Polizeischüler ist kein Lehrling
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7101177/2020-RS1 | Das Erkenntnis , demzufolge der von einem Polizeischüler bezogene Ausbildungsbeitrag unter die Bestimmung des § 5 Abs 1 lit b FLAG fällt, ist als überholt anzusehen (bereits ). |
RV/7101177/2020-RS2 | Das nach der Dienstprüfung zu absolvierende Berufspraktikum II zählt nicht mehr zur Berufsausbildung, sondern ist bereits Berufsausübung. |
RV/7101177/2020-RS3 | Ob ein Lehrverhältnis vorliegt, ist im Rahmen des Familienbeihilfenverfahrens als Vorfrage nach formalrechtlichen Kriterien anhand der jeweiligen Berufsordnung, im konkreten Fall dem Vertagsbedienstetengesetz 1948, und der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit zu beurteilen. Gemäß § 1 Abs 3 Z 10 VBG 1948 ist das Vertragsbedienstetengesetz auf Lehrlinge ausdrücklich nicht anwendbar. Der auf § 36 VBG 1948 gestützte Sondervertrag regelt daher kein Lehrlingsverhältnis, weshalb in casu bereits aus diesem Grund unter rechtlichen Aspekten in dem nach diesem Vertrag geschuldeten Entgelt eine Lehrlingsentschädigung nicht erblickt werden kann. Die Abgrenzung, ob noch eine LehrlingsENTSCHÄDIGUNG iSd § 5 Abs 1 lit b FLAG 1967 oder bereits ein wirtschaftliches Entgelt, das für die geschuldete Arbeitsleistung nach deren wahren wirtschaftlichen Gehalt geleistet wird, vorliegt, ist im Familienbeihilfenverfahren als Hauptfrage zu beantworteten. Auch der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis den Gesichtspunkt der Entgelthöhe bei Ausbildungsverhältnissen, die einem Lehrverhältnis entsprechen, besonders hervorgehoben, was nach Ansicht des BFG für die Anwendbarkeit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise einschränkt auf die Entgelthöhe eines Lehrlingsverhältnisses spricht. |
Folgerechtssätze | |
RV/7101177/2020-RS2 | wie RV/7104446/2020-RS1 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Ausbildung von Polizeischülerinnen und Polizeischülern Berufsausbildung gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 ist. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Silvia Gebhart in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Sacha Katzensteiner Blauensteiner Rechtsanwälte GmbH, Gartenaugasse 3, 3500 Krems/Donau, diese vertreten durch Mag. Günther Katzensteiner, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Waldviertel vom , nunmehr Finanzamt Österreich, betreffend Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag ab September 2019 für das volljährige Kind ***1***, geboren ***4***, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO für die Kalendermonate September 2019 bis April 2021 Folge gegeben und im Übrigen abgewiesen. Der angefochtene Bescheid wird für die Kalendermonate September 2019 bis April 2021 aufgehoben und bleibt im Übrigen unverändert.
II. Die belangte Behörde hat gemäß § 25 BFGG und § 282 BAO in der über den Aufhebungszeitraum ergehende Mitteilung gemäß § 12 Abs 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) für die Kalendermonate Jänner bis Dezember 2020 darüber hinaus die Kürzung nach § 5 Abs 1 FLAG 1967 zu beachten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Der Beschwerdefall hat die Grundausbildung nach § 36 VBG 1948 für die exekutivdienstliche Ausbildung eines volljährigen Sohnes der Beschwerdeführerin (Bf) zum Gegenstand.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag, mit dem die Bf und Mutter des vj Kindes ***1*** Familienbeihilfe ab September 2019 beantragte, als unbegründet ab und führte aus, dass laut VwGH-Erkenntnis vom , Ra 2018/16/0203, die Grundausbildung für den Exekutivdienst keine Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 sei.
In der dagegen form- und fristgerecht erhobenen Beschwerde vom wurde der Bescheid zur Gänze wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit angefochten und die Abänderung des angefochtenen Bescheides dahin beantragt, dass dem Antrag stattgegeben werde, in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und der belangten Behörde die Ergänzung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides aufzutragen. Der Beschwerde war der Sondervertrag des Sohnes der Beschwerdeführerin (Bf) gemäß § 36 VBG 1948 für die exekutivdienstliche Ausbildung angeschlossen.
Über die Beschwerde sprach die belangte Behörde mit Beschwerdevorentscheidung vom abweislich ab. Laut Erkenntnis des , stelle die Ausbildungsphase/Grundausbildung eines (Grenz-)Polizisten keine Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 dar.
Mit form- und fristgerechtem Vorlageantrag vom wurde die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragt und ergänzendes Vorbringen erstattet.
Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht in elektronischer Form vorgelegt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Mit Schriftsatz vom wurden eine Kopie des Sondervertrages gemäß § 36 VBG 1948 vorgelegt und unter Hinweis auf , dargelegt, der Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe für die gesamte Ausbildungsdauer von 24 Monaten. Zum Beweis des Ausbildungsinhaltes werde die Einvernahme des Sohnes der Bf beantragt.
Das Abschlusszeugnis oder ein anderer Erfolgsnachweis wurden nicht vorgelegt.
Mit Schriftsatz vom schränkte die belangte Behörde im Hinblick auf VwGH Ra 2020/16/0039 ihr im Vorlagebericht gestelltes Begehren dahin ein, die Beschwerde nur mehr für den über die 20 Monate hinausgehenden Zeitraum der Ausbildung abzuweisen (Berufspraktikum II).
Mit Schriftsatz vom richtete das BFG folgenden Vorhalt an die Beschwerdeführerin (auszugsweise):
"Fragen und Unterlagen:
1. Übermittlung des für den Sohn maßgebenden Ausbildungsplans (allenfalls Hinweis auf eine Homepage des BMI) und seines Abschlusszeugnisses (-diploms oÄ). Sollte der Abschluss nicht mit August 2021 erfolgt sein, wird um Übermittlung anderer geeigneter Erfolgsnachweise ersucht.
2. In welchen Zeiträumen erfolgten die Präsenzausbildungen in einem Bildungszentrum der Sicherheitsakademien?
3. In welchem Zeiträumen erfolgten Berufspraktiken auf Polizeidienststellen?
4. Wurde ***1*** während der Grundausbildung im Rahmen der Präsenzausbildung oder der Berufspraktiken bereits als Polizist verwendet und eingesetzt?
Falls dies zutrifft: An welchen Tagen bzw. in welchen Zeiträumen?
5. Einkommensnachweise des Sohnes Ihrer Mandantin für den Zeitraum Jänner bis August 2021 (Monatslohnzettel).
Intendierte Entscheidung:
Entgegen Ihrem Beschwerdeeinwand hat der Verwaltungsgerichtshof mit dem ins Treffen geführten Erkenntnis , keinesfalls die gesamte 24-monatige Ausbildung zum Exekutivdienst als einschlägige Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 beurteilt. Vielmehr hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht erkannt, dass lediglich in der Basisausbildung noch eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG läge. Konkret führte der hohe Gerichtshof aus: "Hat die von der Revisionswerberin (Antragstellerin betreffend Familienbeihilfe) angesprochene Ausbildung ihres Sohnes - wie in der Beschwerde vorgebracht - in einer unter Rz 4 des Erkenntnisses Ra 2018/16/0203, erwähnten "Basisausbildung" mit einem Lehrplan und einer Stundentafel bestanden und hat diese - abgesehen allenfalls von einer Ausbildung im Waffengebrauch, in Selbstverteidigung oder im Sport - in theoretischen Unterweisungen, Aufgabenstellungen, Übungen und Arbeiten bestanden, dann läge darin noch eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG. (Hier: Nach Angabe der Revisionswerberin befand sich ihr Sohn seit , also seit dem ersten Tag der Dauer des Vertragsverhältnisses zum Bund, in der Polizeigrundausbildung im Bildungszentrum.)"
Die Stellungnahme der belangten Behörde vom wurde zur Kenntnis gebracht.
§ 5 Abs 1 Satz 2 iVm lit b FLAG 1967 (Lehrlingsentschädigung), betrifft 1-12/2020:
In Anlehnung an RV/7104446/2020, wird im Entgelt des Sohnes keine Lehrlingsentschädigung erblickt. Für nähere rechtliche Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf dieses BFG-Erkenntnis verwiesen.
Aus Rz 33 des Erkenntnisses geht hervor, dass der Gerichthof offenbar nicht davon ausgeht, dass die Regelung des § 5 Abs 1 lit b FLAG 1967 im gegenständlichen Fall anzuwenden ist. Somit ist im Lichte der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (auch) hinsichtlich des bezogenen Entgelts zu prüfen, ob das Ausbildungsverhältnis insgesamt einer Lehre gleichzuhalten ist, und insbesondere auch das bezogene Entgelt der Entgelthöhe einer Ausbildung in einem Lehrverhältnis entspricht.
Es wird Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt, dass nach den Ermittlungen des Bundesfinanzgerichts das zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs 1 EStG 1988) des Sohnes Ihrer Mandantin im Jahr 2019 € 4.810,36 und im Jahr 2020 € 16.654,88 betragen hat (Arbeitnehmerveranlagungsbescheide 2019 und 2020). Für das Jahr 2021 wurde noch kein Lohnzettel übermittelt. Im Bestreitungsfall sind Beweismittel, aus denen sich anderes ergibt, vorzulegen.
Für den nach Monaten bestimmten FLAG-Anspruchszeitraum Jänner bis Dezember 2020 wird somit der maßgebliche Jahresbetrag von € 15.000,00 gemäß § 5 Abs 1 S 1 FLAG 1967 um € 1.654,88 überschritten. Für diesen Zeitraum ist nach Ansicht des BFG die Familienbeihilfe zu kürzen (Satz 2 des § 5 Abs 1 FLAG 1967).
[…]"
Den Vorhalt beantwortete der Vertreter vor Fristablauf mit persönlich an die Richterin gerichteter E-Mail vom derart, dass der beantwortende Schriftsatz und die erbetenen Nachweise als Anhänge übermittelt wurden. Der Schriftsatz war überdies nicht vom Rechtsanwalt unterschrieben.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Rechtsgrundlagen
Gemäß § 85 Abs 1 BAO "[sind] Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel) vorbehaltlich der Bestimmungen des Abs. 3 schriftlich einzureichen (Eingaben)."
§ 86a BAO idgF lautet:
"(1) Anbringen, für die Abgabenvorschriften Schriftlichkeit vorsehen oder gestatten, können auch telegraphisch, fernschriftlich oder, soweit es durch Verordnung des Bundesministers für Finanzen zugelassen wird, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise eingereicht werden. Durch Verordnung des Bundesministers für Finanzen kann zugelassen werden, daß sich der Einschreiter einer bestimmten geeigneten öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Übermittlungsstelle bedienen darf. Die für schriftliche Anbringen geltenden Bestimmungen sind auch in diesen Fällen mit der Maßgabe anzuwenden, daß das Fehlen einer Unterschrift keinen Mangel darstellt. Die Abgabenbehörde und das Verwaltungsgericht können jedoch, wenn es die Wichtigkeit des Anbringens zweckmäßig erscheinen läßt, dem Einschreiter die unterschriebene Bestätigung des Anbringens mit dem Hinweis auftragen, daß dieses nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt.
(2) Der Bundesminister für Finanzen kann durch Verordnung im Sinn des Abs. 1 erster Satz bestimmen,
unter welchen Voraussetzungen welche Arten der Datenübertragung an Abgabenbehörden und an Verwaltungsgerichte zugelassen sind,
daß für bestimmte Arten von Anbringen bestimmte Arten der Datenübertragung ausgeschlossen sind und
welche Unterlagen wie lange vom Einschreiter im Zusammenhang mit bestimmten Arten der Datenübertragung aufzubewahren sind."
§ 5 Abs 1 FLAG 1967 idF des BG vom , BGBl I 109/2020, mit dem gemäß § 55 Abs 48 FLAG 1967 ab die Einkommensgrenze auf EUR 15.000,00 angehoben wurde, lautet:
"Ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) eines Kindes führt bis zu einem Betrag von 15.000 € in einem Kalenderjahr nicht zum Wegfall der Familienbeihilfe. Übersteigt das zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) eines Kindes in einem Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem das Kind das 19. Lebensjahr vollendet hat, den Betrag von 15.000 €, so verringert sich die Familienbeihilfe, die für dieses Kind nach § 8 Abs. 2 einschließlich § 8 Abs. 4 gewährt wird, für dieses Kalenderjahr um den 15.000 € übersteigenden Betrag. § 10 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) des Kindes bleiben außer Betracht:
[…]
b) Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis,
[…]
Für das Jahr 2019 betrug die Einkommensgrenze noch EUR 10.000,00.
§ 1 VBG 1948 idgF lautet auszugsweise:
§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz ist, soweit nicht die Abs. 3 und 5 oder die Abschnitte Ia und VII anderes bestimmen, auf Personen anzuwenden, die in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stehen.
[...]
(3) Dieses Bundesgesetz ist nicht anzuwenden
[...]
10. auf Lehrlinge;
[...]
§ 36 VBG 1948 in der im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Fassung des BG vom , BGBl I 60/2018 (Dienstrechts-Novelle 2018) lautet:
"(1) In Ausnahmefällen können im Dienstvertrag Regelungen getroffen werden, die von diesem Bundesgesetz abweichen. Solche Dienstverträge sind als Sonderverträge zu bezeichnen und bedürfen der Genehmigung der Bundesministerin oder des Bundesministers für öffentlichen Dienst und Sport.
(2) Die Bundesministerin oder der Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport kann bei Bedarf verbindliche Richtlinien für die einheitliche Gestaltung bestimmter Arten von Sonderverträgen festlegen. Für den Abschluß solcher Sonderverträge kann von der Bundesministerin oder vom Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport eine generelle Genehmigung erteilt werden.
(3) Bei Bedarf kann in den Richtlinien nach Abs. 2 auch bestimmt werden, daß der Abschluß solcher Sonderverträge nur mit Inhabern bestimmter, in den Richtlinien angeführter Arten von Arbeitsplätzen zulässig ist.
(4) Auf Sonderverträge, die anläßlich der Betrauung mit einer Leitungsfunktion befristet abgeschlossen werden, ist § 4 Abs. 4 nicht anzuwenden."
§ 66 VBG 1958 lautet:
"(1) Unabhängig von der Zuordnung des Arbeitsplatzes zu einer Bewertungsgruppe sind die Vertragsbediensteten der Entlohnungsgruppen v1 bis v4, h1 und h2 am Beginn des Dienstverhältnisses bis zum Abschluß der Ausbildungsphase in die niedrigste Bewertungsgruppe ihrer Entlohnungsgruppe einzustufen.
(2) Als Ausbildungsphase gelten
in den Entlohnungsgruppen v1 und v2 die ersten vier Jahre,
in den Entlohnungsgruppen v3 und h1 die ersten beiden Jahre und
in den Entlohnungsgruppen v4, h2 und h3 das erste Jahr
des Dienstverhältnisses.
(3) Auf die Zeit der Ausbildungsphase können gemäß § 26 für das Besoldungsdienstalter anrechenbare Vordienstzeiten angerechnet werden, soweit sie für die Verwendung der oder des Vertragsbediensteten von besonderer Bedeutung und dazu geeignet sind, die erforderliche Ausbildungszeit ganz oder teilweise zu ersetzen.
(4) In der Ausbildungsphase sind Vertragsbedienstete - ausgenommen Ersatzkräfte - nicht zu Vertretungstätigkeiten heranzuziehen, solange nicht zwingende Gründe eine Ausnahme erfordern. Probeweise Verwendungen auf wechselnden Arbeitsplätzen gelten nicht als eine Vertretungstätigkeit.
(5) Der Ablauf der Ausbildungsphase wird gehemmt, solange der Vertragsbedienstete eine für seine gegenwärtige Verwendung vorgeschriebene Grundausbildung noch nicht erfolgreich absolviert hat. Dies gilt nicht hinsichtlich der im § 21 der Verordnung über die Grundausbildung für die Verwendungsgruppe A, BGBl. Nr. 468/1980, für die Verwendung im Rechnungshof vorgesehenen zusätzlichen Ausbildung.
(6) Die Abs. 1 bis 5 sind nicht anzuwenden auf
Vertragsbedienstete, die im Wege eines Ausschreibungsverfahrens mit einer Leitungsfunktion betraut sind, oder
Vertragsbedienstete während ihrer Verwendung gemäß § 4a Abs. 1 Z 1."
Gemäß § 21 Abs 1 BAO ist für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend.
Sachverhalt
Die Bf ist die Mutter des volljährigen ***1*** (im Folgenden als "Sohn" bezeichnet). Der Sohn wohnt bei seiner Mutter im gemeinsamen Haushalt. Die Eltern leben getrennt.
Der Sohn ist seit bei der Landespolizeidirektion Niederösterreich als Vertragsbediensteter des Bundes mit Sondervertrag gemäß § 36 VBG 1948 für die exekutivdienstliche Ausbildung auf 24 Monate befristet beschäftigt. Im Fall der Übernahme in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis oder im Fall eines unbefristeten Dienstverhältnisses wird die in diesem Ausbildungsverhältnis zurückgelegte Dienstzeit nach dem VBG 1948 zur Gänze angerechnet. Gemäß Punkt 10 des Sondervertrages "Art der Grundausbildung" beinhaltet diese Grundausbildung in einem Bildungszentraum der Sicherheitsakademie und wird durch Berufspraktikum auf Polizeidienststellen ergänzt. Gemäß Punkt 11 des Sondervertrages liegt Vollbeschäftigung vor. Gemäß Punkt 13 des Sondervertrages finden auf dieses Vertragsverhältnis die Bestimmungen des VBG und seiner Durchführungsverordnungen idgF Anwendung, soweit in diesem Vertrag nichts anderes bestimmt ist. Punkt 15 des Sondervertrages regelt das Entgelt Verwendungsgruppe E2c Gehaltsstufe 1.
Zu Beginn der Ausbildung im September 2019 war der Sohn 19½ Jahre alt. Der Sohn begann die Ausbildung im Bildungszentrum der Sicherheitsakademie Ybbs an der Donau, wo er bis den ersten Lehrabschnitt (Basisausbildung - 12 Monate) absolvierte. Nach dem Berufspraktikum I folgte vom bis zum der zweite Lehrabschnitt im Bildungszentrum der Sicherheitsakademie Ybbs (Vertiefung - 5 Monate). Am absolvierte er die Dienstprüfung mit ausgezeichnetem Erfolg. Zwischen den beiden Lehrabschnitten kam es vom bis zum Berufspraktikum I auf der Dienststelle Polizeiinspektion ***2***. An den zweiten Lehrabschnitt im Bildungszentrum der Sicherheitsakademie Ybbs an der Donau schloss mit das Berufspraktikum II (Einführung in den Dienstbetrieb - 4 Monate) auf der Dienststelle ***3*** an.
Die Ausbildung als Polizeiaspirant erfolgt nach einem mehr als 100 Seiten umfassenden Ausbildungsplan der Sicherheitsakademie des Bundesministeriums für Inneres mit Stundentafel und besteht in theoretischen und praktischen Unterweisungen, Aufgabenstellungen, Übungen und Arbeiten. Die zweijährige Ausbildung ist wie folgt strukturiert:
BASISAUSBILDUNG - 12 MONATE
Die Polizeibediensteten sollen jenes rechtliche sowie einsatztaktische und -technische Basiswissen erlangen, das sie für den Dienst in einer Polizeiinspektion (PI) benötigen. Die Wissensvermittlung soll kompetenzorientiert und praxisnah unter Vernetzung aller Ausbildungsinhalte erfolgen.
BERUFSPRAKTIKUM I - KENNENLERNEN DES DIENSTBETRIEBES - 3 MONATE
Das Berufspraktikum dient zur Vermittlung des für die Verwendung in einer Polizeiinspektion nötigen dienstbetrieblichen Wissens sowie der Beurteilung der persönlichen und fachlichen Eignung für den exekutiven Außendienst. Die Polizeibediensteten werden dabei, ohne zum Personalstand der Praktikumsdienststelle zu zählen, von Exekutivbediensteten geschult und betreut.
VERTIEFUNG - 5 MONATE
Die Polizeibediensteten sollen die Ausbildungsinhalte, Erlebnisse und Erfahrungen des Berufspraktikums reflektieren. Darüber hinaus sollen sie das in der Basisausbildung erworbene Wissen vertiefen und mit den Ausbildungsinhalten des Berufspraktikums vernetzen.
BERUFSPRAKTIKUM II - EINFÜHRUNG IN DEN DIENSTBETRIEB - 4 MONATE
Das Berufspraktikum II dient der Einführung in den Dienstbetrieb und dauert 4 Monate. Während der Einführung in den Dienstbetrieb werden die Auszubildenden von Exekutivbediensteten kontinuierlich in den Dienstbetrieb ihrer Polizeidienststelle eingeführt (Seite 7 des Ausbildungsplanes).
STUNDENTAFEL (Seite 9 des Ausbildungsplanes)
LEHRGEGENSTAND UNTERRICHTSEINHEITEN
1 PERSONALE UND SOZIALKOMMUNIKATIVE KOMPETENZEN 204 Stunden (im Ausbildungsplan mit Lehrplan und Stundentafel dargestellt)
2 POLIZEIFACHLICHE KOMPETENZEN 1134 Stunden (im Ausbildungsplan mit Lehrplan und Stundentafel dargestellt)
3. SITUATIONSADÄQUATE HANDLUNGSKOMPETENZEN SOWIE WAHRNEHMUNGS- UND REFLEXIONSKOMPETENZEN 806 Stunden (im Ausbildungsplan mit Lehrplan und Stundentafel dargestellt)
4. BERUFSPRAKTIKUM II 468 Stunden (im Ausbildungsplan NICHT mit Lehrplan und Stundentafel dargestellt)
Die Ausbildung umfasst insgesamt 2.612 Unterrichtseinheiten.
Während der Ausbildung sind Prüfungen abzulegen. Die Dienstprüfung schließt die Ausbildung ab. Die Dienstprüfung der Grundausbildung für den Exekutivdienst (Polizeigrundausbildung) hat der Sohn am mit Auszeichnung bestanden. Am wurde dem Sohn der Dienstgrad Inspektor verliehen.
Für das nach der Dienstprüfung zu absolvierende Berufspraktikum II enthält der Ausbildungsplan weder eine Stundentafel noch einen Lehrplan. Auch das Beschwerdevorbringen enthält kein dahingehendes Vorbringen.
Für den Lehrberuf der Assistentin oder des Assistenten in der Sicherheitsverwaltung beträgt das Lehrlingseinkommen im 1. Lehrjahr € 614 brutto monatlich, im 2. Lehrjahr € 809, im 3. Lehrjahr € 962 und im 4. Lehrjahr € 1.280. Dies entspricht auch dem Lehrlingseinkommen von Verwaltungsassistenten und Verwaltungsassistentinnen im Bundesdienst. Das spätere Einstiegsgehalt liegt zwischen € 1.520 und € 1.790. Hingegen beträgt für Bedienstete des Exekutivdienstes der monatliche Bruttobezug im ersten Ausbildungsjahr ca. € 1.740 und im zweiten Ausbildungsjahr € 2.194 bzw. € 2.335. Nach Abschluss der Ausbildung ist mit einem monatlichen Bruttoanfangsgehalt von etwa € 3.600 zu rechnen.
Die 24-monatige Ausbildung hat sich über drei Kalenderjahre erstreckt, wobei ausschließlich im Jahr 2020 das zu versteuernde Einkommen laut KZ 245 des Lohnzettels mit EUR 16.993,28 den Grenzbetrag von EUR 15.000,00 überstiegen hat. Der tatsächliche Jahresbruttobezug 2020 betrug unter Einbeziehung nach KZ 215 steuerfreier Bezugsbestandteile EUR 29.617,88. Unter der Kennzahl 215 sind vom Arbeitgeber einzutragen: steuerfreie Überstundenzuschläge, steuerfreie Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen, steuerfreie Nacht- und Feiertagszuschläge. Es ist davon auszugehen, dass der Sohn diese Sonderleistungen im Berufspraktikums I erbracht hat. Im Jahr 2019 lag das anteilig zu versteuernde Einkommen unter EUR 10.000,00 und im Jahr 2021 lag das im Zeitraum Jänner bis April bezogene anteilig zu versteuernde Einkommen unter EUR 15.000,00 (de facto beihilfenunschädliche Randzeiten).
Beweismittel
Sondervertrag vom zwischen der LPD NÖ und dem Sohn, Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2020 für den Sohn (Einsicht in dessen elektronischen Steuerakt), mit E-Mail übermittelter "Ergänzungsschriftsatz" (Anhang 1 zur Mail), Auszug Ausbildungsplan (Anhang 2), Gehaltszettel Jänner bis August 2021 (Anhang 3), Dienstprüfungszeug vom (Anhang 4), Ausbildungsplan des Bundesministerium für Inneres, Abteilung I/9 - Sicherheitsakademie - Zentrum für Grundausbildung, Ausgabe April 2017, abgerufen am Link: https://www.polizei.gv.at/files_all/Berufsinformation/PGA_Ausbildungsplan.pdf
Beweiswürdigung
Obige Sachverhaltsfeststellung ergab sich widerspruchsfrei aufgrund des Ergebnisses des vom BFG ergänzend durchgeführten Ermittlungsverfahrens und der zuvor dargestellten Beweismittel. Die Sachverhaltsfeststellung ist unstrittig.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Aufhebung und teilweise Abweisung)
Beschwerde und Vorlageantrag sind form- und fristgerecht, die Beschwerde ist zum Teil berechtigt.
Anfechtungserklärung
Der Bescheid wird in seinem gesamten Umfange nach wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes angefochten. Die Bf sei durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten verletzt, weil ihr Antrag vom […] für einen Zeitraum ab September 2019, obwohl die dafür notwendigen Voraussetzungen vorliegen, abgewiesen wurde.
Beschwerdeantrag
Der Beschwerdeantrag der Bescheidänderung ist unzulässig, da die Gewährung der Familienbeihilfe durch Bescheid materiellrechtlich nicht vorgesehen ist. Materiellrechtlich wird für die Gewährung die Erlassung einer - formlosen und nicht rechtsmittelfähigen - Mitteilung angeordnet (§ 12 FLAG 1967). Der Eventualantrag der Zurückverweisung iVm der Anordnung der Erlassung eines neuen Bescheides erweist sich aus demselben Grund ebenso als unzulässig. [Weiters haben] "die Verwaltungsgerichte - allenfalls auch nach ergänzenden eigenen Ermittlungen - grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte gegenüber einer kassatorischen Erledigung anzunehmen ist (vgl zB ; , mwN). Unter Beachtung der geltenden Rechtslage und Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs war der Beschwerdeantrag nach dem erkennbaren Parteiwillen dahin auszulegen, dass der angefochtene Bescheid aufgehoben und von der belangten Behörde eine Mitteilung über die Gewährung der Familienbeihilfe ausgestellt werde. Zur Ausstellung der Mitteilungen, die die Rechtsgrundlage für die Auszahlung als faktische Amtshandlung darstellen, ist ausschließlich das Finanzamt Österreich als Abgabenbehörde befugt.
Einbringung von Eingaben per E-Mail
Dazu ist rechtlich auszuführen: "Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis 2012/16/0082, näher ausgeführt hat, kommt einer E-Mail im Anwendungsbereich der BAO nicht die Eigenschaft einer Eingabe zu, wobei es sich nicht einmal um eine einem Formgebrechen unterliegende, der Mängelbehebung gemäß § 85 BAO zugängliche Eingabe handelt. Ein mit E-Mail eingebrachtes Anbringen löst weder eine Entscheidungspflicht der Behörde aus, noch berechtigt es die Behörde, eine bescheidmäßige Entscheidung zu fällen, die von einem Anbringen abhängig ist, etwa eine Entscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zu fällen, die von einem Rechtsmittel abhängig ist. Die Abgabenbehörde ist nicht einmal befugt, das "Anbringen" als unzulässig zurückzuweisen, weil es sich bei einer solchen E-Mail eben nicht um eine Eingabe an die Behörde handelt" (; ; und ). Da die Vorhaltsbeantwortung als richtlich nicht existent zu beurteilen ist, löste der Mangel der fehlenden Unterschrift keine Verpflichtung zur Mängelbehebung aus (vgl stRsp , VwSlg 8756 F/2012; ; ; ; und ). "[D]ie Zuleitung von Beweismitteln an Abgabenbehörden unter Verwendung eines Telekopierers fällt nicht unter § 86a und ist somit nach Ellinger (ÖStZ 1990, 282; ebenso Ellinger/Sutter/Urtz, BAO 3, § 86a Anm 10) grundsätzlich gestattet" (Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § 86a, I. Grundsätzliches Rz 1). "Als Beweismittel [ist der Schriftsatz] jedoch allenfalls verwertbar" (Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § 86a, I. Grundsätzliches Rz 4).
Der "Ergänzungsschriftsatz" war als Beweismittel einzuordnen. Ein Mängelbehebungsverfahren wegen der fehlenden Unterschrift konnte angesichts der angeführten VwGH-Judikatur auf sich beruhen.
Rechtsstandpunkte der Parteien
Belangte Behörde als Amtspartei
Mit Schriftsatz vom schränkte die belangte Behörde im Hinblick auf , ihr im Vorlagebericht gestelltes Begehren dahin ein, die Beschwerde nur mehr für den über die 20 Monate hinausgehenden Zeitraum der Ausbildung abzuweisen (Berufspraktikum II). Diese Rechtsansicht habe sich im BFG bereits gefestigt. Betroffen sei somit nur mehr der Zeitraum ab Mai 2021.
Beschwerdeführerin
Die Rechtsmittelschriftsätze wurden vor Ergehen des Erkenntnisses , verfasst. Da besagtes VwGH-Erkenntnis sowohl beim BFG als auch bei der belangten Behörde zu einer Anerkennung der Polizeigrundausbildung für die ersten 20 Monate geführt hat, was beim BFG auf keine Bedenken stößt, wird das Rechtsmittelvorbringen nur soweit wiedergegeben, als es für das Berufspraktikum II und die Frage der Erfüllung von § 5 Abs 1 FLAG 1967 von Bedeutung ist.
Beschwerdeschriftsatz: Unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 98/94, stellte das Bundesfinanzgericht im […] Erkenntnis vom , [RV/5100538/2014] fest, dass die Polizeigrundausbildung nicht nur eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 sondern darüber hinaus auch ein anerkanntes Lehrverhältnis gemäß § 5 Abs. 1 lit b FLAG 1967 ist. [… ] Im Ergebnis handelt es sich also bei der Grundausbildung für den Exekutivdienst, die der Sohn der Beschwerdeführerin derzeit absolviert, um eine Ausbildung für einen Beruf im Sinne des § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 die auch als "anerkanntes Lehrverhältnis" im Sinne des § 5 Abs. 1 lit b FLAG 1967 zu sehen ist. In dieser Zeit erfolgt (entsprechend der Grundausbildungsverordnung BGBl. II. Nr. 153/2017) eine umfassende Ausbildung auf theoretischem und praktischem Gebiet, die den Großteil der Zeit des Auszubildenden in Anspruch nimmt, die mit einer Abschlussprüfung endet und die unabdingbare Voraussetzung für die Ausübung des Polizeiberufes ist. Im Vordergrund steht jedenfalls die Ausbildung für den Beruf und nicht die Ausübung des Berufs.
Vorlageantrag: […] Im Gegensatz zur exekutivdienstlichen Verwendung im fremden- und grenzpolizeilichen Exekutivdienst, steht bei der Grundausbildung für den Exekutivdienst nicht die Berufsausübung, sondern die Ausbildung zum Beruf im Vordergrund. Die Teilnehmer der Grundausbildung für den Exekutivdienst werden im Rahmen dieser Ausbildung für ihren zukünftigen Beruf als Exekutivbeamte ausgebildet und ihnen das dafür notwendige praktische und theoretische Wissen vermittelt.
Gemäß § 2 der Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Grundausbildungen für den Exekutivdienst ist das Ausbildungsziel der Grundausbildungen die inhaltliche und methodische Vermittlung jener Kompetenzen, die erforderlich sind, um den Anforderungen des jeweiligen Aufgabenbereichs professionell und verantwortungsvoll nachzukommen.
Aus dieser Bestimmung bzw. Zielsetzung für die Grundausbildungen für den Exekutivdienst ergibt sich zweifelsfrei, dass die Ausbildung der Auszubildenden im Vordergrund steht. Sie sollen im Zuge dieser Ausbildung auf die tatsächliche Berufsausübung bestmöglich vorbereitet werden.
Merkmale einer Berufsausbildung iSd FLAG sind praktischer und theoretischer Unterricht, bei dem fachspezifisches Wissen vermittelt wird, eine angemessene Unterrichtsdauer sowie die Verpflichtung einer Abschlussprüfung.
Alle diese Merkmale treffen auf die Grundausbildung für den Exekutivdienst, die der Sohn der Beschwerdeführerin zurzeit am Bildungszentrum der Sicherheitsakademie Ybbs an der Donau absolviert, zu, weshalb die Grundausbildung für den Exekutivdienst als Berufsausbildung iSd FLAG zu qualifizieren ist.
Im bereits in der Beschwerde zitierten Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/5100538/2014, war ebenfalls völlig unstrittig, dass die Polizeigrundausbildung eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG darstellt.
Ad rem
Strittig ist die Beantwortung zweier Rechtsfragen.
Ist das Berufspraktikum II als Ausbildung gemäß § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 anzusehen? (betroffener Zeitraum: Mai bis August 2021)
Erfüllt das vom Sohn während der 24-monatigen Grundausbildung bezogene Entgelt den Legalbegriff der "Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis" iSd § 5 Abs 1 lit b FLAG 1967 (durch Auswirkung konkret betroffener Zeitraum: Kalenderjahr 2020 bzw Jänner bis Dezember 2020)?
Ad Rechtsfrage 1:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird (vgl. etwa Ra 2020/16/0017; Ra 2017/16/0030; 2009/16/0315; 2009/13/0127; und 2007/13/0125, [sowie ]).
Diese der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entnehmbare Definition der Berufsausbildung trifft nur auf die Fälle zu, welche außerhalb des in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG besonders geregelten - im Revisionsfall nicht interessierenden - Bereichs des Besuchs einer Einrichtung im Sinne des § 3 des Studienförderungsgesetzes (StudFG) liegen (vgl. etwa nochmals Ra 2020/16/0017; und Ro 2015/16/0033, [sowie ]).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es entscheidend auf den Inhalt der Tätigkeit an. Hingegen sind die dienstrechtliche Bezeichnung eines Zeitraums als "Ausbildungsphase" (§ 66 VBG) sowie dienstrechtliche Vorschriften über die Ausbildung für die Frage des Vorliegens eines familienbeihilfenrechtlichen Anspruchs nicht von Bedeutung (vgl. ; , Ra 2018/16/0203). Allein der Umstand, dass sich jemand im streitgegenständlichen Zeitraum noch in der "Ausbildungsphase" nach § 66 VBG befunden hat, vermag daher den Anspruch auf Familienbeihilfe nach § 2 Abs. 1 lit. b (und g) FLAG nicht zu begründen. Maßgebend ist vielmehr, welche konkrete Tätigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum ausgeübt worden ist ().
Entgegen dem wiederholten Beschwerdeeinwand hat der Verwaltungsgerichtshof mit dem ins Treffen geführten Erkenntnis , keinesfalls die gesamte 24-monatige Ausbildung zum Exekutivdienst als einschlägige Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 beurteilt. Vielmehr hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht erkannt, dass lediglich in der Basisausbildung noch eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs 1 lit b FLAG läge. Wörtliche führte der hohe Gerichtshof aus: "Hat die von der Revisionswerberin (Antragstellerin betreffend Familienbeihilfe) angesprochene Ausbildung ihres Sohnes - wie in der Beschwerde vorgebracht - in einer unter Rz 4 des Erkenntnisses Ra 2018/16/0203, erwähnten "Basisausbildung" mit einem Lehrplan und einer Stundentafel bestanden und hat diese - abgesehen allenfalls von einer Ausbildung im Waffengebrauch, in Selbstverteidigung oder im Sport - in theoretischen Unterweisungen, Aufgabenstellungen, Übungen und Arbeiten bestanden, dann läge darin noch eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs 1 lit b FLAG. (Hier: Nach Angabe der Revisionswerberin befand sich ihr Sohn seit , also seit dem ersten Tag der Dauer des Vertragsverhältnisses zum Bund, in der Polizeigrundausbildung im Bildungszentrum.)"
Von tragender Bedeutung ist für die Subsumption einer Ausbildung unter § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 demnach, ob die Ausbildung anhand eines Lehrplanes und einer Stundentafel erfolgte und damit der Sohn die Tätigkeit eines Auszubildenden ausgeübt hat. Laut Sachverhalt ist das für das Berufspraktikum II, das nach der Dienstprüfung absolviert wurde, nicht der Fall. Laut Sachverhalt hat der Sohn das Berufspraktikum II auf der Dienststelle ***3*** absolviert. Dass der Sohn während dieser Zeit konkrete Kurse oder andere Ausbildungsveranstaltungen an einer Fachschule besucht hat, wurde weder behauptet noch nachgewiesen noch ergibt sich solches aus dem Ausbildungsplan des BMI (vgl ).
Das BFG beurteilt das Berufspraktikum II differenziert im Vergleich zum Berufspraktikum I, insbesondere weil es nach der Dienstprüfung geleistet wurde. Auch mit Erkenntnis , hat das BFG zu Recht erkannt, dass das Berufspraktikum I noch Teil der Ausbildung von Polizeischülern und Polizeischülerinnen ist. In dem nach Abschluss der Dienstprüfung erfolgten Berufspraktikum II könnte es sich allenfalls um eine im bereits ausgeübten Beruf vorgesehene Fort- oder Weiterbildung im erlernten und ausgeübten Beruf [handeln], welche dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 lit b FLAG zu Folge nur dann einen Anspruch auf Familienbeihilfe vermitteln kann, wenn sie in einer Fachschule erfolgt (in Anlehnung an ).
Die Rechtsfrage, ob ein Polizeischüler einen Beruf ausübt oder sich in Berufsausbildung befindet, ist mit dem Erkenntnis , geklärt. (). Das nach der Dienstprüfung zu absolvierende Berufspraktikum II zählt nicht mehr zur Berufsausbildung, sondern ist bereits Berufsausübung. Dass dem Sohn erst am der Dienstgrad Inspektor verliehen wurde und er bis dorthin nicht als Polizist anzusehen gewesen sei, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern.
Ad Rechtsfrage 2:
Zu § 5 Abs 1 FLAG 1967 hat der VwGH im Erkenntnis Ra 2020/16/0039 Folgendes ausgeführt: "Zum fraglichen Zeitraum ist zu bemerken, dass mangels ausdrücklicher Angabe im entsprechenden Feld des Antragsformulars (vgl. 2013/16/0082, mwN) der Beginn des geltend gemachten Anspruchs mit Beginn des Monats Dezember 2018 gelegen war, wovon die belangte Behörde in dem vor dem Bundesfinanzgericht bekämpften Bescheid zutreffend ausgeht. Für das Jahr 2019 kann es für die Dauer eines allfälligen Anspruches auch unter dem Gesichtspunkt des § 5 Abs. 1 FLAG entscheidend sein, ob das Ende des geltend gemachten Anspruchs mit Vollendung des 24. Lebensjahres im März 2019 gelegen ist, oder ob der Anspruch für danach gelegene Monate gegebenenfalls auf § 2 Abs. 1 lit. g oder lit. k FLAG gestützt werden könnte, wofür es keines neuerlichen, gesonderten Antrags bedürfte (vgl. Ro 2015/16/0006)."
§ 5 Abs 1 FLAG 1967 war nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens Ra 2020/16/0039. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Sache hinaus seine Rechtsansicht geäußert und von sich aus leg.cit. angeschnitten. Nach Ansicht des BFG hat der hohe Gerichtshof den entschiedenen Revisionsfall als Möglichkeit genutzt, seine Rechtsauffassung zum möglichen Ausbildungsende in einem obiter dictum kundzutun (argumento "ist zu bemerken"), damit im fortgesetzten Verfahren durch das BFG bereits über den gesamten Zeitraum abgesprochen werden konnte. Es ist davon auszugehen, dass der dem Verwaltungsakt vorgelegte Verwaltungsakt keine Aussage dazu zuließ, ob ein Verlängerungstatbestand vom 24. auf das 25. Lebensjahr erfüllt war. Für den Fall eines Verlängerungstatbestandes liegt die bedeutsame Aussage des Verwaltungsgerichtshofs darin, dass es diesfalls keines neuerlichen, gesonderten Antrags bedürfe. Die Problematik stellt sich im konkreten Fall nicht, weil der Sohn zu Beginn der 24-monatigen Ausbildung laut Sachverhalt erst 19½ Jahre alt war.
Nach Auffassung des BFG besteht kein Zweifel, dass der Verwaltungsgerichtshof die Kürzungsnorm des § 5 Abs 1 FLAG 1967 für das von Polizeischülern und -schülerinnen während ihrer Ausbildung bezogene Entgelt als einschlägig ansieht.
Aus eigener Rechtsansicht wird ausgeführt wie folgt:
Gemäß § 5 Abs 1 lit b FLAG 1967 kürzt eine Lehrlingsentschädigung nicht den Anspruch auf Familienbeihilfe. Eine Lehrlingsentschädigung setzt das Vorliegen eines Lehrverhältnisses voraus. Ob ein Lehrverhältnis vorliegt, ist im Rahmen des Familienbeihilfenverfahrens als Vorfrage nach formalrechtlichen Kriterien anhand der jeweiligen Berufsordnung, im konkreten Fall dem Vertagsbedienstetengesetz 1948, und der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit zu beurteilen. Laut Sachverhalt wurde der Sondervertrag nach § 36 VBG 1948 geschlossen. Gemäß § 1 Abs 3 Z 10 VBG 1948 ist das Vertragsbedienstetengesetz auf Lehrlinge ausdrücklich nicht anwendbar. Der auf § 36 VBG 1948 gestützte Sondervertrag regelt daher kein Lehrlingsverhältnis, weshalb in casu bereits aus diesem Grund unter rechtlichen Aspekten in dem nach diesem Vertrag geschuldeten Entgelt eine Lehrlingsentschädigung nicht erblickt werden kann. Voraussetzung für die Absolvierung der zweijährigen Ausbildung zur Polizistin oder zum Polizisten ist weiters ein Mindestalter von 18 Jahren. Eine Lehre oder eine einer Lehre vergleichbare Ausbildung wird bereits nach Beendigung der Schulpflicht mit 15 Jahren begonnen und nach drei oder vier Jahren beendet. §36 VBG 1948 ist Grundlage verschiedener Dienstverhältnisse, einschließlich Leitungsfunktionen nach Abs 4 leg.cit. Mit dieser Rechtslage hat sich das Beschwerdevorbringen nicht auseinandergesetzt.
Die Entgelthöhe betrifft daher jene Fälle, in denen zwar formalrechtlich ein Lehrlingsverhältnis vorliegt, jedoch die Lehrlingsentschädigung unüblich hoch ist, oder ein Lehrlingsverhältnis missbräuchlich behauptet wird. Beides ist gegenständlich nicht der Fall. Sicherheitshalber wird alternativ begründet:
Gemäß § 21 Abs 1 BAO ist für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Wie zuvor ausgeführt, ist die Frage, ob ein Lehrverhältnis vorliegt, als Vorfrage in formalrechtlicher Betrachtungsweise anhand der einschlägigen Berufsordnung zu beurteilen. Die Abgrenzung, ob noch eine LehrlingsENTSCHÄDIGUNG iSd § 5 Abs 1 lit b FLAG 1967 oder bereits ein wirtschaftliches Entgelt, das für die geschuldete Arbeitsleistung nach deren wahren wirtschaftlichen Gehalt geleistet wird, vorliegt, ist im Familienbeihilfenverfahren als Hauptfrage zu beantworteten. Auch der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis den Gesichtspunkt der Entgelthöhe bei Ausbildungsverhältnissen, die einem Lehrverhältnis entsprechen, besonders hervorgehoben, was nach Ansicht des BFG für die Anwendbarkeit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise einschränkt auf die Entgelthöhe eines Lehrlingsverhältnisses spricht. Darüber hinaus führt , zu Recht ins Treffen, dass "[d]er historische Gesetzgeber mit dem Abstellen auf eine Lehrlingsentschädigung nach den Gesetzesmaterialien (Lenneis/Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 1 Rz 75) bei der Ausnahme der Lehrlingsentschädigung von einer Anrechnung ausdrücklich auf die (geringe) Höhe dieser Entschädigung Bezug genommen [habe]." An zitierter Belegstelle wird ausgeführt: "[…] Die bisherige Ausnahme, daß eine Lehrlingsentschädigung ohne Rücksicht auf ihre Höhe einem Beihilfenanspruch nicht entgegensteht, soll aus Gleichheitsgründen wegfallen, […]" Da das Entgelt laut Sachverhalt des Sohnes mit einem durchschnittlichen Monatsbruttobezug von EUR 2.115,56 (= KZ 210 EUR 29.617,88 laut Lohnzettel für das Jahr 2020 geteilt durch 14) deutlich über jenen Beträgen liegt, die üblicherweise in einem Lehrverhältnis zu leisten sind, unterfällt das Ausbildungsentgelt des Sohnes auch aus diesem Grund nicht der Begünstigung gemäß § 5 Abs 1 lit b FLAG 1967.
Das im Beschwerdeverfahren ins Treffen geführte Erkenntnis , demzufolge der von einem Polizeischüler bezogene Ausbildungsbeitrag unter die Bestimmung des § 5 Abs 1 lit b FLAG falle, worauf sich auch die Beschwerde stützt, ist als überholt anzusehen.
Die Beschwerde hat keine Gründe aufgezeigt, von der Rechtsprechung des , abzuweichen.
3.2 Spruchpunkt II
Gemäß § 25 Abs. 1 BFGG und § 282 BAO ist das Finanzamt verpflichtet, im gegenständlichen Fall mit den ihm zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Bundesfinanzgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen und die Auszahlung der Familienbeihilfe im ausgeführten Umfang vorzunehmen.
Mit Ausnahme der in den Jahren 2019 und 2021 liegenden, jeweils viermonatigen Randzeiten (vgl § 5 Abs 1 lit a FLAG 1967) ist für das Jahr 2020 in der nach § 12 FLAG 1967 zu erlassenden Mitteilung die Kürzung gemäß § 5 Abs 1 FLAG 1967 zu beachten. Da das Jahr 2020 bereits abgelaufen ist, ist die ex-post Betrachtung unproblematisch () und der Fall kann zur Gänze entschieden werden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Spruchpunkt III. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Rechtsfrage, ob ein Polizeischüler einen Beruf ausübt oder sich in Berufsausbildung befindet, ist mit dem Erkenntnis , geklärt.
In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nicht ausdrücklich die Rechtsfrage beantwortet worden, ob das von Polizeischülern bezogene Entgelt unter § 5 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 fällt. Die im Erkenntnis Ra 2020/16/0039, Rz 33, getätigten Ausführungen ist nach Ansicht des BFG als obiter dictum aufzufassen. Die ordentliche Revision war daher zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 1 VBG, Vertragsbedienstetengesetz 1948, BGBl. Nr. 86/1948 § 86a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 12 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 5 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 36 VBG, Vertragsbedienstetengesetz 1948, BGBl. Nr. 86/1948 § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 85 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7101177.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at