Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.04.2022, RV/5100118/2022

Ermächtigung nach § 153 Abs. 2 AußStrG zur Beantragung der Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung für einen ruhenden Nachlass

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2022/15/0026. Mit Erk. v. wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Beschluss zur Zahl RV/5100759/2022 erledigt.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/5100118/2022-RS1
Wenn ein Sozialhilfeverband vom Verlassenschaftsgericht gem. § 153 Abs. 2 AußStrG zur Durchsetzung seines Anspruches gemäß § 324 Abs. 3 ASVG ermächtigt wird, einen Antrag auf Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung zu stellen, ist der Sozialhilfeverband legitimiert, als Vertreter des ruhenden Nachlasses nach einer verstorbenen Person dessen Arbeitnehmerveranlagung zu beantragen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Ansgar Unterberger in der Beschwerdesache Verl. nach NN, vertreten durch SHV, zH BH, AdrSHV, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Zurückweisung des Antrages auf Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Bisheriges Verwaltungsverfahren und Sachverhalt

Der SHV (in der Folge: SHV) hat infolge einer Ermächtigung durch das zuständige Verlassenschaftsgericht vom am einen Antrag zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung (ANV) 2020 für den am verstorbenen NN eingebracht. Diese Ermächtigung muss dem Finanzamt vorgelegen oder sonst bekannt gewesen sein, da das Finanzamt im Zurückweisungsbescheid auf diese Ermächtigung Bezug nimmt. Auch im Vorlagebericht wird ausgeführt, dass dem Antrag der Gerichtsbeschluss beilag.

Anm. d. Ri.: Der Antrag kann somit nach den Grundsätzen der Auslegung von Anbringen (siehe unten) als Antrag der Verl. nach NN, vertreten durch den SHV, angesehen werden.

Am wies das Finanzamt Österreich diesen Antrag mit einem Bescheid an die Verl. nach NN, z.H. des SHV, z.H. Frau Bezirkshauptfrau zurück. In der Begründung wird ausgeführt, dass der ermächtigende Gerichtsbeschluss gemäß § 116 Abs. 2 BAO für das Finanzamt nicht bindend sei. Die Frage der abgabenrechtlichen Antragslegitimation sei im finanzbehördlichen Verfahren zu klären. Der SHV sei aber durch die Ermächtigung nur Einzelrechtsnachfolger des Verstorbenen geworden und einem Einzelrechtsnachfolger komme infolge des § 19 Abs. 1 BAO keine Antragslegitimation zu. Die Verlassenschaft bleibe als juristische Person bestehen und diese könne nur durch einen bestellten Verlassenschaftskurator handeln, nur dieser könne Anträge einbringen und Bescheide entgegennehmen.

Anm. d. Ri.: Bei konsequenter Verfolgung dieser Rechtsansicht hätte der Zurückweisungsbescheid an den -nach Ansicht des Finanzamtes- nicht legitimierten SHV als Einbringer des Antrages und nicht an die Verl. nach NN ergehen müssen. Tatsächlich ist aber eindeutig die Verl. nach NN der Bescheidadressat.

Gegen diesen Zurückweisungsbescheid brachte die Bezirkshauptfrau als Obfrau des SHV und wie sich aus der Begründung ergibt im Namen des SHV und in Vertretung der Verl. nach NN am eine Bescheidbeschwerde ein. Der Beschwerde war auch der Beschluss des Verlassenschaftsgerichtes vom beigelegt. In diesem heißt es u.a.: "Über Antrag wird dem SHV die Ermächtigung erteilt, für den Verstorbenen die ANV für die Jahre 2019 und 2020 beim Finanzamt durchzuführen und das sich daraus ergebende Guthaben in Empfang zu nehmen. Der SHV ist verpflichtet von sich aus 20% der sich aus der ANV ergebenden Guthaben an den Sohn des Verstorbenen zur Auszahlung zu bringen."

Diese Beschwerde wurde vom Finanzamt mit einer Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom als unbegründet abgewiesen. In dieser BVE wird nun zwar formal der SHV und nicht die Verl. nach NN als Bescheidadressat angeführt. Aus der Begründung der BVE ergibt sich aber im Ergebnis, dass sich das Finanzamt bloß in der Bezeichnung des Adressaten "vergriffen" hat. Aus der Erledigung ist insgesamt offenkundig, dass als Bescheidadressat der Beschwerdeführer, nämlich die Verl. nach NN, vertreten durch den SHV gemeint war. Oder mit anderen Worten nach der Anschauung des Finanzamtes war ganz offensichtlich als Bescheidadressat die Verl. nach NN, aber eben nicht wirksam vertreten durch den SHV gemeint. So lautet der Spruch der BVE: "Die Beschwerde … betreffend den Verstorbenen NN wird als unbegründet abgewiesen". In der Begründung wird ausgeführt, dass der SHV keine Vertretungsbefugnis für die Verl. nach NN nachgewiesen hätte, weshalb diese nicht handlungs- und prozessfähig sei und ihre Beschwerde (Anm. d. Ri.: jene, der Verlassenschaft nach…) daher abzuweisen sei. Ergänzend erfolgte ein Hinweis auf den an die Verl. nach …..adressierten Erstbescheid.

Auch im Vorlagebericht des Finanzamtes vom wird als Beschwerdeführer richtigerweise die Verl. nach NN und nicht der SHV angeführt.

Anm. d. Ri.: An dieser Stell ist nicht die Richtigkeit der Rechtsansicht des Finanzamtes ausschlaggebend, sondern alleine maßgeblich, ob das Finanzamt mit der BVE über die Bescheidbeschwerde abgesprochen hat. Da dies im Wege der zulässigen Auslegung zu bejahen ist (siehe dazu Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I3 § 93 BAO Rz 10ff mwN zur Judikatur des VwGH (Stand , rdb.at), muss nicht aufgrund einer fehlenden BVE zur vorgelegten Beschwerde mit Verständigung nach § 281a BAO oder mit Zurückweisung des Vorlageantrages vorgegangen werden, sondern kann vom BFG in der Sache selbst entschieden werden.

Gegen diese BVE wurde am ein als Beschwerde überschriebenes Dokument mit dem ermächtigenden Gerichtsbeschluss als Beilage eingebracht. Inhaltlich entspricht das Schreiben der ursprünglichen Beschwerde. Auch hier ergibt sich wieder aus der Begründung und der Beilage, dass dieses Schreiben als Vorlageantrag zu werten ist und vom SHV in Vertretung der Verl. nach NN eingebracht wurde.

Beweiswürdigung

Der geschilderte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt vorgelegten Aktenteilen.

Rechtsgrundlagen

Zur Auslegung von Anbringen führt Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I3 § 85 Rn 3 und 4, BAO (Stand , rdb.at) aus:

Für die Beurteilung von Anbringen kommt es auf den Inhalt und auf das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischritts an. Bei einem eindeutigen Inhalt eines Anbringens ist eine davon abweichende, nach außen nicht zum Ausdruck kommende Absicht des Einschreiters nicht maßgebend. Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Behörde gehalten, die Absicht der Partei zu erforschen (). Es besteht keine Befugnis oder Pflicht der Behörde, von der Partei tatsächlich nicht erstattete Erklärungen aus der Erwägung als erstattet zu fingieren, dass der Kontext des Parteienvorbringens die Erstattung der nicht erstatteten Erklärung nach behördlicher Beurteilung als notwendig, ratsam oder empfehlenswert erscheinen lässt (vgl ).

Parteierklärungen im Verwaltungsverfahren sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, dh es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszwecks und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss ().

§ 93 Abs. 2 BAO normiert zum Bescheidadressaten: Jeder Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht.

Wenn sich die Behörde bloß in der Bezeichnung des Adressaten vergreift, aber aus der Erledigung insgesamt offenkundig ist, wer gemeint war, schadet die fehlerhafte Bezeichnung nicht; in diesem Fall liegt ein berichtigungsfähiger Fehler vor, bei dem, solange eine Berichtigung nicht erfolgt ist, durch Auslegung des Bescheids zu klären ist, an wen er gerichtet ist (; ).

Beschwerdeführer ist nach § 78 BAO jeder, der eine Beschwerde einbringt.

Nach § 246 Abs. 1 BAO ist zur Einbringung einer Bescheidbeschwerde jeder befugt, an den der den Gegenstand der Anfechtung bildende Bescheid ergangen ist. Aus dem Bescheidspruch (§ 93 Abs 2) ergibt sich der Bescheidadressat, also die Person, dessen Rechte berührt werden.

Nach § 41 Abs. 2 EStG 1988 setzt eine Arbeitnehmerveranlagung einen Antrag des Steuerpflichtigen voraus.

Nach dem Tod des Steuerpflichtigen kann einen derartigen Antrag nach den geltenden Bestimmungen nach der Einantwortung der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger (§ 547 ABGB) des verstorbenen Steuerpflichtigen einbringen. Vor der Einantwortung (oder auch wenn es zu einer solchen infolge der §§ 153ff AußStrG gar nicht kommt) setzt gem. § 531 ABGB der ruhende Nachlass (die "Verlassenschaft nach XY" als juristische Person) als Gesamtrechtsnachfolger und Träger der Rechte und Verbindlichkeiten des Verstorbenen dessen Rechtsposition fort.

Diese "Verlassenschaft nach …." kann unstrittig durch einen bestellten Verlassenschaftskurator oder auch durch eine auf den Todesfall hinaus bevollmächtigte Person vertreten werden.

Weiters bestimmt § 153 Abs. 2 AußStrG: Ist auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen österreichisches Recht anzuwenden, so hat das Gericht auf Antrag denjenigen, deren Anspruch nach der Aktenlage bescheinigt ist, die Ermächtigung zu erteilen, das Verlassenschaftsvermögen ganz oder zu bestimmten Teilen zu übernehmen, dazu gehörende Rechte geltend zu machen oder aufzugeben, über erhaltene Leistungen rechtswirksam zu quittieren und Löschungserklärungen auszustellen.

In vielen Fällen wird in einem Beschluss nach § 153 Abs. 2 AußStrG ein Sozialhilfeverband im Sinn dieser Bestimmung ermächtigt.

Als Träger der Sozialhilfe tritt entweder der Magistrat in Statutarstädten auf oder der Sozialhilfeverband (§ 29 OÖ SHG). Der Sozialhilfeverband ist nach § 3 iVm § 12 Oö Gemeindeverbändegesetz iVm Oö SHG ein Gemeindeverband mit eigener Rechtspersönlichkeit. Die jeweilige Geschäftsstelle des SH-Verbands ist bei der BH eingerichtet (§ 38 Abs 1 OÖ SHG). Für den Sozialhilfeverband ist der Obmann zeichnungsberechtigt (§ 32 Abs 5 Z 1 OÖ SHG). Dies ist der Bezirkshauptmann bzw. die Bezirkshauptfrau (§ 34 Abs 1 OÖ SHG)

Im OGH 2 Ob 65/21d entschied der OGH dann zudem, dass das Rekursgericht den Spruch des Erstgerichtes ("der Tochter werde "namens der Verlassenschaft die Ermächtigung erteilt, Anträge bzw Erklärungen bei Finanzbehörden zu stellen oder abzugeben") unbedenklich ausgelegt hat als "es sei lediglich eine Ermächtigung erteilt worden, als Vertreterin der Verlassenschaft beim FA Anträge zu stellen und Erklärungen abzugeben". "Für eine derartige Vorsorge zur Vertretung der Verlassenschaft ist das Verlassenschaftsgericht zuständig". Ob diese Ermächtigung tatsächlich ausreichend ist, damit die Tochter die Verlassenschaft wirksam vor den Abgabenbehörden vertreten kann, wird die Behörde in einem allfälligen Verfahren beurteilen. Hinsichtlich der Frage, der ausreichenden Klarstellung der Vertretungsbefugnis verweist der OGH auf den Beitrag von Berger in iFamZ (Steuerguthaben und Arbeitnehmerveranlagung, iFamZ 2021, 173). In diesem Beitrag kommt der Autor zu dem Ergebnis, dass eine auch für die Abgabenbehörde wirksame Vertreterbestellung gegeben ist. Dies ergäbe sich insbesondere zur Judikatur zu der im Wesentlichen gleichen Vorgängerbestimmung und auch aus OGH Beschluss OGH 2 Ob 72/19f, in dem der OGH keine Zweifel hatte, dass der Sohn des Verstorbenen (ohne Einantwortung) vom Bezirksgericht zur Beantragung einer ANV des Verstorbenen ermächtigt werden kann)

Der SHV hat laut OGH Anspruch auf 80% einer Gutschrift aus einer ANV, die auf Rentenzahlungen aus Pflegezeiträumen stammen und kann vom Verlassenschaftsgericht ermächtigt werden, diesen Anspruch auch vor den Abgabenbehörden als Vertreter des ruhenden Nachlasses geltend zu machen. Das Verlassenschaftsgericht ist alleine für derartige Vertreterbestellungen zur Vorsorge der Vertretung der Verlassenschaft zuständig. Wie bereits ausgeführt, würde eine Ermächtigung, den Anspruch im eigenen Namen geltend zu machen, ins Leere gehen, weil § 41 Abs. 2 die Antragstellung durch den Steuerpflichtigen oder eben durch seinen Gesamtrechtsnachfolger (Erbe oder ruhender Nachlass) bzw durch deren Vertreter verlangt.

Der SHV ist dann ein Vertreter nach § 80 BAO, der ruhende Nachlass der Gesamtrechtsnachfolger nach § 19 BAO. Der Vertreter einer juristischen Person (zB ruhender Nachlass) hat nach § 80 BAO alle Pflichten der der vertretenen Person zu erfüllen und alle dieser Person zustehenden Rechte wahrzunehmen.

Hinsichtlich des hier grundlegend strittigen Anspruch normiert § 324 Abs. 3 ASVG:

Wird ein Renten(Pensions)berechtigter auf Kosten eines Trägers der Sozialhilfe oder auf Kosten eines Trägers der Jugendwohlfahrt in einem Alters(Siechen)heim oder Fürsorgeerziehungsheim, einer Heil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Geisteskranke, einer Trinkerheilstätte oder einer ähnlichen Einrichtung bzw. außerhalb einer dieser Einrichtungen im Rahmen eines Familienverbandes oder auf einer von einem Träger der öffentlichen Wohlfahrtspflege oder von einer kirchlichen oder anderen karitativen Vereinigung geführten Pflegestelle verpflegt, so geht für die Zeit dieser Pflege der Anspruch auf Rente bzw. Pension (einschließlich allfälliger Zulagen und Zuschläge) bis zur Höhe der Verpflegskosten, höchstens jedoch bis zu 80 vH, wenn der Renten(Pensions)berechtigte aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung für den Unterhalt eines Angehörigen zu sorgen hat, bis zu 50 vH dieses Anspruches auf den Träger der Sozialhilfe oder auf den Träger der Jugendwohlfahrt über; das gleiche gilt in Fällen, in denen ein Renten(Pensions)berechtigter auf Kosten eines Landes im Rahmen der Behindertenhilfe in einer der genannten Einrichtungen oder auf einer der genannten Pflegestellen untergebracht wird, mit der Maßgabe, daß der vom Anspruchsübergang erfaßte Teil der Rente (Pension) auf das jeweilige Land übergeht. Der vom Anspruchsübergang erfaßte Betrag vermindert sich für jeden weiteren unterhaltsberechtigten Angehörigen um je 10 v. H. dieses Anspruches. Der vom Anspruchsübergang erfaßte Betrag vermindert sich in dem Maß, als der dem unterhaltsberechtigten Angehörigen verbleibende Teil der Pension (Rente) zuzüglich seines sonstigen Nettoeinkommens (§ 292 Abs. 3) den jeweils geltenden Richtsatz gemäß § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb nicht erreicht. Die dem Renten(Pensions)berechtigten für seine Angehörigen zu belassenden Beträge können vom Versicherungsträger unmittelbar an die Angehörigen ausgezahlt werden.

Aus § 324 Abs. 3 ASVG iVm § 4 Abs. 1 Z 1 OÖ Sozialhilfeverordnung 1998 (definiert, was als Einkommen zu gelten hat) ergibt sich, dass bestimmte Anteile eines Renten- oder Pensionsanspruch (idR 80%) im Wege der Legalzession auf den Träger der Kosten für die Heimunterbringung des Renten- oder Pensionsberechtigten übergehen. Nach den OGH Beschlüssen vom , OGH 2 Ob 72/19f und OGH 2 Ob 161/18t sowie im OGH 2 Ob 128/19s entschied der OGH, dass diese Legalzession unmittelbar für jeden Monat stattfindet, in dem der Rentenbezieher in einem Heim "gepflegt" wurde und für das ein Rentenanspruch besteht. Weder der zugrunde liegenden Gesetzesstelle noch den Beschlüssen des OGH ist eine Einschränkung auf bereits veranlagte Zeiträume bzw. bestehende Guthaben zu entnehmen, wie fallweise von der FinVerw behauptet. Einzige Voraussetzung für das Entstehen des Anspruches des Trägers der Sozialhilfe ist die zeitliche Kongruenz zwischen Renten/Pensionsbezug und der erfolgten Kostentragung.

Erwägungen des BFG

Aus den angeführten OGH Beschlüssen ergibt sich, dass dem SHV nach § 324 Abs. 3 ASVG einen Anspruch auf einen bestimmten Prozentsatz des Einkommens der Person für Zeiträume, in denen der SHV die Kosten für die Sozialhilfeleistungen getragen hat, zukommt. Ebenso hat der OGH festgestellt, dass alleine die Verlassenschaftsgerichte dafür zuständig sind, für eine ordentliche Vertretung des ruhenden Nachlasses zu sorgen. Als Vertreter des ruhenden Nachlasses kann nicht nur ein Verlassenschaftskurator bestellt werden sondern es kann auch im vereinfachten Verfahren eine anspruchsberechtigte Person ermächtigt werden, bestimmte Rechte in einem bestimmten Verfahren geltend zu machen. Zur Geltendmachung dieser Rechte wird im Ergebnis -auch wenn dies im Beschluss nicht ausdrücklich genannt sein sollte, die Entgegennahme betreffender Entscheidungen und die Stellung von Rückzahlungsanträgen gehören. Letztlich ist auch verständlich, dass der SHV als Träger der angefallenen Kosten diesen Anspruch auf einen Teil der für die Zeit der Kostentragung angefallenen Einkünfte der gepflegten Person hat. Der OGH hat dazu ausgesprochen, dass der SHV diese Beträge unstrittig auch erhalten hätte, wenn die laufende Besteuerung (der Lohnsteuerabzug durch die auszahlende Stelle) von vornherein den tatsächlichen Gegebenheiten entsprochen hätte. Nach dem Rechtsverständnis des Richters muss versucht werden, diesem Anspruch auch verfahrensrechtlich und gesetzlich gedeckt zum Durchbruch zu verhelfen. Zu beachten wäre allenfalls, dass dieser Anspruch nur für Monate entsteht, in denen der Träger der Sozialhilfe die angefallenen Kosten auch tatsächlich getragen hat.

Wenn nun auf Basis dieser Rechtslage der SHV im Namen der Verl. nach NN einen Antrag auf ANV gestellt hat, hat das Finanzamt darüber abzusprechen. Da die "Verlassenschaft nach ….." als juristische Person bis zur Einantwortung eines allfälligen Erben als Gesamtrechtsnachfolger der verstorbenen Person anzusehen ist, kann sie auch einen Antrag nach § 41 Abs. 2 EStG 1988 stellen. Nach den Auslegungsgrundsätzen für Anbringen (siehe oben) kann der eingebrachte Antrag, dem auch der Ermächtigungsbeschluss des Gerichtes beilag, nur so verstanden werden, dass der SHV den Antrag im Sinn der erfolgten Ermächtigung für die "Verlassenschaft nach….." stellt.

Ebenso ist der Bescheidadressat des Zurückweisungsbescheides ggfs im Wege der zulässigen Auslegung des Bescheides zu eruieren. Ergeht dieser wie hier an die Verl. nach NN z.H. des SHV, ist als Bescheidadressat die Verl. nach NN, vertreten durch den SHV, anzusehen.

Wenn dann die Beschwerde gegen diesen Bescheid aufgrund des wiederum beiliegenden Gerichtsbeschluss als vom Bescheidadressaten Verl. nach NN, vertreten durch den SHV, eingebacht zu werten ist, ist die Verl. nach NN der Beschwerdeführer, über dessen Beschwerde gem. § 262 BAO mit einer Beschwerdevorentscheidung abzusprechen ist.

Wie oben bei der Darstellung des Verwaltungsverfahrens bereits ausgeführt wurde, erging die BVE in der Folge zwar formal an den SHV, nach den Auslegungsgrundsätzen der Judikatur für Bescheide ist der BVE aber insgesamt zu entnehmen, dass das Finanzamt die BVE an die Verl. nach NN, vertreten durch den SHV, erlassen hat.

Wenn sich die Behörde bloß in der Bezeichnung des Adressaten vergreift, aber aus der Erledigung insgesamt offenkundig ist, wer gemeint war, schadet die fehlerhafte Bezeichnung nicht; in diesem Fall liegt ein berichtigungsfähiger Fehler vor, bei dem, solange eine Berichtigung nicht erfolgt ist, durch Auslegung des Bescheids zu klären ist, an wen er gerichtet ist (; ).

Die "Formstrenge", die einem "Umdeuten" des Bescheidadressaten entgegensteht, dient dazu, Rechtsunsicherheiten vorzubeugen. Eine derartige Rechtsunsicherheit besteht aber nicht, wenn dem im Bescheid als Adressat Bezeichneten nur die Stellung eines (prozessual) nicht rechtsfähigen Organs eines Rechtsträgers zukommt, diesem gegenüber als Partei des Abgabenverfahrens nach der objektiven Rechtslage die bescheidmäßige Erledigung zu treffen ist und aus dem Bescheid insgesamt - also auch unter Bedachtnahme auf seine Begründung - nicht auf einen davon abweichenden Bescheidwillen der Verwaltungsbehörde geschlossen werden kann, wenn also eindeutig und offenkundig bloß ein Fehler in der Bezeichnung des Bescheidadressaten vorliegt ().

Somit war durch das BFG in der Sache selbst zu entscheiden. Das Finanzamt legte in diesem Sinn nach dem Wortlaut des Vorlageberichtes auch die Beschwerde der Verl. nach NN dem BFG zur Entscheidung vor.

Dass der SHV in den Monaten Jänner bis Mai 2020 die Kosten für die Sozialhilfe des am verstorbenen NN trug, wird auch vom Finanzamt nicht bestritten. Damit ist aber nach der Judikatur des OGH die einzige Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs des SHV nach § 324 Abs. 3 ASVG, nämlich die zeitliche Kongruenz zwischen den Zeiträumen der Einkommenserzielung der verstorbenen Person und der genannten Kostentragung zumindest für die genannten Monate erfüllt. Wäre dieser Anspruch strittig, hätte das Verlassenschaftsgericht den SHV nicht nach § 153 Abs. 2 AußStrG ermächtigen dürfen.

Die Antragstellung nach § 41 Abs. 2 EStG auf Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung obliegt nur dem Abgabepflichtigen bzw dessen Gesamtrechtsnachfolger. Unstrittig ist der ruhende Nachlass, hier die Verl. nach NN, Gesamtrechtsnachfolger des antragsberechtigten Abgabepflichtigen. Durch die gerichtliche Ermächtigung nach § 153 Abs. 2 AußStrG wurde der SHV im vereinfachten Verfahren ermächtigt als Vertreter des ruhenden Nachlasses die Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung zu beantragen. Das Verlassenschaftsgericht ist nach der Judikatur des OGH alleine zuständig für die ordentliche Vertretung des ruhenden Nachlasses Sorge zu tragen. Der SHV wird nicht -wie vom Finanzamt unterstellt- als Einzelrechtsnachfolger des NN sondern als Vertreter des Gesamtrechtsnachfolgers Verl. nach NN in dieser von der Ermächtigung umfassten Sache tätig. Die Arbeitnehmerveranlagung 2020 für NN ist daher durchzuführen und der dies ablehnende Zurückweisungsbescheid war ersatzlos aufzuheben.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da es noch keine Rechtsprechung des VwGH zur Legitimation einer nach § 153 Abs. 2 AußStrG ermächtigten Person für einen Antrag auf Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung in Vertretung eines ruhenden Nachlasses zur Durchsetzung eines Anspruchs nach § 324 Abs. 3 ASVG gibt, war die Revision zuzulassen.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise






Zitiert/besprochen in
Berger/Unterberger in BFGjournal 2022, 125
Berger in BFGjournal 2023, 19
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100118.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at