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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.12.2021, RV/2100735/2021

§ 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988: Ermittlung des Grenzbetrages für den Alleinverdienerabsetzbetrag

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri. in der Beschwerdesache N.N., Adr.Bf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019, Steuernummer xxx, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer [in Folge: Bf.] erzielte im Streitjahr 2019 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und bezog steuerfreie Leistungen (Arbeitslosengeld). Der Bf. machte im Rahmen seiner am elektronisch übermittelten Arbeitnehmerveranlagung den Alleinverdienerabsetzbetrag geltend.

Mit Bescheid vom betreffend die Einkommensteuer 2019 berücksichtigte die belangte Behörde den Alleinverdienerabsetzbetrag nicht, weil die steuerpflichtigen Einkünfte der Partnerin des Bf. höher als 6.000,00 Euro gewesen seien.

Mit FinanzOnline-Eingabe vom beschwerte sich der Bf. über die nicht erfolgte Berücksichtigung des Alleinverdienerabsetzbetrages. Unter Angabe der Versicherungsnummer seiner Gattin gab der Bf. an, dass seine Frau weniger als 6.000,00 Euro verdient habe.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Alleinverdienerabsetzbetrag iHv. 494,00 Euro berücksichtigt.

Am wurde die Beschwerdevorentscheidung vom mit Bescheid gemäß § 299 BAO aufgehoben, da sich der Spruch der Beschwerdevorentscheidung als nicht richtig erwiesen habe.

Ebenfalls am wurde eine neue Beschwerdevorentscheidung erlassen, in welcher der Alleinverdienerabsetzbetrag nicht (mehr) anerkannt wurde. Begründend wurde ausgeführt, dass sich bei nachträglicher Prüfung herausgestellt habe, dass der maßgebliche Grenzbetrag von 6.000,00 Euro betreffend die Einkünfte der Gattin überschritten worden sei. Es würden nicht nur die steuerpflichtigen Einkünfte für den Grenzbetrag herangezogen, sondern auch die mit einem begünstigten Steuersatz ausbezahlten Abfertigungen.
Verwiesen wurde auf die Lohnzetteldaten (mit festen Sätzen besteuerte Bezüge) laut Einkommensteuerbescheid 2019 der Gattin.

Gegen diese Beschwerdevorentscheidung erhob der Bf. über FinanzOnline am das Rechtsmittel der "Beschwerde" (unter der Rubrik "Art des Bescheides" wurde "Rückzahlung" angegeben), in welcher er um genauere Begründung, warum er den Alleinverdienerabsetzbetrag nun doch wieder zurückzahlen müsse, ersuchte. Seine Gattin sei im Jahr 2019 bis April in Karenz gewesen, danach arbeitssuchend bis . Am habe sie dann wieder begonnen zu arbeiten, wobei sie dort nur etwas über 5.000,00 Euro verdient hätte. Da "Teilzeit, Karenz und Arbeitslos" nicht dazu zähle, weil man keine Steuer zahle, verstehe er die Aberkennung nicht, wenn seine Frau weniger als 6.000,00 Euro verdient habe.

Am legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Nach Wiedergabe des Verfahrensgangs führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass es nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen ("Rückzahlung") ankomme. Aufgrund des erkennbaren Inhalts sei die Eingabe vom als Vorlageantrag anzusehen.
Zur Nichtanerkennung des Alleinverdienerabsetzbetrages wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass Ausgangspunkt für die Ermittlung des Grenzbetrages des Ehepartners zunächst der Gesamtbetrag der Einkünfte gemäß § 2 Abs. 2 Z 4 EStG 1988, also der Gewinn bei betrieblichen Einkünften und der Überschuss bei außerbetrieblichen Einkünften sei. Darüber hinaus seien in den Grenzbetrag neben dem Gesamtbetrag der Einkünfte auch alle insbesondere nach §§ 67, 69, 27a Abs. 1, 30a Abs. 1 EStG 1988 mit einem festen Steuersatz besteuerte Einkünfte einzubeziehen, auch wenn sie durch Steuerabzug endbesteuert und daher nicht in die Veranlagung aufzunehmen seien. Im gegenständlichen Fall habe die Ehefrau des Bf. im Jahr 2019 laut Lohnzettel Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 5.320,62 Euro (abzüglich Werbungskostenpauschale) bezogen. Zusätzlich habe sie mit einem begünstigten Steuersatz ausbezahlte Abfertigungen in Höhe von 411,59 Euro der Vorsorgekasse1 und 1.803,17 Euro der Vorsorgekasse2 bezogen. Folglich würden die Einkünfte der Ehefrau des Bf. im Jahr 2019 jedenfalls 7.535,32 Euro (5.320,62 + 411,59 + 1.803,17) betragen und lägen über der Grenze von 6.000,00 Euro. Der Alleinverdienerabsetzbetrag stehe dem Bf. im Jahr 2019 danach nicht zu.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Bf. lebte im Streitjahr 2019 laut Abfrage im Zentralen Melderegister zusammen mit seiner Ehefrau (verheiratet seit 2010) und einem gemeinsamen Kind, für welches Familienbeihilfe seit 10/2016 bezogen wird, in Graz. Die Gattin bezog nach vorliegendem Einkommensteuerbescheid 2019 inkl. Lohnzettel im Streitjahr neben Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit auch steuerfreie Leistungen (Arbeitslosengeld) sowie Abfertigungszahlungen aus Betrieblichen Vorsorgekassen.

Strittig ist die Nichtanerkennung des Alleinverdienerabsetzbetrages durch die belangte Behörde. Während der Bf. vorbringt, dass seine Gattin im Beschwerdejahr lediglich nur etwas über 5.000,00 Euro verdient hätte, vertritt die belangte Behörde die Ansicht, dass die Ehefrau aufgrund zusätzlich ausbezahlter Abfertigungen Einkünfte über den in § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 genannten Grenzbetrag von 6.000,00 Euro bezogen habe.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

A. Zum Vorlageantrag:
§ 264 Abs. 1 BAO lautet:
"Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten."

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Parteierklärungen nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, d. h. es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Absicht der Partei zu erforschen. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt ().

Es ist im vorliegenden Sachverhalt trotz der mangelhaften Bezeichnung des Rechtsmittels als "Rückzahlung" offensichtlich, dass sich der Schriftsatz des Bf. gegen die verbösernde Beschwerdevorentscheidung vom richtet. Die Eingabe vom stellt daher einen Vorlageantrag gegen jene Beschwerdevorentscheidung dar.

B. Zum Alleinverdienerabsetzbetrag:
Gemäß § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 stehen folgende Absetzbeträge zu, wenn sich das Kind ständig in einem Mitgliedstaat der EU (…) aufhält:
" Alleinverdienenden steht ein Alleinverdienerabsetzbetrag zu. Dieser beträgt jährlich bei einem Kind (§ 106 Abs. 1) 494 Euro (…).
Alleinverdienende sind Steuerpflichtige mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1), die mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet (…) und von ihren unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten (…) nicht dauernd getrennt leben (…).
Voraussetzung ist, dass der (Ehe-)Partner (§ 106 Abs. 3)
Einkünfte von höchstens 6 000 Euro jährlich erzielt. Die nach § 3 Abs. 1 Z 4 lit. a, weiters nach § 3 Abs. 1 Z 10, 11 und 32 und auf Grund zwischenstaatlicher oder anderer völkerrechtlicher Vereinbarungen steuerfreien Einkünfte sind in diese Grenzen mit einzubeziehen. Andere steuerfreie Einkünfte sind nicht zu berücksichtigen. Der Alleinverdienerabsetzbetrag steht nur einem der (Ehe-)Partner zu. Erfüllen beide (Ehe-)Partner die Voraussetzungen im Sinne der vorstehenden Sätze, hat jener (Ehe-)Partner Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag, der die höheren Einkünfte im Sinne der Z 1 erzielt. Haben beide (Ehe-)Partner keine oder gleich hohe Einkünfte im Sinne der Z 1, steht der Absetzbetrag dem haushaltsführenden (Ehe-)Partner zu".

Nach § 25 Abs. 1 Z 2 lit. d EStG 1988 sind Bezüge und Vorteile aus Betrieblichen Vorsorgekassen (BV-Kassen) einschließlich der Bezüge und Vorteile im Rahmen der Selbständigenvorsorge nach dem 4. und 5. Teil des betrieblichen Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz (BMSVG) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

§ 67 Abs. 3 Satz 5 EStG 1988 normiert, dass die Lohnsteuer von Abfertigungen sowie von Kapitalbeträgen (§§ 55 und 67 BMSVG) aus BV-Kassen 6% beträgt.

Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören somit auch Bezüge und Vorteile aus Betrieblichen Vorsorgekassen. Abfertigungen, die - wie im Beschwerdefall bei der Ehefrau gegeben - in Form eines Kapitalbetrages von einer Betrieblichen Vorsorgekasse ausbezahlt werden sind mit 6% zu versteuern.

Die Bestimmung des § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 stellt bei der Normierung der für den Alleinverdienerabsetzbetrag maßgeblichen Grenze ausdrücklich auf die "Einkünfte" des Partners (Ehepartners) ab und bezieht sich demnach aus systematischer Sicht auf die Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 2 bis 4 EStG 1988, somit auch auf jene Bestimmungen des EStG, die die Frage der Einkünfteermittlung behandeln (vgl. ).

Bei Anwendung des § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 geht es darum, den Gesamtbetrag der Einkünfte des (Ehe)Partners zu ermitteln, und nicht darum, welcher Teil nach dem Einkommensteuertarif und welcher Teil nach festen Steuersätzen besteuert wird (vgl. ).

Gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 ist unter Einkommen der Gesamtbetrag der Einkünfte aus den einzelnen Einkunftsarten nach Berücksichtigung weiterer Abzugsposten zu verstehen.
Bei den außerbetriebliche Einkunftsarten werden nach § 2 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 die Einkünfte durch den Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten definiert.

Maßgebend für die Ermittlung des Grenzbetrags von 6.000,00 Euro ist der Gesamtbetrag der Einkünfte iSd. § 2 Abs. 2 EStG 1988 zuzüglich bestimmter steuerfreier Einkünfte sowie sonderbesteuerter Einkünfte (vgl. Kanduth-Kristen in Jahreskommentar EStG14, § 33 Rz 57).

In den Grenzbetrag von 6.000,00 Euro einzubeziehen sind neben dem Gesamtbetrag der Einkünfte auch alle insbesondere nach §§ 67, 69, 27a Abs. 1, 30a Abs. 1 EStG 1988 mit einem festen Steuersatz besteuerte Einkünfte, auch wenn sie durch Steuerabzug endbesteuert sind und daher nicht in die Veranlagung aufzunehmen sind (vgl. Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21a § 33 Rz 44/2).

Aus dem Lohnzettel 2019 der Ehefrau des Bf. ist ersichtlich: Die Gattin hat Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von gesamt 5.452,62 Euro aus den Dienstverhältnissen bei Firma1 und Firma2 bezogen. Neben diesen Einkünften hat sie Abfertigungen in Höhe von 411,59 Euro (davon einbehalten als Lohnsteuer, 6%: 24,70 Euro) und in Höhe von 1.803,17 Euro (davon einbehalten als Lohnsteuer, 6%: 108,19 Euro) erhalten und somit weitere, mit dem festen Steuersatz von 6% besteuerte, Einkünfte erzielt.

274282932677102699649236029526996481696720Die Einkünfte der Gattin des Bf. übersteigen unter Einbeziehung der mit dem festen Steuersatz von 6 % versteuerten sonstigen Bezüge (im gegenständlichen Beschwerdefall: Abfertigungen der Vorsorgekassen gemäß § 67 Abs. 3 EStG 1988 in Höhe von 411,59 Euro sowie 1.803,17 Euro) im Streitjahr 2019 den hier maßgeblichen Grenzbetrag von 6.000,00 Euro:
Arbeitgeber Einkünfte der Ehegattin:
Firma1 1.084,30 Euro
Firma1 458,74 Euro
Firma2 3.909,58 Euro
abzgl. Werbungkosten:
Pauschale - 132,00 Euro
Zwischenergebnis: 5.320,62 Euro
Abfertigungen Betriebliche Vorsorgekassen:
Vorsorgekasse1: 411,59 Euro
Vorsorgekasse2: 1.803,17 Euro
Gesamtsumme Einkünfte: 7.535,38 Euro (> Grenzbetrag iHv. 6.000,00 Euro)

Die Einkünfte der Ehefrau des Bf. haben daher im Kalenderjahr 2019 den maßgeblichen Grenzbetrag im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 von 6.000,00 Euro überschritten, weshalb dem Bf. von der belangten Behörde der Alleinverdienerabsetzbetrag für dieses Jahr zu Recht aberkannt wurde.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht konnte sich im vorliegenden Fall auf die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen sowie die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs stützen. Da somit eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt, ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.2100735.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at