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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.06.2022, RV/1100003/2022

Bachelorstudium und Masterstudium stellen jeweils eigenständige Berufsausbildungen dar, deren vorgesehene Studienzeiten für Zwecke der Familienbeihilfengewährung nicht zu addieren sind

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri***

in der Beschwerdesache der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***,

betreffend den Bescheid des ***FA*** vom

hinsichtlich Rückforderung an Familienbeihilfe 01.2020-03.2021 für ***1***

zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin wandte sich mit Beschwerde gegen den Bescheid, mit dem Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für ihre Tochter ***1*** zurückgefordert worden waren. Sie führte aus:

***1*** habe das Studium der ***2*** am am ***3*** Konservatorium begonnen und im darauffolgenden Jahr an das ***4*** gewechselt, dies ohne Studienzeitverlust. Die Inskription in ***5*** habe am stattgefunden. ***1*** sei daher bei Studienbeginn 18 Jahre alt gewesen und im selben Kalenderjahr 19 geworden.

Die Gesamtstudiendauer des Studienganges ***2*** betrage 12 Semester (8 Semester Bachelor, 4 Semester Master). Eine Mitarbeiterin des Finanzamtes ***6*** habe der Beschwerdeführerin ausdrücklich erklärt, dass bei der Erfassung der Gesamtstudiendauer Bachelor-und Masterstudium zusammengerechnet würden, sofern keine Studienunterbrechung erfolge.

***1*** habe das Bachelorstudium in der gesetzlich vorgesehenen Mindeststudiendauer von 8 Semestern absolviert. Im Zeitpunkt der Beschwerdeeinbringung (Juni 2021) befinde sie sich im 4. Semester des Masterstudiums. Covid-19-bedingt werde sich der Abschluss des Masterstudiums wesentlich verzögern, weil kaum bis gar kein ***7*** von der Universität habe angeboten werden können.

Die Beschwerdeführerin erläuterte weiters, die Mitarbeiterin des Finanzamtes habe ihr bestätigt, dass sie Anspruch auf Familienbeihilfe bis zum 25. Geburtstag des Kindes habe. Sie habe in der Folge die Studienzeitbestätigung ihrer Tochter nachgereicht, aus der hervorgehe, dass diese das Bachelorstudium in der gesetzlich vorgeschriebenen Zeit abgeschlossen und im Anschluss das Masterstudium begonnen habe. Es sei ihr der Anspruch auf Familienbeihilfe bis zum 25. Geburtstag ihrer Tochter schriftlich bestätigt worden. Sie sei daher erstaunt, dass plötzlich, eineinhalb Jahre später, entschieden werde, dass sie Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen habe. Sie habe stets Ihre Daten offengelegt und sei der Aufforderung, ergänzende Unterlagen einzureichen, vollständig nachgekommen.

Die Beschwerdeführerin legte ergänzend den Zulassungsbogen des Konservatoriums ***8*** und die Studienzeitbestätigung des ***4*** bei.

Es erging eine abweisende Beschwerdevorentscheidung, in welcher unter Hinweis auf § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, § 2 Abs. 1 lit. j FLAG 1967, § 51 Abs. 2 UnivG 2002 und § 51 Abs. 2 Z. 5 UnivG 2002 ausgeführt wurde:

Während einer Berufsausbildung stehe die Familienbeihilfe bis zum 25. Geburtstag zu, wenn ein Studium mit einer gesetzlichen Studiendauer von mindestens 10 Semestern bis zum Jahr des 19. Geburtstages begonnen werde. Bei der Tochter der Beschwerdeführerin treffe diese Voraussetzung nicht zu. Mit dem Abschluss eines Bachelorstudiums sei eine Berufsausbildung abgeschlossen, auch wenn daran anschließend oder später ein Masterstudium betrieben werde. Nach Ansicht des VwGH stelle daher das Masterstudium an einer Universität gegenüber einem vorangegangenen Bachelorstudium ein eigenständiges Studium und eine eigene weiterführende Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 dar. Das Finanzamt verwies auf die höchstgerichtliche Entscheidung .

Eine "Zusammenrechnung" sei daher nicht möglich, der Verlängerungstatbestand sei somit nicht erfüllt, weshalb die Rückforderung aufrecht bleibe.

In der Folge brachte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Vorlage ihrer Beschwerde an das Bundesfinanzgericht ein. Sie erläuterte darin:

1. Es sei ihr durch eine Mitarbeiterin des Finanzamtes bestätigt worden, dass sie Anspruch auf die verlängerte Familienbeihilfe bis zum 25. Geburtstag ihrer Tochter habe. Sie habe in diesem Zusammenhang im Herbst 2019 eine Studienzeitbestätigung ihrer Tochter nachgereicht, aus der zu ersehen sei, dass sie das Bachelorstudium in der gesetzlich vorgeschriebenen Zeit abgeschlossen und anschließend das Masterstudium begonnen habe. Es sei ihr von Seiten des Finanzamtes schriftlich bestätigt worden, dass sie bis zum 25. Geburtstag ihrer Tochter Anspruch auf Familienbeihilfe habe.

  • Nach Zugehen der Beschwerdevorentscheidung habe sie im Finanzamt vorgesprochen, wo ihr erklärt worden sei, dass weder mündliche noch schriftliche Zusagen des Finanzamtes Gewähr hätten. Sie habe daraufhin jene Sachbearbeiterin persönlich kontaktiert, die ihre Beschwerde bearbeitet hatte. Diese habe bedauert, dass die Beschwerdeführerin falsch informiert worden sei, es sei jedoch Tatsache, dass ihr die verlängerte Kinderbeihilfe nicht zustehe. Die Sachbearbeiterin wies im Weiteren darauf hin, dass man in der Coronazeit großzügig gewesen sei, jetzt müsse alles überarbeitet und Zahlungen allenfalls zurückgefordert werden.

  • Die Beschwerdeführerin gab ihrer Meinung Ausdruck, dass diese Vorgehensweise einem "Betrug in großem Stil" gleichkomme. Solche "unfassbaren Machenschaften" könnten in einem Rechtsstaat unmöglich gesetzeskonform sein das Finanzamt müsse für seine "Taten" die Verantwortung übernehmen.

2. Im Übrigen seien die Zahlungen vom Moment der Verlängerung an direkt an ihre Tochter ergangen, sie selbst habe keine Zahlung erhalten. Die Tochter habe die Familienbeihilfe zweckentsprechend für ihr Studium verwendet. Nun verlange das Finanzamt von ihr, der Mutter, die Rückzahlung - sie erhalte seit Juni keine Familienbeihilfe für ihren jüngsten Sohn, um ihre Schuld abzubezahlen. Sie habe beim Finanzamt aber keine Schulden, da sie das Geld nicht bekommen habe.

3. Soweit in der Beschwerdevorentscheidung ausgeführt worden sei, dass mit dem Abschluss eines Bachelorstudiums eine Berufsausbildung vollendet sei und das Masterstudium eine weiterführende Berufsausbildung darstelle, nehme sie wie folgt Stellung: Eine "abgeschlossene Berufsausbildung" bedeute, dass man in dem Beruf, wofür man ausgebildet wurde, auch arbeiten könne. Das sei bei der Lehrerausbildung mit dem bloßen Bachelor nicht der Fall. Um an einer höheren Schule die Lehrtätigkeit ausüben zu können, werde der Master vorausgesetzt. Ihre Tochter könne mit dem Bachelor aus ***9*** höchstens Privatunterricht geben oder an einer ***10*** die Grundstufe unterrichten, nicht aber eine höhere Stufe, sie könne auch nicht an einer höheren Schule tätig sein. Der Bachelor reiche nicht einmal für die Unterstufe eines Gymnasiums. ***11*** werde aber hauptsächlich an einem ***12***, am ***13*** oder am Konservatorium unterrichtet. Ihre Tochter sei also mit dem Abschluss des Bachelor nicht befähigt, die Lehrtätigkeit auszuüben. Deshalb sei ihre Berufsausbildung erst mit dem Masterstudium abgeschlossen.

  • Die Beschwerdeführerin ersuche daher, ihren Anspruch noch einmal zu überprüfen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

  1. ***1***, die Tochter der Beschwerdeführerin, ist am ***14***1995 geboren.

  2. Sie vollendete daher ihr 24. Lebensjahr am .

  3. ***1*** begann ihr Studium der ***2*** am am ***3*** Konservatorium.

  4. Am inskribierte sie am ***4*** und setzte dort ihr Studium fort.

  5. Sie beendete ihr Bachelorstudium am .

  6. Am begann sie mit ihrem Masterstudium.

  7. Die vorgesehene Studiendauer des Studienganges ***2*** beträgt 8 Semester bis zum Bachelorabschluss.

  8. Ein Masterabschluss erfordert zusätzliche 4 Semester.

  9. Mit Beginn des Masterstudiums wurde auch die Direktauszahlung der Familienbeihilfe auf das Konto der Tochter beantragt und in der Folge durchgeführt.

Die Feststellungen zum Sachverhalt gründen sich auf unstrittigen Akteninhalt.

2. Gesetzliche Grundlagen und rechtliche Beurteilung

2.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist …

Anspruch gemäß § 2 Abs. 1 lit. j FLAG 1967 besteht für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, bis längstens zum erstmöglichen Abschluss eines Studiums, wenn sie

aa) bis zu dem Kalenderjahr, in dem sie das 19. Lebensjahr vollendet haben, dieses Studium begonnen haben, und

bb) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums bis zum erstmöglichen Studienabschluss zehn oder mehr Semester beträgt, und

cc) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums nicht überschritten wird.

Gemäß § 14 (1) FLAG 1967 kann ein volljähriges Kind, für das Anspruch auf die Familienbeihilfe besteht, beim Finanzamt Österreich beantragen, dass die Überweisung der Familienbeihilfe auf sein Girokonto erfolgt …

Gemäß Abs. 2 leg. cit. bedarf eine Überweisung nach Abs. 1 der Zustimmung der Person, die Anspruch auf die Familienbeihilfe hat …

Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann auch die Person, die Anspruch auf die Familienbeihilfe für ein Kind hat, beantragen, dass die Überweisung der Familienbeihilfe auf ein Girokonto dieses Kindes erfolgt …

Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Gemäß Abs. 2 leg cit. können zurückzuzahlende Beträge nach Abs. 1 auf fällige oder fällig werdende Familienbeihilfen angerechnet werden.

Strittig ist: Erfolgte die Rückforderung an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für die Tochter der Beschwerdeführerin, die im ***15*** 2019 ihr 24. Lebensjahr vollendete, für den Zeitraum ***16*** zu Recht?

Durch das Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl I 2010/111, wurde die Altersgrenze bei Berufsausbildungen auf 24 Jahre herabgesetzt. Dies geht zurück auf Änderungen des Studienrechts in jüngerer Zeit, zu denen nicht zuletzt die Einführung des Bachelorstudiums an Fachhochschulen und in den meisten der an österreichischen Universitäten angebotenen Studienrichtungen zählt. Die Selbsterhaltungsfähigkeit wird nunmehr in der Regel bereits nach 6 Semestern (Mindeststudiendauer) erreicht.

Dies bedeutet, dass grundsätzlich höchstens bis zum Ende des Monats, in den der 24. Geburtstag fällt, Familienbeihilfe zusteht (§ 10 Abs. 2 FLAG 1967).

Der Verfassungsgerichtshof hat diese Änderungen im Erkenntnis vom , G6/2011, als verfassungskonform angesehen; es bleibe dem Gesetzgeber aufgrund des ihm zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes unbenommen, eine einmal geschaffene Rechtsposition auch zulasten des Betroffenen zu verändern (Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG2 § 2, Rz 29).

Eine Verlängerung der Altersgrenze bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres sieht § 2 Abs. 1 lit. j FLAG 1967 für längerdauernde Studien vor, das sind Studien, die bis zum erstmöglichen Studienabschluss 10 oder mehr Semester umfassen.

Nach § 54 UG 2002 ist ein Bachelorstudium als eigenständiges Studium anzusehen. Für die Berechnung, ob die gesetzliche Studiendauer 10 oder mehr Semester beträgt, ist daher ein daran anschließendes Masterstudium nicht einzubeziehen (Lenneis aaO, § 2, Rz 33 mit Hinweis auf ).

Auf der Homepage der Universität ***17*** finden sich nachstehende Informationen (www.moz.ac.at):

"Das Bachelor Studium ***18*** an der Universität ***17*** dauert 8 Semester."…

"Das Bachelorstudium ***18*** dient der ***26***, pädagogischen und wissenschaftlichen Vorbildung. Studienziel ist entsprechend der Erwerb differenzierter ***26***, pädagogischer und wissenschaftlicher Kompetenz zur Vermittlung von ***19*** in diversen Erscheinungsformen. Das Studium befähigt zum Erteilen von qualifiziertem ***20*** entsprechend dem jeweiligen Studienprofil im Rahmen von ***10***n, in Kooperationen mit allgemeinbildenden Schulen, in freier Tätigkeit sowie an Universitäten, Hochschulen und anderen postsekundären Bildungseinrichtungen. Darüber hinaus eröffnet es aber auch viele andere mit diesem Bereich verwandte ***21*** Tätigkeitsfelder. Dazu gehören unter anderem das eigene ***22***, dass ***23***, die wissenschaftliche und ***24*** Forschung, das ***25***….

Mit dem erfolgreichen Studienabschluss wird die Lehrbefähigung für österreichische ***10***len im jeweiligen zentralen ***26*** Fach sowie im jeweiligen Wahlpflichtmodul erteilt. Darüber hinaus kann mit Abschluss des entsprechenden Wahlpflichtmoduls eine Lehrbefähigung für ***19*** und Bewegung für die Elementar-und Grundstufe an ***10*** erworben werden. Die Bachelorprüfung (= der Bachelorabschluss) besteht aus dem positiven Abschluss der Lehrveranstaltungen und Prüfungen aller Module sowie der Erstellung einer Bachelorarbeit ...."

Umgelegt auf den Streitfall ergibt sich:

Es ist unstrittig und wurde auch von der Beschwerdeführerin nicht in Abrede gestellt, dass der Studiengang ***2*** bis zum Bachelorabschluss 8 Semester umfasst. Da somit der erstmögliche Studienabschluss binnen 8 Semestern erreichbar ist, liegt kein Anwendungsfall gemäß § 2 Abs. 1 lit. j sublit. bb FLAG 1967 für eine Verlängerung des Familienbeihilfenanspruchs bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres vor.

Ein im Anschluss begonnenes, 4-semestriges Masterstudium ist für die Fristberechnung gemäß § 2 Abs. 1 lit. j sublit. bb FLAG 1967 nicht hinzuzurechnen (vgl. Zitat Fachliteratur oben sowie : "Mit dem Abschluss des Bachelorstudiums ist eine Berufsausbildung abgeschlossen, ein begonnenes Masterstudium stellt ein davon getrenntes neues Studium und eine neuerliche, weitere Berufsausbildung dar").

Soweit die Beschwerdeführerin in ihrem Vorlageantrag ausgeführt hat, der Bachelorabschluss ihrer Tochter berechtige diese nicht, an einer höheren Schule tätig zu sein, sie sei daher mit diesem Abschluss nicht befähigt, die Lehrtätigkeit auszuüben -erst mit einem Masterstudium sei ihre Berufsausbildung abgeschlossen - ist sie auf obenstehenden Auszug aus der Homepage der Universität ***17*** hinzuweisen.

Demnach geht der Bachelorabschluss einher mit einer Kompetenz zur Vermittlung von ***19*** und befähigt zur Erteilung von ***20*** an einer Vielzahl von Schulen sowie zu weiteren Tätigkeiten im Bereich ***21***r Aufgabenfelder (siehe oben).

Sollte daher auch tatsächlich ein ***20*** an höheren Schulen mit einem Bachelorabschluss nicht möglich sein, macht die Aufzählung auf der Homepage der Universität klar, dass mit dem Bachelor ein qualifizierter Ausbildungsabschluss mit diversen beruflichen Einsatzmöglichkeiten vorliegt.

Unstrittig hat die Tochter der Beschwerdeführerin, die ihr Bachelorstudium am ***3*** Konservatorium im Sommer 2014 als 18-jährige begann und nach insgesamt 8-semestriger Dauer im Sommer 2018 als 22-jährige am ***4*** beendete, ihren Bachelorabschluss in der vorgesehenen Studienzeit absolviert und bestand in dieser Zeit Anspruch auf die Gewährung der Familienbeihilfe.

Für ihre unmittelbar im Anschluss begonnene weitere Berufsausbildung - das Masterstudium - war die Familienbeihilfe bis zur Vollendung ihres 24. Lebensjahres im ***15*** 2019 von Rechts wegen weiter zu gewähren (vgl. hiezu : "Der Abschluss eines Bachelorstudiums … steht einem Anspruch auf Familienbeihilfe für die unterhalb der Altersgrenze des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG1967 gelegene Zeit eines anschließenden Masterstudiums … nicht entgegen …").

Zusammenfassend ist aber gegenständlich eine Anwendbarkeit von § 2 Abs. 1 lit. j FLAG 1967, welcher unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Familienbeihilfe bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres einräumt, nicht gegeben: So hat zwar hat die Tochter der Beschwerdeführerin die Anspruchsvoraussetzungen insofern erfüllt, als sie sich im Jahr des Studienbeginns am Konservatorium ***8*** im 19. Lebensjahr befand (sublit. aa) und die gesetzliche Studiendauer ihres Bachelorstudiums von 8 Semestern nicht überschritt (sublit. cc), jedoch beträgt die gesetzliche Studiendauer des Studienganges ***2*** bis zum erstmöglichen Studienabschluss (Bachelor) nicht 10 oder mehr, sondern bloß 8 Semester. Somit liegt von den drei kumulativ erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen jene gemäß sublit. bb) leg. cit. nicht vor.

Der Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für die Tochter der Beschwerdeführerin endet daher mit dem Monat, in dem sie ihr 24. Lebensjahr vollendet hat, d. h., mit ***15*** 2019. Für den Zeitraum ***16*** wurden somit Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zu Unrecht bezogen und liegen die Voraussetzungen für eine Rückforderung gemäß § 26 FLAG 1967 vor.

Das BFG verkennt nicht die Härte, die mit der Rückforderung unter den von der Beschwerdeführerin geschilderten Umständen verbunden ist.

Für das Verständnis des § 26 FLAG 1967 ist es jedoch wesentlich, sich die Systematik der Auszahlung von Familienbeihilfe vor Augen zu halten: Das FLAG kennt keine bescheidmäßige Zuerkennung von Familienbeihilfe. Gleiches gilt für den gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 gemeinsam mit der Familienbeihilfe auszuzahlenden Kinderabsetzbetrag. Steht nach Ansicht der Beihilfenbehörde Familienbeihilfe zu, hat sie diese gemäß § 11 FLAG 1967 auszuzahlen und hierüber gemäß § 12 FLAG 1967 eine Mitteilung auszustellen. Diese Mitteilung ist nicht rechtskraftfähig.

Eine Rückforderung ist auch dann zulässig, wenn der entscheidungswesentliche Sachverhalt der Behörde vollständig offengelegt und von dieser zunächst unrichtig beurteilt wurde. Der Umstand, dass die Behörde nach Prüfung des Sachverhalts Familienbeihilfe ausbezahlt und hierüber eine Mitteilung ausgefertigt hat, steht daher einer Rückforderung nach § 26 nicht entgegen (Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG2, § 26, Rz 3).

Aus § 26 Abs. 1 ergibt sich eine rein objektive Rückzahlungsverpflichtung desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezuges, also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug an. Allfällige subjektive Momente, wie die Gutgläubigkeit des Empfangs der Familienbeihilfe oder die Verwendung der Familienbeihilfe, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Der gutgläubige Verbrauch der Beträge ist rechtlich ohne Bedeutung, weil der Rückforderungsanspruch nach § 26 Abs. 1 nur auf die objektive Unrechtmäßigkeit des Bezuges der Familienbeihilfe abstellt (Wanke aaO, § 26, Rz 12 ff mit zahlreichen Verweisen auf höchstgerichtliche Judikate).

Diese objektive Erstattungspflicht hat zur Folge, dass der Behörde, sobald die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe nicht mehr gegeben sind, hinsichtlich der Rückforderung von bereits bezogener Familienbeihilfe kein Ermessensspielraum bleibt ().

Soweit die Beschwerdeführerin in ihrem Vorlageantrag eingewendet hat, die Zahlungen seien vom Moment der Verlängerung an (Anm.: D. h., ab Jänner 2020) direkt an ihre Tochter ergangen, sie selbst habe keine einzige Zahlung erhalten, daher könne die Rückforderung nicht bei ihr erfolgen, ist auszuführen:

Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 hat primären Anspruch auf Familienbeihilfe die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Führt das Kind beispielsweise einen eigenen Haushalt, ist die Person anspruchsberechtigt, die die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt.

Auch bei Überweisung der Familienbeihilfe gemäß § 14 FLAG 1967 auf ein Konto des Kindes, bleibt der bisherige Anspruchsberechtigte unverändert. Wurden also Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, hat eine Rückforderung vom Anspruchsberechtigten zu erfolgen (vgl. ).

Anspruchsberechtigte Person ist im Streitfall die Beschwerdeführerin, weshalb auch die Rückforderung gesetzeskonform bei ihr erfolgte.

Eine Verrechnung von zurückzuzahlenden Beträgen mit fälligen oder fällig werdenden Familienbeihilfen (für andere Kinder) ist gemäß § 26 Abs. 2 FLAG 1967 zulässig.

Insgesamt war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Hinweis: Die vorstehenden Ausführungen, die auf der geltenden Gesetzeslage beruhen und in der zitierten Judikatur und Fachliteratur ihren Niederschlag finden, gelten für alle Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen. Auch wenn im Streitfall offenbar seitens der Abgabenbehörde eine nicht zutreffende Auskunft hinsichtlich des Familienbeihilfenanspruches erteilt wurde, bedeutet dies nicht, dass "das Finanzamt mit voller Absicht Schuldner kreiert und mit der Existenz der Menschen spielt", wie dies die Beschwerdeführerin in ihrem Vorlageantrag u. a. zum Ausdruck gebracht hat.

Es steht der Beschwerdeführerin frei, allenfalls beim Finanzamt einen Antrag auf Nachsicht gemäß § 236 BAO einzubringen. Ein Nachsichtsverfahren ist ein von der Rückforderung getrenntes Verfahren (Wanke aaO, § 26, Rz 78).

Im Zuge eines Nachsichtsverfahrens ist das Vorliegen von persönlichen und sachlichen Unbilligkeitsgründen für die Einhebung einer Abgabe (bzw. hier: Für eine Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen) seitens des Finanzamtes zu überprüfen.

Nach der Rechtsprechung kann eine sachliche Unbilligkeit vorliegen, wenn durch die Beihilfenbehörde der Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. ) dadurch verletzt wurde, dass der Nachsichtswerber auf ein unrichtiges Verhalten der Behörde, das eindeutig und unzweifelhaft für ihn zum Ausdruck kam, vertraut und danach disponiert hat … (Wanke aaO, § 26 Rz 84 sowie und VO des Bundesministers für Finanzen betreffend Unbilligkeit der Einhebung iSd § 236 BAO, BGBl II 2005/435 idF BGBl II 2019/236). ).

2.2. (Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Voraussetzungen, unter denen Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge gewährt werden bzw. bei zu Unrecht erfolgtem Bezug zurückzufordern sind, waren bereits Gegenstand der höchstgerichtlichen Rechtsprechung und lassen sich zudem in klarer Weise aus dem Gesetz ableiten. Es liegt daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 54 UG, Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002
§ 2 Abs. 1 lit. j FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.1100003.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at