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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 04.08.2022, RV/7100986/2013

Mängelbehebungsverfahren - keine Einwendungen gegen die Wiederaufnahmebescheide

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***1***, ***2***, ***3***, vertreten durch ***4***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 1/23 (nunmehr Finanzamt Österreich - Dienststelle 09), Steuernummer 09-209/0984, vom betreffend Wiederaufnahme der Verfahren Umsatz- und Körperschaftsteuer für die Jahre 2007 bis 2009, beschlossen:

Die Beschwerde gilt gemäß § 278 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 85 Abs. 2 Bundesabgabenordnung (BAO) als zurückgenommen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Verfahrensgang

Bei der Beschwerdeführerin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (ursprüngliche Firmenbezeichnung: ***5***.), wurde eine den Prüfungszeitraum 2007 bis 2009 umfassende abgabenbehördliche Prüfung durchgeführt. Dabei wurden die im Bericht gemäß § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung und in der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom dargestellten Feststellungen getroffen. Zur Wiederaufnahme der Verfahren Umsatz- und Körperschaftsteuer für die Jahre 2007 bis 2009 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wurde ausgeführt, dass diese unter Bedachtnahme auf das Ergebnis der durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung und der sich daraus ergebenden Gesamtauswirkung erfolge. Im vorliegenden Fall könnten die steuerlichen Auswirkungen nicht als geringfügig angesehen werden. Bei der im Sinne des § 20 BAO vorgenommenen Interessensabwägung sei dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit (Parteiinteresse an der Rechtskraft) einzuräumen gewesen.

Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Außenprüfung und erließ am Bescheide über die Wiederaufnahme der Verfahren Umsatz- und Körperschaftsteuer für die Jahre 2007 bis 2009 und führte begründend aus, dass die Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 4 BAO aufgrund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung erfolge, welche der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen seien. Daraus sei auch die Begründung für die Abweichungen vom bisherigen im Spruch bezeichneten Bescheid zu ersehen. Die Wiederaufnahme sei jeweils unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt worden. Im vorliegenden Fall überwiege das Interesse an der Rechtsrichtigkeit das Interesse an der Rechtsbeständigkeit. Die steuerlichen Auswirkungen könnten auch nicht als bloß geringfügig angesehen werden.

Mit Schreiben vom erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Berufung gegen diese Bescheide und brachte vor, dass die Begründung innerhalb der nächsten zwei Wochen unaufgefordert nachgereicht werde.

Mit Mängelbehebungsauftrag vom forderte das Finanzamt die Beschwerdeführerin auf, die Mängel der Berufung vom (Fehlen der Inhaltserfordernisse gemäß § 250 Abs. 1 BAO
- die Erklärung, in welchen Punkten die Bescheide angefochten werden,
- die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden,
- eine Begründung
bis zum zu beheben, widrigenfalls die Berufung als zurückgenommen gelte.

Mit Schreiben vom beantragte die Beschwerdeführerin die stattgebende Erledigung der Berufung im Wege der Kassation und in eventu die volle Stattgabe auf Basis der Berufungsschrift vom . Eine Begründung zur Berufung gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme der Verfahren Umsatz- und Körperschaftsteuer für die Jahre 2007 bis 2009 enthält dieser Schriftsatz vom nicht.

Das Finanzamt legte die Beschwerde vom am zur Entscheidung an den Unabhängigen Finanzsenat vor.

Die am beim Unabhängigen Finanzsenat anhängigen Berufungen sind gemäß § 323 Abs. 38 BAO, BGBl. Nr. 194/1961 in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2013, vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Strittig sind die Wiederaufnahmen der Verfahren betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer für die Jahre 2007 bis 2009 gemäß § 303 Abs. 4 BAO.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung:
Gemäß § 303 Abs. 1 lit b) Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961 in der Fassung BGBl. I 2013/14, ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen zulässig, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorkommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte (§ 303 BAO in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 14/2013 trat gemäß § 323 Abs. 37 BAO mit in Kraft und ist, soweit er Beschwerden betrifft, auch auf alle an diesem Tag unerledigten Berufungen anzuwenden).

Gemäß § 307 Abs. 1 BAO ist mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid unter gleichzeitiger Aufhebung des früheren Bescheides die das wiederaufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung zu verbinden.

Der Wiederaufnahmebescheid und der neue Sachbescheid sind zwei Bescheide, die jeder für sich einer Bescheidbeschwerde zugänglich sind bzw. der Rechtskraft teilhaftig werden können (vgl. Ritz, BAO6, § 307 Tz 7; ; , 2000/14/0142; , 2006/15/0367; , 2007/15/0041). Auch hinsichtlich ihrer Behebbarkeit (z.B. gemäß § 299 BAO) sind sie getrennt zu beurteilen (vgl. ).

Sind beide Bescheide mit Bescheidbeschwerde angefochten, so ist zunächst über die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid zu entscheiden (vgl. ; , 2001/15/0004; , 2009/15/0170; , Ra 2019/13/0091).

Gemäß § 250 Abs. 1 BAO hat die Bescheidbeschwerde zu enthalten:
a) die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet;
b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird;
c) die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden;
d) eine Begründung.

Nach § 85 Abs. 2 BAO berechtigen Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung; inhaltliche Mängel liegen nur dann vor, wenn in einer Eingabe gesetzlich geforderte inhaltliche Angaben fehlen. Dem Einschreiter ist die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.

Das Erlassen eines Mängelbehebungsauftrages liegt nicht im Ermessen der Abgabenbehörde. Entspricht eine Bescheidbeschwerde nicht den Vorgaben des § 250 Abs. 1 BAO, ist die Behörde verpflichtet, einen derartigen Auftrag zu erlassen. Ebenso gilt die Bescheidbeschwerde zwingend als zurückgenommen, wenn einem gesetzeskonform ergangenen Mängelbehebungsauftrag nicht ordnungsgemäß entsprochen wurde. Diese Rechtsfolge tritt ex lege ein, ohne dass es dazu eines Zurücknahmebescheides bedarf. In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof etwa zum Erkenntnis vom , Zl. 2006/15/0157 folgenden Rechtssatz formuliert: "Wird einem berechtigten behördlichen Auftrag zur Mängelbehebung überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder zwar innerhalb der gesetzten Frist aber - gemessen an dem sich an den Vorschriften des § 250 Abs. 1 BAO orientierten Mängelbehebungsauftrag - unzureichend entsprochen, gilt die Berufung kraft Gesetzes als zurückgenommen…".

Im Beschwerdefall wurde von der Beschwerdeführerin in einem Schriftsatz sowohl Berufung gegen die Wiederaufnahmebescheide als auch gegen die Sachbescheide Umsatz- und Körperschaftsteuer für die Jahre 2007 bis 2009 erhoben. Mangels einer in diesem Schriftsatz vom enthaltenen Begründung wurde von der belangten Behörde zu Recht ein Mängelbehebungsauftrag erlassen.

Die Angabe einer Begründung (§ 250 Abs. 1 lit. d BAO) soll die Behörde in die Lage versetzen, klar zu erkennen, aus welchen Gründen die Beschwerdeführerin die Berufung für gerechtfertigt bzw. für Erfolg versprechend hält.

Die Ausführungen der Beschwerdeführerin im Schriftsatz vom zur Mängelbehebung richten sich ausschließlich gegen die von der abgabenbehördlichen Prüfung getroffenen Feststellungen hinsichtlich der Sachbescheide Umsatz- und Körperschaftsteuer für die Jahre 2007 bis 2009. Einwendungen gegen die Unzulässigkeit der verfügten Wiederaufnahme dieser Verfahren wurden nicht erhoben bzw. auch die gemäß § 250 Abs. 1 lit. d BAO erforderliche Begründung nicht beigebracht. Da somit dem berechtigten Auftrag zu Mängelbehebung der Berufung gegen die Wiederaufnahmebescheide Umsatz- und Körperschaftsteuer 2007 bis 2009 nicht entsprochen wurde, gilt die Berufung gegen diese Bescheide kraft Gesetzes als zurückgenommen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 9 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da sich die Rechtsfolge im Falle der Nichtbefolgung eines Mängelbehebungsauftrages unmittelbar aus § 85 Abs. 2 BAO ergibt, liegt hier keine Rechtsfrage vor, der gemäß Art. 133 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 9 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
Die ordentliche Revision ist daher im vorliegenden Fall nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 307 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 250 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100986.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at