Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.10.2021, RV/5200001/2019

Geschäftsführerhaftung bei zu Unrecht erfolgter Inanspruchnahme der Steuerfreiheit nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 (Einfuhr und anschließende innergemeinschaftliche Lieferung)

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2022/16/0002.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/5200001/2019-RS1
Die Heranziehung einer Person zur Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO für Abgaben eines Zeitpunktes, zu dem die betroffene Person die Vertreterstellung im Sinne des § 80 BAO nicht mehr hatte, ist rechtswidrig ( und ).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, vertreten durch ***V.***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes ***ZA*** (nunmehr Zollamt Österreich) vom , Zahl: ***000***, mit dem der Beschwerdeführer gemäß §§ 9, 80 Bundesabgabenordnung (BAO) für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der ***P-GmbH***, (FN ******) im Ausmaß von 447.592,33 Euro in Anspruch genommen wurde, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) ersatzlos aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit dem verfahrensgegenständlichen Haftungsbescheid vom nahm das Zollamt den Beschwerdeführer (Bf.) als Haftungspflichtigen gemäß § 9 i.V.m. §§ 80 und 224 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten (Einfuhrumsatzsteuer) der Primärschuldnerin, der ***P-GmbH***, (FN ******) im Ausmaß von 447.592,33 Euro in Anspruch.
Dies im Wesentlichen mit folgender Begründung:
1. Darstellung des Sachverhaltes
Die Primärschuldnerin habe mit den in einer nachfolgenden Tabelle aufgelisteten Zollabfertigungen im Zeitraum von bis als indirekte Vertreterin verschiedener Empfänger Waren (überwiegend Textilien) im den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr mit anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung übergeführt.
Mit Bescheid vom , Zahl: ***111***, habe das Zollamt der Primärschuldnerin als Anmelderin der Waren gem. § 201 Abs. 1 Buchstabe a Zollkodex (ZK) in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) für diese Geschäftsfälle eine Eingangsabgabenschuld in Höhe von 416.961,54 Euro (Einfuhrumsatzsteuer) sowie gem. § 108 Abs. 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) eine Abgabenerhöhung in Höhe von 30.630,79 Euro zur Entrichtung vorgeschrieben, weil die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße innergemeinschaftliche Lieferung nicht nachgewiesen worden seien. Die Ermittlung der vorgeschriebenen Abgaben sei dem beigeschlossenen, an die Primärschuldnerin ergangenen Bescheid zu entnehmen. Eine Beschwerde gegen diesen Bescheid sei vom Zollamt mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zahl: ***222***, als unbegründet abgewiesen worden.
Die Primärschuldnerin habe die Aufträge zu den gegenständlichen Verzollungen von der Firma ************ (im Folgenden: ***A-GmbH***), die als Vermittlerin zwischen den türkischen Versendern, den Frächtern bzw. Warenempfängern und der Primärschuldnerin aufgetreten sei, erhalten. Zwischen der Primärschuldnerin und der Firma ***A-GmbH*** sei mündlich vereinbart worden, dass es Aufgabe der Firma ***A-GmbH*** sei, die entsprechenden Ablieferbelege zu besorgen. Die Primärschuldnerin habe aufgrund der Vorgaben der ***A-GmbH*** mit den Warenempfängern, Frachtführern und Versendern nicht in Kontakt treten dürfen. Bei Problemen oder Unstimmigkeiten habe sich die Primärschuldnerin ausschließlich an die ***A-GmbH*** wenden müssen. Das abgabenrechtliche Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass die in der Zollanmeldung als Empfänger angeführten Firmen missbräuchlich benutzt worden seien (Identitätsdiebstahl). Es seien überwiegend Textilien abgefertigt worden, obwohl es sich zum Teil um Unternehmen mit gänzlich anderem Geschäftsfeld gehandelt habe.
Insgesamt seien von Mai 2008 bis April 2010 685 derartige Verzollungen durchgeführt worden. Die Nacherhebung der Einfuhrumsatzsteuerbeträge und die Festsetzung der Abgabenerhöhung seien mit mehreren Bescheiden, die sich aus einer nachstehenden Tabelle ergeben würden, erfolgt. Die Haftungsinanspruchnahme und auch die Höhe der Haftungssumme liege im Ermessen der Abgabenbehörde. Im Rahmen dieses Ermessens beschränke sich das Zollamt darauf, den Bf. für die mit Bescheid vom festgesetzten Abgaben zur Haftung heranzuziehen (siehe Punkt 7. des Bescheides - Ermessen).
2. Zugehörigkeit zum Personenkreis der §§ 80 ff BAO
Der Bf. sei seit Geschäftsführer der Primärschuldnerin und gehöre daher zum Personenkreis, der für eine Haftungsinanspruchnahme in Frage komme.
3. Ausfall der Abgaben zufolge Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin
Über das Vermögen der Primärschuldnerin sei am ***2013*** ein Insolvenzverfahren (Konkursverfahren) eröffnet worden (Beschluss des Landesgerichtes ***LG***, Aktenzeichen: ***xxxx***). Die mit dem gegenständlichen Bescheid festgesetzte Abgabenschuld sei vom Zollamt im Konkursverfahren als Forderung angemeldet worden. Das Konkursverfahren sei mit Beschluss des Landesgerichtes ***LG*** vom ***2016*** mangels alle Masseforderungen deckenden Vermögens aufgehoben worden. Eine Konkursquote sei nicht ausgeschüttet worden. Die Firma sei infolge Vermögenslosigkeit gemäß § 40 Firmenbuchgesetz gelöscht worden. Die Abgabenforderung in Höhe von 447.592,33 Euro sei bei der Primärschuldnerin daher auf Dauer uneinbringlich.
4. Verschuldensfrage
Auf Grund seiner Funktion als zur Vertretung der Primärschuldnerin nach außen berufenem Organ sei dem Bf. die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Vertretenen oblegen. Ein Geschäftsführer habe dafür Sorge zu tragen, dass die Gesellschaft ihren steuerlichen Verpflichtungen ordnungsgemäß nachkomme. Könnten Abgaben nicht eingebracht werden, weil der Geschäftsführer die ihm auferlegten Pflichten schuldhaft verletzt habe, hafte er gemäß § 9 BAO für diese Ansprüche. Im gegenständlichen Fall liege eine Verletzung der Nachweispflicht vor.
Das Zollverfahren der Abfertigungen zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr mit anschließender innergemeinschaftlicher steuerbefreiender Lieferung (Verfahren Code 4200) stelle eine abgabenrechtliche Begünstigung dar. Das Vorliegen der Voraussetzungen dafür sei vom Anmelder (das sei in den gegenständlichen Verzollungsfällen die Primärschudnerin) nachzuweisen, bzw. glaubhaft zu machen, wenn der Nachweis nach den Umständen nicht zumutbar sei.
Den Abgabepflichtigen treffe eine erhöhte Mitwirkungspflicht, wenn Sachverhaltselemente ihre Wurzeln im Ausland haben würden (vgl. ). Trete in solchen Fällen die Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen in den Vordergrund, so liege es vornehmlich an ihm, Beweise für die Aufklärung auslandsbezogener Sachverhaltselemente beizuschaffen. Er habe durch konkrete und vollständige Aufklärung der Tatsachen den Anschein zu widerlegen, der sich für die Abgabenbehörde auf Grund der ihr zur Kenntnis gelangten Umstände biete. Verletze die Partei diese erhöhte Mitwirkungspflicht, so könne das dadurch bedingte Aufklärungsdefizit nicht der Abgabenbehörde als Verfahrensmangel angelastet werden.
Der Bf. habe im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen bei seiner Einvernahme durch Organe der Finanzstrafbehörde angegeben, dass sich die Firma ***A-GmbH*** als Auftraggeberin verpflichtet habe, die entsprechenden Nachweise beizubringen. Eine schriftliche Vereinbarung darüber existiere nicht. Er habe darauf vertraut, dass die Firma ***A-GmbH*** dieser vereinbarten Verpflichtung ordnungsgemäß nachkomme. Es sei seitens der Primärschuldnerin laufend nachgefragt worden und die Firma ***A-GmbH*** habe versichert, dass alles in Ordnung wäre. Aufgrund der langjährigen unproblematischen Geschäftsbeziehungen habe er keinen Grund gesehen, misstrauisch zu sein. Er sei auch nie mit den Warenempfängern in Kontakt getreten.
Der Bf. habe als Geschäftsführer der Primärschuldnerin einen Dritten (die Firma ***A-GmbH***) mit der Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten betraut. Nehme ein Geschäftsführer abgaberechtliche Pflichten nicht selbst wahr, sondern übertrage sie an Dritte, werde er dadurch nicht vom Haftungsrisiko befreit. Es würden ihn Auswahl- und Kontrollpflichten treffen, deren Verletzung Haftungsfolgen zeitigen könnten (). Er habe durch geeignete Aufsichts- und Überwachungsmaßnahmen, insbesondere durch Einrichtung von Kontrollmechanismen dafür Sorge zu tragen, dass die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten tatsächlich erfolge (). Ein Geschäftsführer komme seiner Überwachungspflicht nicht nach, wenn er sich auf die Frage, ob alles in Ordnung sei, beschränke und mit einer bejahenden Antwort begnüge ().
Hinsichtlich der vom Gesetz für die Inanspruchnahme der Haftung geforderten Schuldform habe der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht, dass dadurch, dass § 9 Abs. 1 BAO ohne Einschränkung auf die Schuldhaftigkeit abstelle, besagte Gesetzesstelle jede Form des Verschuldens, und damit auch die leichte Fahrlässigkeit erfasse. Eine leichte Fahrlässigkeit liege aber schon dann vor, wenn sich der Geschäftsführer zur Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Verpflichtungen eines Dritten bediene, dessen Tätigkeit aber nicht ausreichend überwache ().
Das Verbot der Firma ***A-GmbH***, mit den Warenempfängern, Frachtführern und Versendern in Kontakt zu treten, habe die Befugnisse des Haftungspflichtigen beschränkt und ihn an der Ausübung seiner Pflichten gehindert. Ein sorgfältiger Kaufmann hätte einer derartigen Vereinbarung nicht zugestimmt. Aufgrund seiner eigenen Aussage, er habe laufend bei der Firma ***A-GmbH*** nachgefragt, wobei ihm stets versichert worden sei, dass alles in Ordnung sei und er keinen Grund gehabt habe misstrauisch zu sein, sei für das Zollamt offensichtlich, dass der Bf. keinerlei Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen durchgeführt habe.
5. Kausalzusammenhang zwischen pflichtwidrigem Handeln und Abgabenausfall
Die gegenständlichen abgabenrechtlichen Pflichtverletzungen seien im Zuge einer Nachschau gem. § 99 Abs. 2 Finanzstrafgesetz festgestellt worden. Hätte der Bf. entsprechende Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen durchgeführt, wäre das Fehlen der Abliefernachweise zeitnah bemerkt worden (nämlich bereits im Zusammenhang mit den vom gegenständlichen Haftungsbescheid nicht erfassten Verzollungsfällen des Jahres 2008). Es wären die betrügerischen Handlungen zutage getreten und derartige Zollabfertigungen erst gar nicht mehr durchgeführt worden. Die nun uneinbringlichen Abgaben wären daher gar nicht erst entstanden. Die Pflichtverletzung des Haftungspflichtigen sei daher sowohl Ursache der Entstehung der Abgabenschuld als auch des Abgabenausfalls gewesen.
6. Vorhalteverfahren

7. Ermessen

Zweckmäßigkeit
Die gegenständliche Haftungsschuld sei bei der Primärschuldnerin jedenfalls uneinbringlich. Die Geltendmachung der Haftung gegenüber dem Bf. stelle daher die einzige Möglichkeit zur zumindest teilweisen Durchsetzung des Abgabenanspruches dar. Im Übrigen könne die Frage der Einbringlichkeit der Haftungsschuld beim Haftenden nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Ermessensübung vernachlässigt werden, weil persönliche Umstände wie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit oder eine Vermögenslosigkeit des Haftenden in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung stehen würden. Die Erlassung des Haftungsbescheides sei daher jedenfalls zweckmäßig. Unter dem Begriff der "Zweckmäßigkeit" könne aber auch auf verfahrensökonomische Überlegungen Bedacht genommen werden. Im vorliegenden Fall erscheine es dem Zollamt verfahrensökonomisch (auch in Hinblick auf die Beschwerdemöglichkeit gem. § 248 BAO), die Haftungsinanspruchnahme lediglich für den Bescheid vom auszusprechen.
Billigkeit
Aufgrund der Höhe der uneinbringlichen Abgaben und der bisher durchgeführten Ermittlungen (Auskunftsersuchen an die deutsche Zollverwaltung) stehe für das Zollamt fest, dass eine Haftungsinanspruchnahme in voller Höhe unbillig wäre. Im Rahmen des freien Ermessens sei der Haftungsbetrag daher auf 447.592,33 Euro eingeschränkt worden. Bei der Ermessensübung sei auch darauf Bedacht genommen worden, dass der Bf. aus den von unbekannten Personen durchgeführten Betrugshandlungen keinen Gewinn erzielt habe, sondern lediglich als Werkzeug benutzt worden sei. Sein Verhalten sei unter leichte Fahrlässigkeit einzuordnen. Eine gänzliche Abstandnahme von der Haftungsinanspruchnahme lehne das Zollamt ab, weil er seine Pflichten als Geschäftsführer der Primärschuldnerin schuldhaft verletzt habe und so dazu beigetragen habe, der Republik Österreich großen finanziellen Schaden zuzufügen. Es erscheine nicht unbillig, ihn zum teilweisen Ersatz dieses Schadens zu verpflichten.

Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom . In der mit gesondertem Schriftsatz vom eingebrachten Beschwerdebegründung heißt es:

1. Wie der Beschwerdegegner wisse, sei der Beschwerdeführer im maßgeblichen Zeitraum nicht mehr Geschäftsführer gewesen, damit entfalle die Geschäftsführerhaftung nach § 9 BAO.
2. § 9 BAO begründe eine Ausfallhaftung wegen der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichen. Dazu gehöre insbesondere die Pflicht, die Abgaben zu entrichten. Diese Pflicht setze rein tatsächlich voraus, dass überhaupt liquide Mittel zur Bezahlung der Abgaben vorhanden seien. Sei das nicht der Fall, werde nach ständiger Rechtsprechung des VwGH keine Pflicht i.S.d. § 9 BAO verletzt ().
Es gehe hier um den Abgabenbescheid vom über 447.592,33 Euro. Zur damaligen Zeit habe die Primärschuldnerin bei einem Kassenbestand von Null über ein Bankguthaben von 2.917,21 Euro verfügt, bei einem zu Buche stehenden Jahresverlustvortrag von 56.881,83 Euro (vgl. Saldenliste Bestandskonten per ).
Fazit: Der Haftungsbescheid sei eindeutig rechtswidrig.

Das Zollamt wies in der Folge die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zahl: ***333***, als unbegründet ab.
Der Bf. sei von bis zu seiner mit Gesellschafterbeschluss vom erfolgten Abberufung handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen. Der dem Haftungsverfahren zugrundeliegende Abgabenbescheid, Zahl: ***111***, sei am erstellt worden. Der Abgabenbescheid sei daher erst nach der Abberufung des Beschwerdeführers als Geschäftsführer erstellt worden. Der Bf. übersehe jedoch, dass ihm die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten in den Jahren 2008 bis 2010 vorgeworfen werde. Damals sei er noch Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen. Hätte er diese abgabenrechtlichen Pflichtverletzungen (die im Punkt 4. der Begründung des Haftungsbescheides ausführlich beschrieben seien) nicht begangen, dann wäre das Fehlen der Abliefernachweise zeitnah bemerkt worden. Es wären die betrügerischen Handlungen bereits 2008 zutage getreten und die verfahrensgegenständlichen Zollabfertigungen in den Jahren 2009 und 2010 entweder gar nicht mehr oder zumindest nicht in dieser Form (nicht mit Verfahrenscode 4200) durchgeführt worden. Die nun uneinbringlichen Abgaben wären daher entweder gar nicht entstanden, oder wären bereits im Zuge der Zollabfertigungen festgesetzt worden und 2009 und 2010 fällig geworden. Zu diesem Zeitpunkt sei die Primärschuldnerin noch zahlungsfähig gewesen und hätte die Abgabenschulden entrichten können.
Der Schaden der Republik Österreich sei daher zweifelsfrei auf die Pflichtverletzungen des Bf. zurückzuführen. Im Hinblick auf diese Ausführungen erübrige sich ein Eingehen auf Punkt 2. der Eingabe vom , weil das Vorhandensein oder Fehlen liquider Mittel im Juni 2012 für die Beurteilung irrelevant sei.

Mit Schriftsatz vom beantragte der Bf. fristgerecht die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

Mit der fristgerechten Einbringung dieses Vorlageantrags gilt die Bescheidbeschwerde wiederum als unerledigt (§ 264 Abs. 3 BAO).

Mit Vorlagebericht vom legte das Zollamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

In der am durchgeführten mündlichen Verhandlung wiederholten die Verfahrensparteien im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen.
Die beschwerdeführende Partei machte die ***ZBV***, als Zustellungsbevollmächtigte namhaft.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die ***P-GmbH*** (FN ******; nachfolgend auch als Primärschuldnerin bezeichnet), beantragte mit insgesamt 23 Anmeldungen im Zeitraum von bis bei der Zollstelle ***ZS1*** des Zollamtes ***ZA1*** sowie bei der Zollstelle ***ZS2*** des Zollamtes ***ZA*** die Überführung verschiedener Waren (überwiegend Textilien) in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr und die Befreiung der Waren von der Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 (Binnenmarktregelung-BMR), indem sie im Feld 37 der Zollanmeldungen den Verfahrenscode "4200" eintrug.

Im jeweiligen Feld 2 der Anmeldungen waren als "Versender/Ausführer" verschiedene in der Türkei ansässige Unternehmen angegeben. Die Primärschuldnerin beantragte die Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr mit anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung als indirekte Vertreterin der in den Zollanmeldungen angeführten - in Frankreich, Belgien und Dänemark ansässigen - Empfänger unter Verwendung der ihr erteilten Sonder-UID.

Zu den nachstehenden fünf Abfertigungsvorgängen finden sich in den vorgelegten Verwaltungsakten keine Versendungsbelege: CRN ***10AT1*** vom sowie CRN ***10AT2***, ***10AT3***, ***10AT4*** und ***10AT5*** vom .
In den übrigen 18 Einfuhrfällen liegen CMR Frachtbriefe in Form von Kopien vor, wobei auf 14 Frachtbriefen auch ein Amtsstempel der abfertigenden Zollstelle und in zwei weiteren Fällen ein Stempel "Verzollt durch Sped. ***XY*** beim ZA ***ZS1***" aufscheint. Lediglich zwei CMR-Frachtbriefe enthalten in Feld 22 eine Unterschrift oder einen Stempel des Absenders.

Die Aufträge an die Primärschuldnerin zur Vornahme von Zollabfertigungen im "Verfahren 4200" erteilte die in ***D-xxxx*** ansässig gewesene ***A-GmbH*** und deren Geschäftsführer ***GF***. Im Jahr 2005 kam ***GF*** auf den Bf. zu und fragte ihn, ob er für die ***A-GmbH*** Zollabfertigungen durchführen könne. Zunächst wurden von der Primärschuldnerin Abfertigungen bei den deutschen Zollbehörden abgewickelt, ab 2007 dann auch bei der österreichischen Zollverwaltung. Sämtliche Aufträge der ***A-GmbH*** erfolgten per Mail oder Fax. Darin war genau vorgegeben, welches Zollverfahren durchzuführen war. Auch sämtliche Abfertigungsunterlagen, wie etwa Frachtbriefe oder Fiskalvollmachten, wurden der Primärschuldnerin durch die ***A-GmbH*** per Mail oder Fax übermittelt. Die sogenannten Abliefernachweise sollten ausschließlich durch die ***A-GmbH*** beigebracht werden. Aufgrund der langjährigen Geschäftsbeziehung zur ***A-GmbH*** sah der Bf. keinen Grund, den übermittelten Dokumenten und Aufträgen zu misstrauen. Die Prüfung der Unterlagen erfolgte in der Regel durch die Mitarbeiterinnen der Primärschuldnerin. Nach den Abfertigungen wurden die Versendungsbelege an die ***A-GmbH*** zur Aufbewahrung übermittelt. Auch die Beibringung der Abliefernachweise wurde der ***A-GmbH*** überlassen. Zu diesem Zweck wurden ***GF*** ab Jänner 2009 alle Abfertigungsunterlagen übergeben.

Aufgrund der Vorgaben des ***GF*** durfte die Primärschuldnerin nicht mit den Warenempfängern, Frachtführern oder Versendern in Kontakt treten. Bei Problemen oder Unstimmigkeiten musste sich die Primärschuldnerin an die ***A-GmbH*** wenden.
Da es sich um Kunden der ***A-GmbH*** handelte, war für den Bf. das Verbot einer Kontaktaufnahme eine nachvollziehbare Vorgangsweise. Aufgrund der von der ***A-GmbH*** zur Verfügung gestellten Abfertigungsunterlagen sahen die Mitarbeiterinnen der Primärschuldnerin keinen Grund zur Annahme, dass es sich um Scheinlieferungen gehandelt hätte.

Sämtliche Angelegenheiten und Aufträge im Zusammenhang mit den in Rede stehenden Zollabfertigungen wurden von der Primärschuldnerin mit der ***A-GmbH*** abgeklärt. Auch die Verzollungskosten - etwa 40,00 Euro pro Abfertigung - wurden an dieses Unternehmen verrechnet.
Seitens der Primärschuldnerin gab es zu keinem Zeitpunkt persönlichen oder schriftlichen Kontakt mit den in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Empfängern.
Die Primärschuldnerin war mit den Warentransporten nicht befasst und organisierte diese auch nicht.

Bei Neukunden übermittelte die ***A-GmbH*** das Ergebnis der Überprüfung der UID-Nummern zusammen mit der Fiskalvollmacht und den übrigen Abfertigungsunterlagen an die Primärschuldnerin. Das Prüfprotokoll wurde dem Abfertigungsauftrag beigefügt. Lag zwischen den Abfertigungen ein längerer Zeitraum, so wurden die UID-Nummern in der Regel nochmals überprüft. Bis zum Ende der Zusammenarbeit zwischen der Primärschuldnerin und der ***A-GmbH*** im April 2010 gab es keine Beanstandungen seitens der österreichischen Zollverwaltung.

Die in Anspruch genommenen Bestätigungsverfahren nach Art. 28 Abs. 2 UStG 1994 (Stufe 2) ergaben die Gültigkeit der UID-Nummern. Die Primärschuldnerin sah sich nicht veranlasst, Überprüfungen hinsichtlich Existenz und Aktivitäten der in den anderen Mitgliedstaaten ansässigen Warenempfänger durchzuführen.

Das abgabenrechtliche Ermittlungsverfahren ergab, dass die in den Zollanmeldungen als Warenempfänger angeführten Unternehmen missbräuchlich benutzt worden sind (Identitätsdiebstahl).

Das Zollamt teilte der Primärschuldnerin mit Bescheid vom , Zahl: ***111***, für jene eingangsabgabenpflichtigen Waren, die mit insgesamt 23 Anmeldungen im Zeitraum vom bis in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr mit steuerbefreiender Lieferung überführt wurden, gemäß Art. 221 Abs. 1 Zollkodex (ZK) eine gemäß Art. 201 Abs. 1 Buchstabe a Zollkodex (ZK) in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) entstandene und zuvor buchmäßig erfasste Eingangsabgabenschuld (Einfuhrumsatzsteuer) in der Höhe von 416.961,54 Euro mit und schrieb ihr gemäß § 108 Abs. 1 ZollR-DG eine Abgabenerhöhung im Ausmaß von 30.630,79 Euro zur Entrichtung vor.
Dies zusammengefasst im Wesentlichen mit der Begründung, dass im Zuge der Abfertigungen die tatsächlichen Empfänger nicht bekannt gewesen seien und demgemäß zum Zeitpunkt der jeweiligen Abfertigung ein für die steuerfreie Einfuhr im Sinne des Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 erforderlicher Versendungsbeleg für den Nachweis der unmittelbar anschließenden innergemeinschaftlichen Lieferung nicht vorgelegen sei.

Im Bescheidspruch ist angeführt, dass nach § 73 ZollR-DG die Fälligkeit mit Beginn des Tages eintritt, an dem die Abgaben spätestens zu entrichten sind.

Im Leistungsgebot (Zahlungsaufforderung) wurde für die Entrichtung des Abgabenbetrages gemäß Art. 222 Abs. 1 Buchstabe a ZK eine Frist von zehn Tagen nach Bescheidzustellung eingeräumt.

Die Bescheidzustellung erfolgte am .

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit der in Rechtskraft erwachsenen Beschwerdevorentscheidung vom , Zahl: ***222***, als unbegründet abgewiesen. Dies zusammengefasst im Wesentlichen mit der Begründung, dass vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides auch nach Aufforderung mit Vorhalt vom die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 nicht nachgewiesen worden seien. Die von der Primärschuldnerin vorgelegten Unterlagen seien nicht geeignet gewesen, die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und die Warenbewegung zu den angemeldeten Warenempfängern nachzuweisen.

Mit Beschluss des Landesgerichtes ***LG*** vom ***2013***, Zl. ***xxxx***, wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin der Konkurs eröffnet.

Mit Beschluss vom ***2016*** hob das Gericht den Konkurs mangels alle Masseforderungen deckenden Vermögens gemäß §§ 124a iVm. 123a IO auf. Am ***2016*** wurde im Firmenbuch die amtswegige Löschung der Firma gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit eingetragen.

Der Spruchsenat beim ***ZA*** als Finanzstrafbehörde erster Instanz stellte mit Erkenntnis (Protokollsvermerk und gekürzter Erkenntnisausfertigung) vom das gegen den Bf. geführte Finanzstrafverfahren, nämlich "wegen des Verdachtes, im Zeitraum von Mai 2008 bis als verantwortlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin unter Verletzung der im Artikel 199 Abs. 1 ZK-DVO und § 119 BAO normierten abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, grob fahrlässig zu einer Verkürzung von Eingangsabgaben (Einfuhrumsatzsteuer) durch seine Mitarbeiterinnen in Höhe von 3.335.722,65 Euro beigetragen zu haben, indem er unter ungewöhnlicher und auffallend sorgfaltswidriger Verletzung der ihm obliegenden Auswahl- und Überwachungspflicht seine Mitarbeiterinnen betreffend nicht dafür gesorgt habe, dass für die anlässlich der Überführung von aus der Türkei in das Zollgebiet der Gemeinschaft im Verfahren 4200 eingeführten eingangsabgabenpflichtigen Waren in den zoll-und steuerrechtlich freien Verkehr hinsichtlich der in der Anlage angeführten, bei den Zollstellen ***ZS2***, ***ZS1*** und ***ZS3*** eingereichten 683 Anmeldungen, die Voraussetzungen für die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer gemäß Art. 6 Abs. 3 und Art. 7 UStG 1994 (BMR) vorliegen, und indem er der Verpflichtung zur Beibringung von Versendungsnachweisen nicht nachgekommen sei, sodass diese im Inland zur Verfügung stehen, um das Vorliegen der Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung i.S.d. Art. 7 UStG 1994 i.V.m. der Verordnung des Bundesministers für Finanzen Nr. 401/1996 nachweisen zu können, und dadurch als Beitragstäter das Finanzvergehen der grob fahrlässigen Verkürzung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben gemäß §§ 36 Abs. 2 i.V.m. 35 Abs. 2 i.V.m. 11, 3. Fall FinStrG begangen zu haben," ein.

Die Einstellung des Verfahrens erfolgte gemäß § 136 FinStrG aus dem Grund des § 82 Abs. 3 lit. a) FinStrG.

Der Beschwerdeführer (Bf.) war vom bis zum (bis gemeinsam mit Herrn ***AB***) als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin im Firmenbuch eingetragen. Ihm oblag als selbstständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der Primärschuldnerin bis zu seinem Ausscheiden aus dieser Funktion mit Gesellschafterbeschluss vom die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom , Zahl: ***000***, wurde der Bf. gemäß §§ 9 und 80 BAO als Haftungspflichtiger für aushaftende Abgabenschulden der Primärschuldnerin, der ***P-GmbH***, im Ausmaß von insgesamt 447.592,33 Euro (Einfuhrumsatzsteuer und Abgabenerhöhung) herangezogen.

Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Haftungsbescheides haftete am Abgabenkonto der Primärschuldnerin (neben weiteren Abgabenschuldigkeiten) eine aus der Erlassung des Abgabenbescheides vom , Zahl: ***111***, resultierende Abgabenforderung (Einfuhrumsatzsteuer und Abgabenerhöhung) in der Höhe von insgesamt 447.592,33 Euro aus. Die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung stand zu diesem Zeitpunkt bereits aufgrund der im Firmenbuch gemäß § 40 FBG eingetragenen amtswegigen Löschung der Primärschulderin infolge Vermögenslosigkeit fest.

Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich hinsichtlich der Vertreterstellung aus der Einsichtnahme ins Firmenbuch zu Firmenbuchnummer FN ******, hinsichtlich der Höhe und der Uneinbringlichkeit der aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin aus der Einsichtnahme ins Firmenbuch zu Firmenbuchnummer FN ******, aus dem Abgabenbescheid vom , Zahl: ***111***, und den unbestritten gebliebenen Feststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Haftungsbescheid (Punkt 3. der Bescheidbegründung).

Der dargestellte Sachverhalt ergibt sich im Übrigen aus den Angaben und Vorbringen der beschwerdeführenden Partei sowie aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten, insbesondere den Zoll- und Abfertigungsunterlagen und der Einvernahme des Bf. durch die Finanzstrafbehörde vom (Niederschrift Zahl: ***222***).

Rechtslage

§ 9 BAO lautet:

"§ 9. (1) Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

(2) Notare, Rechtsanwälte und Wirtschaftstreuhänder haften wegen Handlungen, die sie in Ausübung ihres Berufes bei der Beratung in Abgabensachen vorgenommen haben, gemäß Abs. 1 nur dann, wenn diese Handlungen eine Verletzung ihrer Berufspflichten enthalten. Ob eine solche Verletzung der Berufspflichten vorliegt, ist auf Anzeige der Abgabenbehörde im Disziplinarverfahren zu entscheiden."

§ 80 BAO lautet:

"2. Vertreter.

§ 80. (1) Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

(2) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter, soweit ihre Verwaltung reicht, die im Abs. 1 bezeichneten Pflichten und Befugnisse.

(3) Vertreter (Abs. 1) der aufgelösten Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach Beendigung der Liquidation ist, wer nach § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war."

§ 224 BAO lautet:

"2. Geltendmachung von Haftungen.

§ 224. (1) Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

(2) Die Bestimmungen des Einkommensteuerrechtes über die Geltendmachung der Haftung für Steuerabzugsbeträge bleiben unberührt.

(3) Die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches anlässlich der Erlassung eines Haftungsbescheides gemäß Abs. 1 ist nach Eintritt der Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Abgabe nicht mehr zulässig."

Der Umsatzsteuer unterliegen gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 die Einfuhr von Gegenständen (Einfuhrumsatzsteuer). Eine Einfuhr liegt vor, wenn ein Gegenstand aus dem Drittlandsgebiet in das Inland, ausgenommen die Gebiete Jungholz und Mittelberg, gelangt.

Gemäß § 1 Abs. 2 erster Satz UStG 1994 ist Inland das Bundesgebiet.

Gemäß § 29 Abs. 8 UStG 1994 gelten bis auf weiteres als Übergangsregelung für die Besteuerung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten der EU die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes - soweit sie nicht unmittelbar anwendbar sind (zB für die Besteuerung des Erwerbes) gelten sie sinngemäß - ergänzt um die entsprechenden Artikel im Anhang (Binnenmarkt).

Gemäß Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 (BMR) idF vor dem AbgÄG 2010 ist die Einfuhr der Gegenstände steuerfrei, die vom Anmelder im Anschluss an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung von innergemeinschaftlichen Lieferungen (Art. 7) verwendet werden; der Anmelder hat das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 7 buchmäßig nachzuweisen. Die Befreiung ist nur anzuwenden, wenn derjenige, für dessen Unternehmen der Gegenstand eingeführt worden ist, die anschließende innergemeinschaftliche Lieferung tätigt.

Art. 7 UStG 1994 über die innergemeinschaftliche Lieferung lautet:

"(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (Art. 6 Abs. 1) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen vorliegen:

1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber und

3. der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung ist beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat steuerbar.

...

(3) Die Voraussetzungen der Abs. 1 und 2 müssen vom Unternehmer buchmäßig nachgewiesen sein. Der Bundesminister für Finanzen kann durch Verordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat, dass der Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet worden ist."

Hängt die Besteuerung von einem buchmäßigen Nachweis ab, so sind die diesem Nachweis dienenden Bücher oder Aufzeichnungen gemäß § 18 Abs. 8 UStG 1994 im Inland zu führen und mit den dazugehörigen Unterlagen im Inland aufzubewahren; die nachzuweisenden Voraussetzungen müssen daraus leicht nachprüfbar zu ersehen sein.

Auf Grund des Art. 7 des Umsatzsteuergesetzes 1994 hat der Bundesminister für Finanzen die Verordnung über den Nachweis der Beförderung oder Versendung und den Buchnachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen, BGBl. Nr. 401/1996 erlassen.

Diese Verordnung lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 1. Bei innergemeinschaftlichen Lieferungen (Art. 7 UStG 1994) muss der Unternehmer eindeutig und leicht nachprüfbar nachweisen, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat.

§ 2. In den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, hat der Unternehmer den Nachweis wie folgt zu führen:

1. Durch die Durchschrift oder Abschrift der Rechnung (§ 11, Art. 11 UStG 1994),

2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein, und

3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten oder in den Fällen der Beförderung des Gegenstandes durch den Abnehmer durch eine Erklärung des Abnehmers oder seines Beauftragten, dass er den Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördern wird.

§ 3. (1) In den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendet, hat der Unternehmer den Nachweis wie folgt zu führen:

1. durch die Durchschrift oder Abschrift der Rechnung (§ 11, Art. 11 UStG 1994) und

2. durch einen Versendungsbeleg im Sinne des § 7 Abs. 5 UStG 1994, insbesondere durch Frachtbriefe, Postaufgabebescheinigungen, Konnossemente und dergleichen oder deren Doppelstücke.

...

§ 5. Bei innergemeinschaftlichen Lieferungen muss der Unternehmer die Voraussetzungen der Steuerbefreiung einschließlich Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers buchmäßig nachweisen. Die Voraussetzungen müssen leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein."

Gemäß Art. 28 Abs. 1 UStG 1994 hat das Finanzamt Unternehmern im Sinne des § 2, die im Inland Lieferungen oder sonstige Leistungen erbringen, für die das Recht auf Vorsteuerabzug besteht, eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zu erteilen. Das Finanzamt hat Unternehmern, die ihre Umsätze ausschließlich gemäß § 22 versteuern oder die nur Umsätze ausführen, die zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führen, auf Antrag eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zu erteilen, wenn sie diese für innergemeinschaftliche Lieferungen oder innergemeinschaftliche Erwerbe benötigen.

Gemäß Art. 28 Abs. 2 UStG 1994 bestätigt das Bundesministerium für Finanzen dem Unternehmer im Sinne des § 2 auf Anfrage die Gültigkeit einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer sowie den Namen und die Anschrift der Person, der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer von einem anderen Mitgliedstaat erteilt wurde.

Gemäß Art. 59 der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABL L 302 vom , (Zollkodex - ZK) sind alle Waren, die in ein Zollverfahren übergeführt werden sollen, zu dem betreffenden Verfahren anzumelden.

Gemäß Art. 199 Abs. 1 der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABlEG Nr. L 253 vom (Zollkodex-Durchführungsverordnung - ZK-DVO) übernimmt der Anmelder mit Abgabe einer von ihm oder von seinem Vertreter unterzeichneten Zollanmeldung oder mit Übermittlung einer EDV-gestützten Versandanmeldung bei einer Zollstelle gemäß den geltenden Vorschriften die Gewähr für

- die Richtigkeit der in der Zollanmeldung gemachten Angaben

- die Echtheit der eingereichten Unterlagen und

- die Einhaltung aller Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Überführung von Waren in das betreffende Zollverfahren.

In den Fällen der Einfuhr von Waren in das Zollgebiet entsteht die Zollschuld durch die Annahme der vom Anmelder abzugebenden Zollanmeldung (Art. 201 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 2 ZK).

Jeder einer Zollschuld entsprechende Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenbetrag muss gem. Art. 217 Abs. 1 ZK unmittelbar bei Vorliegen der erforderlichen Angaben von den Zollbehörden berechnet und in die Bücher oder in sonstige statt dessen verwendete Unterlagen eingetragen werden (buchmäßige Erfassung).

Der Abgabenbetrag ist gem. Art. 221 Abs. 1 ZK dem Zollschuldner in geeigneter Form mitzuteilen, sobald der Betrag buchmäßig erfasst worden ist.

Die Mitteilung nach Artikel 221 Abs. 1 ZK gilt gem. § 74 Abs. 1 ZollR-DG in der Fassung vor dem AbgÄG 2015 als Abgabenbescheid.

Der geschuldete Abgabenbetrag ist im Falle eines bewilligten Zahlungsaufschubes bis zum 15. des nachfolgenden Monates zu entrichten (Art. 222 Abs. 1 Buchstabe b iVm. Art. 226 Buchstabe b, Art. 227 Abs. 3 Buchstabe b ZK, § 73 und § 77 Abs. 3 Zollrechts-Durchführungsgesetz - ZollR-DG in der Fassung vor dem AbgÄG 2015).

Ist keine Zahlungserleichterung nach den Art. 224 bis 229 ZK eingeräumt worden, so muss die Zahlung innerhalb der festgesetzten Frist geleistet werden, wobei diese Frist zehn Tage, gerechnet ab dem Zeitpunkt der Mitteilung des geschuldeten Abgabenbetrages an den Zollschuldner, nicht überschreiten darf (Art. 222 Abs. 1 Buchstabe a ZK).

Einfuhr- und Ausfuhrabgaben werden mit Beginn des Tages, an dem sie nach dem Zollrecht spätestens zu entrichten sind, im Sinn der abgabenrechtlichen Vorschriften fällig (§ 73 ZollR-DG idF vor dem AbgÄG 2015).

Gem. § 2 Abs. 1 ZollR-DG in der Fassung vor dem AbgÄG 2015 gelten das im § 1 genannte gemeinschaftliche Zollrecht, dieses Bundesgesetz und die in Durchführung dieses Bundesgesetzes ergangenen Verordnungen sowie die allgemeinen abgabenrechtlichen Vorschriften und das in Österreich anwendbare Völkerrecht, soweit sie sich auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben beziehen, weiters in allen nicht vom Zollkodex erfassten gemeinschaftsrechtlich und innerstaatlich geregelten Angelegenheiten des Warenverkehrs über die Grenzen des Anwendungsgebietes, einschließlich der Erhebung von Abgaben (sonstige Eingangs- oder Ausgangsabgaben) und anderen Geldleistungen, soweit in diesem Bundesgesetz oder in den betreffenden Rechtsvorschriften die Vollziehung der Zollverwaltung übertragen und nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist.

Die Steuerfreiheit nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 beruht auf der im Beschwerdefall maßgebenden Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABlEU Nr. L 347 vom (im Folgenden: MwStSystRL).

Im Kapitel 5 "Steuerbefreiungen bei der Einfuhr" des Titels IX der MwStSystRL lautet Art. 143 Buchstabe d in der am in Kraft getretenen Fassung der Richtlinie 2009/69/EG zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem zur Bekämpfung des Steuerbetrugs bei der Einfuhr (ABl. Nr. L 175 vom , S 12):

"Artikel 143

(1) Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

d) die Einfuhr von Gegenständen, die von einem Drittgebiet oder einem Drittland aus in einen anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat der Beendigung der Versendung oder Beförderung versandt oder befördert werden, sofern die Lieferung dieser Gegenstände durch den gemäß Art. 201 als Steuerschuldner bestimmten oder anerkannten Importeur bewirkt wird und gemäß Art. 138 befreit ist;

(2) Die Steuerbefreiung gemäß Absatz 1 Buchstabe d ist in den Fällen, in denen auf die Einfuhr von Gegenständen eine Lieferung von Gegenständen folgt, die gemäß Artikel 138 Absatz 1 und Absatz 2 Buchstabe c von der Steuer befreit ist, nur anzuwenden, wenn der Importeur zum Zeitpunkt der Einfuhr den zuständigen Behörden des Einfuhrmitgliedstaats mindestens die folgenden Angaben hat zukommen lassen:

a) seine im Einfuhrmitgliedstaat erteilte MwSt.-Identifikationsnummer oder die im Einfuhrmitgliedstaat erteilte MwSt.-Identifikationsnummer seines Steuervertreters, der die Steuer schuldet;

b) die in einem anderen Mitgliedstaat erteilte MwSt.-Identifikationsnummer des Erwerbers, an den die Gegenstände gemäß Artikel 138 Absatz 1 geliefert werden, oder seine eigene MwSt.-Identifikationsnummer, die in dem Mitgliedstaat erteilt wurde, in dem die Versendung oder Beförderung der Gegenstände endet, wenn die Gegenstände gemäß Artikel 138 Absatz 2 Buchstabe c verbracht werden;

c) den Nachweis, aus dem hervorgeht, dass die eingeführten Gegenstände dazu bestimmt sind, aus dem Einfuhrmitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat befördert oder versandt zu werden.

Allerdings können die Mitgliedstaaten festlegen, dass der Nachweis nach Buchstabe c den zuständigen Behörden lediglich auf Ersuchen vorzulegen ist."

Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2010, BGBl. I Nr. 34/2010, wurde in Umsetzung der Richtlinie 2009/69/EG dem Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 ein Unterabsatz angefügt (vgl. ErläutRV 662 BlgNR 24. GP 16), wonach als weitere Voraussetzung für die Anwendung der Steuerbefreiung erforderlich ist, dass der Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer zum Zeitpunkt der Einfuhr den Zollbehörden seine eigene UID-Nummer und jene des Abnehmers angibt, sowie den Nachweis erbringt, aus dem hervorgeht, dass die eingeführten Gegenstände dazu bestimmt sind, vom Inland in einen anderen Mitgliedstaat befördert oder versendet zu werden.

Rechtliche Beurteilung

Voraussetzung für die Inanspruchnahme als Haftender nach den §§ 9 und 80 BAO ist eine Abgabenforderung, deren Zahlungstermin in die Zeit der Vertretertätigkeit fällt, gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit dieser Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, ein Verschulden des Vertreters an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit. Beim kumulativen Vorliegen dieser Voraussetzungen ist überdies die Geltendmachung der Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt (z.B. ). Die Haftung nach § 9 BAO ist einem zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch nachgebildet ().

Die Haftung nach § 9 BAO stellt nicht die Haftung für einen Schaden dar, welcher dem Abgabengläubiger bei Gesamtbetrachtung der Abgabenschulden mehrerer Abgabenschuldner entstanden ist, sondern der Tatbestand des § 9 BAO stellt darauf ab, dass Abgabenschulden eines Abgabepflichtigen nicht eingebracht werden können.

Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an den Abgabenbescheid zu halten (vgl. ; ). Die Verschuldensprüfung hat dabei von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen ().

Gemäß § 248 BAO kann der Haftungspflichtige nicht nur gegen seine Heranziehung zur Haftung, sondern innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch eine Bescheidbeschwerde einbringen.

Durch § 248 BAO ist dem Haftenden auch ein Rechtszug gegen den an die GmbH ergangenen Abgabenbescheid eingeräumt.

Bringt der Bf. sowohl gegen den Haftungsbescheid als auch gegen den maßgeblichen Bescheid über den Abgabenanspruch Beschwerde ein, so ist zunächst über die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid zu entscheiden, zumal von dieser Erledigung die Rechtsmittelbefugnis gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch abhängt ().

Die Behörde und auch das Bundesfinanzgericht haben nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () auf Grund des dem Haftungsbescheid vorangegangenen Abgabenbescheides vom , Zahl: ***111***, somit von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen.

Der Bf. hat es unterlassen, gegen den Abgabenbescheid vom , Zahl: ***111***, eine Beschwerde einzubringen.

Sofern sich Einwendungen des Bf. inhaltlich gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung richten, erweisen sie sich daher als nicht berechtigt, weil solche Einwendungen - solange der erlassene Abgabenbescheid dem Rechtsbestand angehört - im Verfahren über die Geltendmachung der Haftung nicht mit Erfolg erhoben werden können (z.B. ).

1) Stellung des Beschwerdeführers als Vertreter

Der Beschwerdeführer (Bf.) war vom bis zum (bis gemeinsam mit Herrn ***AB***) als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin im Firmenbuch eingetragen. Ihm oblag als selbstständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der Primärschuldnerin bis zu seinem Ausscheiden aus dieser Funktion mit Gesellschafterbeschluss vom die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft.
Er zählte somit zum Kreis der im § 80 Abs. 1 BAO genannten zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen, welche gemäß § 9 Abs. 1 BAO zur Haftung herangezogen werden können.

2) Uneinbringlichkeit der Abgaben

Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären ().

Im Hinblick auf das bereits beendete Insolvenzverfahren betreffend die Primärschuldnerin und die erfolgte Löschung der Firma im Firmenbuch liegt die Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben vor. Die objektive Uneinbringlichkeit lag bereits im Zeitpunkt der Haftungsinanspruchnahme vor.

Dass die in Rede stehenden Abgaben zu diesem Zeitpunkt einbringlich gewesen wären, wird auch vom Bf. nicht behauptet.

3) Haftungsrelevante Abgabenforderung gegen die Primärschuldnerin

Der Bf. ist mit Gesellschafterbeschluss vom als Geschäftsführer ausgeschieden; damit endete für ihn der haftungsrelevante Zeitraum.

Legt ein Abgabepflichtiger seine Funktion als Geschäftsführer einer GmbH zurück, so kann er hinsichtlich jener Abgaben, die nach dem Tag der wirksamen Zurücklegung der Geschäftsführerbefugnis fällig geworden sind, nicht zur Haftung herangezogen werden (; ).

Mit der Erlassung des Abgabenbescheides vom , Zahl: ***111***, lag eine Abgabenforderung gegen die Primärschuldnerin vor, deren Zahlungstermin nicht mehr in die Zeit der Vertretertätigkeit des Bf. fiel.

Damit unterscheidet sich der vorliegende Beschwerdefall grundlegend von jener Fallgestaltung, welche dem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/5200039/2015, zugrunde lag, und bei der die Abgabennachforderung gegen die Primärschuldnerin in die Zeit der Vertretertätigkeit des Geschäftsführers fiel. Bei dieser Sachlage vertrat das Bundesfinanzgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Zusammenhang mit der Beurteilung einer Verletzung der Abgabenzahlungspflicht die Auffassung, dass der Zeitpunkt, für den zu beurteilen sei, ob den Vertreter diese Abgabenzahlungspflicht getroffen habe, sich danach bestimme, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre. In den Fällen von Selbstbemessungsabgaben habe der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass maßgebend sei, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung zu entrichten oder abzuführen gewesen wären.
Da sich das Entstehen und die Entrichtung einer Zollschuld und damit auch der Einfuhrumsatzsteuerschuld (§ 2 Abs. 1 ZollR-DG i.V.m. § 26 Abs. 1 UStG 1994) nicht von der Situation bei Selbstbemessungsabgaben unterscheide - in beiden Fällen komme es auf die Erklärung bzw. die ordnungsgemäße Anmeldung durch den Abgabepflichtigen an (vgl. auch ) - sei daher für die zur Überführung in den freien Verkehr angemeldeten Waren der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung, wann den Bf. die abgabenrechtlichen Zahlungspflichten getroffen hätten, der 15. Tag des auf die jeweilige Abfertigung folgenden Monats (Art. 222 Abs. 1 Buchstabe b iVm. Art. 226 Buchstabe b, Art. 227 Abs. 3 Buchstabe b ZK und den §§ 73, 77 Abs. 3 ZollR-DG).
Es wurde eine ordentliche Revision zugelassen, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung etwa zur Frage vorliegt, ob der maßgebliche Zeitpunkt für den zu beurteilen sei, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel gehabt habe, der im "Nacherhebungsbescheid" angeführte Fälligkeitszeitpunkt (Art. 222 Abs. 1 Buchstabe a ZK iVm § 73 ZollR-DG) sei oder - vergleichbar mit der Situation bei Selbstbemessungsabgaben - der Zeitpunkt, zu dem die Eingangsabgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären, somit der Fälligkeitszeitpunkt gemäß Art. 227 Abs. 3 Buchstabe b ZK iVm § 77 Abs. 3 ZollR-DG.

Die belangte Behörde vertritt im Wesentlichen die Auffassung, dass im Bereich der Eingangsabgaben (hier: Einfuhrumsatzsteuer) eine Haftungsinanspruchnahme eines Geschäftsführers auch dann zulässig sei, wenn die Abgabenschuld gegenüber der Primärschuldnerin mit einem "Nacherhebungsbescheid" zwar nach dem Ausscheiden des Geschäftsführers aus seiner Funktion festgesetzt wurde, der Geschäftsführer aber seine Vertreterstellung im Sinne des § 80 BAO im Einfuhrzeitpunkt noch innegehabt hatte.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Bf. für die mit Abgabenbescheid vom , Zahl: ***111***, gegenüber der Primärschuldnerin nachträglich buchmäßig erfassten und mitgeteilten Abgaben zur Haftung herangezogen.

Art. 222 ZK ("Frist zur Entrichtung der Abgaben") setzt voraus, dass der Abgabenbetrag dem Zollschuldner nach Art. 221 ZK mitgeteilt worden ist.

Die Regelung des § 73 ZollR-DG idF vor dem AbgÄG 2015, wonach Einfuhr- und Ausfuhrabgaben mit Beginn des Tages, an dem sie nach dem Zollrecht spätestens zu entrichten sind, im Sinn der abgabenrechtlichen Vorschriften fällig werden, ist gemäß § 2 Abs. 1 ZollR-DG auch auf die sonstigen Eingangsabgaben anzuwenden.
Eine Fälligkeit geschuldeter Eingangsabgaben ohne vorherige bescheidmäßige Festsetzung ("Mitteilung") ist somit nicht vorgesehen.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes lässt die Mitteilung eines (nachträglich) buchmäßig erfassten Abgabenbetrags nach Art. 220 und 221 ZK einen ursprünglich buchmäßig erfassten Abgabenbetrag und einen darüber ergangenen Abgabenbescheid unberührt. Weder ändert noch ersetzt sie diesen, sondern tritt dazu mit einer eigenen Mitteilung, einem eigenen Bescheid, ergänzend hinzu (, ).

Im Gegensatz zur erwähnten Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/5200039/2015, wurde der Primärschuldnerin im hier vorliegenden Fall mit der Erlassung des auf Art. 201 Abs. 1 Buchstabe a ZK iVm. Art. 220 Abs. 1 ZK und § 2 Abs. 1 ZollR-DG gestützten Abgabenbescheides vom der hier in Rede stehende Abgabenbetrag zu einem Zeitpunkt mitgeteilt, als der Bf. nicht mehr Vertreter im Sinne des § 80 BAO war.

Da der haftungsrelevante Zeitraum für den Bf. bereits im Jänner 2011 endete, kann er bei dieser Sachlage - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - für den hier in Rede stehenden Abgabenbetrag nicht mehr zur Haftung herangezogen werden.
Die Heranziehung einer Person zur Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO für Abgaben eines Zeitpunktes, zu dem die betroffene Person die Vertreterstellung im Sinne des § 80 BAO nicht mehr hatte, ist rechtswidrig (vgl. wiederum und ).

Bei dieser Sachlage konnte ein Eingehen auf die Frage, ob dem Bf. eine haftungsrelevante Pflichtverletzung vorzuwerfen ist, unterbleiben.

Der Beschwerde war daher Folge zu geben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zur Haftung des Geschäftsführers für die Einfuhrumsatzsteuer bei Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Überführung von Waren in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr unter Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 fehlt eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere zur Frage, ob ein Geschäftsführer einer GmbH auch für Einfuhrumsatzsteuerbeträge zur Haftung herangezogen werden kann, die erst nach der wirksamen Zurücklegung der Geschäftsführerbefugnis fällig geworden sind.
Eine Revision ist daher zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 6 Abs. 3 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Art. 7 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5200001.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at