das Verschulden im Sinne des § 9 BAO ist daher nicht maßgeblich, ob der Geschäftsführer seine Funktion tatsächlich ausgeübt hat, sondern ob er als Geschäftsführer bestellt war und ihm die Ausübung der Funktion oblegen wäre ().

Die Haftungsinanspruchnahme setzt eine Kausalität zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und Abgabenausfall voraus. Die Pflichtverletzung muss zur Uneinbringlichkeit geführt haben.

Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung ursächlich für die Uneinbringlichkeit war.

Verfügt der Vertretene über (wenn auch nicht ausreichende) Mittel, darf der Vertreter bei der Entrichtung von Schulden Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als die übrigen Schulden (Gleichbehandlungsgrundsatz).

Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter; dieser und nicht die Behörde hat eine entsprechende Quote zu berechnen. Vermag der Vertreter nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden ().

Nicht die Abgabenbehörde hat das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Vertreter das Fehlen ausreichender Mittel.

Ausnahmen vom Gleichbehandlungsgrundsatz gelten für Abfuhrabgaben, insbesondere für Lohnsteuer. Die Verpflichtung eines Vertreters nach § 80 BAO geht hinsichtlich der Lohnsteuer über das Gebot der gleichmäßigen Behandlung aller Schulden hinaus. Die Lohnsteuer ist daher - ungeachtet des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller andrängenden Gläubiger - zur Gänze zu entrichten. Die Nichtabfuhr von Lohnsteuer, die auf den ausbezahlten Arbeitslohn entfällt, kann nicht mit dem Fehlen ausreichender Mittel gerechtfertigt werden.

Nach § 78 Abs. 3 EStG 1988 hat der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten (Ritz/Koran, aaO, § 9 Rz 11d).

Jede vom Geschäftsführer einer GmbH vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne stellt eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflicht mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO dar, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen ().

Die Geltendmachung der Haftung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten hat. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen.

Die Geltendmachung der Haftung stellt die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruchs dar. Der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, überwiegt bei einer vorzuwerfenden Pflichtverletzung in der Regel auch allfällige Billigkeitsgründe, die für eine Abstandnahme von der Heranziehung zur Haftung ins Treffen geführt werden.

Die Haftung darf nicht nur bis zur Höhe der aktuellen Einkünfte bzw. des aktuellen Vermögens des Haftungspflichtigen geltend gemacht werden, weil die Geltendmachung der Haftung auch dann zweckmäßig sein kann, wenn die Haftungsschuld im Zeitpunkt der Geltendmachung uneinbringlich ist, da dies nicht ausschließt, dass künftig neu hervorgekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können ().

Nach der Rechtsprechung bleibt bei Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung bei einem anderen potenziell Haftungspflichtigen für die Inanspruchnahme des verbleibenden Haftungspflichtigen kein Spielraum für die Ermessensübung (Ritz/Koran, aaO, § 6 Rz 11).

Ungeachtet der Entscheidung der Abgabenbehörde kann das Bundesfinanzgericht neuerlich Ermessen üben, weil es gemäß § 279 Abs. 1 BAO immer in der Sache selbst zu entscheiden hat und daher seine Entscheidung an die Stelle jener der Abgabenbehörde tritt.

Begründungsmängel im Abgabenverfahren können ebenfalls im Rechtsmittelverfahren saniert werden.

Durch Einfügung des § 9a in die BAO wurde der Personenkreis, der zur Haftung herangezogen werden kann, auf Personen erweitert, die entweder faktische Geschäftsführer sind (und damit de facto an Stelle des Vertreters die abgabenrechtlichen Pflichten des Vertretenen erfüllen bzw. verletzen) oder die den Vertreter dahingehend beeinflussen, dass abgabenrechtliche Pflichten durch diesen verletzt werden.

§ 9a Abs. 1 BAO normiert eine abgabenrechtliche Pflicht jener Personen, die tatsächlich Einfluss auf die Erfüllung der Pflichten des Abgabepflichtigen und der Vertreter im Sinne des §§ 80 ff BAO nehmen.

Nach den Gesetzesmaterialien (ErlRV 1960 BlgNR 24. GP, 11) liegt es im Ermessen der Abgabenbehörde, ob sie eine Haftung des eingetragenen Vertreters nach § 9 BAO und des "faktischen Geschäftsführers" nach § 9a BAO geltend macht. Die Haftungen gemäß § 9 BAO und § 9a BAO können somit nebeneinander geltend gemacht werden.

Nach § 7 Abs. 1 BAO werden Personen, die nach Abgabenvorschriften für eine Abgabe haften, durch Geltendmachung dieser Haftung (§ 224 Abs. 1) zu Gesamtschuldnern.

Nach § 274 Abs. 1 Z 1 BAO hat über die Beschwerde eine mündliche Verhandlung stattzufinden, wenn es in der Beschwerde (lit. a) oder im Vorlageantrag (§ 264; lit. b) beantragt wird.

Nach § 166 BAO kommt als Beweismittel im Abgabenverfahren alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.

Das Beweisverfahren wird vor allem beherrscht vom Grundsatz der Unbeschränktheit und Gleichwertigkeit der Beweismittel (§ 166 BAO) und dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 167 BAO).

Als Beweismittel kommen daher beispielsweise auch Aktenvermerke oder telefonische Auskünfte in Betracht (Ritz/Koran, aaO, § 166 Rz 6).

Nach § 173 Abs. 1 BAO kann die Aussage des Zeugen auch schriftlich eingeholt und abgegeben werden, wenn die Abgabenbehörde (das Bundesfinanzgericht) das persönliche Erscheinen des Zeugen nicht für erforderlich erachtet.

Die Abgabenbehörde (das Bundesfinanzgericht) entscheidet, ob sie (es) den Zeugen zwecks Einvernahme vorlädt oder ob sie (es) seine Aussage schriftlich einholt; diese Entscheidung liegt im Ermessen.

Beweisanträge nach § 183 BAO haben das Beweismittel und das Beweisthema (somit die Tatsachen und Punkte, die durch das angegebene Beweismittel geklärt werden sollen) anzugeben. Beweisanträgen, die nicht ausreichend erkennen lassen, welche konkreten Tatsachenbehauptungen im Einzelnen durch das Beweismittel erwiesen werden sollen, brauchen die Abgabenbehörde bzw. das Bundesfinanzgericht nicht zu entsprechen.

Beweisanträge haben bei Zeugen auch deren Adresse anzugeben (Ritz/Koran, aaO, § 183 Rz 2).

Ein Beweisantrag ist nur dann erheblich, wenn Beweisthema eine Tatsache ist, deren Klärung, wenn sie schon nicht (sachverhalts-)erheblich ist, zumindest mittelbar beitragen kann, Klarheit über eine (sachverhalts-)erhebliche Tatsache zu gewinnen.

Von der Aufnahme beantragter Beweise ist u.a. dann abzusehen, wenn die unter Beweis zu stellenden Tatsachen als richtig anerkannt werden oder unerheblich sind.

Gegen die Ablehnung der von den Parteien angebotenen Beweise ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig (§ 183 Abs. 3 BAO)

Nach § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Es genügt, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die andere zumindest als weniger wahrscheinlich erscheinen lässt ().

Im Rahmen der freien Beweiswürdigung ist davon auszugehen, dass grundsätzlich die ersten Angaben in einem Verfahren die größere Wahrscheinlichkeit für sich haben, dem tatsächlichen Sachverhalt zu entsprechen, als die späteren Angaben einer zwischenzeitig steuerlich vertretenen Partei.

Erwägungen:

Zur Vertreterstellung:

Unbestritten ist, dass der Bf von bis als selbstständig vertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin im Firmenbuch eingetragen war und als solcher zum Kreis der potenziell Haftungspflichtigen zählt, die bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen zur Haftung gemäß § 9 BAO herangezogen werden können.

Zu den offenen Abgabenschulden der Primärschuldnerin:

Ebenso unstrittig ist die Uneinbringlichkeit der aushaftenden Abgabenschulden bei der Primärschuldnerin und deren Fälligkeit während der Zeit, in welcher der Bf als deren alleiniger Geschäftsführer bestellt gewesen ist.

Zur Uneinbringlichkeit dieser Abgabenschulden:

Nicht in Streit steht ferner, dass die Abgabenschulden infolge Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens bei der Primärschuldnerin uneinbringlich sind.

Zur schuldhaften Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten:

Dass die Haftungsschulden zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit nicht entrichtet worden sind, wird ebenfalls nicht in Abrede gestellt.

Der Bf bestreitet jedoch das ihm zur Last gelegte Verschulden, weil nicht er für die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Primärschuldnerin verantwortlich gewesen sei, sondern ***5***, der die Geschäfte tatsächlich geführt habe. Wegen mangelnder Deutschkenntnisse sei ihm nicht einmal bewusst gewesen, zum Geschäftsführer bestellt worden zu sein.

Aufgrund dieses Vorbringens ist zunächst zu prüfen, ob die Bestellung des Bf zum Geschäftsführer wirksam erfolgt ist, das heißt, ob ihm die Übernahme der Geschäftsführerfunktion bewusst gewesen ist.

Am unterzeichnete der Bf vor dem öffentlichen Notar Dr. ***13*** folgende Urkunden:

-) Den Notariatsakt über die Errichtung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Alleingesellschafter der Bf war;

-) den Gesellschafterbeschluss, wonach er als Alleingesellschafter der Primärschuldnerin beschloss, dass er zum Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt werde;

-) eine Musterunterschriftserklärung als Geschäftsführer der Primärschuldnerin;

-) den Antrag, die entsprechenden Eintragungen im Firmenbuch vorzunehmen.

Ebenfalls am leistete ***5*** eine Musterunterschriftserklärung als Prokurist der Primärschuldnerin.

Am unterzeichnete der Bf einen Antrag an das Firmenbuchgericht, die Geschäftsanschrift der Gesellschaft zu ändern.

Auch die beim Firmenbuchgericht eingereichten Jahresabschlüsse und unterzeichnete der Bf am bzw. am .

Zu den diversen Beweisanträgen ist folgendes festzustellen:

Im Beweisantrag vom betreffend die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid ist wörtlich angeführt:

"In umseits angeführter Angelegenheit macht der Beschwerdeführer zum Beweis seines Vorbringens, insbesondere der fehlenden Sprachkenntnisse, folgende Zeugen namhaft: (…)"

Der Beweisantrag "zum Beweis seines Vorbringens" ist ebenso wie der Beweisantrag "PV" im Vorlageantrag zu ungenau. Die Beweisanträge enthalten kein Beweisthema, weshalb ihnen nicht entsprochen werden musste.

Zu den "fehlenden Sprachkenntnissen" gab der Zeuge ***10*** an, dass die Sprachkenntnisse jedenfalls eingeschränkt gewesen seien. Inwieweit der Bf der Unterhaltung in deutscher Sprache habe folgen können, könne er nicht beurteilen. Der Bf sei im Beisein des Prokuristen der Primärschuldnerin, ***5***, vorstellig geworden. Dieser sei der deutschen Sprache zweifellos mächtig und habe die Unterhaltung vermutlich in die Muttersprache des Bf übersetzt.

***5*** gab an, dass der Bf über ausreichende Deutschkenntnisse verfüge und um die Bedeutung der Geschäftsführerbestellung Bescheid gewusst habe.

Die zum Beweisantrag der "fehlenden Sprachkenntnissen" von ***10*** getätigten Angaben bezeugen zwar Vorkommnisse im Zusammenhang mit Gesprächen mit dem Bankberater, sind aber nicht geeignet, eine gesicherte Antwort auf die Frage zu geben, ob der Bf verstanden hat, dass er zum Geschäftsführer bestellt worden ist.

Ebenso wenig vermögen eingeschränkte Sprachkenntnisse verlässlich darüber Auskunft zu geben, ob dem Bf die Geschäftsführerbestellung bewusst gewesen ist oder nicht.

Dem Einwand des Bf, die "schriftliche" Aussage des ***5*** sei nicht einmal handschriftlich unterfertigt und jedenfalls in dieser Form für das weitere Verfahren nicht verwertbar, ist zu entgegnen, dass zwar zutrifft, dass die telefonische Einvernahme eines Zeugen gesetzlich ebenso wenig vorgesehen ist wie eine Zeugeneinvernahme per E-Mail, dass aber § 166 BAO den Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel enthält und somit auch die Berücksichtigung von Aussagen per E-Mail erlaubt.

Dem weiteren Einwand, unverständlich sei, insbesondere die Aussage von ***5*** schriftlich eingeholt zu haben, weil für die Glaubwürdigkeit unausweichlich sei, einen persönlichen Eindruck zu gewinnen, wobei insbesondere auch eine Gegenüberstellung mit dem Bf geboten erscheine, ist zu erwidern, dass die Entscheidung, ob ein Zeuge zwecks Einvernahme vorgeladen oder seine Aussage schriftlich eingeholt wird, eine Ermessensentscheidung der Abgabenbehörde bzw. des Bundesfinanzgerichts ist.

Aufgrund welcher Überlegungen ***5*** die beiden Fragen, wären sie persönlich an ihn gerichtet worden, abweichend beantwortet hätte, ist nicht nachvollziehbar.

Auf die beantragte Einvernahme des ***6*** konnte verzichtet werden, da das Bundesfinanzgericht die Behauptung, der Bf sei tatsächlich nur als einfacher Arbeiter im Unternehmen der Primärschuldnerin beschäftigt gewesen, nicht bezweifelt.

Die im Schreiben vom gestellten weiteren Beweisanträge sind unerheblich, weil, wie mehrfach dargelegt, nicht entscheidend ist, wer auf dem Firmenkonto zeichnungsberechtigt gewesen ist oder Banktermine initiiert und die Geschäftsführeragenden tatsächlich wahrgenommen hat.

Alleine der Umstand, dass ausschließlich Schriftstücke von weitreichender Bedeutung einer notariellen Beglaubigung bedürfen, dass der Bf mehrfach Unterschriften vor dem öffentlichen Notar leistete und auch die Jahresabschlüsse unterzeichnete, aber dennoch nicht erkannt haben will, welchen Inhalt die von ihm unterzeichneten Dokumente hatten, lassen sein Vorbringen wenig glaubwürdig erscheinen. Welche Dokumente er seiner Meinung nach unterschrieben hätte, bringt der Bf nicht vor.

Weder die Unterzeichnung der Jahresabschlüsse noch Eingaben ans Firmenbuchgericht oder Unterschriftsleistungen vor einem öffentlichen Notar sind Tätigkeiten eines einfachen Arbeiters.

Hat der Bf mehrfach Unterschriften in Anwesenheit des Notars geleistet und wurden auch von ihm unterschriebene Jahresabschlüsse beim Firmenbuchgericht eingereicht, kann er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihm seine Geschäftsführerbestellung verborgen geblieben wäre.

In einem ähnlich gelagerten Fall hat das Bundesfinanzgericht dem Vorbringen eines Geschäftsführers, der deutschen Sprache nicht mächtig und daher nicht in der Lage gewesen zu sein, die rechtliche Bedeutung der von ihm unterzeichneten Dokumente zu verstehen, ebenfalls keinen Glauben geschenkt, weil dieser auch die beim Firmenbuchgericht eingereichten Bilanzen unterschrieben hat und es sich bei Unterfertigung einer Geschäftsbilanz bzw. einer Eingabe im Firmenbuchgericht um keine Tätigkeit eines gewöhnlichen Angestellten handle (vgl. )

Gegen die vorgebrachte völlige Unwissenheit spricht nicht zuletzt Punkt 15 des Notariatsaktes vom , wonach der Bf als Gesellschafter in Kenntnis des § 127 Abs. 16 GmbHG sei, dass nämlich Gesellschaften, deren Stammkapital 35.000,00 € nicht erreicht, bis längstens eine Kapitalerhöhung auf diesen oder einen höheren Betrag durchzuführen haben. Auch die Belehrung über eine in absehbarer Zeit erforderliche Kapitalerhöhung geht über die Agenden eines einfachen Arbeiters weit hinaus.

Auffällig ist zudem, dass der - zu diesem Zeitpunkt noch unvertretene - Bf in der Beschwerde (noch) mit keinem Wort erwähnt, seine Geschäftsführerbestellung nicht erkannt zu haben, sondern vielmehr anführt:

"Wie in Ihrem Schreiben beschrieben, war ich alleiniger Geschäftsführer in dem angeführten Zeitraum, jedoch muss ich gestehen, dass ich dies nur auf dem Papier war ."

Erst im Vorlageantrag behauptet der nunmehr vertretene Bf, aufgrund mangelhafter Deutschkenntnisse nicht verstanden zu haben, zum Geschäftsführer bestellt worden zu sein. Da, wie o.a., die ersten Angaben erfahrungsgemäß den tatsächlichen Gegebenheiten am nächsten kommen, lässt dies darauf schließen, dass die späten Angaben nicht den tatsächlichen Sachverhalt widerspiegeln, sondern der zwischenzeitigen Kenntnis der Rechtslage, welche in der Beschwerdevorentscheidung ausführlich erörtert worden ist, Rechnung tragen.

Im Ergebnis ist im Rahmen der freien Beweiswürdigung davon auszugehen, dass der Bf zwar nur über mangelhafte Deutschkenntnisse verfügte, ihm aber unter Berücksichtigung aller angeführten Umstände die Übernahme der Geschäftsführerfunktion dennoch bewusst gewesen ist. Dass er die Funktion übernommen hat, obwohl er die für deren Ausübung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht besessen hat, vermag ihn nicht zu entschuldigen, sondern begründet vielmehr das Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung.

Hat daher ***5*** sämtliche Befugnisse eines Geschäftsführers ausgeübt und ist der Bf, obwohl er an der Erfüllung seiner Verpflichtungen gehindert gewesen ist, dennoch nicht als Geschäftsführer ausgeschieden, ist ihm dieser Umstand als schuldhafte Pflichtverletzung vorwerfbar.

Selbst wenn ***5*** den Bf, aus welchen Gründen auch immer, dazu überredet hätte, sich als Geschäftsführer auf dem Papier zur Verfügung zu stellen, könnte ihn dieser Umstand nicht entschuldigen, weil nicht entscheidend ist, welche Gründe bzw. Versprechen den Bf dazu bewogen haben, als pro forma-Geschäftsführer zu fungieren.

Die mangelnde Einflussmöglichkeit des Bf auf den faktischen Geschäftsführer der Primärschuldnerin vermag ein fehlendes Verschulden an der Nichtentrichtung der haftungsgegenständlichen Abgabenschulden nicht zu begründen.

Das Finanzamt hat den Bf zum Nachweis der Gleichbehandlung seiner Gläubiger aufgefordert. Die pauschale Behauptung einer Gleichbehandlung aller Gläubiger reicht nicht aus. Weder zur Gläubigergleichbehandlung noch zum bloßen Vorbringen, die Primärschuldnerin habe von Anfang an nicht über ausreichende Mittel verfügt, um die Abgabenpflichten zu erfüllen, hat der Bf einen entsprechenden Nachweis erbracht.

Zum Kausalzusammenhang:

Die schuldhafte Pflichtverletzung muss ursächlich für die Uneinbringlichkeit sein. Hat der Bf schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit ist.

Gründe, die Anhaltspunkte für einen Ausschluss des Kausalzusammenhanges bieten würden, bringt der Bf nicht vor.

Zum Ermessen:

Ein zentrales Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalls durch die Geltendmachung der Haftung.

Der Abgabenbehörde steht grundsätzlich frei, mehrere oder auch nur einzelne Personen, die eine für den Abgabenausfall kausale schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten zu verantworten haben, zur Haftung heranzuziehen; diese Ermessensentscheidung ist entsprechend zu begründen.

Im vorliegenden Fall wäre der laut Bf faktische Geschäftsführer ***5*** eine (allenfalls weitere) Person gewesen, die zur Haftung hätte herangezogen werden können. Insoweit das Finanzamt in seiner Ermessensübung nicht dargelegt hat, weshalb es neben dem Bf nicht auch den nach dessen Angaben tatsächlichen Geschäftsführer ***5*** gemäß § 9a BAO zur Haftung herangezogen hat, leidet der angefochtene Bescheid unter einem Begründungsmangel, der jedoch im Beschwerdeverfahren saniert werden kann.

Ein Ermessensspielraum liegt etwa dann nicht mehr vor, wenn die Abgabenforderung beim anderen potenziell Haftungspflichtigen uneinbringlich ist oder die Einhebung zumindest mit großen Schwierigkeiten verbunden wäre.

Aus einem Aktenvermerk des Finanzamtes vom zur Fa. ***16*** GmbH i.L., deren Geschäftsführer ***5*** gewesen ist, ergibt sich, dass am über das Vermögen des ***5*** ein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet worden ist; die letzte Quote war am fällig. Mit Strafverfügung vom sei über ***5*** eine Geldstrafe von 6.000,00 € verhängt worden, die in monatlichen Raten bezahlt werde. Vorerst sei daher nicht damit zu rechnen, dass eine Haftungsschuld einbringlich sei (vgl. den Aktenvermerk im so genannten "b-Verfahren" im Abgabeninformationssystem der Finanzverwaltung).

Über das Vermögen der Fa. ***16*** GmbH war mit Gerichtsbeschluss vom das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet und mit Beschluss vom die Bezeichnung von Sanierungs- auf Konkursverfahren geändert worden.

Nach Bezahlung der letzten Rate im Finanzstrafverfahren im Juni 2021 nahm das Finanzamt ***5*** mit Haftungsbescheid vom für aushaftende Abgabenschulden der Fa. ***16*** GmbH i.L. in Höhe von rund 9.200,00 € in Anspruch.

Mit Zahlungserleichterungsbescheid vom wurden ***5*** monatliche Ratenzahlungen zu je 250,00 € zur Begleichung dieser Haftungsschuld bewilligt. Die letzte Rate war am fällig, der zu diesem Zeitpunkt noch offene Saldo betrug rund 5.300,00 €.

Aufgrund der geschilderten Umstände konnten die gegenständlichen Haftungsschulden bei ***5*** weder zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Haftungsbescheides noch innerhalb eines angemessenen Zeitraums eingebracht werden, weshalb sachgerecht ist, dass das Finanzamt gegen ***5*** kein Haftungsverfahren eingeleitet hat. Ein Ermessensspielraum ist in diesem Fall nicht gegeben.

Dem gegenüber konnte die Haftungsschuld beim Bf aus der Überrechnung von Guthaben aus den Arbeitnehmerveranlagungen 2018, 2019 und 2020 zumindest teilweise eingebracht werden. Bisher wurden 1.439,00 €, 809,00 € und 503,00 €, in Summe daher 2.751,00 €, vom persönlichen Abgabenkonto des Bf auf das Abgabenkonto der Primärschuldnerin überrechnet.

Die Tilgung durch den Bf ändert aber nichts an der Berechtigung zur Heranziehung zur Haftung. Die Haftungsinanspruchnahme ist insofern nicht um den entrichteten Betrag von 2.751,00 € einzuschränken, da diesfalls der Tilgung nachträglich die Rechtsgrundlage entzogen würde.

Zahlungen des Haftungsschuldners vermindern zwar den von ihm zu entrichtenden Haftungsbetrag, ändern aber nichts an dem im Haftungsbescheid aufzuerlegenden Umfang der Haftungspflicht ().

Zu bezahlen ist jedoch nur noch der im Spruch des Haftungsbescheides ausgewiesene Betrag abzüglich des überrechneten Betrages von 2.751,00 €, somit 15.427,43 €.

Dass der Bf die Funktion eines Geschäftsführers übernommen hat, ohne die zur Ausübung dieser Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse zu besitzen, und er mehrfach Dokumente unterzeichnet hat, ohne sich Gedanken über die mit diesen Unterschriften eingegangenen Verpflichtungen zu machen, muss als auffallende Sorglosigkeit angesehen werden.

Da der Abgabenausfall auf ein Verschulden des Bf zurückzuführen ist und ein berechtigtes öffentliches Interesse an einer Abgabeneinbringung im Haftungsweg besteht, ist die Geltendmachung der Haftung zweckmäßig.

Abschließend ist darauf zu verweisen, dass weder in der Beschwerde noch im Vorlageantrag ein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt wurde und der erst in der Eingabe vom (verspätet) gestellte Antrag keinen Anspruch auf eine mündliche Verhandlung vermittelt.

Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Erkenntnis weicht nicht von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe die in der Entscheidung angeführte Judikatur) ab.

Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind, ist eine ordentliche Revision nicht zulässig

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100155.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at