Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.12.2022, RV/7103245/2019

Entscheidung iS EuGH 13.10.2022, Rs C-199/21, Trennung von Antragseinreichung und Auszahlung der Familienbeihilfe

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2023/16/0007.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/7103245/2019-RS1
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union kommt es bei der Frage, ob gleichartige Ansprüche nach Art 68 Abs 1 VO 883/2004 zu Unrecht kumulieren könnten, sehr wohl auch darauf an, ob der Antrag im anderen Mitgliedstaat tatsächlich gestellt wurde. Der EuGH definiert einen aussichtsreichen Antrag als einen Antrag der „sämtliche formalen und materiellen Voraussetzungen erfüllt“ und sieht die tatsächliche Antragstellung – anders als der Verwaltungsgerichtshof zu § 4 FLAG 1967 und zur unionsrechtlichen Vorgängerbestimmung Art 76 VO 1408/71 - als zu erfüllende formale Voraussetzung an (Gebhart in Lenneis/Wanke (Hrsg) FLAG2 § 4 Rn 12f; aA , und Csaszar in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 53 Rz 195).
RV/7103245/2019-RS2
Die Prüfung, ob eine Kumulierung mit gleichartigen Beihilfen, die vom anderen Mitgliedstaat zu leisten sind, droht, hat von Amts wegen zu erfolgen, wobei die Prüfung nach Art 68 VO 883/2004 Vorrang vor einer Prüfung nach § 4 FLAG 1967 hat.
RV/7103245/2019-RS3
Aus dem ergibt sich, dass Art 60 Abs 1 Satz 3 DVO 987/2009 zu der/den mitgliedstaatlichen Norm/en, für Österreich § 2 Abs 2, § 2a FLAG 1967 hinzutritt, diese jedoch nicht verdrängt. Weiters ergibt sich aus dem Urteil, dass sämtliche Personen, die in Art 60 Abs 1 DVO 987/2009 und in den mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften angeführt werden, gleichrangig sind, sodass für den zuständigen Träger nach Unionsrecht für die Antragserledigung keine Verpflichtung besteht, eine bestimmte Person, zB die die Familienlasten überwiegend tragende Person, vorziehen zu müssen. Der „andere Elternteil“ iSd Art 60 Abs 1 Satz 3 DVO 987/2009 kann im Antragsverfahren allein aufgrund seiner Eigenschaft als anderer Elternteil als anspruchsberechtigte Person anerkannt werden.
RV/7103245/2019-RS4
In seinem , Rn 42ff, hat der EuGH seine in ständiger Rechtsprechung getätigten Ausführungen, wonach gemäß Art 60 Abs 1 DVO 987/2009 zwischen Einreichung des Antrages (Antragslegitimation) und Anspruch auf diese Leistungen (Bezugslegitimation) zu unterscheiden ist, ins Treffen geführt. Ohne Partei des Beihilfenverfahrens zu sein, räumt § 14 FLAG 1967 dem volljährigen Kind unter der Voraussetzung eine Bezugsberechtigung ein, dass die anspruchslegitimierte Person dies bei der Behörde beantragt. Das Auseinanderfallen von anspruchsberechtigter Person und Zahlungsempfänger der Beihilfe ist dem FLAG daher nicht fremd. Der vom Bf eingereichte Antrag wird derart positiv erledigt, dass der Ehefrau auf Basis der Mitteilung unmittelbar die österreichischen Familienleistungen im Wege der Überweisung ausgezahlt werden. Die Auszahlung der Familienbeihilfe an die Ehefrau lässt die Rechtsstellung des Bf als Verfahrenspartei unberührt, der weiterhin zur Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder zur Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof berechtigt ist.
RV/7103245/2019-RS5
Ob mit einem Antrag ein Beihilfenanspruch gemäß § 2 FLAG 1967 oder gemäß § 2 FLAG 1967 iVm §§ 4, 53 FLAG 1967, VO 883/2004 geltend gemacht wird, hängt nicht vom verwendeten Formular ab (Inlandssachverhalt Beih1, Unionsfall Beih38), sondern wird nach § 4 Abs 1 BAO durch den im konkreten Einzelfall tatsächlich verwirklichten Sachverhalt und vom Parteiwillen des Antragstellers bestimmt. Die irrtümliche Verwendung eines unzutreffenden amtlichen Formulars ist analog dem Vergreifen im Ausdruck zu sehen und beeinflusst weder den Parteiwillen noch die Rechtssache (vgl , , jeweils mwN).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Silvia Gebhart in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf, nunmehr Finanzamt Österreich, vom , vertreten durch ***AV***, betreffend Zurückweisung des Antrages auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag ab September 2015 bis laufend für das Kind ***K***, geboren ***1***, SVNR ***2***, vom beschlossen, die Beschwerdesache zu teilen und über die Beschwerde, soweit sie die Zeiträume September bis Dezember 2015, das Kalenderjahr 2016 und die Monate Jänner und Februar 2017 betrifft, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird für die zuvor genannten Zeiträume gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

II. Der angefochtene Bescheid wird, soweit er über die zuvor genannten Zeiträume abspricht, aufgehoben.

III. Die belangte Behörde hat über die zuvor genannten Zeiträume eine auf den Namen der Ehefrau des Beschwerdeführers ***SI*** lautende Mitteilung zu erlassen und darin die Beträge an Familienbeihilfe/Ausgleichszahlung gemäß §§ 2 Abs 1 lit a, 4 Abs 4 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs 3 Einkommensteuergesetz 1988 gegliedert nach obigen Zeiträumen darzustellen und die Gesamtsumme der Beträge auf das Girokonto der Ehefrau ungekürzt zu überweisen.

IV. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf) besitzt die britische und italienische Staatsbürgerschaft, ist mit einer Italienerin verheiratet, mit der er ein gemeinsames Kind hat und die beide die italienische Staatsbürgerschaft besitzen, und ist seit Juli 2011 in Österreich unselbständig beschäftigt. Der Familienwohnsitz befindet sich in ***R***.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der mit dem Formular Beih38 ab September 2015 bis laufend gestellte Antrag auf Ausgleichszahlung vom zurückgewiesen, weil "über den beantragten Zeitraum bereits mit dem Abweisungsbescheid vom rechtskräftig abgesprochen" worden sei (im Folgenden kurz "Sperrbescheid" bezeichnet, ON 7/9). Gegen diesen Bescheid richtet sich die form- und fristgerecht erhobene Bescheidbeschwerde vom .

Der Zurückweisungsgrund der entschiedenen Sache ("res iudicata") wurde in der Beschwerdevorentscheidung vom ausführlich begründet. Da die belangte Behörde im weiteren Verfahrensgang diese Rechtsansicht nicht mehr aufrechterhält, unterbleibt eine Darstellung der Beschwerdevorentscheidung.

Gegen die Beschwerdevorentscheidung wurde form- und fristgerecht Vorlageantrag vom erhoben, worin der Bf die Abhaltung eines Erörterungstermines vorschlug und in der Sache vortrug, niemals eine Aufforderung erhalten zu haben, Dokumente vorzulegen, noch habe er eine solche zum zweiten Male erhalten. Er sei nie aufgefordert worden, dass Formular E9 beizubringen. Außerdem habe er das Schulzeugnis, um dessen Vorlage er aufgefordert wurde, sehr wohl beigebracht. Er habe bereits für den Zeitraum 2011 bis August 2015 rechtmäßig Familienbeihilfe bezogen. Nach einer ihm von der Italienischen Sozialversicherung und Botschaft erteilten Auskunft, sei das Formular E411 gemäß Europäischem Recht seitens der österreichischen Behörden von den italienischen Behörden anzufordern. Es wurden zwei Formulare E411, und zwar eines über den Zeitraum 2014 bis 2016 und das zweite über den Zeitraum Februar 2017 bis 2018 vorgelegt (ON 14).

Dem Sperrbescheid lag ein mit dem Formular Beih1 gestellter Antrag auf Familienbeihilfe vom zugrunde. Die Begründung lautete: "Da Sie trotz Aufforderung die abverlangten Unterlagen nicht eingebracht haben und dadurch Ihrer Mitwirkungspflicht nach § 115 Bundesabgabenordnung nicht nachgekommen sind, muss angenommen werden, dass im oben genannten Zeitraum kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden hat bzw. besteht."

Nach dem vorgelegten Verwaltungsakt (ON 7 "Vorverfahren, Familienbeihilfe und Ausgleichszahlung") waren dem Antrag vom die Geburts- und Heiratsurkunde jeweils in italiensicher Sprache beigelegt gewesen und im Beih1 hatte der Bf als "gemeinsamen Wohnort im Ausland, wenn Wohnort der Kinder mit obigen Angaben [i.e. die inländische Wohnanschrift des Bf] nicht übereinstimmt" die Adresse des italienischen Familienwohnsitzes angegeben. Die in diesem Vorverfahren ergangenen Vorhalte wurden nicht vorgelegt.

Mit Vorlagebericht vom wurden Bescheidbeschwerde und Verwaltungsakt in elektronischer Form dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt. Darin hielt die belangte Behörde den Zurückweisungsgrund der res iudicata nicht mehr aufrecht, weil dem Sperrbescheid ein Antrag auf FAMILIENBEIHILFE (Beih1) zu Grunde lag, jedoch im gegenständlichen Verfahren ein Antrag auf AUSGLEICHSZAHLUNG (Beih38) gestellt wurde. Somit sei von einer geänderten Sachlage auszugehen. Im Übrigen trug die belangte Behörde vor, dass sie nach Einlangen des Vorlageantrages eine Zustellung des Vorhaltes mit Rückschein RSb vorgenommen habe, jedoch sei weder der Rückscheinbrief noch der Rückschein retourniert worden. Abschließend wurde darauf hingewiesen, dem Formular E411 könne entnommen werden, dass die Kindesmutter in Italien im Zeitraum 2014 bis 2016 nicht beruflich tätig gewesen sei und es für diesen Zeitraum keinen Anspruch auf Familienleistungen in Italien gebe.

Mit Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union , DN gegen Finanzamt Österreich, hat der Gerichtshofs zum /2019, auch Fragen zu Art 60 Abs 1 Satz 3 VO 987/2009 beantwortet.

Am fand am Bundesfinanzgericht, Sitz, Verhandlungssaal 1, in der Zeit von 10:00 Uhr bis 11:40 Uhr ein Erörterungstermin statt.

Befragt zum Sperrbescheid gab die Amtsvertreterin an, dass mit dem Sperrbescheid der Antrag so erledigt wurde, wie er mit dem verwendeten Formular Beih1 gestellt worden war, nämlich als Antrag auf Familienbeihilfe, auch wenn wegen der Angabe des Wohnortes des Kindes in Italien erkennbar gewesen sei, dass ein Anwendungsfall des Unionsrechts vorliege. Diese Vorgangsweise sei Verwaltungspraxis.

Der Bf gab an, dass die Ehe aufrecht sei und er etwa alle drei bis vier Wochen nach Italien fahre. Auch komme sein Sohn zu ihm nach Wien. Die Zustellprobleme könne er sich nicht erklären.

Weiters gab die Amtsvertreterin an, dass sie im Hinblick auf Art 60 DVO und das jüngst ergangene EuGH-Urteil C-199/21 nicht mehr auf die Beibringung einer Verzichtserklärung seitens der Kindesmutter bestehe. In der belangten Behörde sei es inzwischen üblich, auch den anderen Elternteil als Anspruchsberechtigten zu akzeptieren, ohne dessen überwiegende Unterhaltslast zu prüfen. Je nach Sachlage würde auch die im anderen Mitgliedstaat lebende Kindesmutter im Vorhalteverfahren des antragstellenden Elternteiles um Ausfüllen eines Formulars aufgefordert, welches mit dem Antragszeitpunkt des vom anderen Elternteil gestellten Antrages berücksichtigt würde. Diese Vorgangsweise setze voraus, dass die Kindesmutter oder andere Familienangehörige (zB die Kinder) über überausreichend Deutschkenntnisse verfügen.

Die Amtsvertreterin bestätigte weiters, dass die belangte Behörde den Bf nicht zur Nachreichung des Unionsformulars E401 aufgefordert habe, und der Bf bestätigte, dass er das Unionsformular E401 nicht seinem Antrag beigelegt hatte. Beide Parteien gaben übereinstimmend an, dass Italien keine Formulare E411 ausstellen würde. Die belangte Behörde gab an, sie habe ein Formular E411 an den italienischen Träger gerichtet, jedoch keine Antwort erhalten. Das sei im Umgang im Italien nicht ungewöhnlich. Italien wirke an den Verfahren nicht mit. Der Bf meinte, es habe keinen Sinn, ihm die Beibringung des Formulars E401, mit dem der Wohnmitgliedstaat auch über die Wohnverhältnisse der Familie auf seinem Territorium Auskunft gibt, aufzutragen, weil es in Italien keine Stelle gebe, die ihm dieses ausstellen könne.

Angesichts des Umstandes, dass kein Nachweis des gemeinsamen Haushalts des Bf mit seiner Familie in Italien vorliegt, unterbreitete die Richterin den Vorschlag, der Beschwerde für den Zeitraum 9/2015 bis 2/2017 stattzugeben und der belangten Behörde mit dem Erkenntnis aufzutragen, die Anweisung von Familienbeihilfe/Ausgleichszahlung und Kinderabsetzbetrag unmittelbar auf das Bankkonto der Kindesmutter vorzunehmen. Beide Parteien erklärten sich mit diesem Vorschlag einverstanden und der Bf gab die IBAN des Kontos seiner Ehefrau schriftlich bekannt. Den BIC reichte er per E-Mail am selben Tag nach.

Den Einkommensnachweis der Ehefrau habe die belangte Behörde verlangt, um prüfen zu können, ob in Italien eine Beschäftigung ausgeübt werde, wodurch Italien zum Beschäftigungsstaat mit Wohnort der Familie und folglich vorrangig für die Familienleistungen zuständig werde. Österreich sei diesfalls nur nachrangig zuständig und bloß zur Differenzzahlung nach Art 68 Abs 2 VO 883/2004 verpflichtet. Auf Frage des BFG, ob die belangte Behörde bei der Prioritätenumkehr die italienische Rechtslage für rechtserheblich halte, gab die belangte Behörde, dass es auf die Rechtslage im anderen Mitgliedstaat nicht ankomme.

Nach dem zweiten E411 übte die Ehefrau in Italien seit eine Beschäftigung aus, hätte in Italien Anspruch auf die dortigen Familienleistungen, hat jedoch keinen Antrag gestellt. Allein aus dem Grund der im Wohnmitgliedstaat ausgeübten Beschäftigung der Ehefrau ist Italien nach der Rechtsansicht der belangten Behörde als Beschäftigungsstaat anzusehen, wodurch es zu einer Umkehr der Prioritäten komme. Seit März 2017 sei daher Italien als Beschäftigungsstaat, in dem die Kinder wohnen, vorrangig zur Leistung der Familienleistungen zuständig.

Schließlich gab die belangte Behörde an, dass dem Bf ab Jänner 2019 die Familienbeihilfe gewährt würde. In jenem Verfahren hätte er die Verzichtserklärung der Kindesmutter beigebracht.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (Bf) wurde in der Schweiz geboren, besitzt die britische und italienische Staatsbürgerschaft, ist mit einer Italienerin verheiratet, mit der er ein gemeinsames Kind hat und die beide die italienische Staatsbürgerschaft besitzen, und ist seit Juli 2011 in Österreich unselbständig beschäftigt. Der Familienwohnsitz befindet sich in Italien, ***R***. Das Kind ist minderjährig und lebte im Haushalt mit der Mutter. Die Ehe war aufrecht.

Der Antrag auf Familienbeihilfe in Form der Ausgleichszahlung vom wurde mit dem amtlichen Formular Beih38 "ab September 2015 bis laufend" gestellt.

Die Haushaltsgemeinschaft des Bf mit seiner in Italien lebenden Familie wurde nicht nachgewiesen, die Verzichtserklärung der Kindesmutter wurde trotz Aufforderung der belangten Behörde nicht beigebracht. Die Zustellprobleme im Vorhalteverfahren konnten nicht aufgeklärt werden.

Die Ehefrau übte im Wohnmitgliedstaat im Zeitraum September 2015 bis keine Beschäftigung, selbständige Erwerbstätigkeit aus oder befand sich in einer vergleichbaren Situation. Es somit davon auszugehen, dass der Bf infolge dessen allein die ausschließlichen Unterhaltslasten für das gemeinsame Kind getragen hat. Die Ehefrau ist seit bis in Italien berufstätig, hat nach den italienischen Rechtsvorschriften Anspruch auf die dortige Familienleistung, jedoch keinen Antrag gestellt.

Seit Jänner 2019 bezieht der Bf von Österreich Familienbeihilfe. Zum Nachfolgeantrag wurde die Verzichtserklärung beigebracht.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist zwischen den Parteien unstrittig.

Das erste Formular E411 spricht über den Zeitraum 2014 bis 2016 ab. Darin ist ausgeführt, dass die Ehefrau keine Beschäftigung ausgeübt hat. Nach dem zweiten Formular E411 über den Zeitraum bis war die Ehefrau in Italien berufstätig, hat jedoch keinen Antrag gestellt, obgleich sie in Italien Anspruch auf die dortige Familienleistung hätte. Die für den Jänner 2017 bestehende Beweislücke wird geschlossen und für diesen Monat nach den Erfahrungen des täglichen Lebens von einer Sachlage wie für Dezember 2016 ausgegangen.

3. Rechtsgrundlagen

3.1. Unionsrecht

Verordnung Nr. 883/2004

Art. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 bestimmt:

"Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:

a) ,Beschäftigung' jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation, die für die Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder die gleichgestellte Situation vorliegt, als solche gilt;

i) ,Familienangehöriger':

1. i) jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, als Familienangehöriger bestimmt oder anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet wird;

z) ,Familienleistungen' alle Sach- oder Geldleistungen zum Ausgleich von Familienlasten, mit Ausnahme von Unterhaltsvorschüssen und besonderen Geburts- und Adoptionsbeihilfen nach Anhang I."

Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 lautet:

"Diese Verordnung gilt für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen."

Gemäß ihrem Art. 3 Abs. 1 Buchst. j gilt diese Verordnung für alle Rechtsvorschriften, die den Zweig "Familienleistungen" der sozialen Sicherheit betreffen.

Titel II ("Bestimmung des anwendbaren Rechts") der Verordnung enthält u. a. Art. 11 ("Allgemeine Regelung"), Art 11 Abs 1 und 3VO 883/2004 bestimmt:

"(1) Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

(3) Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt Folgendes:

a) eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;

…"

Art 67 VO 883/2004 ist in Kapitel 8 ("Familienleistungen") des Titels III geregelt ("Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen") und bestimmt:

"Eine Person hat auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden. Ein Rentner hat jedoch Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des für die Rentengewährung zuständigen Mitgliedstaats."

Art 68 Abs. 1 und 2 VO 883/2004 ("Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen") sieht vor:

"(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten folgende Prioritätsregeln:

a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge: an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.

b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden subsidiären Kriterien:

i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung. Im letztgenannten Fall werden die Kosten für die Leistungen nach in der Durchführungsverordnung festgelegten Kriterien aufgeteilt;

(2) Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Absatz 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. Ein derartiger Unterschiedsbetrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird."

Verordnung Nr. 987/2009

Art. 60 Abs. 1 VO 987/2009 lautet:

"Die Familienleistungen werden bei dem zuständigen Träger beantragt. Bei der Anwendung von Artikel 67 und 68 der [Verordnung Nr. 883/2004] ist, insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelangt, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats fallen und dort wohnen. Nimmt eine Person, die berechtigt ist, Anspruch auf die Leistungen zu erheben, dieses Recht nicht wahr, berücksichtigt der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften anzuwenden sind, einen Antrag auf Familienleistungen, der von dem anderen Elternteil, einer als Elternteil behandelten Person oder von der Person oder Institution, die als Vormund des Kindes oder der Kinder handelt, gestellt wird."

Art. 60 Abs. 2 bis 5 der Verordnung Nr. 987/2009 sieht u. a. Mechanismen der Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Trägern verschiedener Mitgliedstaaten für die Anwendung von Art. 68 der Verordnung Nr. 883/2004 vor.

3.2. Österreichisches Recht

Bundesabgabenordnung (im Folgenden: BAO):

§ 1 Abs 1 BAO ordnet an:

"Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind."

§ 2 BAO lautet auszugsweise:

"Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten, soweit sie hierauf nicht unmittelbar anwendbar sind und nicht anderes bestimmt ist, sinngemäß in Angelegenheiten

a) der von den Abgabenbehörden des Bundes zuzuerkennenden oder rückzufordernden bundesrechtlich geregelten

1. Beihilfen aller Art und …"

§ 4 Abs 1 BAO lautet:

"Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft."

Bundesgesetz vom , betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen, (BGBl Nr 367/1967) in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung (im Folgenden: FLAG 1967)

§ 2 Abs 1 lit a FLAG 1967 bestimmt:

"Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,für minderjährige Kinder,

§ 2 Abs 2 FLAG 1967 lautet:

"Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist."

Gemäß § 2 Abs 3 FLAG 1967 sind im Sinne dieses Abschnittes Kinder einer Person ua deren Nachkommen, …

Gemäß § 2 Abs 5 FLAG 1967 gehört ein Kind dann zum Haushalt einer Person, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. …

§ 2a FLAG 1967 regelt die sog Verzichtserklärung und sieht vor:

"(1) Gehört ein Kind zum gemeinsamen Haushalt der Eltern, so geht der Anspruch des Elternteiles, der den Haushalt überwiegend führt, dem Anspruch des anderen Elternteiles vor. Bis zum Nachweis des Gegenteils wird vermutet, daß die Mutter den Haushalt überwiegend führt.

(2) In den Fällen des Abs. 1 kann der Elternteil, der einen vorrangigen Anspruch hat, zugunsten des anderen Elternteiles verzichten. Der Verzicht kann auch rückwirkend abgegeben werden, allerdings nur für Zeiträume, für die die Familienbeihilfe noch nicht bezogen wurde. Der Verzicht kann widerrufen werden."

§ 4 FLAG 1967 lautet auszugsweise:

"(1) Personen, die Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe haben, haben keinen Anspruch auf Familienbeihilfe.

(2) Österreichische Staatsbürger, die gemäß Abs. 1 oder gemäß § 5 Abs. 5 vom Anspruch auf die Familienbeihilfe ausgeschlossen sind, erhalten eine Ausgleichszahlung, wenn die Höhe der gleichartigen ausländischen Beihilfe, auf die sie oder eine andere Person (§ 5 Abs. 5) Anspruch haben, geringer ist als die Familienbeihilfe, die ihnen nach diesem Bundesgesetz ansonsten zu gewähren wäre.

(3) Die Ausgleichszahlung wird in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der gleichartigen ausländischen Beihilfe und der Familienbeihilfe, die nach diesem Bundesgesetz zu gewähren wäre, geleistet.

(4) Die Ausgleichszahlung ist jährlich nach Ablauf des Kalenderjahres, wenn aber der Anspruch auf die gleichartige ausländische Beihilfe früher erlischt, nach Erlöschen dieses Anspruches über Antrag zu gewähren.

(5) Die in ausländischer Währung gezahlten gleichartigen ausländischen Beihilfen sind nach den vom Bundesministerium für Finanzen auf Grund des § 4 Abs. 8 des Umsatzsteuergesetzes 1972, BGBl. Nr. 223/1972, in der "Wiener Zeitung" kundgemachten jeweiligen Durchschnittskursen in inländische Währung umzurechnen.

(6) Die Ausgleichszahlung gilt als Familienbeihilfe im Sinne dieses Bundesgesetzes; die Bestimmungen über die Höhe der Familienbeihilfe finden jedoch auf die Ausgleichszahlung keine Anwendung.

…"

§ 10 Abs 1 und 2 FLAG 1967 lauten auszugsweise:

"(1) Die Familienbeihilfe wird … nur auf Antrag gewährt; …

(2) Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt."

§ 14 FLAG 1967 lautet auszugsweise:

"(1) Ein volljähriges Kind, für das Anspruch auf die Familienbeihilfe besteht, kann beim Finanzamt Österreich beantragen, dass die Überweisung der Familienbeihilfe auf sein Girokonto erfolgt. Der Antrag kann sich nur auf Zeiträume beziehen, für die noch keine Familienbeihilfe ausgezahlt wurde.

(2) Eine Überweisung nach Abs. 1 bedarf der Zustimmung der Person, die Anspruch auf die Familienbeihilfe hat. Diese Zustimmung kann jederzeit widerrufen werden, allerdings nur für Zeiträume, für die noch keine Familienbeihilfe ausgezahlt wurde.

(3) Es kann auch die Person, die Anspruch auf die Familienbeihilfe für ein Kind hat, beantragen, dass die Überweisung der Familienbeihilfe auf ein Girokonto dieses Kindes erfolgt. Der Antrag kann sich nur auf Zeiträume beziehen, für die noch keine Familienbeihilfe ausgezahlt wurde. Dieser Antrag kann jederzeit widerrufen werden, allerdings nur für Zeiträume, für die noch keine Familienbeihilfe ausgezahlt wurde.

…"

3.3. Italienisches Recht (MISSOC-Tabelle)

Grundprinzipien:

"Seit Januar 2022 wird die sogenannte Einzige und allgemeine Beihilfe für Kinder (Assegno Unico e Universale per I figli) vom 7. Schwangerschaftsmonat bis zum 21. Lebensjahr des Kindes gewährt und ersetzt folgende Leistungen: …"

Anwendungsbereich:

"Einzige und allgemeine Beihilfe für Kinder (Assegno Unico e Universale per I figli):

Wird allen Familien mit Kindern gewährt, deren Eltern zu folgenden Gruppen gehören:

  1. Arbeitnehmer (ungeachtet der Art ihrer Beschäftigung);

  2. Beamte;

  3. Selbstständige;

  4. Empfänger von Arbeitslosengeld;

  5. Ruheständler."

Bedingungen:

1. Wohnortanforderungen:

"Das Kind kann seinen Wohnsitz entweder in Italien, in einem anderen EU-Staat oder in einem Drittland haben, das ein Abkommen über die soziale Sicherheit mit Italien abgeschlossen hat, in dem die Erbringung von Familienleistungen in entsprechendem materiellen Umfang geregelt ist. Drittstaatenangehörige, …."

2. Sonstige Bedingungen:

"Keine weiteren Bedingungen."

Die vorangegangene Rechtslage Italiens wird in MISSOC nicht dargestellt.

4. Rechtliche Beurteilung

4.1. Zu Spruchpunkt I.

Nach den österreichischen Rechtsvorschriften für sich allein hat der Bf keinen Anspruch auf die österreichischen Familienleistungen, da das FLAG 1967 ausschließlich an Erfordernisse der Gebietsansässigkeit anknüpft, die nicht erfüllt werden. Österreich ist qua originären Rechts ein Wohnsitzstaat.

Der Bf besaß im Streitzeitraum die Staatsbürgerschaft zweier Mitgliedstaaten der Europäischen Union und hatte seinen Wohnort in Italien, die Ehefrau und das gemeinsame Kind erfüllen den Familienangehörigenbegriff. Sämtliche Personen fallen in den persönlichen Geltungsbereich des Art 2 Abs 1 der VO 883/2004. Die österreichische Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag sind Geldleistungen zum Ausgleich von Familienlasten und fallen in den sachlichen Geltungsbereich des Art 3 Abs 1 lit j der VO 883/2004. Der Bf übt seit Juli 2011 in Österreich eine Beschäftigung aus und erfüllt damit das räumliche Element. Der Anspruch des Bf auf die österreichischen Familienleistungen ergibt sich durch das übergeordnete und vorrangige Unionsrecht.

Der Beschluss, die Beschwerdesache ab Beginn der Beschäftigung durch die Ehefrau in Italien zu teilen, wird mit der Rechtauffassung der belangten Behörde begründet, für die Prioritätenumkehr reiche die Ausübung der Beschäftigung an sich schon aus, wohingegen das BFG die Auffassung vertrat, dafür ist erforderlich, dass 1.) die italienischen Rechtsvorschriften die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder gleichgestellten Situation normieren, womit Italien als Beschäftigungsstaat qua eigenen Rechts eingerichtet wird, und 2.) die Erwerbstätigkeit oder gleichgestellte Situation tatsächlich ausgeübt wird, wodurch Tatbestandserfüllung gegeben ist. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des EuGH zur VorgängerVO 1408/71 und VorgängerDVO 572/74 und wird in jüngerer Lehre in Österreichs erstmals auch im Geltungsbereich der neuen sozialen Koordinierung vertreten (vgl Gebhart in Lenneis/Wanke (Hrsg) FLAG2 § 53 Rn 303ff).

Nach den Missoc-Tabellen ist Italien ab 2022 gemäß seinen eigenen Rechtsvorschriften als Beschäftigungsstaat eingerichtet. Anspruchsvoraussetzung ist die Rechtsstellung als Arbeitnehmer, Beamter, Selbstständiger, Empfänger von Arbeitslosengeld und Ruheständler. Aus EuGH-Urteilen ergibt sich, dass dies auch für frühere Zeiträume der Fall war. Die alte Rechtslage wird über Missoc nicht zur Verfügung gestellt.

Sperrbescheid vom :

Die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Zurückweisung berücksichtigt den Grundsatzes, dass über eine Rechtssache nur einmal rechtskräftig entschieden werden darf ("ne bis in idem", "res iudicata", Grundsatz der entschiedenen Sache"). Eine entschiedene Sache liegt vor, wenn sich gegenüber der früheren Entscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben. Dieser Grundsatz ist ausdrücklich in § 10 Abs 2 FLAG 1967 verankert, wozu eine beständige Judikaturlinie des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt (zuletzt /0003 mwN).

Eine Rechtssache des Beihilfenrechts wird als Mindesterfordernis durch den Beihilfenwerber, das zuständige Finanzamt Österreich, das anspruchsvermittelnde Kind und den Zeitraum sowie die Rechtsgrundlage, auf den der Antrag gestützt wird, bestimmt. Darüber hinausgehende Elemente des Sachverhalts sind einzelfallbedingt (zB Verzichtserklärung, Haushaltszugehörigkeit, Studienerfolg).

Im Beschwerdefall begehrte der Bf, ein britischer Staatsangehöriger, mit jedem seiner Anträge die österreichische Familienbeihilfe für sein in Italien lebendes Kind aus dem Rechtsgrund der unionsrechtlichen sozialen Koordinierung. Ob am Ende des Verfahrens die Familienbeihilfe in Form der Differenzzahlung oder Ausgleichszahlung oder nur die Familienbeihilfe steht, ist nicht von vornherein klar erkennbar, am wenigsten für den Beihilfenwerber.

Ist in einem Unionsfall Österreich vorrangig nach Art 67, 68 VO 883/2004 zur Erbringung der Familienleistung verpflichtet, so ist neben dem Unionsrecht und § 2, 8 FLAG 1967 auch § 4 FLAG 1967 zu beachten. Diese Rechtsansicht wird einhellig von der belangten Behörde, UFS/BFG und dem Verwaltungsgerichtshof vertreten (vgl ).

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union kommt es bei der Frage, ob gleichartige Ansprüche nach Art 68 Abs 1 VO 883/2004 zu Unrecht kumulieren könnten, sehr wohl auch darauf an, ob der Antrag im anderen Mitgliedstaat tatsächlich gestellt wurde. Der EuGH definiert einen aussichtsreichen Antrag als einen Antrag der "sämtliche formalen und materiellen Voraussetzungen erfüllt" und sieht die tatsächliche Antragstellung - anders als der Verwaltungsgerichtshof zu § 4 FLAG 1967 und zur unionsrechtlichen Vorgängerbestimmung Art 76 VO 1408/71 - als zu erfüllende formale Voraussetzung an (Gebhart in Lenneis/Wanke (Hrsg) FLAG2 § 4 Rn 12f; aA , und Csaszar in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 53 Rz 195).

Nach seinem Normzweck vermeidet § 4 FLAG 1967 die ungerechtfertigte Kumulierung von gleichartigen Leistungen (Abs 1), garantiert dem österreichischen Staatsbürger die Abgeltung von Kinderlasten in der Höhe der österreichischen Familienbeihilfe, allenfalls als Unterschiedsbetrag zwischen ausländischer und inländischer Familienleistung (Abs 2 und 3) und sieht ein vom Inlandssachverhalt abweichendes Prozedere (Abs 4) vor. Um einen Konflikt von § 4 Abs 4 FLAG 1967 mit § 284, 285 BAO (Entscheidungspflicht der Behörde) zu vermeiden, ist § 4 Abs 4 FLAG 1967 dahin zu verstehen, dass bereits die Antragstellung der Ausgleichszahlung jährlich nach Ablauf des Kalenderjahres zu erfolgen hat. Da die Höhe der Familienleistung im anderen Mitgliedstaat von der Einkommenshöhe abhängig sein kann und das Einkommen erst nach Ablauf des Jahres feststeht, ist eine ausnahmsweise ex-post Erledigung auch unter diesem Aspekt grundsätzlich sinnvoll (vgl zur ausnahmeweise zu erfolgenden ex-post-Betrachtung mwN). Ein nach § 4 Abs 4 FLAG 1967 abweisender Bescheid bezeichnet in seinem Spruch das oder die Kalenderjahr/e und bezeichnet im Spruch die Beihilfe mit "Familienbeihilfe in Form der Ausgleichszahlung".

Die Prüfung, ob eine Kumulierung mit gleichartigen Beihilfen, die vom anderen Mitgliedstaat zu leisten sind, droht, hat von Amts wegen zu erfolgen, wobei die Prüfung nach Art 68 VO 883/2004 Vorrang vor einer Prüfung nach § 4 FLAG 1967 hat. Mit dem Sperrbescheid vom wurde der Unionsfall, der aus der Angabe des Wohnortes des Kindes und der Ehefrau in Italien und der Beschäftigung in Österreich offengelegt war, wie ein Inlandsfall nach § 2 FLAG 1967 ohne Angaben eines Kalenderjahres und ohne Beachtung einer möglichen ungerechtfertigten Kumulierung von inländischen und ausländischen Ansprüchen iSd § 4 FLAG 1967 erledigt. Die belangte Behörde vertrat anlässlich des Erörterungsgesprächs die Rechtsansicht, dass die behördliche Erledigung durch das Antragsformular Beih1 auf Familienbeihilfe vorgegeben war, was generelle Verwaltungspraxis sei.

Damit wurde die Rechtslage verkannt. Ob mit einem Antrag ein Beihilfenanspruch gemäß § 2 FLAG 1967 oder gemäß § 2 FLAG 1967 iVm §§ 4, 53 FLAG 1967, VO 883/2004 geltend gemacht wird, hängt nicht vom verwendeten Formular ab (Inlandssachverhalt Beih1, Unionsfall Beih38), sondern wird nach § 4 Abs 1 BAO durch den im konkreten Einzelfall tatsächlich verwirklichten Sachverhalt und vom Parteiwillen des Antragstellers bestimmt. Die irrtümliche Verwendung eines unzutreffenden amtlichen Formulars ist analog dem Vergreifen im Ausdruck zu sehen und beeinflusst weder den Parteiwillen noch die Rechtssache (vgl , , jeweils mwN). Sollten aufgrund der falschen Wahl des Formulars entscheidungserhebliche Angaben nicht gemacht worden sein, so hat die Beihilfebehörde ein Ermittlungsverfahren zu führen.

Folglich liegt keine geänderte Sach- oder Rechtslage vor, weshalb dem Bescheid vom eine Sperrwirkung grundsätzlich zukäme.

Die Sperrwirkung besteht nach den Verfahrensvorschriften der Bundesabgabenordung bereits deshalb nicht, weil aus dem Bescheid nicht hervorgeht, welche Unterlagen der Bf nicht beigebracht hat. Damit war für den Bf nicht erkennbar, welche Sachlage er durch welche Handlung verändern konnte. Aus dem angefochtenen Bescheid, der die Zurückweisung des Antrages aussprach, war für den Bf nicht erkennbar, dass er die Sachlage insbesondere durch Beibringung der Verzichtserklärung und des Nachweises des gemeinsamen Familienwohnsitzes aller drei Familienangehörigen zu seinen Gunsten ändern konnte.

Damit ein Bescheid Sperrwirkung entfalten kann, sind im Bescheid selbst Feststellungen zu treffen, von welcher Sachlage ausgegangen wurde, und/oder im Fall fehlender Beweismittel die Beweismittel zu bezeichnen, die mit näher bezeichneten Vorhalten vergebens abverlangt wurden. Die Rechtslage ergibt sich kraft Publizität unmittelbar aus dem Bundesgesetzblatt bzw Amtsblatt der Union sowie aus der Rechtsprechung der österreichischen Höchstgerichte und des Gerichtshofes der Europäischen Union.

Da mit dem Bescheid vom weder die Feststellung getroffen wurde, von welcher Sachlage ausgegangen werde (Inlands- oder Unionssachverhalt), noch festgestellt wurde, welche Unterlagen abverlangt und nicht beigebracht wurden, entfaltet der Bescheid vom keine Sperrwirkung.

Antragslegitimation iSd

Der Beschwerdefall ist ein Anwendungsfall des Unionsrechts. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zuvor zu § 4 FLAG 1967 getätigten rechtlichen Ausführungen verwiesen, die auch hier einschlägig sind.

§ 4 FLAG 1967 ist jedenfalls bei Vorliegen eines zwischenstaatlichen Sachverhalts anwendbar, weil mit Absatz 4 leg.cit. darüber hinaus mit dem Kalenderjahr ein abweichender Anspruchszeitraum zum grundsätzlichen Erhebungszeitraum des Kalendermonates nach § 10 Abs 2 FLAG 1967 und ein abweichendes Antragsverfahren eingerichtet werden. Aus den Erledigungen der belangten Behörde war dem Bf nicht erkennbar, dass er je Kalenderjahr einen Antrag einzubringen hat und hat dieses folglich nicht getan. Im Beschwerdefall wurden von der belangten Behörde die Formulare E411 über einen Zeitraum von insgesamt dreieinhalb Jahren vorgelegt. Die belangte Behörde vertrat beim Erörterungsgespräch die Rechtsansicht, dass in gegenständlichem Beschwerdeverfahren über den Zeitraum bis laufend abgesprochen werden könne.

Nach dem klaren Wortlaut des § 4 Abs 4 FLAG 1967 ist der Antrag auf Ausgleichszahlung je Kalenderjahr nach Ablauf desselben zu stellen. So gesehen war der Antrag vom durch das Gesetz auf das Rumpfkalenderjahr September bis Dezember 2015 und das Kalenderjahr 2016 begrenzt und die behördliche Erledigung an diese zeitliche Begrenzung gebunden. Eine über den Antrag hinausgehende behördliche Erledigung ist - von der hier nicht interessierenden Ausnahme anlässlich einer Geburt abgesehen - rechtswidrig. Auch wenn die Beschwerdesache durch den Spruch des angefochtenen Bescheides bestimmt wird, ist dieser Grundsatz wegen sonst eintretenden sachlicher Unzuständigkeit im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu beachten.

Gemäß § 10 Abs 3 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt. Eine gesonderte Bestimmung zum Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruchs für nach dem Kalenderjahr geregelte Anspruchszeiträume gemäß § 4 Abs 4 FLAG 1967, vergleichbar der veranlagten Einkommensteuer mit dem 31.12. eines Jahres, enthält das FLAG nicht. Die Generalklausel des § 4 Abs 1 BAO greift ebenso nicht Platz.

Im Zeitpunkt des Erörterungstermines am wäre die Zulässigkeit einer Antragstellung für die Monate Jänner bis Oktober 2017 daher fraglich gewesen.

§ 4 FLAG 1967 ist iZm einem unionsrechtlichen Sachverhalt anzuwenden und folglich unionsrechtskonform auszulegen. In der Rs C-199/21 hat der EuGH betont, dass bei der Auslegung nationaler Normen der Grundsatz der Koordinierung der sozialen Systeme nach Art 48 AEUV und die Zielerreichung des Ausgleiches von Familienlasten beachten ist. "[Art 67 VO 883/2004] impliziert einen umfassenden Ansatz, wonach der zuständige Träger verpflichtet ist, die Situation der Familie insgesamt zu prüfen, um die Ansprüche auf Familienleistungen zu ermitteln, da diese schon aufgrund ihrer Natur nicht als Ansprüche betrachtet werden können, die einem Einzelnen unabhängig von seiner familiären Situation zustehen" (EuGH Rs C-199/21 Rn 52 des Urteils iVm Rn 34 SA des GA, jeweils mwN). "Die Infragestellung der Gewährung dieser Leistungen auf der Grundlage der Kriterien des nationalen Rechts darf in einem solchen Fall jedoch nicht dazu führen, dass gegen die Systematik der mit der Verordnung Nr. 883/2004 geschaffenen Mechanismen zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit verstoßen wird. [Der Generalanwalt weist ausdrücklich] darauf hin, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Familienleistungen zwar nach nationalem Recht beurteilt werden, die Mitgliedstaaten aber bei der Ausübung dieser Befugnis das Unionsrecht beachten müssen" (EuGH Rs C-199/21 Rn 55 des Urteils iVm Rn 41 SA des GA, jeweils mwN). Nach Ansicht des BFG ist die unionsrechtlich garantierte Koordinierung der sozialen Systeme und die Zielerreichung, einen Ausgleich zu den Familienlasten tatsächlich beizutragen, nur dann gewährleistet, wenn von den Trägern sämtliche im Einzelfall beantragten Zeiträume inhaltlich (meritorisch) erledigt werden.

In der Rs C-199/21, die eine Rückforderung von Familienbeihilfe betraf, vertrat der EuGH die Rechtsanschauung, dass Fehler des Trägers nicht jedenfalls zu Lasten des Rechtsunterworfenen gehen dürfen. In gegenständlicher Ausgangssituation beruht der Fehler der belangten Behörde auf einer im Finanzamt Österreich generell vertretenen Ansicht, das Beihilfenverfahren habe sich am verwendeten Formular zu orientieren.

Angesichts dessen ist nach Ansicht des BFG in rechtlicher Hinsicht davon auszugehen, dass vier Anträge, und zwar über das Rumpfkalenderjahr 2015, das die Monate September bis Dezember 2015 umfasst, und die Kalenderjahre 2016, 2017 und 2018, vorliegen. Die als Ausnahme normierte kalenderjahresweise Betrachtung des § 4 Abs 4 FLAG 1967 ist mit dem Grundsatz des monatlichen Erhebungszeitraum nach § 10 Abs 4 iVm § 11 Abs 1 FLAG 1967 vereinbar und steht der Teilung der Beschwerdesache per Februar/März 2017 nicht entgegen.

Im Beschwerdefall hat die nach dem österreichischen Recht primär berechtigte Kindesmutter keinen Antrag gestellt und auch keine Verzichtserklärung auf ihren Anspruch abgebeben. Die belangte Behörde war im der Beschwerde zu Grunde liegenden ANTRAGSverfahren berechtigt, aus diesem Grund die Abweisung des Antrages auszusprechen ( Rn 49, 50).

Aus dem ergibt sich, dass Art 60 Abs 1 Satz 3 DVO 987/2009 zu der/den mitgliedstaatlichen Norm/en, für Österreich § 2 Abs 2, § 2a FLAG 1967 hinzutritt, diese jedoch nicht verdrängt. Weiters ergibt ich aus dem Urteil, dass sämtliche Personen, die in Art 60 Abs 1 DVO 987/2009 und in den mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften angeführt werden, gleichrangig sind, sodass für den zuständigen Träger nach Unionsrecht für die Antragserledigung keine Verpflichtung besteht, eine bestimmte Person, zB die die Familienlasten überwiegend tragenden Person, vorziehen zu müssen. Der "andere Elternteil" iSd Art Art 60 Abs 1 Satz 3 DVO 987/2009 kann im Antragsverfahren allein aufgrund seiner Eigenschaft als anderer Elternteil als anspruchsberechtigte Person anerkannt werden.

Da im Beschwerdefall das Formular E401 nicht vorlag und somit die Haushaltszugehörigkeit des Bf in einem Haushalt der gemeinsam lebenden Eltern nicht nachgewiesen wurde, wird die vom EuGH in Rn 42ff des Urteils Rs C-199/21 dargelegte, ständige Rechtsprechung aufgegriffen und zwischen Einreichung des Antrages (Antragslegitimation) und Anspruch auf diese Leistungen (Bezugslegitimation) unterschieden.

Damit hat der EuGH jene Rechtsposition im öffentlich-rechtlichen Beihilfenverfahren angesprochen, wofür nach innerstaatlichem Recht Legalbegriffe wie Anspruchsberechtigung, Recht zur Antragstellung, Recht auf Entscheidung verwendet werden, die nur der Verfahrenspartei zukommt (§ 78 BAO). Nach Österreichischem Recht kommt nur der Person ein Antragsrecht zu, die im Gesetz als anspruchsberechtigte Person bezeichnet wird und damit Parteistellung besitzt. Nur die Partei hat das Recht auf Entscheidung und Erhalt der Sachentscheidung. Die Partei ist auch im Fall einer Rückforderung nach § 26 FLAG 1967 in Anspruch zu nehmen.

Ohne Partei des Beihilfenverfahrens zu sein, räumt § 14 FLAG 1967 dem volljährigen Kind unter der Voraussetzung eine Bezugsberechtigung ein, dass die anspruchslegitimierte Person dies bei der Behörde beantragt. Das Auseinanderfallen von anspruchsberechtigter Person und Zahlungsempfänger der Beihilfe ist dem FLAG daher nicht fremd.

Im Beschwerdefall hat der Bf sein Einverständnis erteilt, dass seine Ehefrau und Kindesmutter empfangsberechtigte Person sein solle. Mit dieser Erklärung wurde überdies die Sachlage geändert, weshalb in der Beschwerdesache jedenfalls eine Sachentscheidung getroffen werden kann.

Der vom Bf eingereichte Antrag wird derart positiv erledigt, dass der Ehefrau auf Basis der Mitteilung unmittelbar die österreichischen Familienleistungen im Wege der Überweisung ausgezahlt werden. Die Darstellung der Beträge an Familienbeihilfe und KAB je Kalenderjahr in der Mitteilung korrespondiert mit dem Wortlaut des § 4 Abs 4 FLAG 1967. Die Auszahlung der Familienbeihilfe an die Ehefrau lässt die Rechtsstellung des Bf als Verfahrenspartei unberührt, der weiterhin zur Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder zur Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof berechtigt ist.

Diese an § 14 FLAG 1967 orientierte Lösung berücksichtig das innerstaatliche Rechtsinstitut der neben dem Antragsteller eingerichteten Bezugsberechtigung des anspruchsvermittelnden volljährigen Kindes und wendet die Bezugsberechtigung auf den anderen Elternteil an. Dadurch wird der vom anderen Elternteil gestellte Antrag nach Unionsrecht berücksichtigt und der Kindesmutter kommt die Familienbeihilfe zu, wie es nach österreichischem Recht ohne Verzichtserklärung vorgesehen ist. Der Vorschlag der belangten Behörde, nunmehr auf den anderen Elternteil umzuschwenken, wird nicht aufgegriffen, weil damit der rechtliche Wert des Rechtsinstituts der Verzichtserklärung verloren ginge (s Stellungnahme der belangten Behörde im Beschwerdefall RV/7100487/2016).

Zur verlangten Vorlage des Formulars E9 für die Ehefrau des Bf, das der Durchführung des Verfahrens nach § 1 Abs 4 EStG 1988 dient, ist auszuführen, dass aus diesem die Höhe der Einkünfte hervorgeht, deren Kenntnis für das Familienbeihilfenverfahren unerheblich ist. Der Bf hat zutreffend darauf hingewiesen, dass dieses nicht abverlangt werden durfte. Gleiches gilt für die Vorlage eines anderen Einkommensnachweises der Ehefrau. Darüber hinaus ergibt sich aus einem Einkommensnachweis nicht, ob sich die Ehefrau in einer vergleichbaren Situation befunden hat. Zur Beantwortung der Frage, ob vom anderen Elternteil im Wohnmitgliedstaat ein Beschäftigungsverhältnis ausgeübt wurde oder sich die Person in einer vergleichbaren Situation befunden hat, ist das im Dialogverfahren eingerichtete EU-Formular E411 zu verwenden.

4.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall waren folgende Rechtsfragen zu beantworten, zu denen eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt und die jede für sich die Zulassung der Revision begründet:

Nach Ansicht des BFG

1.) wird ein Beihilfenverfahren nicht durch die Verwendung des Formulars (Beih1 statt richtig Beih38) sondern durch Sachverhaltsverwirklichung und Parteiwillen (Antragswille) bestimmt;

2.) entfaltet ein Bescheid, in dem keine Sachverhaltsfeststellung und keine Feststellung zu vergebens abverlangten Beweismitteln getroffen wurde und auch nicht auf Vorhalte verwiesen wird, mit denen die Ermittlungshandlung gesetzt wurde, keine Sperrwirkung;

3.) wird die "entschiedene Sache" nicht durch das Formular (Beih38 statt vorher Beih1) bestimmt;

4.) sind die unionsrechtlich garantierte Koordinierung der sozialen Systeme und die Zielerreichung, einen Ausgleich zu den Familienlasten tatsächlich beizutragen, nur dann gewährleistet, wenn von den Trägern sämtliche im Einzelfall beantragten Zeiträume inhaltlich (meritorisch) erledigt werden, was im Beschwerdefall nur durch eine neue Auslegung des § 4 Abs 4 FLAG 1967 garantiert werden konnte.

5.) ist es zulässig, konform dem Urteil EuGH Rs C-199/21 im Verfahren des Antragstellers zwischen Einreichung des Antrages und Anspruch auf diese Leistungen zu unterscheiden und dabei hilfsweise § 14 FLAG 1967 zu Gunsten der Kindesmutter anzuwenden.

Somit war die ordentliche Revision zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 10 Abs. 1 und 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 76 VO 1408/71, ABl. Nr. L 149 vom S. 2
Art. 60 Abs. 1 VO 987/2009, ABl. Nr. L 284 vom S. 1
Art. 67 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 68 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
§ 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 2 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 4 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 2 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 2a FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 14 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7103245.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at