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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.11.2022, RV/7102015/2016

Abzugsfähigkeit der Anschaffungskosten eines durch einen Brand zerstörten (vor 1.4.2012 erworbenen) Gebäudes bei Ermittlung der Immobilienertragsteuer - Einheitstheorie

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2023/13/0006.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
Wird ein Gebäude zerstört, können die Anschaffungskosten von Grund und Boden und inzwischen zerstörten Gebäude dann bei der Veräußerung des Grund und Bodens abgezogen werden, wenn zum Zeitpunkt der Anschaffung des bebauten Grundstückes noch die Einheitstheorie wirksam war und Grund und Boden und Gebäude daher ein einheitliches Wirtschaftsgut dargestellt haben. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige für das zerstörte Gebäude eine Versicherungsentschädigung erhalten hat.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch seinen Richter Dr. Alexander Hajicek über die Beschwerde der A**** M****, [Adresse], StNr **-***/****, ehemals vertreten durch Eckhardt Wirtschaftsprüfung und Steuerberatungs GmbH, 7033 Pöttsching, Hauptstraße 58, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart vom betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2014 zu Recht:

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B VG ist zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin verkaufte im Jahr 2014 eine Liegenschaft, auf welcher das darauf befindliche Wohngebäude rund zweieinhalb Jahre zuvor durch einen Brand weitgehend zerstört worden war. Im Kaufvertrag wird dabei mehrmals das Wort "Brandruine" verwendet.

In einem Bericht der Tageszeitung "KURIER" vom **.**.**** über das Brandereignis heißt es:

"Eine Million Euro Schaden nach Brand
Das Feuer im Einfamilienhaus in
X**** hat auch viel Geld verschlungen.
Das Einfamilienhaus gleicht nach dem Brand einer Ruine
Die Untersuchungen der Brandermittler sind abgeschlossen. Der entstandene Sachschaden an dem Einfamilienhaus in
X****, Bezirk B****, wird mit einer Million Euro beziffert. Wie der KURIER berichtet hat, geriet in der Nacht von **** der Dachstuhl eines Einfamilienhauses in Brand. Acht Feuerwehren rückten mit 150 Mann und 26 Fahrzeugen aus, um die Flammen unter Kontrolle zu bringen. Der Einsatz dauerte die ganze Nacht, der Dachstuhl des Hauses brannte komplett ab.
Als Brandursache gibt die Sicherheitsdirektion an, dass ein Edelstahlkamin, an dem ein Holzofen angeschlossen war das Feuer auslöste. Im Bereich der Dachdurchführung kam es zu einem Wärmestau, die angrenzende Holzverschalung geriet so in Brand. Danach breiteten sich die Flammen auf die Dachfläche und die unteren Räumlichkeiten aus. Die Feuerwehr musste mit einem Kran die Dachziegel entfernen, um an den Brandherd zu gelangen.
Das Haus ist unbewohnbar und der hohe Sachschaden von einer Million Euro sei auf die hochwertige Inneneinrichtung des Hauses zurückzuführen. Benachbarte Gebäude blieben von den Flammen verschont, bei einem angrenzenden Haus entstand ein Wasserschaden."

In einem Bericht über eine vor Erlassung des angefochtenen Bescheides bei der Beschwerdeführerin durchgeführten Nachschau führte der Prüfer aus:

"Die Liegenschaft [...] wurde von [der Beschwerdeführerin] im Jahre 2004 [...] erworben. Die in der Rechnung vom ausgewiesene Umsatzsteuer wurde von [der Beschwerdeführerin] als Vorsteuer geltend gemacht. Eine Option auf die Regelbesteuerung ab 2004 liegt im Veranlagungsakt auf.
Durch eine das Jahr 2004 betreffende Betriebsprüfung wurde festgestellt, dass 52% des Gebäudes nicht der Vermietung und Verpachtung, sondern den privaten Bedürfnissen [der Beschwerdeführerin] dienten. Durch die Bp erfolgte daher eine Kürzung der abzugsfähigen Vorsteuer mit diesem Prozentsatz. Im Zuge der Erledigung einer gegen diese Feststellung eingebrachten Berufung, wurde der Anteil des vermieteten Gebäudes mit 18,37% ermittelt und der Vorsteuerabzug mit diesem Prozentsatz gewährt.
Es erfolgte keine Vermietung von Wohnraum, sondern wurde der vermietete Teil des Gebäudes für gewerbliche Zwecke genutzt. Laut Nutzungsvereinbarung vom wurde an die [...] Ges.m.b.H. [...] vermietet.
Es handelt sich somit um eine sogenannte "große Vermietung".
Die Vermietung der Jahre 2004 bis 2011 ergab einen Verlust in der Höhe von € 47.090,18.
[...]
In der Nacht vom
**** 2012 wurde das Gebäude durch einen Brand unbewohnbar (Dachstuhl komplett zerstört; enormer Wasserschaden durch das Löschwasser) und es war daher ab diesem Zeitpunkt für eine Vermietung nicht mehr verwendbar.
Am wurde im Zuge einer Besichtigung festgestellt, dass das Dach des Gebäudes nur mit einer Folie/Plane abgedeckt wurde und daher zur Zeit nicht vermietbar ist.
Die Liegenschaft wird derzeit zum Verkauf angeboten.
[...]"

Aus der Erklärung "Grundlagen Immobilienertragsteuer bei Selbstberechnung Grunderwerb" ergeben sich bei der Einkünfteermittlung gemäß § 30 Abs 3 EStG ("Neuvermögen" oder freiwillige Einkünfteermittlung bei "Altvermögen") ein Veräußerungserlös von 161.000 € sowie Anschaffungskosten von 541.669,19 €, es resultieren daraus negative Einkünfte gemäß § 30 Abs 3 EStG von -380.669,18 €.

Das Finanzamt forderte die Beschwerdeführerin auf, Versicherungsleistungen bzw Schadenersätze bekannt zu geben.

Die Beschwerdeführerin legte durch ihren steuerlichen Vertreter lediglich Auszüge aus einem Einkommensteuer-Kommentar zu § 28 EStG vor, in welchen ua ausgeführt wird, dass Ersatzleistungen für Substanzverluste bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht steuerpflichtig sind.

Im angefochtenen Einkommensteuerbescheid setzte das Finanzamt die Steuer für Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen (besonderer Steuersatz von 25 %) mit € 10.176,45 fest und führte dazu in der Begründung aus:

Im Hinblick darauf, dass das Gebäude auf dem Grundstück [...] durch einen Brandschaden wertlos geworden ist (laut Kaufvertrag vom **.**.2014 "Brandruine"), ist bei Ermittlung der Immobilienertragsteuer eine Anschaffungskostenabsetzung für das Gebäude mit entsprechenden Versicherungsvergütungen auszugleichen. Eine Kostenabsetzung darf insoweit nicht berücksichtigt werden, als ihr eine nicht steuerpflichtige Versicherungsentschädigung gegenüber steht. Daher verbleibt als Abzugsposten lediglich der Anschaffungswert des Grund und Bodens.


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Verkaufspreis der Liegenschaft
161.000,00
Anschaffungskosten Grund u. Boden lt vorgelegtem Anlageverz.
120.294,20
Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen
40.705,80

Aktenkundig sind der Kaufvertrag über den Verkauf der Liegenschaft vom **.**.2014, ein Auszug aus dem Hauptbuch des Grundbuchs sowie das Anlageverzeichnis für das Jahr 2012 betreffend die Liegenschaft.

In ihrer durch ihren steuerlichen Vertreter eingebrachten Beschwerde wendet die Beschwerdeführerin ein, es entspreche keinesfalls den Tatsachen, dass das Gebäude durch den Brandfall völlig wertlos geworden sei, da das verbliebene Gebäude sehr wohl saniert werden könne und somit von einem wertlosen Gebäude keine Rede sein könne. Sie verwies auf Doralt/Kirchmayr/Zorn, EStG, § 30 Tz 77 letzter Satz: "Abweichend davon, können die Anschaffungskosten von Grund und Boden und inzwischen zerstörtem Gebäude dann bei der Veräußerung des Grund- und Bodens abgezogen werden, wenn zum Zeitpunkt der Anschaffung des bebauten Grundstückes noch die Einheitstheorie wirksam war und der Grund und Boden und Gebäude daher ein einheitliches Wirtschaftsgut dargestellt haben." Dieser Fall liege im Streitfall vor, wobei jedoch ein zur Gänze zerstörtes Bauwerk nicht vorliege. Die Steuer für Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen möge daher nicht festgesetzt werden.

Mit Vorhalt vom hielt das Finanzamt der Beschwerdeführerin Folgendes vor:

"Hinsichtlich des veräußerten Gebäudes in [...] gelangte das Finanzamt aufgrund des Kaufvertrages (Grundstücksverkauf) vom **.**. 2014 und eines Zeitungsartikels vom **.**. 2012 (Kurier) zur Ansicht, dass das Gebäude infolge eines Brandschadens wertlos geworden ist. Im o.a. Kaufvertrag wird das Gebäude als "Brandruine" bezeichnet. Der erwähnte Zeitungsartikel berichtet davon, dass das Haus unbewohnbar geworden ist und ein hoher Sachschaden entstand und weiters einer Ruine gleicht.
Da in Ihrer Beschwerde angeführt wird, dass das Gebäude zum Zeitpunkt der Veräußerung nicht wertlos gewesen wäre, werden Sie ersucht, diese Behauptung mit geeigneten Unterlagen (z. B. Gutachten) nachzuweisen."

In Beantwortung dieses Vorhaltes erklärte die Beschwerdeführerin durch ihren steuerlichen Vertreter, das Finanzamt habe es unterlassen, die materielle Wahrheit zu erforschen und sei seiner Ermittlungspflicht nicht nachgekommen. Vielmehr habe es im angefochtenen Bescheid völlig unbegründet nur auf den Kaufvertrag verwiesen ohne zu überprüfen, wie sich der tatsächliche Bauzustand des Gebäudes darstelle. Es habe dadurch gegen § 115 Abs 3 BAO verstoßen und unterlassen, die Umstände zu Gunsten der Beschwerdeführerin zu prüfen und zu würdigen.

In weiterer Folge befragte der Prüfer im Juli 2015 den Käufer der Liegenschaft als Auskunftsperson. In der darüber aufgenommenen Niederschrift wird ausgeführt:

"Bezüglich seiner beruflichen Tätigkeit gibt Herr Dipl. Ing. [...] an, dass er als Architekt bei einem renommierten Architekturbüro tätig ist und die Ziviltechnikerprüfung abgelegt hat. Er schätzt sich durchaus in der Lage, den Wert und die bauliche Substanz einer Liegenschaft zu beurteilen.
Im Kaufvertrag [...] wird das [...] Gebäude als Brandruine bezeichnet, welche objektiv abbruchreif sei. Bitte beschreiben Sie den Zustand des Gebäudes bei Vertragsabschluss.
Allgemein:
Im gesamten Haus gab es weder Wasser noch Strom (Anschlüsse vorhanden, aber unbrauchbar; Kabel verschmort), teilweise fehlende Armaturen, schwere Schäden durch Löschwasser.
Keller und Kostraum rechte (südöstliche) Seite: nutzbar. Räume darüber nur nach aufwändiger Renovierung nutzbar.
Durchfahrt: schwere Mauerschäden (Löschwasser), nur provisorisches Dach (mit Holzbrettern abgedeckt)
Linker Teil (Haustechnikkeller): desolat, linker Bereich Erdgeschoss: nur noch Grundmauern mit provisorischen Dach
angrenzendes Stadelgebäude: sanierungsbedürftig (speziell das Dach)
hinten liegender Stadel: dem Alter entsprechender Zustand"

In einem Schreiben vom brachte die Beschwerdeführerin durch ihren steuerlichen Vertreter weiters ua Folgendes vor:

"[...] Wir verweisen auf die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ, RV/1100342/2012 in dem auf Seite 4 wie folgt angeführt ist: Doralt a.a.O. verweist in § 30 Tz 221 ausdrücklich auf die unterschiedliche Handhabung vor und nach Inkrafttreten des 1. StabG: Auf Gebäude entfallende Anschaffungskosten können ab Geltung des 1. StabG nicht mehr angesetzt werden, wenn die Gebäude im Zeitpunkt der Veräußerung, etwa aufgrund einer katstrophenbedingten Zerstörung, nicht mehr vorhanden sind. Mit Verweis auf § 30 Tz 77 stellt Doralt klar: "Abweichend davon können die Anschaffungskosten von Grund und Boden und inzwischen zerstörtem Gebäude dann bei der Veräußerung des Grund und Bodens abgezogen werden, wenn zum Zeitpunkt der Anschaffung des bebauten Grundstückes noch die Einheitstheorie wirksam war und Grund und Boden und Gebäude daher ein einheitliches Wirtschaftsgut dargestellt haben". In der den Streitzeitraum betreffenden Kommentarausgabe Doralt/Kempf, EStG7, § 30 Tz 162, ist - wie schon oben zitiert nachzulesen: "Wird zunächst ein bebautes Grundstück angeschafft und dann innerhalb der Spekulationsfrist veräußert, nachdem das Gebäude zerstört worden ist, dann werden dem Veräußerungserlös dennoch die vollen Anschaffungskosten gegenübergestellt; dies entspricht durchaus dem Grundgedanken des § 30, der nur die tatsächliche Bereicherung erfassen will, ..."
Daraus ist ersichtlich, dass auf das besagte Grundstück jedenfalls noch die Einheitstheorie anzuwenden ist (Anschaffung im Jahr 2004) [...]."

Das Finanzamt erließ eine abweisende Beschwerdevorentscheidung, wobei es in einer gesonderten Begründung ergänzend ausführte, im Anlassfall sei ein Vermietungsobjekt einem Brand zum Opfer gefallen. Bei Vermietungsobjekten glichen sich laut EStR 2000 Rz 6410 Schadenersatzleistungen mit der zerstörten Substanz aus. Eine nicht abzugsfähige außerordentliche Abnutzung stehe einer nicht steuerbaren Einnahme gegenüber und es liege ein steuerlich unerheblicher Vorgang vor. Durch diesen steuerlich unerheblichen Vorgang sei aber der Vermögensschaden an der Substanz abgegolten und es könne im Zug einer Veräußerung nicht dazu kommen, dass der durch steuerfreie Versicherungsleistungen abgegoltene Schaden in späteren Jahren erlösmindernd berücksichtigt werde. Die von der Beschwerdeführerin zitierte Literatur könne sich somit nur auf solche Fälle beziehen, wo die Schäden nicht gedeckt seien und daher den Eigentümer endgültig belasteten.
Der Vollständigkeit halber sei, bezugnehmend auf das wiederholte Vorbringen, die Behörde sei ihrer Ermittlungspflicht nicht entsprechend nachgekommen, zu ergänzen, dass das Finanzamt neben der Heranziehung allgemein zugänglicher Informationen auch Erhebungen beim Erwerber durchgeführt habe, um den Zustand des Vermietungsobjektes im Veräußerungszeitpunkt zu erheben. Die Beschwerdeführerin sei in mehreren Vorhalten zur Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhaltes insbesondere durch Vorlage von Versicherungsunterlagen aufgefordert worden. Die Beschwerdeführerin habe jedoch bisher keine Unterlagen über die Schadenserhebung, Schadensberechnung und die Schadensabgeltung durch die Versicherung vorgelegt und auch nicht vorgebracht, dass der Schaden nicht durch eine Versicherung gedeckt gewesen sei.
Das Finanzamt sei im angefochtenen Bescheid berechtigt davon ausgegangen, dass eine Versicherungsentschädigung als Entgelt für die Minderung der Vermögenssubstanz steuerneutral vereinnahmt worden sei, weshalb eine zusätzliche Erlösminderung im Zuge der Liegenschaftsveräußerung nicht berücksichtigt habe werden können.

Die Beschwerdeführerin brachte durch ihren steuerlichen Vertreter einen Vorlageantrag ein, wobei sie zur Begründung auf ihre Beschwerde verwies und kein weiteres Vorbringen erstattete.

Mit Telefax vom zog die Beschwerdeführerin ihre Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und auf Entscheidung über die Beschwerde durch den Senat zurück.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den vom Finanzamt vorgelegten Veranlagungsakt, insbesondere die im Verfahrensgang dargestellten Bescheide und Vorhalte des Finanzamtes sowie die Schriftsätze der Beschwerdeführerin, und in den elektronischen Akt des Finanzamtes. Danach steht folgender Sachverhalt fest:

Die Beschwerdeführerin erwarb im Jahr 2004 eine bebaute Liegenschaft in X****, bestehend aus dem Gst.Nr. ***** Bauflächen (Gebäude), Gärten (Gärten), **** Bauflächen (Gebäude) Gärten (Gärten) und **** Bauflächen (Gebäude).

Die Anschaffungs- und Herstellungskosten der Liegenschaft bzw des Grundstücks betrugen insgesamt laut Anlageverzeichnis:


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Grund und Boden:
120.294,20
Gebäude:
421.374,99
Summe:
541.669,19

Einen Teil des Gebäudes (18,37%) vermietete die Beschwerdeführerin. Sie brachte dabei Absetzungen für Abnutzungen (AfA) von kumuliert 57.396,50 € zum Ansatz.

In der Nacht von **** 2012 kam es zu einem Brand, bei dem das Gebäude großteils zerstört wurde.

Die Beschwerdeführerin erhielt aus Anlass des Brandes Versicherungsentschädigungen, welche den entstandenen Schaden am Gebäude abdeckten.

Mit Kaufvertrag vom **.**.2014 verkaufte die Beschwerdeführerin die Liegenschaft bzw das Grundstück um 161.000 €.
Im Kaufvertrag wird dabei mehrmals ausgeführt, dass es sich bei dem Gebäude um eine "Brandruine" handelt. Unter Punkt Viertens heißt es dabei ua:

Der Käufer nimmt genehmigend zur Kenntnis, dass das auf der vertragsgegenständlichen Liegenschaft befindliche Gebäude eine Brandruine ist, welche über keine funktionsfähige Heizung und teilweise über kein Dach verfügt.
[...]
Beide Vertragsteile stellen fest, dass es sich bei dem auf der vertragsgegenständlichen Liegenschaft errichteten Gebäude um eine Brandruine handelt, welche objektiv abbruchreif ist.

Im Verkaufszeitpunkt stellte sich der Zustand des Gebäudes wie folgt dar (Angaben des Käufers):

Allgemein:
Im gesamten Haus gab es weder Wasser noch Strom (Anschlüsse vorhanden, aber unbrauchbar; Kabel verschmort), teilweise fehlende Armaturen, schwere Schäden durch Löschwasser.
Keller und Kostraum rechte (südöstliche) Seite: nutzbar. Räume darüber nur nach aufwändiger Renovierung nutzbar.
Durchfahrt: schwere Mauerschäden (Löschwasser), nur provisorisches Dach (mit Holzbrettern abgedeckt)
Linker Teil (Haustechnikkeller): desolat, linker Bereich Erdgeschoss: nur noch Grundmauern mit provisorischen Dach
angrenzendes Stadelgebäude: sanierungsbedürftig (speziell das Dach)
hinten liegender Stadel: dem Alter entsprechender Zustand

Das (nach dem Brand verbliebene) Gebäude war im Veräußerungszeitpunkt wertlos.

Diese Feststellungen gründen sich auf die angeführten Beweismittel sowie auf folgende Beweiswürdigung:

Die Höhe der geltend gemachten AfA ergibt sich aus dem vom Notar vorgelegten Anlagenverzeichnis.

Das Finanzamt hat der Beschwerdeführerin zuletzt in der Beschwerdevorentscheidung vorgehalten, dass der durch den Brand entstandene Schaden durch Versicherungsleistungen gedeckt gewesen sei. Dieser Vorhalt blieb im Beschwerdeverfahren unbestritten.

Ebenso hat das Finanzamt der Beschwerdeführerin vorgehalten, dass das Gebäude beim Verkauf wertlos gewesen sei und die Beschwerdeführerin betreffend deren gegenteilige Behauptung zu einem entsprechenden Nachweis aufgefordert. Ein solcher Nachweis erfolgte nicht.

Im Übrigen sind die Feststellungen unstrittig.

Rechtlich folgt daraus:

§ 30 EStG 1988 in der für das Streitjahr anzuwendenden Fassung lautet, soweit für das Beschwerdeverfahren relevant:

(1) Private Grundstücksveräußerungen sind Veräußerungsgeschäfte von Grundstücken, soweit sie keinem Betriebsvermögen angehören. Der Begriff des Grundstückes umfasst Grund und Boden, Gebäude und Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (grundstücksgleiche Rechte). Bei unentgeltlich erworbenen Grundstücken ist auf den Anschaffungszeitpunkt des Rechtsvorgängers abzustellen. Bei Tauschvorgängen ist § 6 Z 14 sinngemäß anzuwenden.

(2) Von der Besteuerung ausgenommen sind die Einkünfte:

1. - 4. [...]

(3) Als Einkünfte ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den Anschaffungskosten anzusetzen. Die Anschaffungskosten sind um Herstellungsaufwendungen und Instandsetzungsaufwendungen zu erhöhen, soweit diese nicht bei der Ermittlung von Einkünften zu berücksichtigen waren. Die Anschaffungskosten sind um Absetzungen für Abnutzungen, soweit diese bei der Ermittlung von Einkünften abgezogen worden sind, sowie um die in § 28 Abs. 6 genannten steuerfreien Beträge zu vermindern. [...]

Die Einkünfte sind zu vermindern um

- die für die Mitteilung oder Selbstberechnung gemäß § 30c anfallenden Kosten und um anlässlich der Veräußerung entstehende Minderbeträge aus Vorsteuerberichtungen gemäß § 6 Z 12;

- [...].

(4) Soweit Grundstücke am nicht steuerverfangen waren, sind als Einkünfte anzusetzen: [...]

(5) - (6) [...]

(7) Führen die privaten Grundstücksveräußerungen, auf die der besondere Steuersatz gemäß § 30a Abs. 1 anwendbar ist, in einem Kalenderjahr insgesamt zu einem Verlust, ist dieser zur Hälfte ausschließlich mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auszugleichen. Dies gilt auch im Falle der Ausübung der Regelbesteuerungsoption (§ 30a Abs. 2).

(8) [...]

Das Finanzamt beruft sich im Wesentlichen darauf, dass die Beschwerdeführerin das zerstörte Gebäude zum Teil vermietet gehabt hatte. Bei einem Vermietungsobjekt glichen sich Schadenersatzleistungen mit der zerstörten Substanz aus. Eine nicht abzugsfähige außerordentliche Abnutzung stehe einer nicht steuerbaren Einnahme gegenüber und es liege ein steuerlich unerheblicher Vorgang vor. Durch diesen steuerlich unerheblichen Vorgang sei aber der Vermögensschaden an der Substanz abgegolten und es könne im Zug einer Veräußerung nicht dazu kommen, dass der durch steuerfreie Versicherungsleistungen abgegoltene Schaden in späteren Jahren erlösmindernd berücksichtigt werde. Die von der Beschwerdeführerin zitierte Literatur könne sich somit nur auf solche Fälle beziehen, wo die Schäden nicht gedeckt seien und daher den Eigentümer endgültig belasteten. Das Finanzamt sei im angefochtenen Bescheid berechtigt davon ausgegangen, dass eine Versicherungsentschädigung als Entgelt für die Minderung der Vermögenssubstanz steuerneutral vereinnahmt worden sei, weshalb eine zusätzliche Erlösminderung im Zuge der Liegenschaftsveräußerung nicht berücksichtigt habe werden können.

Entsprechend der vor dem 1. StabG 2012 geltenden Rechtslage war die ertragsteuerliche Behandlung von Grundstücken von der sogenannten "Einheitstheorie" geprägt. Nach dieser Theorie umfasste der Grundstücksbegriff den Grund und Boden und das Gebäude gesamthaft als ein einheitliches Wirtschaftsgut. Diese auf den RFH zurückgehende und einige Jahrzehnte lang in der Judikatur des deutschen BFH fortgeführte Sichtweise wurde auch vom VwGH übernommen und bis zum Inkrafttreten des 1. StabG 2012 beibehalten (Bodis/Hammerl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG17, § 30 Tz 19).

Der Unterschied zwischen teilweisem Wertverlust und Untergang eines Gebäudes hat auf Grund der Aufgabe der Einheitstheorie mitunter auch steuerliche Konsequenzen: Sinkt der Wert eines Gebäudes von 1000 auf 100 und liegt dieser Wert unter den Anschaffungskosten, wird im Fall der Veräußerung zu diesem Preis ein Veräußerungsverlust realisiert. Wird das Gebäude dagegen zerstört, ist eine Veräußerung desselben und somit die Realisierung des Verlustes nicht mehr möglich, weil bei einer Veräußerung von bloßem Grund und Boden auch nur dessen Anschaffungskosten für die Ermittlung der Einkünfte berücksichtigt werden können. Abweichend davon können die Anschaffungskosten von Grund und Boden und inzwischen zerstörtem Gebäude dann bei der Veräußerung des Grund und Bodens abgezogen werden, wenn zum Zeitpunkt der Anschaffung des bebauten Grundstückes noch die Einheitstheorie wirksam war und Grund und Boden und Gebäude daher ein einheitliches Wirtschaftsgut dargestellt haben (Bodis/Hammerl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG17, § 30 Tz 77).

Dies gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige für das zerstörte Gebäude eine Versicherungsentschädigung erhalten hat (vgl dazu die in der Vorauflage zur früheren Fassung des § 30 EStG vertretene Ansicht in Doralt/Kempf, EStG7, § 30 Tz 162).

Ebenso spielt es insoweit keine Rolle, ob das Gebäude vermietet wurde. Die vom Finanzamt angeführten Aussagen der EStR 2000 Rz 6410 beziehen sich lediglich auf die Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und nicht auf die Ermittlung der Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen.

Die Einkünfte aus der Grundstücksveräußerung waren somit negativ. Es hat daher keine Berücksichtigung von Einkünften aus Grundstücksveräußerungen zu erfolgen. Die Beschwerde erweist sich damit als berechtigt.

Zur Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Soweit ersichtlich liegt weder zur Frage, wie bei vor dem erworbenen Grundstücken die Zerstörung von Gebäuden bei der Ermittlung der Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen zu berücksichtigen ist, noch zu der Frage, inwieweit dabei erhaltene Versicherungsentschädigungen zu berücksichtigen sind, Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.
Die zu lösenden Rechtsfragen sind demzufolge von grundsätzlicher Bedeutung. Eine ordentliche Revision ist daher zulässig.

Der Beschwerde ist daher gemäß § 279 BAO Folge zu geben und der angefochtene Bescheid zum Vorteil der Beschwerdeführerin abzuändern.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
zerstörtes Gebäude
Einheitstheorie
ImmoESt
Grundstücksbesteuerung
Verweise
EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 6410
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102015.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
LAAAC-32027