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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.03.2022, RV/7104200/2017

Verschiebung des Endtermines bei einem gebührenrechtlich auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Bestandvertrag

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2022/16/0017. Mit Erkenntnis vom wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7104200/2017-RS1
Ist ein Bestandvertrag, der einen Endtermin vorsieht, aufgrund eines unbeschränkten Kündigungsrechtes gebührenrechtlich als auf unbestimmte Zeit geschlossen zu betrachten, bewirkt es keine gebührenpflichtige Verlängerung i.S.d. § 21 GebG 1957, wenn die Parteien diesen Endtermin verschieben.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom betreffend Rechtsgeschäftsgebühr, Steuernummer ***BFStNr***, Erf.Nr. ***BfErfNr***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass die Rechtsgeschäftsgebühr für den 4. Nachtrag vom zum Bestandvertrag vom mit € 27.599,49 festgesetzt wird.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom , St.Nr. ***BFStNr***, Erf.Nr. ***BfErfNr***, setzte die belangte Behörde die Rechtsgeschäftsgebühr für den 4. Nachtrag vom zum Bestandvertrag vom zwischen der Beschwerdeführerin und der ***BG*** gem. § 33 TP 5 Abs. 1 Z. 1 GebG 1957 vorläufig mit € 673.573,31 fest. Sie ging davon aus, dass durch diesen Nachtrag die Dauer des Bestandvertrages (ursprüngliche Laufzeit bis ) um vier Jahre (bis ) verlängert wurde. Da aufgrund der vereinbarten Kündigungsmöglichkeit gebührenrechtlich von einem Vertrag mit unbestimmter Dauer auszugehen sei, wurde als Bemessungsgrundlage der dreifache Jahreswert herangezogen. Im Hinblick auf den grundsätzlich umsatzabhängigen und daher der Höhe nach noch nicht endgültig feststehenden Bestandzins erfolgte die Vorschreibung gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom . Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass es sich beim 4. Nachtrag weder um eine Novation i.S.d. § 24 GebG 1957 noch um eine Verlängerung der Laufzeit i.S.d. § 21 GebG 1957 handle. Einerseits haben sich weder die Vertragsparteien noch der Vertragsgegenstand geändert, sodass es sich beim 4. Nachtrag nicht um einen neuen Bestandvertrag handle, andererseits sei der Vertrag sowohl in seiner Stammfassung als auch in der Fassung des 4. Nachtrages gebührenrechtlich als Vertrag mit unbestimmter Dauer zu qualifizieren, sodass aus gebührenrechtlicher Sicht keine beachtliche Verlängerung der Laufzeit vorliege.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Sie ging weiterhin davon aus, dass es sich beim 4. Nachtrag um eine Verlängerung i.S.d. § 21 GebG 1957 handle, da der Vertrag ungeachtet dessen, dass er gebührenrechtlich als Vertrag auf unbestimmte Dauer zu beurteilen ist, in seiner ursprünglichen Fassung am jedenfalls geendet hätte und es einer neuerlichen Willenseinigung bedurfte, dass er nun erst am endet.

Mit Schriftsatz vom stellte die Beschwerdeführerin gemäß § 264 BAO den Antrag auf Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht. Der in diesem Vorlageantrag enthaltene Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie auf Entscheidung durch den gesamten Senat wurde mit Schriftsatz vom zurückgezogen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Mit Vertrag vom nahm die Beschwerdeführerin (unter ihrer damaligen Fa. ***Bf-FaAlt1***, FN ***Bf-FN***) Geschäftsflächen am ***XXX*** im Ausmaß von insgesamt 1.953,16 m2 von der ***BG*** zum Betrieb eines Geschäftes zum Verkauf von Waren gemäß einer angeschlossenen Sortimentsliste in Bestand (§ 1.1 des Vertrages). Der Bestandzins war vereinbarungsgemäß umsatzabhängig, wobei je nach Produktgruppe unterschiedliche Prozentsätze zur Anwendung gelangten, betrug jedoch mindestens € 554,66 (ab dem zweiten vollen Betriebsjahr € 597,32) pro m2 und Monat (§ 3.1), sohin monatlich € 1.083.339,70 im ersten Jahr und € 1.166.661,53 ab dem zweiten Jahr, zuzüglich Neben- bzw. Betriebskosten (§ 4), Kosten für elektrische Energie/Wärme/Kälte/Wasser (§ 5), Werbekosten (§ 7.5), Haftpflichtversicherung (§ 7.15) und USt. Weiters hat sich die Beschwerdeführerin verpflichtet, das Bestandobjekt bei Beendigung des Bestandverhältnisses auszumalen (§ 10.8). Der Vertrag wurde vereinbarungsgemäß mit Wirksamkeit vom "Bestandgeberausbauendtermin" (bauliche Fertigstellung der bestandgeberseitigen Leistungen) befristet bis zum abgeschlossen und sollte zu diesem Termin ohne weitere Kündigung erlöschen. Eine konkludente Vertragsverlängerung über den hinaus wurde einvernehmlich ausgeschlossen und der Endtermin durch einen vollstreckbaren, notariellen Räumungsvergleich abgesichert (§ 2 des Vertrages). Gemäß § 12.2 des Vertrages ist die Bestandgeberin unbeschadet der vereinbarten Bestanddauer berechtigt, das Bestandverhältnis unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von zwei Monaten zum Ende eines jeden Kalendermonats mit eingeschriebenem Brief zu kündigen, wenn dies zufolge Umbaues oder aus wesentlichen organisatorischen Gründen notwendig ist oder wenn aus Gründen des ***XXX-Betriebes*** oder der ***XXX-Sicherung*** oder zufolge gesetzlicher Vorschriften oder behördlicher Anordnungen der Bestandgegenstand abgeändert, entfernt oder sonst verwendet werden muss. Aufgrund dieser Kündigungsbestimmung war zwischen den Parteien des Beschwerdeverfahrens zunächst strittig, ob es sich beim Bestandvertrag vom um einen Vertrag mit bestimmter oder unbestimmter Dauer handelt. Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7101940/2011, wurde schließlich entschieden, dass der Bestandvertrag vom als Vertrag mit unbestimmter Dauer zu qualifizieren ist und die Rechtsgeschäftsgebühr auf Basis einer Bemessungsgrundlage von € 52.175.381,86 (3-fache Jahresleistung einschließlich aller Nebenleistungen und USt) mit € 521.753,82 festgesetzt, dies im Hinblick auf die umsatzabhängigen Bestandzinskomponenten gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig, da der Beobachtungszeitraum für eine endgültige Festsetzung bei Erlassung des Erkenntnisses noch zu kurz war. Maßgeblich für die Beurteilung, dass es sich um einen Vertrag von unbestimmter Dauer handelt, war, dass die "organisatorischen Gründe", welche die Bestandgeberin zur Kündigung berechtigen, nicht näher definiert sind und von der Bestandgeberin jederzeit und auch gegen den Willen der Bestandnehmerin herbeigeführt werden können. Von dieser Möglichkeit hatte die Bestandgeberin gegenüber anderen Bestandnehmern auch bereits Gebrauch gemacht. Die Bestandgeberin wollte ihre Bestandnehmer möglichst lange binden, sich selbst aber die jederzeitige Kündigungsmöglichkeit offen halten und wurde dies von der Beschwerdeführerin auf Grund der Monopolstellung der Bestandgeberin beim Vertragsabschluss akzeptiert. Die dadurch bewirkte Ungewissheit hinsichtlich der Vertragsdauer hatte nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes zur Folge, dass von Anfang an von einer unbestimmten Dauer des Vertragsverhältnisses auszugehen ist.

Mit 1. Nachtrag vom wurde der Bestandgegenstand um einen Raum im Ausmaß von 35,07 m2 erweitert. Alle übrigen Bestimmungen des Bestandvertrages vom blieben unverändert aufrecht.

Mit 2. Nachtrag vom - die Beschwerdeführerin firmierte nunmehr als ***Bf-FaAtl2*** - wurde der Bestandgegenstand ab um Flächen im Gesamtausmaß von 1.806,71 m2 erweitert. Der Bestandzins blieb weiterhin grundsätzlich umsatzabhängig. Der Mindestbestandzins betrug nun vereinbarungsgemäß € 1.732.479,05 netto monatlich, wovon ein Teilbetrag von € 907.819,05 auf die schon bisher in Bestand genommenen Flächen entfiel und ein Teilbetrag von € 824.660,05 auf die neu hinzugekommenen Flächen. Die Kündigungsbestimmung des § 12.2 wurde dahingehend ergänzt, dass die Bestandgeberin dieses Kündigungsrecht nur hinsichtlich der benötigten Teilflächen ausüben kann (Teilkündigung) und der Beschwerdeführerin im Falle der Kündigung wegen eines Umbaues ein adäquates Ersatzlokal anzubieten bzw. - sofern dies nicht möglich sein sollte - Investitionsersatz zu leisten hat. Dieser Nachtrag wurde von der belangten Behörde als weiterer Bestandvertrag über die zusätzlichen Objekte vergebührt, und zwar aufgrund der i.W. unveränderten Kündigungsbestimmungen wiederum als Vertrag mit unbestimmter Dauer.

Mit 3. Nachtrag vom wurde ab ein Raum im Ausmaß von 23,30 m2 aus dem Bestandgegenstand ausgeschieden und an die Bestandgeberin zurückgestellt. Alle übrigen Bestimmungen des Bestandvertrages vom i.d.F. des 2. Nachtrages vom blieben vereinbarungsgemäß unverändert aufrecht.

Mit dem nun streitgegenständlichen 4. Nachtrag vom wurde vereinbart, dass der Vertrag hinsichtlich eines Raumes im Ausmaß von 59,60 m2 mit Ablauf des enden soll. Weiters wurde der Termin, zu dem der (gesamte) Vertrag jedenfalls ohne weitere Kündigung enden soll, vom auf den verlegt (Pkt. B § 2). Der Bestandzins war weiterhin umsatzabhängig, wobei die von den in den einzelnen Produktgruppen erzielten Umsätzen zu zahlenden Prozentsätze jenen entsprechen, die auch im zweiten Nachtrag vorgesehen waren (Pkt. C § 3.1.1). Zusätzlich sollte die Bestandgeberin weitere 1 % des gesamten Jahresnettoumsatzes erhalten, wenn dieser im betreffenden Geschäftsjahr den Betrag von € 75.000.000,00 übersteigt, bzw. weitere 2 % des Jahresumsatzes, wenn dieser € 85.000.000,00 übersteigt (Pkt C § 3.1.2). Der Mindestbestandzins betrug nun € 1.494.661,36 zzgl. Nebenleistungen und USt (Pkt B § 3.1.1). Soweit im Nachtrag nichts anderes festgelegt ist, sollten die übrigen Bestimmungen des Bestandvertrages vom i.d.F. des 3. Nachtrages unverändert aufrecht bleiben (Pkt. E). Die Änderung durch den 4. Nachtrag traten vereinbarungsgemäß rückwirkend mit in Kraft (Pkt. B § 2).

Im Zeitraum bis hatte die Beschwerdeführerin folgende umsatz- und verbrauchsabhängige Zahlungen (einschließlich USt) an die Bestandgeberin zu erbringen:

Werbekosten € 1.305.969,77
Betriebskosten € 866.379,35
Stromkosten € 862.717,97
Versicherung € 26.727,63
umsatzabhängiger Bestandzins gem. § 3.1.1 € 110.339.306,47
umsatzabhängiger Bestandzins gem. § 3.1.2 € 3.679.932,16

Am beendeten die Beschwerdeführerin und die ***BG*** das Bestandverhältnis aufgrund des Vertrages vom einvernehmlich und schlossen einen neuen Bestandvertrag ab.

Im Jahr 2020 (die Eintragung im Firmenbuch erfolgte am ) änderte die Beschwerdeführerin ihre Firma in "***Bf***"

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zum Vertragsverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und der ***BG*** gründen sich auf die vorliegenden Vertragsurkunden, also den Stammvertrag vom und die vier Nachträge vom , , und . Die ergänzenden Feststellungen, wonach die Bestandgeberin sich eine jederzeitige Kündigungsmöglichkeit offenhalten wollte, von dieser Möglichkeit gegenüber anderen Bestandnehmern auch tatsächlich Gebrauch gemacht hat und dies von der Beschwerdeführerin akzeptiert wurde, sowie die Feststellungen zum Verfahren RV/7101940/2011 des Bundesfinanzgerichtes gründen sich auf die Einsichtnahme in den Akt RV/7101940/2011. Die Feststellungen zu den umsatz- und verbrauchsabhängigen Zahlungen der Beschwerdeführerin sowie zur Beendigung des Bestandverhältnisses anlässlich eines neuen Vertragsabschlusses gründen sich auf das Schreiben der Beschwerdeführerin an die belangte Behörde vom , in dem diese Umstände bekannt gegeben wurden. Die Feststellungen zur Änderung der Firma der Beschwerdeführerin gründen sich auf eine Abfrage des Firmenbuches durch das Gericht.

Die festgestellten Tatsachen sind zwischen den Parteien im Übrigen unstrittig. Strittig ist, welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Vorweg ist darauf einzugehen, dass im 2. Nachtrag vom die Kündigungsbestimmung des § 12.2 des Vertrages, die dafür maßgeblich war, dass der Stammvertrag vom gebührenrechtlich als unbefristeter Vertrag zu betrachten war, geändert wurde. Durch diesen Nachtrag wurde das Kündigungsrecht der Bestandgeberin - zumindest dem Wortlaut nach - insofern eingeschränkt, als sie dieses nur noch hinsichtlich der benötigten Teilflächen ausüben kann und der Beschwerdeführerin im Falle der Kündigung zufolge eines Umbaues ein Ersatzobjekt anzubieten bzw. - falls dies nicht möglich sein sollte - Investitionsersatz zu leisten hat. Nach Auffassung des Gerichtes hat diese Änderung nicht zur Folge, dass das Bestandverhältnis nun als solches auf bestimmte Dauer zu qualifizieren wäre. Nachdem die Bestandgeberin die nicht näher definierten "organisatorischen Gründe" jederzeit und auch gegen den Willen der Bestandnehmerin herbeiführen kann, steht es wohl auch in ihrem Belieben, in welchem Umfang sie diese Gründe herbeiführt und ob sie daher die Voraussetzungen für eine gänzliche Kündigung oder eine bloße Teilkündigung des Bestandverhältnisses schafft. Zudem gilt die nun vorgesehene Ersatzbeschaffung bzw. Investitionsablöse nur im Falle der Kündigung zufolge eines Umbaues, nicht aber im Fall der Kündigung aus - von der Bestandgeberin beliebig herbeiführbaren - "organisatorischen Gründen". Die Kündigungsmöglichkeit für die Bestandgeberin wurde daher im praktischen Ergebnis nicht eingeschränkt, sodass auch nach der Änderung durch den 2. Nachtrag vom von einem Bestandverhältnis auf unbestimmte Zeit auszugehen ist (vgl. VwGH verstSen , 0840/62, wonach ein Bestandverhältnis auf unbestimmte Zeit anzunehmen ist, wenn zumindest ein Vertragsteil das Vertragsverhältnis ohne Beschränkung auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Gründe durch Kündigung auflösen kann).

Weiters ist vorweg festzuhalten, dass der vierte Nachtrag vom nicht als Novation i.S.d. § 24 GebG 1957 anzusehen ist. Eine solche läge nur vor, wenn ohne Hinzutritt einer dritten Person Rechte oder Verbindlichkeiten derart umgeändert werden, dass sich der Rechtsgrund oder der Hauptgegenstand einer Forderung ändert (§ 1376 ABGB). Der Rechtsgrund des gegenständlichen Vertragsverhältnisses wurde jedenfalls nicht geändert, da es sich nach wie vor um ein Bestandverhältnis handelt. Geändert haben sich die Fläche und der Bestandzins sowie der Termin, zu dem das Vertragsverhältnis jedenfalls enden soll. Diese Punkte betreffen nicht einen "Hauptgegenstand" i.S.d. § 1376 ABGB: Einerseits stellt es nicht eine Novation, sondern allenfalls einen Zusatz oder Nachtrag i.S.d. § 21 GebG 1957 dar, wenn Leistungen (wie hier: die Fläche und der Bestandzins) ihrem Umfang nach geändert, also vermehrt oder vermindert werden (Twardosz, GebG, Rz 11 zu § 21), andererseits gehört die Vertragsdauer nicht zum Hauptgegenstand, sodass auch diesbezügliche Änderungen keine Novation darstellen (). Der vierte Nachtrag stellt auch keinen neuen, Bestandvertrag über das selbe Objekt dar, da er nicht selbstständig, also ohne den Inhalt der ursprünglichen Urkunde(n) bestehen kann (er trifft lediglich einzelne neue Regelungen hinsichtlich Fläche, Bestandzins und Endzeitpunkt, verweist jedoch im Übrigen auf die Bestimmungen des Bestandvertrages vom i.d.F. des 3. Nachtrages), sodass der Stammvertrag und die vier Nachträge ein und dasselbe Rechtsgeschäft wiedergeben (Identität des Rechtsgeschäftes; vgl. Bergmann/Pinetz, GebG, Rz. 8 zu § 21). Er ist daher ausschließlich im Lichte des § 21 GebG 1957 zu betrachten.

Gemäß § 21 GebG 1957 ist ein Zusatz oder Nachtrag zu einer bereits ausgefertigten Vertragsurkunde gebührenpflichtig, wenn durch ihn die im ursprünglichen Vertrag beurkundeten Rechte oder Verbindlichkeiten ihrer Art oder ihrem Umfang nach geändert werden oder wenn die vereinbarte Geltungsdauer des Rechtsgeschäftes verlängert wird. Die Gebührenpflicht eines solchen Nachtrages richtet sich nach dem Umfang der vereinbarten Änderung oder Verlängerung.

Mit dem streitgegenständlichen 4. Nachtrag vom wurde vereinbart, dass der Bestandvertrag anstatt - wie ursprünglich vorgesehen - am erst vier Jahre später, sohin am enden soll. Die belangte Behörde hat darin eine Verlängerung i.S.d. § 21 GebG 1957 erblickt. Da das bislang geltende Vertragsverhältnis aufgrund des vereinbarten umfassenden Kündigungsrechtes der Bestandgeberin gebührenrechtlich als Vertrag auf unbestimmte Zeit zu qualifizieren war und dieses Kündigungsrecht weiterhin bestand, nahm die belangte Behörde eine Verlängerung auf unbestimmte Zeit an und unterzog den 4. Nachtrag der 1-%igen Rechtsgeschäftsgebühr des § 33 TP 5 GebG 1957 auf Basis der dreifachen Jahresleistung. Die belangte Behörde geht also davon aus, dass ein ursprünglich auf unbestimmte Zeit geschlossenes Rechtsgeschäft auf unbestimmte Zeit verlängert wurde.

Hierzu ist auszuführen, dass das bisherige Vertragsverhältnis zwar der Form nach (und auch zivilrechtlich) auf eine bestimmte Zeit eingegangen wurde, aber dennoch vor dem vereinbarten Endtermin von der Bestandgeberin jederzeit aufgelöst werden kann, wobei dieses Auflösungsrecht keinen nennenswerten Schranken unterliegt. Aus diesem Grund ist für Zwecke des Gebührenrechtes - wie bereits ausgeführt - von einem Vertrag auf unbestimmte Zeit auszugehen. Dass das Vertragsverhältnis jedenfalls am ohne weitere Kündigung enden sollte, ist daher gebührenrechtlich ohne Relevanz. Folglich kann es auch keine Gebühr auslösen, wenn die Vertragsparteien diesen Termin verschieben, da nur solche Änderungsgeschäfte nach § 21 GebG 1957 gebührenpflichtig sind, die für die Gebührenhöhe maßgebliche Umstände betreffen (Frotz/Hügel/Popp, GebG, § 21, II.3.d)aa)).

Zudem ist ein Änderungsgeschäft nur "im Umfang der vereinbarten Änderung", also nur insoweit gebührenpflichtig, als die Gebühr für das seinerzeit zustande gekommene Rechtsgeschäft höher ausgefallen wäre, wenn die Parteien es bereits damals mit dem nunmehrigen Inhalt in Geltung gesetzt hätten (Frotz/Hügel/Popp a.a.O., m.w.N.). Die Gebühr für den Nachtrag ist hierbei nach der "Differenzmethode" zu ermitteln, indem von der (hypothetischen) Gebühr, die anfiele, wenn die Parteien das Rechtsgeschäft bereits ursprünglich mit seinem nunmehrigen Inhalt abgeschlossen hätten, die Gebühr für das seinerzeit tatsächlich abgeschlossene Rechtsgeschäft abzuziehen ist (; , RV/7102659/2012). Auch bei Anwendung dieses Grundsatzes ergibt sich für den 4. Nachtrag vom keine (zusätzliche) Gebühr: Hätten die Parteien bereits im ursprünglichen Vertrag vorgesehen, dass dieser am ohne weitere Kündigung enden soll, wäre keine höhere Gebühr angefallen, da der Vertrag ungeachtet des vereinbarten Endtermines - sei es nun der oder der - gebührenrechtlich als Vertrag auf unbestimmte Zeit zu betrachten ist und daher jedenfalls nur die dreifache Jahresleistung die Bemessungsgrundlage für die Rechtsgeschäftsgebühr bildet.

Nach Auffassung des Gerichtes kommt eine Verlängerung i.S.d. § 21 GebG 1957 nur bei Vertragsverhältnissen in Frage, die - aus gebührenrechtlicher Sicht - auf bestimmte Zeit eingegangen wurden (vgl. , zur - mittlerweile aufgehobenen - Bestimmung des § 33 TP 19 Abs. 4 Z. 1 GebG 1957 i.Z.m. einem revolvierenden Kredit). Ein auf unbestimmte Zeit eingegangenes Vertragsverhältnis kann allenfalls in einen Vertrag auf bestimmte Zeit abgeändert werden, indem die Kündigungsmöglichkeit für beide Teile nachträglich ausgeschlossen wird, und würde dies eine Gebührenpflicht i.S.d. § 21 GebG 1957 nach sich ziehen (Frotz/Hügel/Popp, GebG, § 21, II.3.d)aa) m.w.N.). Ist das Vertragsverhältnis dagegen sowohl vor als auch nach der Änderungsvereinbarung als unbefristet zu betrachten, kann darin keine gebührenpflichtige Verlängerung erblickt werden. Dies gilt insbesondere für die Festlegung des Endtermines eines ursprünglich auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Vertragsverhältnisses (, zum - mittlerweile nicht mehr gebührenpflichtigen - Kreditvertrag). Für die Abänderung eines solchen Endtermines kann daher nichts anderes gelten.

Der vierte Nachtrag enthält daher keine gebührenrechtlich relevante Verlängerung des Bestandverhältnisses. Allerdings enthält dieser Nachtrag im eingefügten § 3.1.2 eine zusätzliche, bisher nicht vorgesehene umsatzabhängige Bestandzinskomponente, indem zusätzlich zum bereits bisher vorgesehenen umsatzabhängigen Bestandzins gemäß § 3.1.1 weitere 1 % des gesamten Jahresnettoumsatzes zu entrichten sind, wenn dieser Umsatz im betreffenden Geschäftsjahr € 75.000.000,00 übersteigt, bzw. weitere 2 %, wenn der Umsatz € 85.000.000,00 übersteigt. Dieser zusätzliche umsatzabhängige Bestandzins stellt eine gebührenrechtlich relevante Änderung im Sinne des § 21 GebG 1957 dar und führt daher im Ausmaß der dadurch bewirkten Bestandzinserhöhung zu einer (ergänzenden) Rechtsgeschäftsgebühr. Der im Zeitraum bis (vier Jahre) zu entrichtende umsatzabhängige Bestandzins gem. § 3.1.2 beläuft sich auf € 3.679.932,16, sohin auf durchschnittlich € 76.665,25 pro Monat. Aufgrund der unbestimmten Dauer des Bestandverhältnisses ist die Bemessungsgrundlage für die ergänzende Gebühr mit der dreifachen Jahresleistung zu veranschlagen, sohin mit € 2.759.949,12 (€ 76.665,25 x 36). Die aufgrund des vierten Nachtrages vom zu entrichtende Gebühr beläuft sich daher auf € 27.599,49. Da sich der diesbezügliche Beobachtungszeitraum über vier Jahre erstreckt und der gegenständliche Bestandvertrag durch die Vereinbarung vom beendet wurde, ein weiterer Beobachtungszeitraum daher nicht mehr zur Verfügung stehen wird, konnte die Festsetzung endgültig erfolgen (s. , , 99/13/0187 u. , 2007/13/0118, wonach auch die Rechtsmittelbehörde [bzw. nunmehr: das Verwaltungsgericht] anlässlich der meritorischen Erledigung eines Rechtsmittels die erstinstanzliche vorläufige Abgabenfestsetzung in eine endgültige Festsetzung abändern darf; die gegenteiligen Erkenntnisse , 89/17/0072, , 97/17/0191, , 2001/17/0195 und , 2002/17/0282, sind zu Bestimmungen verschiedener Landesabgabenordnung ergangen, sodass - worauf der VwGH in 99/13/0187 ausdrücklich hinweist - keine Judikaturdivergenz besteht).

Die übrigen im Zeitraum bis entrichteten umsatz- und verbrauchsabhängigen Zahlungen waren bereits in den ursprünglichen Vertragsurkunden vorgesehen und wurden bei der vorläufigen Festsetzung der Gebühr aufgrund des Stammvertrages vom und des zweiten Nachtrages vom mit ihren voraussichtlich auflaufenden Beträgen berücksichtigt. Allfällige Änderungen aufgrund der tatsächlich entrichteten Beträge wären daher - sofern noch nicht geschehen - in einer endgültigen Abgabenfestsetzung gem. § 200 Abs. 2 BAO zu berücksichtigen, welche nur durch die Abgabenbehörde erfolgen könnte, da die diesbezüglichen (vorläufigen) Bescheide nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Soweit ersichtlich liegt in Bezug auf Bestandverträge keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage vor, ob es eine (ergänzende) Gebühr gemäß § 21 GebG 1957 auslöst, wenn ein Bestandvertrag gebührenrechtlich als unbefristet zu behandeln ist, zivilrechtlich jedoch befristet abgeschlossen wurde und diese Befristung in einem Nachtrag verlängert wird. Im Hinblick auf diese fehlende Rechtsprechung war die Revision zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 21 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
Verweise
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7104200.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at