Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.08.2021, RV/5100801/2020

Umsätze von privaten Anbietern einer allgemeinbildenden Bildungsleistung für Kinder und Jugendliche sind nach Unionsrecht (Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL) steuerfrei

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2021/15/0021. Mit Erkenntnis v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/5100801/2020-RS1
Die Bf. erbringt als private Anbieterin mit ihrer Sprachschule eine allgemeinbildende Bildungsleistung für Kinder und Jugendliche. Die Abgabebehörde hat die Anwendung der Umsatzsteuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG wegen der fehlenden Zertifizierung nach § 1 Z 9 UStBLV (Umsatzsteuer-Bildungsleistungsverordnung) verwehrt. Mangels Vorliegens einer Zertifizierungsmöglichkeit von Bildungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche konnte die Bf. eine Zertifizierung nicht vorlegen. Die Einschränkung der Befreiung des Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL auf den Katalog des § 1 UStBLV stellt eine unionsrechtswidrige Bedingung dar. Es ist am Verordnungsgeber gelegen, in der Umsatzsteuer-Bildungsleistungsverordnung (UStBLV) eine Zertifizierungsmöglichkeit von privaten Bildungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche zu schaffen bzw. diese Verordnung rechtlich so auszugestalten, um im Rahmen der Umsetzung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie eine solche Befreiung der Bf. objektiv zu gewähren. Die Bf. ist daher berechtigt, sich unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL zu berufen um damit die direkte Anwendung der Befreiung zu erreichen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Baker & McKenzie Rechtsanwälte LLP & Co KG, Schottenring 25, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom betreffend Umsatzsteuerfestsetzung 08.2019 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die Umsatzsteuer wird für den Zeitraum 08/2019 festgesetzt mit -197,91 €.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

A) Die Abgabenbehörde hat am ein Auskunftsersuchen der Beschwerdeführerin (Bf.) vom wie folgt beantwortet:

Auskunftsrelevanter Sachverhalt:
Die ***Bf1*** betreibt ein ***YZ*** Learning Centre für Kinder im Alter von 3 Monaten bis 19 Jahren. Der Unterricht erfolgt zusätzlich auch noch durch selbständige Lehrer direkt in Schulen und Kindergärten. Derzeit werden sämtliche Dienstleistungen mit 20% Umsatzsteuer verrechnet.

Die Sprachschule vermittelt Kenntnisse allgemeinbildender Art und für die Learning Centres sind auch die Voraussetzungen eines schulähnlichen Betriebes (Kursräume, feststehendes Bildungsangebot, gemeinschaftlicher Unterricht) gegeben. Eine Zertifizierung liegt derzeit nicht vor. Angefragt wird, ob auf Grund der Anpassung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG an das Unionsrecht, die Steuerbefreiung für Bildungsleistungen angewendet werden kann und ob zusätzlich als Nachweis einer vergleichbaren Zielsetzung iSd § 1 UStBLV noch eine Zertifizierung für das Erlangen der Umsatzsteuerfreiheit der Umsätze zwingend erforderlich ist.

Abgabenrechtliche Beurteilung mit Begründung:
Gemäß § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG sind die Umsätze von privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, soweit es sich um die Vermittlung von Kenntnissen allgemeinbildender oder berufsbildender Art oder der Berufsausübung dienenden Fertigkeiten handelt und nachgewiesen werden kann, dass eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Zielsetzung vorliegt, steuerfrei. Der Bundesminister für Finanzen kann unter Berücksichtigung der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen mit Verordnung festlegen, wann eine vergleichbare Zielsetzung vorliegt. Eine Schule bzw. schulähnliche Einrichtung muss eine vergleichbare Zielsetzung verfolgen, damit deren begünstigte Leistungen steuerfrei sind. Wann eine vergleichbare Zielsetzung vorliegt, wird in § 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über das Vorliegen einer vergleichbaren Zielsetzung bei Bildungsleistungen (UStBLV) geregelt. Sprachschulen sind zwar in der Rz 877 UStR explizit angeführt, jedoch ist die Steuerbefreiung nur nach Maßgabe von Rz 876 UStR, welche auf die UStBLV verweist, anwendbar. Gemäß § 1 Z 9 UStBLV liegt eine vergleichbare Zielsetzung bei jeder anderen vergleichbaren behördlichen Zertifizierung vor. Es kann daher die Meinung der steuerlichen Vertretung, dass eine Zertifizierung nicht notwendig ist, nicht geteilt werden.

B) Mit Anbringen vom teilte die Bf. dem Finanzamt mit, dass es in Österreich keine Zertifizierungsmöglichkeit für schulähnliche Einrichtungen gebe, wenn es sich dabei nicht um Erwachsenenbildung handle. Die Umsätze seit würden daher als umsatzsteuerbefreit behandelt werden. Wenn von Seiten des Finanzamtes eine andere Ansicht vertreten werde, ersuche man um einen abweisenden Bescheid, damit entsprechende Rechtsmittel ergriffen werden können.

C) Das Finanzamt hat im Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 08/2019 die Umsätze gemäß der erteilten Auskunft als steuerpflichtige Umsätze behandelt. Die Umsatzsteuer wurde mit Bescheid vom gemäß § 21 Abs. 3 UStG festgesetzt mit 29.769,93 €.

D) In der fristgerecht erhobenen Beschwerde vom wurde die Festsetzung von Umsatzsteuer für 08/2019 hinsichtlich der Besteuerung der Bildungsleistungen iHv 149.839,21 € mit 20% Umsatzsteuer angefochten. Begehrt wurde, die Bildungsleistungen iHv 149.839,21 € als unecht umsatzsteuerbefreit gemäß § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG zu behandeln und die Umsatzsteuer 08/2019 entsprechend der eingereichten Umsatzsteuervoranmeldung festzusetzen.

Zusammenfassend wurde ausgeführt, dass weder von Bundes- noch von Landesseite behördliche Zertifizierungsstellen benannt worden. Auch der bundesweite Fachbereich im BMF habe keine Auskunft zu behördlichen Zertifizierungsstellen für die vorliegende Bildungseinrichtung der Bf. geben können.

Gemäß Art. 132 Abs. 1 lit. i der MwStSystRL 2006/12/EG seien Umsätze im Bereich der Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie beruflicher Umschulung und damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut seien, oder anderen Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung von der Umsatzsteuer befreit. Zur Anpassung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG an das Unionsrecht, sei vom BMF die UStBLV erlassen worden, welche in § 1 Z 9 vorsieht, dass bei Bildungseinrichtungen eine vergleichbare Zielsetzung und somit Umsatzsteuerfreiheit unter anderem bei Vorliegen "jeder anderen vergleichbaren behördlichen Zertifizierung" gegeben sei. Wenn für eine Bildungseinrichtung, welche Leistungen für Kinder und Jugendliche anbiete, keine Möglichkeit geschaffen worden sei, eine entsprechende behördliche Zertifizierung zu erlangen, widerspreche diese Regelung dem Unionsrecht und sei daher als rechtswidrig einzustufen. Sollte dieser Rechtsansicht nicht gefolgt werden, dürfe noch angemerkt werden, dass die Bemessungsgrundlage der Umsätze mit 20 % Umsatzsteuer im Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 08/2019 von 149.839,21 € brutto auf den Nettobetrag von 124.866,01 € zu korrigieren wäre.

E) Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Bescheid vom auf Grund der Beschwerde vom geändert und die Umsatzsteuer für den Zeitraum 08/2019 mit 24.775,29 € festgesetzt.

Begründend wurde ausgeführt: Gemäß § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG seien die Umsätze von privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, soweit es sich um die Vermittlung von Kenntnissen allgemeinbildender oder berufsbildender Art oder der Berufsausübung dienenden Fertigkeiten handle und nachgewiesen werden könne, dass eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Zielsetzung vorliege, steuerfrei. Der Bundesminister für Finanzen könne unter Berücksichtigung der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen mit Verordnung festlegen, wann eine vergleichbare Zielsetzung vorliege. Eine Schule bzw. schulähnliche Einrichtung müsse eine vergleichbare Zielsetzung verfolgen, damit deren begünstigte Leistungen steuerfrei seien. Wann eine vergleichbare Zielsetzung vorliege, werde in § 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über das Vorliegen einer vergleichbaren Zielsetzung bei Bildungsleistungen (UStBLV) geregelt. Sprachschulen seien zwar in der Rz 877 UStR explizit angeführt, jedoch sei die Steuerbefreiung nur nach Maßgabe von Rz 876 UStR, welche auf die UStBLV verweise, anwendbar. Gemäß § 1 Z 9 UStBLV liege eine vergleichbare Zielsetzung bei jeder anderen vergleichbaren behördlichen Zertifizierung vor. Da diese von der Bf. nicht vorgelegt worden sei, sei die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung für Bildungsleistungen gemäß § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG nicht möglich. Die Bemessungsgrundlage der Umsätze mit 20% Umsatzsteuer sei, wie beantragt, angepasst worden.

F) Am wurde fristgerecht (unter Beachtung der Bestimmungen der COVID-19 Maßnahmen gemäß § 323c Abs. 1 BAO) ein Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht eingebracht. Die Bf. bekämpft darin die angefochtene Beschwerdevorentscheidung insoweit, als die im Jahr 2019 erbrachten Bildungsleistungen als steuerbefreite Umsätze anzuerkennen seien. Konkret wurde von der steuerlichen Vertretung vorgebracht:

Ad) Sachverhalt

Tätigkeiten der Beschwerdeführerin

-Die Bf. betreibt unter dem Markennamen und mit dem Konzept "***YZ***" eine Sprachschule, die Englisch als Fremdsprache nach der Muttersprachenmethode Babys, Kindern und Teenagern beibringt und dabei über einen Bildungszeitraum von 14 bis 19 Jahren ein kontinuierliches und aufeinander aufbauendes Kursprogramm anbietet. Erwachsene sind hingegen keine Zielgruppe der Sprachschule der Bf. Die Kinder profitieren im von der Bf. angebotenen Kursprogramm vom Lernen innerhalb des wissenschaftlich belegten Sprachfensters für den frühkindlichen Spracherwerb, das sich bereits ab dem 7. Lebensjahr mehr und mehr schließt. Dadurch wird das Erlernen einer weiteren Sprache in der Altersgruppe ab 10 Jahren weniger effektiv als in früheren Jahren, unter anderem, was die Aussprache, akzentfreies Sprechen und Aneignung der grammatikalischen Prinzipien auf eine natürliche Art und Weise betrifft.

-Der Unterricht wird in Gruppen von 4 bis 8 Kindern abgehalten, um die Interaktion in den Gruppen und damit den Spracherwerb zu fördern. Einzelunterricht wird grundsätzlich keiner angeboten. Organisatorisch findet der Unterricht in sogenannten "Learning Studios" bzw. "Learning Centers" statt, welche über Unterrichtsräume, ein Sekretariat, Unterrichtsmaterialienlager, etc. verfügen und in dieser Form schulähnlich aufgebaut sind. Die Programme finden - analog zum Schuljahr und unter Berücksichtigung der Schulferien - üblicherweise zwischen September und Juni statt.

-Der schulähnliche Zweck liegt darin, dass der Sprachunterricht der Bf., in Form von Kursen dem Stoff des österreichischen Pflichtschulsystems inhaltlich mindestens entspricht, dem Lehrplan dieser Schulen im Regelfall aber etwa 1 bis 2 Jahre voraus ist. So können Kinder bereits im Alter von 3 Monaten mit dem Kursprogramm der Bf. beginnen und wachsen dann aufgrund dieses Bildungsangebots sozusagen "zweisprachig" auf. Die überwiegende Mehrzahl der Kinder beginnt aber im Kindergarten bzw. Vorschulalter und am Anfang der Volksschule, um parallel vorgelagert zur Schule Englisch zu lernen. Diese Methode bringt nach einer wissenschaftlichen Studie der Universität Eichstätt-Ingolstadt nachweislich einen Vorteil beim Eintritt in die auf die Volksschule folgenden Schulstufen. Ziel ist es dabei möglichst früh zu beginnen und dann kontinuierlich, zur Schule ergänzend, die Englischkenntnisse zu erweitern und zu vertiefen.

-Eine "Nachhilfe" für den schulischen Unterricht wird durch das Bildungsangebot der Bf. nicht erbracht, da die Lerninhalte jenen des österreichischen Schulsystems zeitlich weit voraus sind und der Lerninhalt daher von den Kindern nicht genutzt werden kann, um schulische Versäumnisse zu kompensieren oder das schulische Lernen zeitnah zu unterstützen.

Bisherige Anstrengungen zur Erbringung des Nachweises der vergleichbaren Zielsetzung

Die Bf. hat bereits kurz nach Veröffentlichung der Umsatzsteuer Bildungsleistungsverordnung (UStBLV) mit Ö-Cert, welche nur eine Listung der Zertifizierungsstellen darstellt, und den von ihr gelisteten Zertifizierungsstellen Kontakt aufgenommen und sich aktiv um eine Zertifizierung iSd § 1 Z 7 bzw. Z 9 UStBLV bemüht. Alle in Frage kommenden Zertifizierungsstellen haben der Bf. jedoch mitgeteilt, dass nur Erwachsenenbildungsprogramme zertifiziert werden können (vgl. dazu TÜV Austria ISO 29990; ISO 29990 - Quality Austria; sowie die auf https://oe-cert.at/weg-zu-oecert/qm-systeme.php gelisteten Systeme).

Gleich war die Auskunft der entsprechenden Landesstellen in Oberösterreich, Niederösterreich und Wien, die Zertifizierung auch nur für Erwachsenenbildungsprogramme zu gewähren. Andere Bundesländer bieten überhaupt keine Zertifizierungen an.

Einzelne Zertifizierungsstellen wie zB "LQW" bieten einen Qualitätssicherungsaudit an, das allerdings nichts mit einer Bestätigung der Bildungsleistung und -erbringung zu tun hat (dies wird zB von manchen Eltern-Kind-Zentren bezogen, die aber nichts mit Bildungsleistungen zu tun haben).

Bisheriger Verfahrensgang

Die Bf. erhielt im August 2019 aus ihrer Tätigkeit als Sprachschule Entgelte in Höhe von 149.839,21 €. Diese wurden in der UVA 08/2019 als steuerbare, aber unecht befreite Umsätze behandelt. Von Seiten des Finanzamts wurden diese Umsätze mit Bescheid vom als steuerbar und steuerpflichtig festgesetzt. In der gegen den Festsetzungsbescheid eingereichten Beschwerde wurde beantragt diese Beträge gemäß § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG unecht umsatzsteuerbefreit zu behandeln. Mit der dazu ergangenen Beschwerdevorentscheidung vom wurden diese Entgelte jedoch entgegen der Bescheidbeschwerde als steuerpflichtig festgesetzt.

Ad) Beschwerdegründe

a) Umsatzsteuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 lit. i der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom (MwStSystRL)

Nach Art. 132 Abs. 1 lit. i der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom (MwStSystRL) sind die "Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung" von der Umsatzsteuer befreit. Gemäß Art. 133 MwStSystRL können die Mitgliedstaaten die Gewährung der Befreiungen nach Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSytRL für Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, jedoch von der Erfüllung einer oder mehrerer der in diesem Art. 133 MwStSystRL angeführten Bedingungen abhängig machen.

Umsetzung durch § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG idF vor JStG 2018

Diese nationale Regelung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG idF vor JStG 2018 ist in Umsetzung von Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL ergangen. Nach dieser waren "die Umsätze von privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, soweit es sich um die Vermittlung von Kenntnissen allgemeinbildender oder berufsbildender Art oder der Berufsausübung dienenden Fertigkeiten handelt und nachgewiesen werden kann, dass eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Tätigkeit ausgeübt wird" von der Umsatzsteuer befreit.

Durchführungsverordnung nach Art. 291 Abs. 2 AEUV

Mit Wirksamkeit ab Juli 2011 wurde - gestützt auf den AEUV und auf Art. 397 der MwStSystRL - die Durchführungsverordnung (EU) 282/2011 des Rates vom zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur RL 2006/112EG erlassen, nach deren Art. 44 "Dienstleistungen der Ausbildung, Fortbildung oder beruflichen Umschulung, die unter den Voraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 lit. i der RL 2006/112/EG erbracht werden, Schulungsmaßnahmen mit direktem Bezug zu einem Gewerbe oder einem Beruf sowie jegliche Schulungsmaßnahme, die dem Erwerb oder der Erhaltung beruflicher Kenntnisse dient [umfassen]. Die Dauer der Ausbildung, Fortbildung oder beruflichen Umschulung ist hierfür unerheblich."

Damit regelt die Durchführungsverordnung den Bereich der berufsbezogenen Aus- und Fortbildung iSd Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL, nicht jedoch auch den Bereich der Vermittlung von Kenntnissen allgemeinbildender Art (vgl. dazu Zorn, RdW 2016, 721).

Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes

Nach der ständigen Rechtsprechung des EUGHs soll mit den in Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL vorgesehenen Steuerbefreiungen allgemein die Förderung bestimmter, dem Gemeinwohl dienender Tätigkeiten im Bildungsbereich bezweckt werden. Nach Auffassung des EUGHs besteht das Ziel der Befreiung nach Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL darin, durch die Gewährleistung einer günstigeren mehrwertsteuerlichen Behandlung von Bildungsdienstleistungen den Zugang zu diesen Leistungen zu erleichtern, indem die höheren Kosten vermieden werden, die sich aus ihrer Unterwerfung unter die Mehrwertsteuer ergeben würden (vgl. , Rs MDDP, Rn 26; , Rs Kommission/Deutschland, Rn 47).

Der EuGH hat am in der Rs C-445/0 klargestellt, dass sich die Befreiung des Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL nicht auf Unterricht beschränkt, der zu einer Abschlussprüfung führt oder eine Berufsausbildung vermittelt. Auch andere Tätigkeiten sind davon erfasst, wenn sie darauf gerichtet sind, Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studenten zu entwickeln, und sie nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben.

Nicht zuletzt im Hinblick auf diese Zielsetzung sind Art. 132 Abs. 1 lit. i sowie 133 und 134 MwStSystRL nach Auffassung des EUGHs dahin auszulegen, dass sie einer Mehrwertsteuerbefreiung für Bildungsdienstleistungen, die von nicht öffentlichen Einrichtungen zu gewerblichen Zwecken erbracht werden, nicht entgegenstehen (vgl. nochmals , Rs MDDP, Rn 33). Daher ist auch Tätigkeitsausübung mit Gewinnerzielungsabsicht an sich nicht schädlich für die Inanspruchnahme der Befreiung.

Nach der Rechtsprechung des EUGHs vom , C-319/12, Rs MDDP, sind die in Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL genannten (berufsbezogenen) Bildungsdienstleistungen nur dann befreit, wenn sie entweder von Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit Bildungsaufgaben betraut sind, oder von anderen Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung erbracht werden. Diese anderen Einrichtungen, d.h. private Einrichtungen, müssen somit "die Voraussetzung erfüllen, dass sie eine vergleichbare Zielsetzung wie die genannten Einrichtungen des öffentlichen Rechts haben". Weiters sind die Art. 132 Abs. 1 lit. i, 133 und 134 der MwStSystRL dahin auszulegen, dass sie einer Mehrwertsteuerbefreiung für Bildungsdienstleistungen, die von nicht öffentlichen Einrichtungen zu gewerblichen Zwecken erbracht werden, nicht entgegenstehen. Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL untersagt lediglich, allgemein sämtliche Bildungsdienstleistungen zu befreien, ohne dass die Zielsetzung nicht öffentlicher Einrichtungen, die diese Leistungen erbringen, berücksichtigt wird.

Der EuGH erkannte weiters, dass Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL den Mitgliedstaaten zwar ein gewisses Ermessen bei der Festlegung der privaten Einrichtungen lässt, deren Zielsetzung mit der von Einrichtungen des öffentlichen Rechts vergleichbar ist und die damit nach Art. 132 von der Mehrwertsteuer zu befreien sind (, Rs MDDP, Rn 50). Er stellte aber auch klar, dass der Umstand, dass eine Bestimmung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie, die eine Befreiung vorsieht, den Mitgliedstaaten bei der Festlegung der von der Befreiung Begünstigten einen Ermessensspielraum gewährt, nicht daran hindert, die Bestimmung als so genau anzusehen, dass eine unmittelbare Berufung auf sie möglich ist, wenn die strittige Leistung nach objektiven Anhaltspunkten den Kriterien entspricht, auf die diese Befreiung abstellt (vgl. , Rs MDDP, Rn 51 und die dort zitierte Rechtsprechung).

Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes

Der bisherigen Rechtsprechung des VwGH lagen hauptsächlich Sachverhalte mit berufsbezogener Aus- und Fortbildung iSd Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL zugrunde (vgl. ; , Ra 2014/15/0003; , Ra 2015/15/0019; , Ro 2015/13/0014).

In seinem Erkenntnis vom , 2011/15/0109 sprach der VwGH aus, dass mit der Durchführungsverordnung (EU) 282/2011 für den Tätigkeitsbereich der berufsbezogenen Aus- und Fortbildung, den die Befreiungsbestimmung des Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL erfasst, ein Mindestumfang verbindlich festgelegt wird. Die in der VO (EU) 282/2011 angeführten Schulungsmaßnahmen sind daher - unbeschadet der Regelung des Art. 133 MwStSystRL - unabhängig davon von der Befreiungsbestimmung erfasst, ob sie sich nach der nationalen Bestimmung, die Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL in nationales Rechts umsetzt, als eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Tätigkeit darstellen (vgl. dazu Zorn, RdW 2016, 719). Der VwGH legte Art. 44 der Verordnung jedoch einschränkend dahingehend aus, dass diese Bestimmung die Bildungsmaßnahmen nicht abschließend beschreibt, sondern nur einen Mindestumfang festlegt. Die Verordnungsbestimmung will normieren, dass die berufsbezogene Aus- und Fortbildung jedenfalls zu den begünstigten Bildungsmaßnahmen gehört (vgl. ; Zorn, RdW 2016, 719).

In seinem Erkenntnis vom , Ra 2014/15/0003 betonte der VwGH - nunmehr dem Urteil des EUGHs in der Rs MDDP folgend - die entsprechende Befreiungsbestimmung des Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL stelle ausschließlich darauf ab, ob die Aus- bzw. Fortbildungsleistung durch (private) Einrichtungen erbracht wird, die eine "vergleichbare Zielsetzung" aufweisen wie Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind. Der VwGH sah in Ra 2014/15/0003 diese Voraussetzung der vergleichbaren Zielsetzung im österreichischen UStG als nicht umgesetzt an (vgl. dazu Zorn, RdW 2016, 720; aA Pfeiffer, ÖStZ 2014, 303). § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG stelle auf etwas völlig anderes ab, nämlich auf die Ausübung der einer öffentlichen Schulen vergleichbaren Tätigkeit. Da die MwStSystRL jedoch ausschließlich auf die vergleichbare Zielsetzung abstellt, wurde diese durch § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG nicht in nationales Recht umgesetzt. Daraus folgerte der VwGH, dass ein Unternehmer, der eine Bildungseinrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung betreibt, sich unmittelbar auf die Anwendbarkeit der Richtlinienbestimmung berufen kann (vgl. dazu Zorn, RdW 2016, 721). Der Unternehmer kann aber auch auf der Anwendung des nationalen (nicht richtlinienkonformen) Rechts bestehen, wenn ihm das günstiger erscheint. Betreibt er eine Bildungseinrichtung zur Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten, so ist er gemäß § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG mit dem berufsbezogenen Unterricht (wie er in der Durchführungsverordnung beschrieben ist) steuerbefreit.

Will sich der Unternehmer außerhalb der von der Durchführungsverordnung geregelten berufsbezogenen Aus- und Fortbildung - etwa mit hier gegenständlichen allgemeinbildenden Bildungsleistungen - auf die Steuerbefreiung des nationalen Rechts berufen, so musste er wohl nach dem Verständnis des nationalen UStG in der Fassung vor Jahressteuergesetz 2018 eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Tätigkeit ausüben (ausdrücklich Zorn, RdW 2016, 721.)

In seinen Folgeentscheidungen vom , Ra 2015/15/0019; vom , Ro 2015/13/0014; , Ra 2015/13/0006 und , Ro 2017/15/0017 zu berufsbezogenen Aus- und Fortbildungen wies der VwGH die erhobenen (Amts)Revisionen mit unter Verweis auf die in , 2011/15/0109; , Ra 2014/15/0003 ergangene Rechtsprechung zurück. Der VwGH stellte jedoch in Ro 2015/13/0014 vom unter Verweis auf Zorn, RdW 2016, 720 ergänzend klar, dass eine "vergleichbare Tätigkeit" etwas völlig anderes ist als eine "vergleichbare Zielsetzung" (so auch ).

b) Änderungen durch das Jahressteuergesetz 2018

§ 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG idF JStG 2018

Mit dem Jahressteuergesetz 2018 wurde § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG in Reaktion auf die dargestellte Rechtsprechung des VwGH dahingehend geändert, dass dieser nun lautet: "Umsätze von privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, soweit es sich um die Vermittlung von Kenntnissen allgemeinbildender oder berufsbildender Art oder der Berufsausübung dienenden Fertigkeiten handelt und nachgewiesen werden kann, daß eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Zielsetzung verfolgt wird". Nach den Aussagen der Gesetzesmaterialien sollte § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG unter Verweis auf die ergangene Rechtsprechung des VwGH unionsrechtskonform ausgestaltet und das Kriterium der vergleichbaren Tätigkeit durch das Kriterium der vergleichbaren Zielsetzung ersetzt werden (EB RV 190 BlgNR 24. GP, 31).

Mit der Umgestaltung des Gesetzestextes ist das Kriterium der vergleichbaren Tätigkeit - das wie oben dargestellt außerhalb des Anwendungsbereichs der Durchführungsverordnung anwendbar war - auch für die Erbringung allgemeinbildender Bildungsleistungen entfallen. Auch bei diesen kommt es ab ausschließlich auf die vergleichbare Zielsetzung an (vgl. dazu Ecker/Epply/Rößler/Schwab, MWSt Kommentar, 60. Auflage, § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a Rz 36). Damit sollten nach der Diktion des Gesetzgebers im Sinne einer Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen, entsprechend dem unionsrechtlichen Hauptzweck der Begünstigung, nämlich den Zugang zu Bildungsleistungen zu verbilligen, private Anbieter mit ihren allgemeinbildenden Bildungsangeboten gemäß § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a von der Befreiung erfasst sein (EB RV 190 BlgNR 24. GP, 31; Ecker/Epply/Rößler/Schwab, MWSt Kommentar, 60. Auflage, § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a Rz 41). Voraussetzung ist allerdings, dass Kenntnisse allgemeinbildender oder berufsbildender Art oder der Berufsausübung dienende Fertigkeiten vermittelt werden und eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Zielsetzung iSd der Regelung des § 1 UStBLV verfolgt wird. Die Voraussetzung, dass der vorgetragene Lehrstoff nach Umfang und Lehrziel einer Übersetzer- oder Dolmetscherausbildung einer Universität entspricht, ist nicht mehr Voraussetzung für die Steuerbefreiung (vgl. Berger/Menheere in Berger/Schefzig/Tschiderer/Wakounig, UStG Kommentar § 6 Rz 216).

Umsatzsteuer Bildungsleistungsverordnung (UStBLV)

Zudem wurde mit dem Jahressteuergesetz 2018 in § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG eine Verordnungsermächtigung des Bundesministers für Finanzen eingefügt, mit der eine Konkretisierung der vergleichbaren Zielsetzung vorgenommen werden soll. Diese Verordnung soll entsprechend Art. 133 lit. d der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl. Nr. L 347 vom S. 1, zuletzt geändert durch die Richtlinie (EU) 2017/2455, ABl. Nr. L348 vom S. 7, nach den ausdrücklichen Aussagen in den Gesetzesmaterialien "die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen berücksichtigen".

Die "VO des BMF über das Vorliegen einer vergleichbaren Zielsetzung" (Umsatzsteuer-Bildungsleistungsverordnung, BGBl II 214/2018, UStBLV) enthält in § 1 eine Aufzählung der in diesem Sinne staatlich anerkannten Einrichtungen mit vergleichbarer Zielsetzung, wobei die in § 1 Z 1 bis 6 UStBLV genannten Einrichtungen gesetzlich geregelt sind und jene in Z 7 bis 9 angeführten Bildungseinrichtungen entweder zertifiziert oder als förderungswürdige Einrichtungen anerkannt sein müssen.

Gemäß § 1 Z 9 UStBLV ist eine vergleichbare Zielsetzung bei Einrichtungen mit jeder anderen vergleichbaren behördlichen Zertifizierung gegeben. Hierbei handelt es sich um einen äußerst unklaren Auffangtatbestand (vgl. Berger/Menheere in Berger/Schefzig/Tschiderer/Wakounig, UStG Kommentar § 6 Rz 215; Ecker/Epply/Rößler/Schwab, MWSt Kommentar, 60. Auflage, § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a Rz 88). Unklar ist insbesondere auch, ob es sich dabei jedenfalls um ein behördliches, also bescheidmäßig erteiltes Zertifikat handeln muss (so zB Ecker/Epply/Rößler/Schwab, MWSt Kommentar, 60. Auflage, § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a Rz 88).

c) Zwischenergebnis

Die Erbringung von Sprachunterricht durch eine Sprachschule an Kinder stellt eine allgemeinbildende Bildungsleistung dar, die seit unabhängig von der Vergleichbarkeit der Tätigkeit und dem Empfängerkreis dem Grunde nach unter § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG fällt (vgl. ; Revision beim VwGH zu Ro 2015/13/0014 am als unbegründet abgewiesen), sofern sie einer vergleichbaren Zielsetzung iSd § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG iVm § 1 UStBLV folgt.

Sofern eine Zertifizierung des Steuerpflichtigen nach § 1 Z 7 und Z 8 UStBLV nicht möglich ist, hat dieser die "vergleichbare Zielsetzung" des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG der Verordnung zufolge mittels einer "vergleichbaren" Zertifizierung gemäß § 1 Z 9 UStBLV nachzuweisen.

d) Nachweismöglichkeiten der Beschwerdeführerin

Da die Bf. mit ihrer Sprachschule eine allgemeinbildende Bildungsleistung als private Anbieterin an Kinder erbringt, steht ihr im Katalog des § 1 UStBLV nur die vergleichbare Zertifizierung gemäß § 1 Z 9 UStBLV offen.

Wie oben dargestellt, war es der Bf. nicht möglich, eine Ö-Cert Zertifizierung zu erlangen, da diese nur für den Bereich der Erwachsenenbildung ausgestellt werden. Auch gibt es in Österreich derzeit keine vergleichbare - behördliche bzw. bescheidmäßige - Zertifizierung von Bildungseinrichtungen für Kinder.

Der Katalog des § 1 UStBLV stellt jedoch nur eine Vereinfachung dar, nach der eine darüberhinausgehende Einzelfallprüfung bei diesen Einrichtungen bzw. Zertifizierungen somit entfallen kann. Der Nachweis der vergleichbaren Zielsetzung gilt in diesen Fällen somit als erbracht, wenn die gesetzlich vorgesehene Anerkennung, Berechtigung, Bewilligung oder ein rechtswirksames und aufrechtes Ö-Cert-Zertifikat oder ein mit diesem vergleichbaren Zertifikat vorhanden ist (vgl. Ecker/Epply/Rößler/Schwab, MWSt Kommentar, 60. Auflage, § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a Rz 74).

Nach zutreffender Ansicht in der Literatur ist es jedoch problematisch, dass eine "vergleichbare" Zertifizierung gemäß § 1 Z 9 UStBLV wiederum einen im Einzelfall zu erbringenden Nachweis der Vergleichbarkeit erfordert. Der Verordnungstext enthält nämlich keine eindeutige Aussage, mit welcher Zertifizierung die zu beurteilende Zertifizierung verglichen werden muss, und welche Vergleichsmaßstäbe hierfür heranzuziehen sind (vgl. die Kritik in der Stellungnahme der KSW vom ; Ecker/Epply/Rößler/Schwab, MWSt Kommentar, 60. Auflage, § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a Rz 88).

Die Finanzverwaltung hat bisher keine Ansicht dazu veröffentlicht, welche vergleichbaren Zertifizierungen vom Auffangtatbestand des § 1 Z 9 UStBLV erfasst sein sollten. In der Literatur wird die Ansicht vertreten, dass wohl am ehesten ein Vergleich mit der nach § 1 Z 7 UStBLV geforderten Zertifizierung infrage komme (vgl. dazu Ecker/Epply/Rößler/Schwab, MWSt Kommentar, 60. Auflage, § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a Rz 88). Demnach könnten etwa solche Bildungsträger unter § 1 Z 9 UStBLV fallen, die alle wesentlichen in der Ö-Cert-Vereinbarung vorgesehenen Grundvoraussetzungen im Sinne einer annähernden Übereinstimmung erfüllen, jedoch sich aus welchen Gründen auch immer nicht für Ö-Cert bewerben oder bei denen die Ausstellung eines solchen Zertifikates mangels vollständiger Erfüllung aller Voraussetzungen abgelehnt wurde (vgl. dazu Ecker/Epply/Rößler/Schwab, MWSt Kommentar, 60. Auflage, § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a Rz 88).

Der Bf. ist es im gegenständlichen Fall - trotz der überprüfbaren Erfüllung aller sachlichen Voraussetzungen - nur deswegen nicht möglich, eine (vergleichbare) Zertifizierung gemäß § 1 Z 7 bzw. Z 9 UStBLV beizubringen, weil auf Basis der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Anerkennung des Qualitätsrahmens für die Erwachsenenbildung, Ö-Cert, BGBl II 269/2012 eine Zertifizierung nur für Erwachsenenbildungseinrichtungen ausgestellt wird. Eine gleichartige oder dem Ö-Cert ähnliche Zertifizierung existiert - zumindest in Österreich - nicht. Unstrittig ist aber die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL und ihr folgend § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG nicht nur auf Erwachsenenbildung anwendbar, sondern erfasst unstrittig auch die Erbringung allgemeinbildender Bildungsleistung an Kinder, was schon daraus ersichtlich ist, dass die Befreiung insbesondere auf Schulen zur Anwendung kommt (vgl. dazu EuGH, C-434/05, Rs Horizon College, , Rs Eulitz; , Rs Haderer; Ruppe/Achatz, UStG5 § 6 Rz 304 ff; Berger/Menheere in Berger/Schefzig/Tschiderer/Wakounig, UStG Kommentar § 6 Rz 206 ff). Wird in Österreich aber - aus ausschließlich nicht steuerlichen Gründen - eine Zertifizierung für Bildungseinrichtungen für Kinder nicht angeboten, so muss der Nachweis der vergleichbaren Zielsetzung dieser Einrichtungen im Rahmen des § 1 Z 9 UStBLV auf andere Weise erbringbar sein.

Nach der Rechtsprechung des EUGHs liegt der Zweck der unionsrechtlichen Befreiungsbestimmung darin, dass der Zugang zum Unterricht nicht durch die höheren Kosten versperrt werden soll, die im Fall der Steuerpflicht entstünden. Dieser Zweck rechtfertige es, die Befreiungsvorschrift nicht eng auszulegen (, Rs Kommission/Deutschland, Rn 47). Auch der VwGH vertritt die Auffassung, dass die Vorschrift ihrem Zweck nach nicht eng auszulegen sei und dass es auf das Fehlen einer aktuellen Wettbewerbsverzerrung nicht ankomme (vgl. ; Ruppe/Achatz, UStG5 § 6 Rz 302).

§ 1 Z 9 UStBLV stellt - soweit eine vergleichbare Zertifizierung mangels zuständiger Zertifizierungsstelle oder aufgrund einer für umsatzsteuerliche Zwecke nicht relevanten Bedingung der Zertifizierung nicht möglich ist - damit bloß eine Vermutung des Vorliegens einer vergleichbaren Zielsetzung auf. Über die vergleichbare Zielsetzung ist in diesen Fällen daher anhand einer Einzelfallprüfung zu entscheiden. Das Fehlen einer Zertifizierungsstelle bzw. die Nichterfüllung einer für die Zertifizierung durch die zuständige Stelle notwendigen - für umsatzsteuerliche Zwecke des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG jedoch unerheblichen Bedingung der Erwachsenenbildung - kann nicht zum Nachteil der Bf. die Abgabenbehörde von ihrer Verpflichtung zur sachlichen Überprüfung des Vorliegens der nachgewiesenen Voraussetzungen der Befreiung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG entbinden.

Da es der Bf. möglich ist, das Vorliegen der vergleichbaren Zielsetzung ihrer Bildungsleistungen nachzuweisen, erfüllt diese die Voraussetzungen der Befreiung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG auch dann, wenn es in Österreich keine vergleichbare Zertifizierung iSd § 1 Z 9 UStBLV für Bildungsleistungen an Kinder gibt.

Die vergleichbare Zielsetzung könnte durch die Behörde anhand der Ausrichtung, der Zielgruppen des Bildungsangebots, den Bedingungen des Unterrichts, dem Niveau der Unterrichtstätigkeit, der angewendeten Lehrmethoden, der Abschlusserfordernisse sowie die erworbenen Qualifikationen als geeignete Vergleichsmaßstäbe ermittelt werden (vgl. dazu auch ; Zorn, RdW 2016, 720; krit. dazu Pfeiffer, ÖStZ 2017, 87, der darin wiederum eine - vom VwGH abgelehnte - lehrstoffbezogene Prüfung erblickt).

e) Vorliegen einer Wettbewerbsverzerrung

Gemäß § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG kann der "Bundesminister für Finanzen […] unter Berücksichtigung der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen mit Verordnung festlegen, wann eine vergleichbare Zielsetzung vorliegt".

Nach § 2 UStBLV liegt eine vergleichbare Zielsetzung dann nicht vor, wenn der Unternehmer nachweist, dass die Anwendung des § 1 Z 5 bis Z 9 UStBLV zu Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Voraussetzung dafür ist nach § 2 UStBLV jedoch, dass die Bildungsleistungen überwiegend an Unternehmer erbracht werden. Durch die Regelung des § 2 UStBLV, der sich wie die gesetzliche Verordnungsermächtigung auf Art. 133 lit. d MwStSystRL stützt, wollte man offenbar jene Fälle erfassen, bei denen die Wahrscheinlichkeit von größeren Wettbewerbsnachteilen bei Anwendung der Befreiung am höchsten ist (vgl. dazu Ecker/Epply/Rößler/Schwab, MWSt Kommentar, 60. Auflage, § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a Rz 37).

Der Wortlaut des § 2 UStBLV greift allerdings hinsichtlich der Wettbewerbsverzerrung zu kurz: Bei den allgemeinbildenden Bildungseinrichtungen gemäß § 1 Z 1 bis Z 4 UStBLV handelt es im Wesentlichen um schulische Einrichtungen, deren Hauptzielgruppe Nichtunternehmer sind und die nach der Intention der Befreiungsregelung jedenfalls befreit sein sollten (vgl. Ecker/Epply/Rößler/Schwab, MWSt Kommentar, 60. Auflage, § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a Rz 37). Da jedoch gerade allgemeinbildende Bildungsleistungen aufgrund ihrer Art zu einem nicht unbeachtlichen Teil hohe, nicht mit Umsatzsteuer belastete Personalkosten verursachen, kann es im Falle der Anwendung der Steuerbefreiung für gleichartige Leistungen bei Leistungserbringung an nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Letztverbraucher auch zu Wettbewerbszerrungen zum Nachteil von steuerpflichtigen Mitbewerbern kommen (vgl. Ecker/Epply/Rößler/Schwab, MWSt Kommentar, 60. Auflage, § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a Rz 89).

Ist die Erbringung von Sprachunterricht durch die aufgrund der Auslegung und Anwendung des § 1 Z 9 UStBLV nicht befreite Sprachschule der Bf. als allgemeinbildende Bildungsleistung an Kinder als Nichtunternehmer nicht befreit, liegt darin eine eklatante Wettbewerbsverzerrung vor. Es verursacht der Sprachschule der Bf. nämlich hohe, nicht mit Umsatzsteuer belastete Personalkosten, wodurch es bei der Erbringung gleichartiger Leistungen zu einem empfindlichen wettbewerblichen Preisnachteil gegenüber etwa aufgrund ihrer Rechtsform gemäß § 1 UStBLV steuerbefreiten Mitbewerbern kommt, die die gleichen Leistungen mit den gleichen Personalkosten anbieten. Nach Auffassung des ist der Nachweis eines Wettbewerbsverhältnisses zu einer öffentlichen Schule für die Steuerbefreiung nicht erforderlich.

Damit ist aber die Bedingung des Art. 133 lit. d MwStSystRL durch § 2 UStBLV nicht auseichend umgesetzt worden, da diese nach ihrem Wortlaut nur die Vermeidung einer Wettbewerbsverzerrung zum Nachteil steuerbefreiter gewerblicher Unternehmer bewirken soll, nicht aber auch die Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten steuerpflichtiger Unternehmer erfasst.

f) Zwischenergebnis

Sofern eine vergleichbare Zertifizierung § 1 Z 9 UStBLV für die Tätigkeit des Steuerpflichtigen nicht erbracht werden kann, weil es an einer zuständigen Zertifizierungsstelle fehlt oder eine solche aufgrund einer für die Umsatzsteuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG nicht relevanten Bedingung der Erwachsenenbildung eine Zertifizierung nicht ausstellen kann, ist über die Vereinfachung der UStBLV hinaus eine Einzelfallprüfung der vergleichbaren Zielsetzung § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG vorzunehmen.

Wird die Steuerbefreiung trotz des Vorliegens einer vergleichbaren Zielsetzung iSd § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG nicht gewährt, liegt damit eine Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der Bf. vor.

g) Gesetzwidrigkeit der Verordnung

Sollte entgegen der von der Bf. vertretenen Rechtsauffassung § 1 UStBLV nicht bloß eine (vereinfachte) Vermutung einer vergleichbaren Zielsetzung, die gegebenenfalls widerlegt oder auf andere Weise erbracht werden kann, sondern eine abschließende Aufzählung darstellen, so liegt darin eine rechtswidrige Einschränkung des Anwendungsbereichs der Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG vor.

§ 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG sieht nach absolut herrschender Ansicht keinerlei Einschränkungen der Steuerbefreiung hinsichtlich der Rechtsform der erbringenden Einrichtung oder des Adressatenkreises der Bildungsleistungen vor (vgl. dazu Ecker/Epply/Rößler/Schwab, MWSt Kommentar, 60. Auflage, § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a Rz 37; Ruppe/Achatz, UStG5 § 6 Rz 308). Der Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG ist nach Auffassung des VwGH - anders als andere Steuerbefreiungen - aufgrund ihres Zwecks auch nicht eng auszulegen (vgl. ; Ruppe/Achatz, UStG5 § 6 Rz 302; so auch , Rs Kommission/Deutschland, Rn 47).

Sollte der Katalog des § 1 UStBLV eine abschließende Auflistung der Möglichkeiten des Nachweises einer vergleichbaren Zielsetzung iSd § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG darstellen, schränkt die Verordnung den Begriff der "Einrichtung" des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG auf folgende gesetzlich festgelegte Einrichtungen und Zertifizierungen ein:

1) Privatschulen iSd des Privatschulgesetzes, BGBl 244/1962, oder des land- und forstwirtschaftlichen Privatschulgesetzes, BGBl 318/1975;
2) Privatuniversitäten iSd Privatuniversitätengesetzes (PUG), BGBl I 74/2011, sowie Privatuniversitäten, die unter den Voraussetzungen des § 2 Universitäts-Akkreditierungsgesetzes, BGBl 168/1999, akkreditiert wurden;
3) Fachhochschulen und Einrichtungen zur Durchführung von Fachhochschul-Studiengängen iSd Fachhochschul-Studiengesetzes (FHStG), BGBl 340/1993;
4) privaten Pädagogischen Hochschulen iSd § 4 Hochschulgesetzes 2005, BGBl I 30/2006 sowie öffentlichen Pädagogischen Hochschulen im Rahmen der eigenen Rechtspersönlichkeit gemäß § 3 Hochschulgesetz 2005, BGBl 30/2006;
5) anderen berufsbezogenen Ausbildungseinrichtungen privaten Rechts, die aufgrund einer speziellen gesetzlichen Ermächtigung als solche anerkannt sind;
6) post-sekundären Bildungseinrichtungen, die im Rahmen einer Kooperation mit einer Universität oder Fachhochschule berufsbezogene post graduale Aus- und Weiterbildungen durchführen;
7) einer aufrechten Zertifizierung als Erwachsenenbildungseinrichtung iSd Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Anerkennung des Qualitätsrahmens für die Erwachsenenbildung Ö-Cert, BGBl II 269/2012;
8) Einrichtungen iSd BG über die Förderung der Erwachsenenbildung und des Volksbüchereiwesens, BGBl 171/1973 iVm der Kundmachung der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur gemäß § 7 Abs. 1 des BG über die Förderung der Erwachsenenbildung und des Volksbüchereiwesens aus Bundesmitteln, BGBl 228/2001.

Unstrittig ist der Begriff der Einrichtung und damit der subjektive Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG (wie auch der des Art. 132 Abs. 1 li.t i MwStSystRL) jedoch nicht auf gewisse Rechtsformen oder Organisationstypen eingeschränkt. Eine Einschränkung auf Einrichtungen im Sinne bundes- oder landesgesetzlicher Schul-, Hochschul-, oder Universitätsgesetze stellt damit ebenso eine gesetzwidrige Einschränkung dar, wie die Beschränkung auf Einrichtungen der Erwachsenenbildung. Nach ständiger Rechtsprechung hat der Rechtsform des Unternehmens hinsichtlich der Steuerbefreiung keine Bedeutung zuzukommen (vgl. dazu Ruppe/Achatz, UStG5 § 6 Rz 301; Ecker/Epply/Rößler/Schwab, MWSt Kommentar, 60. Auflage, § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a Rz 26; , Rs Gregg).

Sollte schließlich auch § 1 Z 9 UStBLV so auszulegen sein, dass - soweit aufgrund der Form der Einrichtung eine vergleichbare Zertifizierung mangels zuständiger Zertifizierungsstelle oder aufgrund der für umsatzsteuerliche Zwecke nicht relevanten Bedingung der Erwachsenenbildung eine Zertifizierung nicht möglich ist - eine Steuerbefreiung nicht erlangt werden kann, wird der Begriff der "Einrichtung" und die Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG entgegen dem Wortlaut und dem Telos der Befreiung in gesetzwidriger Weise eingeschränkt.

Wenn der Gesetzgeber einer Verwaltungsbehörde Ermessen in Form einer Verordnungsermächtigung einräumt und die Behörde durch hinreichend klare gesetzliche Kriterien bindet (vgl. zB VfSlg 5810/1968, 12.399/1990, 12.497/1990, 16.625/2002), die Behörde aber in ihrer ausführenden Verordnung etwas Gegenteiliges oder Abänderndes regelt, liegt eine gesetzwidrige Verordnung vor. Die Einschränkung der Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG durch § 1 UStBLV ändert die Reichweite der Steuerbefreiung und damit in wesentlichen Teilen den gesetzlichen Inhalt des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG ab und ist damit gesetzwidrig.

h) Unionsrechtswidrigkeit der Verordnung

Nach ständiger Rechtsprechung des EUGHs ist Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL inhaltlich grundsätzlich unbedingt, da er den Mitgliedstaaten keine Wahl lässt, sondern ihnen vorschreibt, die dort festgelegte Befreiung zu gewähren (dazu , Rs MDDP, Rn 49). Der Gesetzgeber kann bei der oben dargestellten unechten Umsatzsteuerbefreiung jedoch von der in Art. 132 Abs. 1 lit. i iVm Art. 133 MwStSystRL gewährten Möglichkeit Gebrauch machen, die Umsatzsteuerbefreiung von Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, im Einzelfall von der Erfüllung einer oder mehrerer der in dieser Bestimmung taxativ aufgezählten Bedingungen (zB keine systematische Gewinnerzielungsabsicht oder keine Anwendung der Befreiung bei Wettbewerbsverzerrungen zum Nachteil von mehrwertsteuerpflichtigen gewerblichen Unternehmen) abhängig machen (vgl. dazu , Rs MDDP, Rn 30 bis 33; , Rs Bridport and West Dorset Golf Club Limited, Rn 27 ff und 34 ff).

Da in der MwStSystRL nicht geregelt wird, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Modalitäten die vergleichbare Zielsetzung anerkannt werden kann, ist es grundsätzlich Sache des nationalen Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten, die Regeln aufzustellen, nach denen den betreffenden Einrichtungen eine solche Anerkennung gewährt werden kann (vgl. Ecker/Epply/Rößler/Schwab, MWSt Kommentar, 60. Auflage, § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a Rz 7). Die Mitgliedstaaten verfügen dabei zwar grundsätzlich über Ermessen, dürfen aber bei der Aufstellung solcher Bedingungen die Grenzen ihres Ermessens nicht überschreiten und müssen die Grundsätze des Unionsrechts, insbesondere den Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachten (vgl. , Rs MDDP, Rn 37 und 38).

Die Einschränkung der Befreiung des Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL auf den Katalog des § 1 UStBLV stellt jedoch eine Bedingung dar, die den Grundsatz der steuerlichen Neutralität verletzt. Bereits in der Rs Klinger (, Rz 26) stellte der EuGH allgemein fest, dass die steuerbefreiten Umsätze nach der Art der erbrachten Leistungen definiert sind, ohne auf die Rechtsform des Leistenden abzustellen. Weiters erkannte der EuGH in Rs Klinger (Rz 30), dass der Grundsatz der steuerlichen Neutralität es insbesondere verbietet, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze bewirken, bei der Mehrwertsteuererhebung unterschiedlich behandelt werden. Dieser Grundsatz wäre daher verletzt, wenn die Möglichkeit einer Berufung auf die Steuerbefreiung von der Rechtsform bzw. einer umsatzsteuerlich nicht relevanten Bedingung abhinge, in der der Steuerpflichtige seine Tätigkeit ausübt (vgl. in diesem Sinne Urteil Rs Gregg, , Rz 20).

Den Aussagen des EUGHs in der Rs Kingscrest Associates and Montecello (, Rz 29) zufolge muss die Auslegung der in dieser Bestimmung verwendeten Begriffe mit den Zielen in Einklang stehen, die mit den Befreiungen verfolgt werden, und den Erfordernissen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität entsprechen, auf dem das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht (vgl. allgemein auch Rs Dornier, , Rz 42).

Insbesondere ist der Begriff der "Einrichtung" nach ständiger Rechtsprechung des EUGHs (vgl. dazu , Rs Kingscrest AssociatesandMontecello, Rz 32; , Rs Gregg, Rz 17 und Urteil Rs Hoffmann, Rz 2) grundsätzlich weit auszulegen und darf nicht derart eingeschränkt werden, dass er den Zielen der Bestimmung entgegenläuft (vgl. zur Anwendbarkeit dieser Rechtsprechung auf Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL Ecker/Epply/Rößler/Schwab, MWSt Kommentar, 60. Auflage, § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a Rz 11; Ruppe/Achatz, UStG5 § 6 Rz 301).

Hinsichtlich der Berücksichtigung der Wettbewerbsverzerrung in § 2 UStBLV ist anzumerken, dass nach der ständigen Rechtsprechung des EUGHs gerade im Rahmen einer solchen Ermessensübung die unionsrechtlichen Grundsätze, insbesondere der Grundsatz der Neutralität, zu wahren ist und daher auf die Auswirkungen einer Befreiung auf die Wettbewerbssituation insgesamt Bedacht zu nehmen ist (vgl. , Rs MDDP). Da § 2 UStBLV nach ihrem Wortlaut aber nur die Vermeidung einer Wettbewerbsverzerrung zum Nachteil steuerbefreiter gewerblicher Unternehmer bewirkt, und nicht auch Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten steuerpflichtiger Unternehmer erfasst, ist damit die Bedingung des Art. 133 lit. d MwStSystRL nicht ausreichend umgesetzt.

Wie der VwGH im Anschluss an den EuGH festgehalten hat, überschreitet ein Mitgliedstaat sein Ermessen, indem er Leistungen oder Steuerpflichtige nicht befreit, für die nach der fraglichen Bestimmung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie eine solche Befreiung objektiv gewährt werden muss. Der Betroffene kann sich unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL berufen und damit erreichen, dass die Befreiung auf ihn angewandt wird (vgl. dazu den umgekehrten Fall der Anwendung der Befreiung bei Rn 13; , Rs MDDP, Rn 52).

Nach der Rechtsprechung des EUGHs ist es in einem solchen Fall Aufgabe des nationalen Gerichts, die Zielsetzung und die Bedingungen der Tätigkeit des Steuerpflichtigen im Vergleich mit den Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit Bildungsaufgaben betraut sind, im Einzelfall hinsichtlich des Vorliegens der Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL zu untersuchen (vgl. Rn 15; , Rs MDDP, Rn 54).

i) Ergebnis

Die Erbringung von Sprachunterricht durch eine Sprachschule an Kinder stellt eine allgemeinbildende Bildungsleistung dar, die unabhängig von der Vergleichbarkeit der Tätigkeit und dem Empfängerkreis dem Grunde nach unter § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG fällt (vgl. ; Beschwerde beim VwGH zu Ro 2015/13/0014 am als unbegründet abgewiesen), sofern sie einer vergleichbaren Zielsetzung iSd § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG iVm § 1 UStBLV folgt.

Sofern eine vergleichbare Zertifizierung § 1 Z 9 UStBLV für die Tätigkeit des Steuerpflichtigen nicht erbracht werden kann, weil es an einer zuständigen Zertifizierungsstelle fehlt oder eine solche aufgrund der für die Umsatzsteuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG nicht relevanten Bedingung der Erwachsenenbildung eine Zertifizierung nicht ausgestellt wird, ist über die Vereinfachung der UStBLV hinaus eine Einzelfallprüfung der vergleichbaren Zielsetzung § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG vorzunehmen.

Sollte § 1 Z 9 UStBLV eine solche - über den Katalog der Verordnung hinausgehende - Einzelfallprüfung nicht zulassen, wird dadurch die Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG entgegen ihrem Wortlaut und dem Telos der Befreiung in gesetzwidriger Art und Weise eingeschränkt.

Gleichzeitig überschreitet damit der österreichische Gesetzgeber sein Ermessen im Rahmen der Bestimmung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie, nach der eine solche Befreiung objektiv zu gewähren wäre, weshalb sich die Bf. unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL berufen kann und damit eine direkte Anwendung der Befreiung erreicht.

Auch wird durch § 2 UStBLV der ständigen Rechtsprechung des EUGHs, nach der auf die Auswirkungen einer Befreiung auf die Wettbewerbssituation insgesamt Bedacht zu nehmen ist, nicht Rechnung getragen (vgl. , Rs MDDP). Mit der Vermeidung einer Wettbewerbsverzerrung zum Nachteil steuerbefreiter gewerblicher Unternehmer und nicht auch von Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten steuerpflichtiger Unternehmer, ist die Bedingung des Art. 133 lit. d MwStSystRL nicht auseichend umgesetzt.

Nach der Rechtsprechung des EUGHs ist es in einem solchen Fall Aufgabe des nationalen Gerichts, die Zielsetzung und die Bedingungen der Tätigkeit des Steuerpflichtigen im Vergleich mit den Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit Bildungsaufgaben betraut sind, im Einzelfall hinsichtlich des Vorliegens der Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL zu untersuchen (vgl. Rn 15; , Rs MDDP, Rn 54).

G) Die Beschwerde gegen den Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid für 08/2019 wurde am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt. Im Vorlagebericht verwies die Abgabenbehörde auf die abweisende Beschwerdevorentscheidung. Das vorlegende Finanzamt beantragte die Abweisung der Beschwerde, da im Vorlageantrag keine neuen Sachverhaltselemente und keine neuen Beweismittel vorgebracht worden seien.

H) Als Replik auf den Vorlagebericht des Finanzamtes wurde am folgende Beschwerdeergänzung eingereicht:

I. Unionsrechtskonforme Auslegung der UStBLV

1. Vergleichbarkeit der Tätigkeit

Wie in der Beschwerde vom dargelegt, stelle die Erbringung von Sprachunterricht durch eine Sprachschule an Kinder eine allgemeinbildende Bildungsleistung dar, die seit unabhängig von der Vergleichbarkeit der Tätigkeit und dem Empfängerkreis dem Grunde nach unter § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG falle (vgl. ; Revision beim VwGH zu Ro 2015/13/0014 am als unbegründet abgewiesen), sofern sie einer vergleichbaren Zielsetzung iSd § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG iVm § 1 UStBLV folge.

2. Nachweismöglichkeiten der Beschwerdeführerin

Sofern eine Zertifizierung des Steuerpflichtigen nach § 1 Z 7 und Z 8 UStBLV nicht möglich sei, habe dieser die "vergleichbare Zielsetzung" des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG der Verordnung zufolge mittels einer "vergleichbaren" Zertifizierung gemäß § 1 Z 9 UStBLV nachzuweisen. Da die Bf. mit ihrer Sprachschule eine allgemeinbildende Bildungsleistung als private Anbieterin an Kinder erbringt, stünde ihr im Katalog des § 1 UStBLV daher nur die vergleichbare Zertifizierung gemäß § 1 Z 9 UStBLV offen.

Sofern eine vergleichbare Zertifizierung § 1 Z 9 UStBLV für die Tätigkeit des Steuerpflichtigen nicht erbracht werden könne, weil es an einer zuständigen Zertifizierungsstelle fehle oder eine solche aufgrund der für die Umsatzsteuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG nicht relevanten Bedingung der Erwachsenenbildung eine Zertifizierung nicht ausgestellt werde, sei über die Vereinfachung der UStBLV hinaus eine Einzelfallprüfung der vergleichbaren Zielsetzung § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG vorzunehmen.

Sollte § 1 Z 9 UStBLV einer solchen - über den Katalog der Verordnung hinausgehende - Einzelfallprüfung nicht zugänglich sein, da eine unsachliche Anknüpfung an einen ungeeigneten Zertifizierungsprozess statuiert worden sei, werde dadurch die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL in unionsrechtswidriger Weise eingeschränkt. Gleichzeitig überschreite damit der österreichische Verordnungsgeber sein Ermessen, im Rahmen der Gesetze und damit im Rahmen der Bestimmungen der Mehrwertsteuersystemrichtlinie zu handeln, nach der eine solche Befreiung objektiv zu gewähren wäre, weshalb sich die Bf. unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL berufen und damit eine direkte Anwendung der Befreiung erreichen könne.

Nach der Rechtsprechung des EuGHs sei es in einem solchen Fall Aufgabe des nationalen Gerichts, die Zielsetzung und die Bedingungen der Tätigkeit des Steuerpflichtigen im Vergleich mit den Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit Bildungsaufgaben betraut sind, im Einzelfall hinsichtlich des Vorliegens der Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL zu untersuchen (vgl. Rn 15; , Rs MDDP, Rn 54).

II. Unionsrechtliche Anforderungen an die Richtlinienumsetzung

1. Verbindlichkeit des zu erreichenden Ziels

Gemäß Art. 288 Abs. 3 des AEUV seien Richtlinien für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet seien, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich und den innerstaatlichen Stellen lediglich die Wahl der Form und Mittel freigestellt (vgl. Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht12 (2019) Rz 200; und Öhlinger/Potacs, EU-Recht und staatliches Recht6 (2017), 124). Der den Mitgliedstaaten verbleibende Spielraum bei der Umsetzung diene vornehmlich dazu, eine entsprechende Einpassung der Umsetzungsregelungen in das nationale Rechtssystem zu erleichtern (vgl. Eberhard, Vertragsverletzungsverfahren und Richtlinienumsetzung, ZfV 2020, 239).

Dabei verlange die Umsetzung einer Richtlinie in innerstaatliches Recht nicht notwendigerweise, dass ihre Bestimmungen förmlich und wörtlich in einer ausdrücklichen besonderen Gesetzesvorschrift wiedergegeben würden; je nach dem Inhalt und Zweck der Richtlinie könne grundsätzlich ein allgemeiner rechtlicher Rahmen - etwa durch Verordnung und Verweise - genügen, wenn er tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie in so klarer und bestimmter Weise gewährleiste, dass - soweit die Richtlinie wie im gegenständlichen Fall Ansprüche des Einzelnen begründen solle - die Begünstigten in der Lage seien, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen (vgl. etwa , Kommission/Niederlande, Rz 17; , Kommission/Deutschland, Rz 18).

Die Bestimmungen einer Richtlinie müssen daher nach ständiger Rechtsprechung des EuGHs mit unbestreitbarer Verbindlichkeit und mit der Konkretheit, Bestimmtheit und Klarheit umgesetzt werden, die notwendig seien, um dem Erfordernis der Rechtssicherheit zu genügen, das, soweit die Richtlinie Ansprüche für Einzelne begründen solle, verlange, dass die Begünstigten in die Lage versetzt werden würden, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und Gebrauch zu machen (zB , Kommission/Spanien, Rz 19; , Kommission/Portugal, Rz 47; , Kommission/Frankreich, Rz 15).

Es bestehe damit eine unbedingte Verpflichtung des nationalen Gesetzgebers (und damit auch des Verordnungsgebers), die volle Wirksamkeit der Richtlinie gemäß ihrer Zielsetzung zu gewährleisten. Der nationale Gesetzgeber schulde also im Rahmen seiner ihm grundsätzlich freistehenden Umsetzung der Richtlinie verbindlich die Erreichung der durch die Richtlinie festgesetzten Ziele: Soweit diese in einer Begünstigung für Einzelne in Form der Gewährung einer Steuerbefreiung bestehe, schulde der nationale Gesetzgeber nach ständiger Rechtsprechung des EuGHs, dass der Begünstigte durch die nationale Umsetzung effektiv in die Lage versetzt werde von der ihm zustehenden Begünstigung Gebrauch zu machen (vgl. , Kommission/Deutschland, Rz 36).

2. Unionsrechtliche Anforderungen hinsichtlich nationaler Umsetzungsregelungen

Nationale Umsetzungsvorschriften seien daher daran zu messen, ob sie der Richtlinie gemäß ihrer Zielsetzung zu voller - innerstaatlicher - Wirksamkeit verhelfen würden. Der nationale Umsetzungsakt müsse das von der Richtlinie bezweckte Ergebnis verwirklichen, somit "die vollständige Wirksamkeit der RL gewährleisten" (vgl. , Rs Von Colson/Land Nordrhein-Westfalen). Der nationale Gesetzgeber habe dazu - gemäß dem "effet utile-Prinzip" - jene Maßnahmen zu ergreifen, durch die die praktische Wirksamkeit der Richtlinie bestmöglich herbeigeführt werde (vgl. , Rs Royer; , Rs L/M). Damit bleibe die Art und Weise der Umsetzung innerhalb der innerstaatlichen Rechtsordnung dem Mietgliedstaat überlassen, stelle aber nach der strengen Rechtsprechung des EuGHs niemals eine Rechtfertigung für eine mangelhafte Umsetzung einer Richtlinie im Hinblick auf die gebotene Zielerreichung dar (zB , Kommission/Spanien, Rz 21).

Welcher Rechtsträger innerstaatlich die Kompetenz zur Richtlinienumsetzung wahrzunehmen habe, bestimme sich ausschließlich nach der nationalen Rechtsordnung. Die innerstaatliche Kompetenz- bzw. Ressortverteilung entbinde den innerstaatlichen Gesetzgeber "nicht von der Verpflichtung sicherzustellen, dass die Richtlinienbestimmungen uneingeschränkt und genau in innerstaatliches Recht umgesetzt würden" (vgl. 227-230/85, Kommission/Belgien). Das Unionsrecht sei daher insofern "bundesstaatsblind" (zu diesem Begriff Öhlinger/Potacs, EU-Recht und staatliches Recht6 (2017), 118 mwN). So habe der EuGH etwa ausgesprochen, dass sich ein Mitgliedstaat nicht auf Bestimmungen, Übungen oder Umstände seiner internen Rechtsordnung, wie zB Schwierigkeiten, die sich aus der innerstaatlichen Kompetenzverteilung ergäben, berufen könne, um die Nichteinhaltung seiner Verpflichtungen aus dem Unionsrecht einschließlich der Fristen einer Richtlinie zu rechtfertigen (zB , Kommission/Österreich, Rz 12; , Kommission/Spanien, Rz 21).

Soweit daher der nationale Gesetzgeber hinsichtlich einer unzureichenden Umsetzung darauf verweise, dass es aufgrund der mangelhaften Norm(um)setzung einer anderen nationalen Stelle oder eines anderen Resorts nicht möglich sei, der Richtlinie zu voller Wirksamkeit zu verhelfen, exkulpiere ihn dies jedenfalls nicht. Auch nach nationalen Vorschriften habe bei Richtlinienbestimmungen, die Umsetzungsmaßnahmen mehrerer Stellen erfordern (zB die Erlassung oder Novellierung mehrerer Gesetze oder Verordnungen auf Ebene mehrerer Ressorts), das federführend zuständige Ressort auf eine einheitliche Erfüllung der Pflicht hinzuwirken (Rundschreiben des Bundeskanzleramts vom , FN 60).

Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGHs können (bestehende) nationale Vorschriften die Umsetzung durch spezifische Maßnahmen des Gesetzgebers nur dann überflüssig machen, wenn diese Vorschriften tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie durch die nationale Verwaltung garantieren würden (vgl. , Kommission/Italien, Rz 33). Damit könne die Verpflichtung, die volle Wirksamkeit der Richtlinie gemäß ihrer Zielsetzung zu gewährleisten, nach der Rechtsprechung des EuGHs auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Mitgliedstaaten vom Erlass spezifischer Umsetzungsmaßnahmen befreit wären, wenn sie der Ansicht seien, dass ihre nationalen Bestimmungen besser seien als die betreffenden unionsrechtlichen Bestimmungen und dass die nationale Regelung aus diesem Grund besser geeignet sei, die Verwirklichung des mit der Richtlinie verfolgten Zieles zu gewährleisten (vgl. , Kommission/Italien, Rz 33).

Auch eine bloße Verwaltungspraxis, die die Verwaltung naturgemäß beliebig ändern könne und die nur unzureichend bekannt seien, könne nach ständiger Rechtsprechung des EuGHs nicht als Erfüllung der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten im Rahmen der Richtlinienumsetzung angesehen werden (vgl. , Kommission/Polen, Rz 105; , Kommission/Österreich, Rz 162).

Im Ergebnis habe die Umsetzung durch das nationale Recht in einer Weise zu erfolgen, dass hinsichtlich der in der Richtlinie normierten Ziele keine Abstriche gemacht werden müssen (vgl. Vcelouch in Jaeger/Stöger (Hrsg), EUV/AEUV Art. 288 AEUV Rz 37). Soweit daher aus Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL eine Befreiung der hier gegenständlichen Leistungen hervorgehe, habe der österreichische Gesetzgeber diese in das nationale Recht so umzusetzen, dass dem Einzelnen diese Befreiung ohne Abstriche zukomme und von diesem effektiv in Anspruch genommen werden könne. Knüpfe daher die UStBLV hinsichtlich der zu gewährenden Befreiung an "eine vergleichbare behördliche Zertifizierung" an, muss der Gesetzgeber dafür Sorge tragen, dass diese Zertifizierungen mit dem in Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL normierten Zielen so abgestimmt seien, dass die volle praktische Wirksamkeit der Richtlinie herbeigeführt werde und Begünstigte in die Lage versetzt werden würden, von der ihnen durch die MwStSystRL gewährten Steuerbefreiung Gebrauch zu machen (vgl. , Kommission/Deutschland, Rz 36).

3. Richtlinienkonforme Auslegung und direkte Richtlinienanwendung bei unzureichender Umsetzung

Könne die nationale Richtlinienumsetzung die vollständige Anwendung der Richtlinie und der aus dieser ergehenden subjektiven Rechte nicht tatsächlich gewährleisten, weil aufgrund des Umsetzungsaktes dem Einzelnen ein aus der Richtlinie subjektiv zustehendes Recht vorenthalten werde, liege eine unzureichende Richtlinienumsetzung vor (vgl. dazu nochmals , Von Colson/Land Nordrhein-Westfalen; , Royer).

Interpretationsbedürftige nationale Vorschriften - die entweder der Richtlinienumsetzung dienen oder sonst vom Wirkungsbereich einer Richtlinie erfasst würden und deren Wirkung behindern könnten - seien "richtlinienkonform" derart auszulegen, dass die Ziele der Richtlinie erreicht würden (vgl. , Rs Marleasing; , Rs Kolpinghuis; , Rs Johnston). Diese Verpflichtung bestehe auch für vom Wirkungsbereich einer Richtlinie erfassten nationalen Verfahrensvorschrift (vgl. , Rs Connect Austria/TelekomControl-Kommission). Sei jedoch der Wortlaut eines nationalen Rechtsaktes nicht interpretationsbedürftig, sondern stehe dieser den Bestimmungen einer Richtlinie klar entgegen, könne eine richtlinienkonforme Interpretation naturgemäß nicht Platz greifen, weil diese nur insoweit zum Tragen komme, als das nationale Recht überhaupt einen Beurteilungsspielraum offenlasse (zB und C-129/11, Balkan and Sea Properties; ausführlich B. Jud, ÖJZ 2003, 521). Sei eine richtlinienkonforme Interpretation nicht möglich, sei von einer mangelhaften Richtlinienumsetzung mit den daraus resultierenden Konsequenzen auszugehen.

Soweit eine Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sei und einen Einzelnen begünstige, komme dieser aufgrund der unzureichenden Umsetzung eine unmittelbare Wirkung zu (in ständiger Rechtsprechung zB , Rs EGKS/Busseni; , Grad/Finanzamt Traunstein; , Becker/Finanzamt Münster).

Wie der VwGH im Anschluss an den EuGH festgehalten hat, könne sich der Betroffene unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL berufen und damit erreichen, dass die Befreiung auf ihn angewandt werde (vgl. dazu den umgekehrten Fall der Anwendung der Befreiung bei , Rn 13; , Rs MDDP, Rn 52).

I) Mit Schreiben vom wurde der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf. betreibt unter dem Markennamen und mit dem Konzept "***YZ***" eine Sprachschule, die Englisch als Fremdsprache nach der Muttersprachenmethode Babys, Kindern und Teenagern beibringt und dabei über einen Bildungszeitraum von 14 bis 19 Jahren ein kontinuierliches und aufeinander aufbauendes Kursprogramm anbietet. Erwachsene sind hingegen keine Zielgruppe der Sprachschule. Die Kinder profitieren im von der Bf. angebotenen Kursprogramm vom Lernen innerhalb des wissenschaftlich belegten Sprachfensters für den frühkindlichen Spracherwerb, das sich bereits ab dem 7. Lebensjahr mehr und mehr schließt. Dadurch wird das Erlernen einer weiteren Sprache in der Altersgruppe ab 10 Jahren weniger effektiv als in früheren Jahren, unter anderem, was die Aussprache, akzentfreies Sprechen und Aneignung der grammatikalischen Prinzipien auf eine natürliche Art und Weise betrifft. Der Unterricht wird in Gruppen von 4 bis 8 Kindern abgehalten, um die Interaktion in den Gruppen und damit den Spracherwerb zu fördern. Einzelunterricht wird grundsätzlich keiner angeboten. Organisatorisch findet der Unterricht in sogenannten "Learning Studios" bzw. "Learning Centers" statt, welche über Unterrichtsräume, ein Sekretariat, Unterrichtsmaterialienlager, etc. verfügen und in dieser Form schulähnlich aufgebaut sind. Die Programme finden - analog zum Schuljahr und unter Berücksichtigung der Schulferien - üblicherweise zwischen September und Juni statt. Der schulähnliche Zweck liegt darin, dass der Sprachunterricht der Bf., in Form von Kursen dem Stoff des österreichischen Pflichtschulsystems inhaltlich mindestens entspricht, dem Lehrplan dieser Schulen im Regelfall aber etwa 1 bis 2 Jahre voraus ist. So können Kinder bereits im Alter von 3 Monaten mit dem Kursprogramm der Bf. beginnen und wachsen dann aufgrund dieses Bildungsangebots sozusagen "zweisprachig" auf. Die überwiegende Mehrzahl der Kinder beginnt aber im Kindergarten bzw. Vorschulalter und am Anfang der Volksschule, um parallel vorgelagert zur Schule Englisch zu lernen. Diese Methode bringt nach einer wissenschaftlichen Studie der Universität Eichstätt-Ingolstadt nachweislich einen Vorteil beim Eintritt in die auf die Volksschule folgenden Schulstufen. Ziel ist es dabei möglichst früh zu beginnen und dann kontinuierlich, zur Schule ergänzend, die Englischkenntnisse zu erweitern und zu vertiefen. Eine "Nachhilfe" für den schulischen Unterricht wird durch das Bildungsangebot der Bf. nicht erbracht, da die Lerninhalte jenen des österreichischen Schulsystems zeitlich weit voraus sind und der Lerninhalt daher von den Kindern nicht genutzt werden kann, um schulische Versäumnisse zu kompensieren oder das schulische Lernen zeitnah zu unterstützen.

Die Bf. hat versucht, eine Zertifizierungsstelle gemäß der Umsatzsteuer Bildungsleistungsverordnung zu finden, welche für Bildungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche eine behördliche Zertifizierung iSd § 1 Z 9 UStBLV ausstellt. Bei der Ö-Cert sind nur Zertifizierungen im Bereich der Erwachsenenbildung vorgesehen. Auch vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, vom Amt der OÖ Landesregierung und der Bildungsdirektion des Landes Oberösterreich sowie dem bundesweiten Fachbereich des Bundesministeriums für Finanzen konnten keine behördlichen Zertifizierungsstellen in diesem Bereich benannt werden. Da es in Österreich keine vergleichbare - behördliche oder bescheidmäßige - Zertifizierung von Bildungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche gibt, konnte die Bf. eine solche nicht vorlegen.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist unstrittig und geht aus den vorgelegten Akten der Abgabenbehörde und den eingereichten Unterlagen der Bf. hervor.

3. Rechtslage

Unionsrecht

Titel IX ("Steuerbefreiungen") der Richtlinie 2006/112 des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) enthält ein Kapitel 2 ("Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten"), in dem sich Art. 132 findet, der in seinem Abs. 1 vorsieht, dass Mitgliedstaaten folgende Umsätze von der Steuer befreien:

[…]

i) Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung;

[…]

Nationales Recht

Gemäß § 6 Abs. 1 Z 11 UStG 1994 idF BGBl. I Nr. 62/2018 (JStG 2018) sind steuerfrei:

a) die Umsätze von privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, soweit es sich um die Vermittlung von Kenntnissen allgemeinbildender oder berufsbildender Art oder der Berufsausübung dienenden Fertigkeiten handelt und nachgewiesen werden kann, dass eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Zielsetzung verfolgt wird. Der Bundesminister für Finanzen kann unter Berücksichtigung der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen mit Verordnung festlegen, wann eine vergleichbare Zielsetzung vorliegt.

Umsatzsteuer-Bildungsleistungsverordnung - UStBLV BGBl. II Nr. 214/2018

Eine vergleichbare Zielsetzung liegt gemäß § 1 vor, bei:

[…]

Z 9 jeder anderen vergleichbaren behördlichen Zertifizierung.

4. Erwägungen

Unstrittig ist, dass die Bf. Kenntnisse allgemeinbildender Art im Rahmen eines schulähnlichen Betriebes an Kinder und Jugendliche vermittelt. Die Bf. erbringt als private Anbieterin mit ihrer Sprachschule eine allgemeinbildende Bildungsleistung.

Im vorliegenden Beschwerdefall ist die Anwendung der Umsatzsteuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG 1994 strittig.

Nach Ansicht des Finanzamtes gelangt diese deshalb nicht zur Anwendung, weil die Bf. die vergleichbare Zielsetzung mit einer Zertifizierung nachzuweisen hat und dies nicht erfolgt ist.

Die Einschränkung der Befreiung des Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL auf den Katalog des § 1 Umsatzsteuer-Bildungsleistungsverordnung (UStBLV) stellt nach Ansicht der steuerlichen Vertretung eine unionsrechtswidrige Bedingung dar.

Zur Lösung der gegenständlichen Rechtsangelegenheit sind die unionsrechtlichen Vorgaben zwingend zu beachten.

Während die Bf. in ihren Eingaben den unionsrechtlichen Bestimmungen breiten Raum widmet, denen nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes im Wesentlichen Berechtigung zukommt, beschränkt sich die Abgabenbehörde in ihren Ausführungen ausschließlich auf die innerstaatliche Rechtslage.

Die steuerliche Vertretung führte zutreffend aus, dass die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL in unionsrechtswidriger Weise eingeschränkt wird, sollte § 1 Z 9 UStBLV (Auffangtatbestand) einer über den Katalog der Verordnung hinausgehenden Einzelfallprüfung nicht zugänglich sein, da eine unsachliche Anknüpfung an einen ungeeigneten Zertifizierungsprozess statuiert wurde:

1. Nach ständiger Rechtsprechung des EUGHs ist Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL inhaltlich grundsätzlich unbedingt, da er den Mitgliedstaaten keine Wahl lässt, sondern ihnen vorschreibt, die dort festgelegte Befreiung zu gewähren (dazu , Rs MDDP, Rn 49). Der Gesetzgeber kann bei der oben dargestellten unechten Umsatzsteuerbefreiung jedoch von der in Art. 132 Abs. 1 lit. i iVm Art. 133 MwStSystRL gewährten Möglichkeit Gebrauch machen, die Umsatzsteuerbefreiung von Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, im Einzelfall von der Erfüllung einer oder mehrerer der in dieser Bestimmung taxativ aufgezählten Bedingungen (zB keine systematische Gewinnerzielungsabsicht oder keine Anwendung der Befreiung bei Wettbewerbsverzerrungen zum Nachteil von mehrwertsteuerpflichtigen gewerblichen Unternehmen) abhängig machen.

2. Gemäß Art. 288 Abs. 3 des AEUV sind Richtlinien für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet sind, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich und den innerstaatlichen Stellen lediglich die Wahl der Form und Mittel freigestellt (vgl. Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht12 (2019) Rz 200; und Öhlinger/Potacs, EU-Recht und staatliches Recht6 (2017), 124). Der den Mitgliedstaaten verbleibende Spielraum bei der Umsetzung dient vornehmlich dazu, eine entsprechende Einpassung der Umsetzungsregelungen in das nationale Rechtssystem zu erleichtern (vgl. Eberhard, Vertragsverletzungsverfahren und Richtlinienumsetzung, ZfV 2020, 239). Dabei verlangt die Umsetzung einer Richtlinie in innerstaatliches Recht nicht notwendigerweise, dass ihre Bestimmungen förmlich und wörtlich in einer ausdrücklichen besonderen Gesetzesvorschrift wiedergegeben werden. Sie muss aber so umgesetzt werden, dass die Begünstigten in die Lage versetzt werden, von allen Rechten Kenntnis zu erlangen und Gebrauch zu machen.

3. Es besteht damit eine unbedingte Verpflichtung des nationalen Gesetzgebers und damit auch des Verordnungsgebers, die volle Wirksamkeit der Richtlinie gemäß ihrer Zielsetzung zu gewährleisten. Der nationale Gesetzgeber schuldet im Rahmen seiner ihm grundsätzlich freistehenden Umsetzung der Richtlinie verbindlich die Erreichung der durch die Richtlinie festgesetzten Ziele.

4. Der nationale Gesetzgeber hat jene Maßnahmen zu ergreifen, durch die die praktische Wirksamkeit der Richtlinie herbeigeführt wird. Ein Mitgliedstaat kann sich nicht auf Bestimmungen, Übungen oder Umstände seiner internen Rechtsordnung, wie zB Schwierigkeiten, die sich aus der innerstaatlichen Kompetenzverteilung ergeben, berufen, um die Nichteinhaltung seiner Verpflichtungen aus dem Unionsrecht zu rechtfertigen (zB , Kommission/Österreich, Rz 12; , Kommission/Spanien, Rz 21). Auch nach nationalen Vorschriften hat bei Richtlinienbestimmungen, die Umsetzungsmaßnahmen mehrerer Stellen erfordern (zB die Erlassung oder Novellierung mehrerer Gesetze oder Verordnungen auf Ebene mehrerer Ressorts), das federführend zuständige Ressort auf eine einheitliche Erfüllung der Pflicht hinzuwirken (Rundschreiben des Bundeskanzleramts vom , FN 60).

5. Im Ergebnis hat die Umsetzung durch das nationale Recht in einer Weise zu erfolgen, dass hinsichtlich der in der Richtlinie normierten Ziele keine Abstriche gemacht werden müssen (vgl. Vcelouch in Jaeger/Stöger (Hrsg), EUV/AEUV Art. 288 AEUV Rz 37). Soweit daher aus Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL eine Befreiung der hier in Beschwerde gezogenen Leistungen hervorgeht, hat der österreichische Gesetzgeber diese in das nationale Recht so umzusetzen, dass dem Einzelnen diese Befreiung ohne Abstriche zukommt und von diesem effektiv in Anspruch genommen werden kann. Knüpft daher die UStBLV hinsichtlich der zu gewährenden Befreiung an "eine vergleichbare behördliche Zertifizierung" an, muss der Gesetzgeber und Verordnungsgeber dafür Sorge tragen, dass diese Zertifizierungen mit dem in Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL normierten Zielen so abgestimmt sind, dass die volle praktische Wirksamkeit der Richtlinie herbeigeführt wird und Begünstigte in die Lage versetzt werden, von der ihnen durch die MwStSystRL gewährten Steuerbefreiung Gebrauch zu machen (vgl. , Kommission/Deutschland, Rz 36).

6. Kann die nationale Richtlinienumsetzung die vollständige Anwendung der Richtlinie und der aus dieser ergehenden subjektiven Rechte nicht tatsächlich gewährleisten, weil aufgrund des Umsetzungsaktes dem Einzelnen ein aus der Richtlinie subjektiv zustehendes Recht vorenthalten wird, liegt eine unzureichende Richtlinienumsetzung vor (vgl. dazu nochmals , Von Colson/Land Nordrhein-Westfalen; , Royer).

7. Die Einschränkung der Befreiung des Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL auf den Katalog des § 1 UStBLV stellt im streitgegenständlichen Fall eine Bedingung dar, die den Grundsatz der steuerlichen Neutralität verletzt. Bereits in der Rs Klinger (, Rz 26) stellte der EuGH allgemein fest, dass die steuerbefreiten Umsätze nach der Art der erbrachten Leistungen definiert sind, ohne auf die Rechtsform des Leistenden abzustellen. Weiters erkannte der EuGH in Rs Klinger (Rz 30), dass der Grundsatz der steuerlichen Neutralität es insbesondere verbietet, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze bewirken, bei der Mehrwertsteuererhebung unterschiedlich behandelt werden.

8. Nach der Rechtsprechung des EUGHs liegt der Zweck der unionsrechtlichen Befreiungsbestimmung darin, dass der Zugang zum Unterricht nicht durch die höheren Kosten versperrt werden soll, die im Fall der Steuerpflicht entstünden. Dieser Zweck rechtfertige es, die Befreiungsvorschrift nicht eng auszulegen (, Rs Kommission/Deutschland, Rn 47).

9. Wie der VwGH im Anschluss an den EuGH festgehalten hat, überschreitet ein Mitgliedstaat sein Ermessen, indem er Leistungen oder Steuerpflichtige nicht befreit, für die nach der fraglichen Bestimmung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie eine solche Befreiung objektiv gewährt werden muss. Der Betroffene kann sich unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL berufen und damit erreichen, dass die Befreiung auf ihn angewandt wird (vgl. dazu den umgekehrten Fall der Anwendung der Befreiung bei Rn 13; , Rs MDDP, Rn 52).

10. Wie im Sachverhalt festgestellt wurde, stellt der Sprachunterricht an Kinder und Jugendliche zweifelsfrei eine allgemeinbildende Bildungsleistung dar, die dem Grunde nach unter die Befreiungsbestimmung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG fällt. Von Seiten der Abgabenbehörde wurde auch keine Feststellungen darüber getroffen, dass die Zielsetzungen und Bedingungen der Tätigkeit der beschwerdeführenden Gesellschaft im Vergleich mit den Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit Bildungsaufgaben betraut sind, nicht übereinstimmen würden. Auch das Bundesfinanzgericht kann diesbezüglich keine Widersprüche erblicken. An einer Vergleichbarkeit der Zielsetzung der beschwerdegegenständlichen Bildungseinrichtung iSd Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL mit solchen von öffentlichen Einrichtungen bestehen keine Zweifel. Es liegen im Einzelfall keine Gründe vor, die einer Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL entgegenstehen. Von Seiten der Abgabenbehörde wurde die "vergleichbare Zielsetzung" (letzter Halbsatz § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG) und damit die Steuerbefreiung wegen der fehlenden Zertifizierung nicht anerkannt. Dass es der beschwerdeführenden Gesellschaft trotz mehrfacher Versuche nicht möglich war, eine Zertifizierungsstelle in Österreich zu finden, wurde in diesem Zusammenhang nicht gewürdigt.

Die Abgabenbehörde stützt ihren Standpunkt bei der Versagung der Steuerbefreiung auch auf die Umsatzsteuerrichtlinien. "Sprachschulen seien zwar in der Rz 877 UStR explizit angeführt, jedoch sei die Steuerbefreiung nur nach Maßgabe von Rz 876 UStR, welche auf die UStBLV verweist, anwendbar." Erlässe oder Richtlinien des Bundesministeriums für Finanzen bilden für das Bundesfinanzgericht keine maßgebende Rechtsquelle.

11. Der nationale Verordnungsgeber ist der Verpflichtung die volle Wirksamkeit der Richtlinie gemäß ihrer Zielsetzung zu gewährleisten, nicht nachgekommen und hat daher sein Ermessen zweifelsohne überschritten. Es ist am Verordnungsgeber gelegen, in der Umsatzsteuer-Bildungsleistungsverordnung (UStBLV) eine Zertifizierungsmöglichkeit von privaten Bildungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche zu schaffen bzw. diese Verordnung rechtlich so auszugestalten, um im Rahmen der Umsetzung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie eine solche Befreiung der Bf. objektiv zu gewähren.
In diesem Zusammenhang vermag das Bundesfinanzgericht keine sachliche Rechtfertigung dafür erkennen, dass es zwar Anbieter für Zertifizierungen von Erwachsenenbildungseinrichtungen gibt, hingegen solche Institutionen für private Bildungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche im Bundesgebiet ganz einfach nicht existent sind.

12. Die Bf. ist daher nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes berechtigt, sich unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL zu berufen um damit eine direkte Anwendung der Befreiung zu erreichen. Die Bildungsleistungen in Höhe von 149.839,21 € stellen steuerbefreite Umsätze dar. Eine Auseinandersetzung mit dem übrigen Beschwerdevorbringen kann somit unterbleiben.

13. Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Umsatzsteuer für 08/2019 betragen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Gesamtbetrag der Bemessungsgrundlagen für Lieferungen und sonstige Leistungen
156.274,49 €
Davon steuerfrei gemäß Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL
149.839,21 €
Gesamtbetrag der steuerpflichtigen Lieferungen und sonstige Leistungen
6.435,28 €
Davon zu versteuern mit 10% ermäßigter Steuersatz
6.435,28 €
Umsatzsteuer
643,53 €
Gesamtbetrag der Vorsteuern
-841,44 €
Festgesetzte Umsatzsteuer (GUTSCHRIFT)
-197,91 €

14. Der Beschwerde kam aus den angeführten Gründen Berechtigung zu, ihr war daher stattzuzugeben.

5. Zur Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die ordentliche Revision ist zulässig, da zur Frage, ob für private Anbieter von allgemeinbildender Bildungsleistungen für Kinder und Jugendliche die Umsatzsteuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG 1994 (Rechtslage ab ) zur Anwendung kommt oder nicht, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 6 Abs. 1 Z 11 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 1 UStBLV, Umsatzsteuer-Bildungsleistungsverordnung, BGBl. II Nr. 214/2018
Art. 132 Abs. 1 lit. i RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1
Verweise

Anmerkung
Abweichend UStR 2000 Rz 877 iVm 876
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5100801.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at