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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 26.07.2022, RV/3100443/2019

Unwirksame Bescheidzustellung an den Vertretenen bei aufrechter Zustellungsvollmacht (allgemeine Vollmacht eines berufsmäßigen Parteienvertreters)

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache der Bf., vertreten durch Rechtsanwalt, betreffend die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes F vom betreffend Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für die Monate April bis Dezember 2014 und Festsetzung eines Verspätungszuschlages zur Kraftfahrzeugsteuer für die Monate April bis Dezember 2014, Steuernummer abc, beschlossen:

Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO in Verbindung mit § 278 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Anlässlich mehrerer Kontrollen, umfassend den Zeitraum bis , stellte die Finanzpolizei fest, dass das Kraftfahrzeug der Marke X (Handelsbezeichnung: Y) mit dem amtlichen deutschen Kennzeichen a am inländischen Hauptwohnsitz der Abgabepflichtigen abgestellt und von ihr im Inland verwendet worden sei. Die Abgabepflichtige sei mit ihrem Hauptwohnsitz seit dem in Gemeinde A, B-Straße/Top 1, polizeilich gemeldet.

2. In Beantwortung eines Ergänzungsersuchens des Finanzamtes F, gerichtet auf Abklärung des dauernden Standortes dieses Kraftfahrzeuges und Übermittlung von Unterlagen, teilte Rechtsanwalt C namens der Kanzleigemeinschaft C+D dem Finanzamt F mit Schreiben vom Folgendes mit:

"Vorerst darf ich bekannt geben, dass Frau EF, B-Straße/Top 1, Gemeinde A, durch mich vertreten wird. Ich berufe mich auf die mir erteilte Vollmacht."

3. Das Finanzamt F erließ am Bescheide betreffend Festsetzung der Normverbrauchsabgabe für den Kalendermonat Februar 2015 samt Verspätungszuschlag, Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für die Monate Jänner bis März 2015, Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für die Monate April bis Dezember 2015 samt Verspätungszuschlag, Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für die Monate Jänner bis Dezember 2016 samt Verspätungszuschlag und Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für die Monate Jänner bis Dezember 2017 samt Verspätungszuschlag. Am erließ das Finanzamt F weiters einen Bescheid betreffend Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für die Monate April bis Dezember 2014 samt Verspätungszuschlagsbescheid.

Die genannten Bescheide vom und wurden an die Abgabepflichtige EF gerichtet und dieser an ihre (damalige) Hauptwohnsitzadresse Gemeinde A, B-Straße/Top 1, ohne Zustellnachweis zugestellt.

4. Gegen die genannten Bescheide vom erhob die Abgabepflichtige durch ihre ausgewiesene rechtsfreundliche Vertreterin, die Kanzleigemeinschaft C+D, am fristgerecht Beschwerden, mit denen sie die Aufhebung dieser Bescheide beantragte. Dabei führte Rechtsanwalt C namens der Kanzleigemeinschaft C+D einleitend aus wie folgt:

"Vorerst zeige ich an, dass Frau EF, B-Straße, Gemeinde A, durch mich vertreten wird. Ich berufe mich ausdrücklich auf die mir erteilte Vollmacht."

Gegen die genannten Bescheide vom erhob die Abgabepflichtige durch ihre ausgewiesene rechtsfreundliche Vertreterin, die Kanzleigemeinschaft C+D, am fristgerecht Beschwerde, mit der sie die Aufhebung des Bescheides betreffend Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für die Monate April bis Dezember 2014 sowie des Verspätungszuschlagsbescheides beantragte. Dabei führte Rechtsanwalt C namens der Kanzleigemeinschaft C+D einleitend aus wie folgt:

"Vorerst zeige ich an, dass Frau EF, B-Straße, Gemeinde A, durch mich vertreten wird. Ich berufe mich ausdrücklich auf die mir erteilte Vollmacht."

5. Mit Beschwerdevorentscheidungen vom und wurden die Beschwerden vom und vom Finanzamt F als unbegründet abgewiesen. Diese Beschwerdevorentscheidungen wurden an die Abgabepflichtige EF gerichtet und zu Handen ihrer ausgewiesenen rechtsfreundlichen Vertreterin, der Kanzleigemeinschaft C+D, an deren Kanzleisitz zugestellt.

6. Am und stellte die Abgabepflichtige durch ihre ausgewiesene rechtsfreundliche Vertreterin, die Kanzleigemeinschaft C+D, fristgerecht Anträge auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerden vom und durch das Verwaltungsgericht. Dabei führte Rechtsanwalt C namens der Kanzleigemeinschaft C+D aus, dass EF, B-Straße/Top 1, Gemeinde A, "bekanntlich" durch ihn vertreten werde.

7. Mit Vorlageberichten vom und legte das Finanzamt F die gegenständlichen Beschwerden vom und zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht vor.

8. Mit Schreiben vom teilte das Bundesfinanzgericht Rechtsanwalt C mit, dass EF in den angeführten Beschwerdeverfahren durch ihn als Rechtsnachfolger der OG "Kanzleigemeinschaft C+D" (Vermögensübernahme gemäß § 142 UGB mit Vereinbarung vom ) rechtlich vertreten werde. Bereits mit Schreiben vom habe er dem Finanzamt F namens der Kanzleigemeinschaft C+D bekannt gegeben, dass EF durch ihn rechtlich vertreten werde. Er habe sich auf die ihm erteilte Vollmacht berufen.

Im Abgabeninformationssystem der Finanzverwaltung sei demgegenüber die Kanzleigemeinschaft C+D (fälschlicherweise mit dem früheren Firmenwortlaut als "C-OEG" bezeichnet) lediglich für den Zeitraum bis als Vertreterin der EF erfasst, wobei sie für diesen Zeitraum auch als Zustellungsbevollmächtigte der Beschwerdeführerin ausgewiesen worden sei. Seit dem bestünde demnach - dem Abgabeninformationssystem der Finanzverwaltung zufolge - keine Zustellungsvollmacht mehr.

Im Hinblick auf § 83 Abs. 2 BAO wurde Rechtsanwalt C ersucht, die folgenden Zweifelsfragen zu klären:

"Bestand zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide (demnach am bzw. ) sowie der Beschwerdevorentscheidungen (demnach am bzw. ) eine aufrechte Zustellungsvollmacht für die Kanzleigemeinschaft C+D?

Mit welchem Inhalt und in welchem Umfang besteht die Vertretungsbefugnis derzeit für Sie?"

Rechtsanwalt C sollte weiters bekannt geben, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form er von den in Beschwerde gezogenen Bescheiden Kenntnis erlangt habe. Er wurde vom Bundesfinanzgericht um eine detaillierte Darstellung der Kenntnisnahme ersucht. Die Übermittlung der in Beschwerde gezogenen Bescheide an die rechtsfreundliche Vertretung durch E-Mails, Fax, Post oder in anderer Form sollte durch entsprechende Unterlagen konkret nachgewiesen werden.

9. Mit Schreiben vom bestätigte Rechtsanwalt C dem Bundesfinanzgericht, dass zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide sowie der Beschwerdevorentscheidungen eine aufrechte Zustellungsvollmacht für die Kanzleigemeinschaft C+D bestanden habe. Nach der Vermögensübernahme gemäß § 142 UGB mit Vereinbarung vom sei das Vollmachtsverhältnis zwischen ihm und EF im selben Umfang aufrecht wie vorher.

Mit E-Mail vom ergänzte Rechtsanwalt C gegenüber dem Bundesfinanzgericht, dass ihm die angefochtenen Bescheide vom "im Original" vorlägen; diese seien von EF vorbeigebracht worden. Die angefochtenen Bescheide vom seien ihm von EF per E-Mail am übermittelt worden. Die entsprechende E-Mail der EF vom samt Anlagen (Bescheid betreffend Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für die Monate April bis Dezember 2014 samt Verspätungszuschlagsbescheid und Zustellnachweis) wurde der E-Mail des Rechtsanwalt C vom an das Bundesfinanzgericht angehängt.

10. Das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens des Bundesfinanzgerichtes wurde dem Finanzamt Österreich (vormals: Finanzamt F) zwecks Wahrung des Parteiengehörs (§ 115 Abs. 2 BAO) mit Schreiben vom zur Kenntnisnahme gebracht.

In seiner Stellungnahme teilte das Finanzamt Österreich dem Bundesfinanzgericht mit Schreiben vom mit, es bestehe kein Zweifel, dass zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide eine aufrechte allgemeine Vollmacht der rechtsfreundlichen Vertretung bestanden habe. Offensichtlich sei dem Finanzamt, indem die Bescheide der Beschwerdeführerin zu eigenen Handen zugestellt worden seien, ein Fehler unterlaufen. Das Finanzamt Österreich vertrat auch die Ansicht, dass hinsichtlich der angefochtenen Bescheide vom (Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für die Monate April bis Dezember 2014 samt Verspätungszuschlagsbescheid) eine Heilung des Zustellmangels eingetreten sei, zumal diese Bescheide dem Empfänger laut Vorbringen der rechtsfreundlichen Vertretung tatsächlich zugekommen seien.

II. Beweiswürdigung

Der vorstehende Sachverhalt (Verfahrensgang) ergibt sich aus dem gesamten Akteninhalt, insbesondere aus dem Ermittlungsverfahren des Bundesfinanzgerichtes zum Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis der Kanzleigemeinschaft C+D. Es ist unbestritten (vgl. das Schreiben des Rechtsanwalt C vom sowie das Schreiben des Finanzamtes Österreich vom ), dass zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide (demnach am bzw. ) sowie der Beschwerdevorentscheidungen (demnach am bzw. ) ein aufrechtes Vollmachtsverhältnis für die Kanzleigemeinschaft C+D bestanden hat. Dies ergibt sich bereits aus dem Schreiben vom , in dem Rechtsanwalt C namens der Kanzleigemeinschaft C+D dem Finanzamt F bekannt gab, dass die Abgabepflichtige EF durch ihn vertreten werde. Gleichzeitig berief er sich auf die ihm erteilte Vollmacht.

Es ist weiters - wiederum unbestritten (vgl. das Schreiben des Rechtsanwalt C vom sowie das Schreiben des Finanzamtes Österreich vom ) - davon auszugehen, dass jedenfalls bereits am eine (eine Zustellungsbevollmächtigung mitumfassende) allgemeine Bevollmächtigung der Kanzleigemeinschaft C+D zur rechtsfreundlichen Vertretung der Abgabepflichtigen EF vorgelegen ist. Diese Zustellungsvollmacht hat auch zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide sowie der Beschwerdevorentscheidungen bestanden. Eine Einschränkung der erteilten Vollmacht ist dem Schreiben vom (wie im Übrigen auch den Beschwerden vom und , in denen sich Rechtsanwalt C ebenfalls ausdrücklich auf die ihm erteilte Vollmacht berief) nicht zu entnehmen.

Die angefochtenen Bescheide vom und wurden an die Abgabepflichtige EF gerichtet und - entgegen der bestehenden Zustellungsvollmacht - nicht der ausgewiesenen rechtsfreundlichen Vertretung (der Kanzleigemeinschaft C+D), sondern der Abgabepflichtigen an ihre (damalige) Hauptwohnsitzadresse ohne Zustellnachweis zugestellt.

Auf der Grundlage der E-Mail (samt Anlagen) des Rechtsanwalt C an das Bundesfinanzgericht vom ist letztlich davon auszugehen ("Nach Sichtung meiner Unterlagen teile ich Ihnen mit"), dass EF die angefochtenen Bescheide vom in der Anwaltskanzlei persönlich vorbeigebracht hat und diese demnach dort "im Original" vorliegen.

Die angefochtenen Bescheide vom (Bescheid betreffend Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für die Monate April bis Dezember 2014 samt Verspätungszuschlagsbescheid) wurden demgegenüber von EF mit E-Mail vom , 12:19 Uhr, als Anhang an die rechtsfreundliche Vertretung der Abgabepflichtigen übermittelt und dort in Bearbeitung genommen. Die Kanzleigemeinschaft C+D erlangte somit von den strittigen Bescheiden vom dadurch Kenntnis, dass ihr die Abgabepflichtige Kopien der Bescheide in Form von JPG-Dateien (Grafikdateien) als Anlagen zu einer E-Mail übermittelte. Diese Originalbescheide verblieben bei der Abgabepflichtigen.

III. Rechtslage

1. Gemäß § 83 Abs. 1 BAO können sich die Parteien und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch natürliche voll handlungsfähige Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben.

Gemäß § 8 Abs. 1 RAO erstreckt sich das Vertretungsrecht eines Rechtsanwalts auf alle Gerichte und Behörden der Republik Österreich und umfasst die Befugnis zur berufsmäßigen Parteienvertretung in allen gerichtlichen und außergerichtlichen, in allen öffentlichen und privaten Angelegenheiten. Vor allen Gerichten und Behörden ersetzt die Berufung auf die Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis. Für einen berufsmäßigen Parteienvertreter genügt es somit, wenn er sich auf die ihm erteilte Vollmacht beruft (vgl. ; ).

Eine allgemeine Vollmacht umfasst, soweit sich daraus nichts Gegenteiliges ableiten lässt, auch die Zustellungsbevollmächtigung (ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes; zB ; ; ; ; ). Dies gilt auch dann, wenn sich ein berufsmäßiger Parteienvertreter auf die ihm erteilte Vollmacht beruft (vgl. ; ; vgl. auch Ritz/Koran, BAO7, § 9 ZustG Tz 20, 21). Die Berufung auf die einem Rechtsanwalt erteilte (allgemeine) Vollmacht schließt auch eine Zustellungsvollmacht ein (vgl. zB ). Die Bevollmächtigung muss im jeweiligen Verfahren geltend gemacht werden (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 9 ZustG Tz 19, mwN).

2. Gemäß § 93 Abs. 2 BAO ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht.

Gemäß § 97 Abs. 1 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekannt gegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt gemäß § 97 Abs. 1 lit. a BAO bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung.

Zustellungen sind gemäß § 98 Abs. 1 BAO - von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - nach dem Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, vorzunehmen.

3. Gemäß § 2 Z 1 ZustG bedeutet "Empfänger" im Sinne dieses Bundesgesetzes die von der Behörde in der Zustellverfügung (§ 5 ZustG) namentlich als solcher bezeichnete Person.

Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung gemäß § 7 ZustG als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

Soweit in den Verfahrensvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien und Beteiligten gemäß § 9 Abs. 1 ZustG andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht).

Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen gemäß § 9 Abs. 3 ZustG als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

4. Gemäß § 260 Abs. 1 BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262 BAO) oder mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes (§ 278 BAO) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist oder nicht fristgerecht eingebracht wurde.

IV. Erwägungen

1. Den Feststellungen des Bundesfinanzgerichtes zufolge hat jedenfalls bereits im November 2017 eine (eine Zustellungsbevollmächtigung mitumfassende) allgemeine Bevollmächtigung der Kanzleigemeinschaft C+D zur rechtsfreundlichen Vertretung der Abgabepflichtigen EF bestanden, die auch zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide am und aufrecht war. Diese Bescheide wurden an die Abgabepflichtige EF gerichtet und - entgegen der bestehenden Zustellungsvollmacht - nicht der ausgewiesenen rechtsfreundlichen Vertretung, sondern EF an ihre (damalige) Hauptwohnsitzadresse zugestellt.

Eine Adressierung und Zustellung einer Erledigung an den Vollmachtgeber, obwohl eine aufrechte Zustellvollmacht besteht, hat die Wirkung, dass die Zustellung rechtsunwirksam ist (vgl. ).

2. Unterbleibt entgegen § 9 Abs. 3 ZustG die Bezeichnung des Zustellungsbevollmächtigten als Empfänger und erfolgt die Zustellung an den Vertretenen, so ist sie unwirksam. Eine Sanierung ist nach § 9 Abs. 3 zweiter Satz ZustG möglich (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 9 ZustG Tz 24).

Eine Heilung von Zustellmängeln nach den §§ 7 und 9 Abs. 3 ZustG setzt voraus, dass das Dokument dem Empfänger "tatsächlich zugekommen" ist. Ein tatsächliches Zukommen setzt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes voraus, dass der vom Gesetz vorgesehene Empfänger tatsächlich in den Besitz des zuzustellenden Schriftstückes (im Original) kommt. Nicht ausreichend ist die bloße Kenntnis vom Vorhandensein und vom Inhalt des Dokuments, etwa infolge der Empfangnahme einer Ablichtung, der eigenständigen Anfertigung einer Kopie oder durch Akteneinsicht (vgl. etwa ; ; ; Ritz/Koran, BAO7, § 7 ZustG Tz 7, mwN).

Eine Sanierung des vorliegenden Zustellmangels ist im Beschwerdefall im Hinblick auf die angefochtenen Bescheide vom (Bescheid betreffend Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für die Monate April bis Dezember 2014 samt Verspätungszuschlagsbescheid) nicht erfolgt. Diese Bescheide wurden der rechtsfreundlichen Vertreterin (und Zustellungsbevollmächtigten), der Kanzleigemeinschaft C+D, von der Beschwerdeführerin EF als Anhang zu einer E-Mail übermittelt und dort in Bearbeitung genommen. Die Kanzleigemeinschaft C+D erlangte somit vom Inhalt dieser Bescheide dadurch Kenntnis, dass ihr die Beschwerdeführerin Kopien der Bescheide in Form von JPG-Dateien (Grafikdateien) als Anlagen zu einer E-Mail übermittelte. Die Originalbescheide verblieben bei der Beschwerdeführerin.

Wenn die Kenntnisnahme des Schriftstückes (ohne tatsächliches Zukommen) nicht genügt, dann saniert auch der Umstand, dass ein Rechtsmittel gegen das Schriftstück eingebracht wird, die fehlende Zustellung nicht (vgl. etwa ; ). Die BAO enthält in Verbindung mit dem ZustG Regelungen über die Heilung von Zustellmängeln; eine "Heilung durch Einlassung" kennen diese Bestimmungen nicht (vgl. nochmals ; ).

Die angefochtenen Bescheide vom (Bescheid betreffend Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für die Monate April bis Dezember 2014 samt Verspätungszuschlagsbescheid) konnten daher mangels rechtswirksamer Zustellung keine Rechtswirkung entfalten.

3. Mit Beschwerde anfechtbar sind nur Bescheide. Daher sind Bescheidbeschwerden gegen Schriftstücke ohne Bescheidcharakter als unzulässig zurückzuweisen (zB ). Entsprechend zurückzuweisen ist auch eine Bescheidbeschwerde gegen einen mangels Zustellung rechtlich nicht existent gewordenen Bescheid (vgl. ; ; ; vgl. auch Ritz/Koran, BAO7, § 260 Tz 8).

Die gegenständliche Beschwerde vom gegen die Bescheide vom betreffend Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für die Monate April bis Dezember 2014 und Festsetzung eines Verspätungszuschlages zur Kraftfahrzeugsteuer für die Monate April bis Dezember 2014 war daher mangels Rechtswirksamkeit der angefochtenen Bescheide als unzulässig zurückzuweisen.

4. Ergänzend wird festgehalten, dass eine Sanierung des vorliegenden Zustellmangels im Hinblick auf die angefochtenen Bescheide vom tatsächlich erfolgt ist. Diese Bescheide wurden von der Beschwerdeführerin EF in der Anwaltskanzlei der Kanzleigemeinschaft C+D persönlich vorbeigebracht und liegen demnach dort "im Original" vor. Die Bescheide vom sind dem Empfänger (der Kanzleigemeinschaft C+D) "tatsächlich zugekommen", wodurch eine Heilung der Zustellmängel nach den §§ 7 und 9 Abs. 3 ZustG eingetreten ist. Die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes F vom sind somit vom Bundesfinanzgericht einer meritorischen Erledigung iSd § 279 Abs. 1 BAO zuzuführen (auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ. RV/3100302/2019, wird diesbezüglich verwiesen).

V. Zulässigkeit einer Revision

Gemäß Art. 133 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 9 B-VG ist gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Im Hinblick auf die Heilung von Zustellmängeln nach den §§ 7 und 9 Abs. 3 ZustG und die Rechtsfolgen einer rechtsunwirksamen Bescheidzustellung konnte sich das Bundesfinanzgericht auf die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 260 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 8 Abs. 1 RAO, Rechtsanwaltsordnung, RGBl. Nr. 96/1868
§ 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 7 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 9 Abs. 3 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.3100443.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at