Erweist sich die bekannt gegebene Selbstberechnung als richtig, so ist der Antrag auf Festsetzung abzuweisen.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Anton Fleischhacker, Goldeggasse 3/7, 1040 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratssabteilung 6,Rechnungs- und Abgabenwesen, Dezernat Abgaben und Recht, Referat Landes- und Gemeindeabgaben vom betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Festsetzung der Vergnügungssteuer für den Zeitraum 2012 bis 2015 zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (Bf) stellte mit Schreiben vom , eingelangt beim Magistrat der Stadt Wien am , den Antrag, die Vergnügungssteuer für den Zeitraum vom bis bescheidmäßig festzusetzen, da die Bf die Rechtsansicht vertrete, dass es aufgrund der Kollision der Rechtsnormen Glücksspielgesetz und dem Gesetz über die Besteuerung von Vergnügen im Gebiet der Stadt Wien (Vergnügungssteuergesetz 2005) zu einer Doppelbesteuerung komme.
Begründend führte die Bf aus, dass im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung festgestellt worden sei, dass Bewilligungen der Gesellschaft teilweise ausgelaufen seien, wobei Anträge auf Fortschreibung oder Verlängerung der Bewilligungen nicht erledigt oder abgewiesen worden seien. An Standorten, wo die Genehmigungen ausgelaufen seien, sei daher die Glücksspielabgabe festzusetzen. Die Bf habe die Vergnügungssteuer entrichtet, obwohl die Bewilligungen ausgelaufen seien. Auf Grund der Kollision dieser Abgabentatbestände nach Vergnügungssteuer und Glücksspielabgabe komme es zu einer Doppelbesteuerung.
Mit Bescheid vom wies der Magistrat der Stadt Wien den Antrag auf Festsetzung als unzulässig zurück. In der Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, dass die Festsetzung von Glücksspielabgabe zusätzlich für dieselben Geldspielapparate, für die Vergnügungssteuer selbst berechnet worden war, kein rückwirkendes Ereignis darstelle. Die Vergnügungssteuer dürfe weiterhin erhoben werden, wenn weder Bewilligungen nach der alten noch nach der neuen glücksspielgesetzlichen Rechtslage bestünden. Im Zusammenhang mit der Grundsatzbestimmung des § 31a Glücksspielgesetz werde daher auf die rückwirkend mit in Kraft getretene Novellierung des § 6 Abs 1 VGSG hingewiesen, wonach Spielapparate ohne Bewilligung oder Konzession in den Anwendungsbereich des Vergnügungssteuergesetzes fallen. Das VGSG stelle nicht darauf ab, ob eine Abgabe entrichtet worden sei, sondern ausschließlich darauf, ob der in § 6 VGSG normierte Tatbestand erfüllt worden sei. Im Übrigen sei im Abgabenrecht eine "Doppelbesteuerung" grundsätzlich nicht unzulässig. Laut den Erläuterungen zum FAG 2008 zu den Vergnügungssteuern der Gemeinden beträfen die Einschränkungen der novellierten Glücksspielgesetzbestimmungen nur erlaubte Ausspielungen und hinderten Länder und Gemeinden nicht, Vergnügungssteuer auf verbotene Ausspielungen zu erheben. Eine unzulässige Doppelbesteuerung im Sinne des § 8 Abs 3 F-VG oder § 31a GSpG liege somit nicht vor. Nachdem kein rückwirkendes Ereignis vorliege und die Selbstberechnung richtig erfolgt sei, mangele es an den Voraussetzungen zur Erlassung eines Abänderungsbescheides, weshalb der Antrag zurückzuweisen sei.
Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und der Antrag gestellt, die Vergnügungssteuer bescheidmäßig festzusetzen. Nach Ansicht der Bf liege in der laufenden Prüfung des Finanzamtes ein rückwirkendes Ereignis vor. Gleichzeitig werde vorgebracht, dass die Anträge auf Fortschreibung oder Verlängerung der Landesbewilligungen nicht erledigt worden seien.
Der Magistrat der Stadt Wien entschied mit abweisender Beschwerdevorentscheidung. Ein rückwirkendes Ereignis liege nur vor, wenn sich die Rückwirkung bezogen auf den Zeitpunkt des Entstehens des Abgabenanspruches aus den Abgabenvorschriften ergebe. Die Vorschreibung der Glücksspielabgabe stelle kein rückwirkendes Ereignis in Bezug auf den Abgabenanspruch an Vergnügungssteuer dar. Nachdem die Bf keine Konzession für die gehaltenen Glücksspielapparate nach dem Glücksspielgesetz besessen habe, fielen diese in den Anwendungsbereich des VGSG.
Die Bf beantragte die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die Bf hat für die von ihr gehaltenen Geldspielapparate fristgerecht die Vergnügungssteuer selbst berechnet und bekannt gegeben und entrichtet.
Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde festgestellt, dass teilweise keine Bewilligungen für das Betreiben der Geldspielapparate vorlagen. Für diese Apparate wurde ungeachtet der entrichteten Vergnügungssteuer Glücksspielabgabe vorgeschrieben.
Der Antrag der Bf, die Vergnügungssteuer mittels Bescheiden festzusetzen, weil sich die Berechnung als nicht richtig erwiesen habe, wurde von der Behörde zurückgewiesen, da sich die Selbstberechnung nach Ansicht der Behörde als richtig erweise.
Beweiswürdigung
Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und dem zweifelsfreien Vorbringen der Bf. Dagegensprechende Umstände wurden nicht vorgebracht und ergeben sich auch nicht aus dem Akteninhalt, sodass das Bundesfinanzgericht diesen Sachverhalt als erwiesen annehmen und seiner Entscheidung zugrunde legen durfte.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Ein Bescheid kann auf Antrag der Partei (§ 78) oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat (§ 295a Abs 1 BAO).
Der Antrag ist insbesondere dann (als unzulässig) zurückzuweisen, wenn er
• von einem hiezu nicht Befugten eingebracht wird,
• auf Abänderung eines rechtlich nicht existenten Bescheides gerichtet ist.
Der Antrag ist u. a. dann abzuweisen, wenn
• kein rückwirkendes Ereignis i. S. d. § 295a BAO vorliegt,
• in richtiger Ermessensübung die Abänderung zu unterbleiben hat.
Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann nach Maßgabe des Abs 2 und muss nach Maßgabe des Abs 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekannt gegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist (§ 201 Abs 1 BAO).
(2) Die Festsetzung kann erfolgen,
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1. | … |
2. | …. |
3. | …. |
4. | (aufgehoben durch BGBl I 2009/20) , |
5. | wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 293b oder des § 295a die Voraussetzungen für eine Abänderung vorliegen würden. |
Die Festsetzung einer Selbstberechnungsabgabe setzt demnach stets voraus, dass sich die bekannt gegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist oder dass der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbstberechneten Betrag der Behörde bekannt gibt.
Der Antrag ist zurückzuweisen, wenn er unzulässig ist (bspw bei fehlender Antragsbefugnis des Einschreiters) oder wenn er nicht fristgerecht eingebracht wurde.
Erweist sich die bekannt gegebene Selbstberechnung als richtig, so darf keine Festsetzung der Abgabe erfolgen. Der Antrag auf Festsetzung ist abzuweisen (Ritz, BAO, 7. Auflage, § 201, Tz 29).
Für den vorliegenden Fall bedeutet das:
Die Behörde hat den Antrag auf Abänderung gemäß § 295a BAO und Festsetzung in Verbindung mit § 201 Abs 2 Z 5 BAO betreffend Vergnügungssteuer zurückgewiesen. In der Begründung des Bescheides hat sich die Behörde inhaltlich damit auseinandergesetzt, dass eine Rückwirkung im Sinne des § 295a BAO nicht gegeben ist und sich die selbstberechneten und bekanntgegebenen Beträge als richtig erwiesen haben, und dass eine bescheidmäßige Festsetzung somit nicht erfolgen kann. Sie hätte den Antrag somit abweisen müssen.
Damit ist aber "Sache" des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens die Zurückweisung des Antrages. Erfolgte die Zurückweisung zu Unrecht, dann ist der unrichtige Zurückweisungbescheid ersatzlos zu beheben. Mit der Begründung, dass die Selbstberechnung richtig gewesen sei und kein Rückwirkungstatbestand gegeben sei, hat die Behörde nicht die Antragsberechtigung der Bf, sondern die materiellen Voraussetzungen für eine Festsetzung der Selbstberechnungsabgaben verneint. Sie hätte den Antrag somit abweisen müssen.
Unter diesen Umständen, indem die Zurückweisung des Antrages zu Unrecht erfolgt, ist der bekämpfte Bescheid ersatzlos zu beheben (vgl ).
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die vorliegende Rechtsfrage konnte auf Grundlage der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes beantwortet werden (vgl ). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung lag somit nicht vor.
Aus diesem Grunde wurde die Revision für unzulässig erklärt.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Landesabgaben Wien |
betroffene Normen | § 295a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 201 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 201 Abs. 2 Z 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 295a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7400080.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at