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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.03.2021, RV/2100669/2020

Diensterfindungsvergütung - Anwendbarkeit der Progressionsermäßigung des § 38 EStG auf den Jahressechstelüberhang

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Adresse Bf***, vertreten durch Steirische Wirtschaftstreuhand GmbH & Co KG, Leonhardstraße 109, 8010 Graz, über die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 des Finanzamtes Graz-Stadt vom in der Fassung des Berichtigungsbescheides nach § 293 BAO des Finanzamtes Graz-Stadt vom zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Bisheriger Verfahrensgang:

Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2016 beantragte der Beschwerdeführer (Bf), der Dienstnehmer der ***X GmbH*** ist, die Anwendung des halben Durchschnittssteuersatzes gemäß § 38 EStG 1988 auf eine im Jahr 2016 vom Dienstgeber gewährte Diensterfindungsvergütung.

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für das Jahr 2016 fest. Dem Antrag auf Anwendung des halben Durchschnittssteuersatzes gemäß § 38 EStG 1988 kam das Finanzamt nicht nach. Begründend führte es im Wesentlichen aus, der Bf sei Dienstnehmer der ***X GmbH*** und an mehreren Erfindungen beteiligt. Neben den laufenden Bezügen habe er im Jahr 2016 eine Diensterfindungsvergütung in Höhe von 84.420,00 Euro, aufgeteilt in drei Tranchen (Juni, Juli, August), erhalten. Diese Zahlungen seien vom Dienstgeber als laufender Bezug qualifiziert und dementsprechend zum vollen Tarif versteuert worden. Strittig sei nunmehr, welcher Steuersatz (Tarifsteuer gemäß § 33 Abs 1 EStG 1988, fester Steuersatz gemäß § 67 EStG 1988 oder Hälftesteuersatz gemäß § 38 EStG 1988) zur Anwendung komme. Diensterfindungsvergütungen seien grundsätzlich als sonstige Bezüge im Sinne des § 67 EStG 1988 unter Berücksichtigung des Jahressechstels zu versteuern. Sie unterlägen bis zur Ausschöpfung des Jahressechstels einem festen Steuersatz. Gemäß § 37 Abs 7 EStG 1988 stehe für Einkünfte, die zum Teil mit dem festen Steuersatz nach § 67 EStG 1988 versteuert würden, eine Progressionsermäßigung nicht zu. Die gegenständliche Diensterfindungsvergütung sei zweifelsohne den sonstigen Bezügen zuzuordnen. Da es sich bei der Bestimmung des § 67 Abs 1 EStG 1988 um zwingendes Recht handle, bestehe kein Wahlrecht, die Vergütung entweder als sonstigen Bezug gemäß § 67 Abs 1 EStG 1988 zu versteuern oder dem Hälftesteuersatz gemäß § 37 EStG 1988 zu unterwerfen. Im vorliegenden Fall hätte die Diensterfindungsvergütung, die in den Monaten Juni, Juli und August 2016 ausbezahlt worden sei, bei richtiger Zuordnung in der laufenden Lohnverrechnung des Dienstgebers zum Teil dem festen Steuersatz des § 67 Abs 1 EStG 1988 unterworfen werden können, zumal das Jahressechstel durch andere sonstige Bezüge (zB Urlaubszuschuss, Weihnachtsremuneration) zu den genannten Auszahlungszeitpunkten noch nicht ausgeschöpft gewesen sei. Die Progressionsermäßigung stehe daher insgesamt nicht zu.

Mit Bescheid vom führte das Finanzamt eine auf § 293 BAO gestützte Berichtigung des Einkommensteuerbescheides 2016 vom durch. Die Berichtigung betraf ua einen in der Bescheidbegründung unterlaufenen Rechenfehler.

Mit Schreiben vom brachte der steuerliche Vertreter des Bf innerhalb verlängerter Rechtsmittelfrist (Fristverlängerungsantrag vom ) Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 vom in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom ein. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die in drei Tranchen ausbezahlte Diensterfindungsvergütung sei vor dem Hintergrund der einschlägigen Judikatur, Literatur und Erlassmeinung der Finanzverwaltung als laufender Bezug zu qualifizieren. Es seien überdies sämtliche in § 37 iVm § 38 EStG 1988 normierten Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Progressionsermäßigung erfüllt.

In seiner abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom führte das Finanzamt im Wesentlichen aus, für Einkünfte aus der Verwertung patentrechtlich geschützter Erfindungen im Sinne des § 38 EStG 1988 sehe § 37 Abs 1 Teilstrich 3 EStG 1988 eine Progressionsermäßigung in Form einer Halbsatzbegünstigung vor. Allerdings schließe § 37 Abs 7 Satz 2 EStG 1988 diese Progressionsermäßigung für jene Einkünfte aus, die zum Teil mit dem festen Steuersatz des § 67 EStG 1988 versteuert würden. Die gegenständliche Diensterfindungsvergütung sei den sonstigen Bezügen zuzuordnen. Nach der Rechtsprechung des VwGH sei das Jahressechstel bei jeder Auszahlung sonstiger Bezüge nach den Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zufließens zu berechnen (Hinweis auf ). Daraus ergebe sich, dass sonstige Bezüge bei einem im Auszahlungszeitpunkt noch verfügbaren Jahressechstel zwingend nach § 67 Abs 1 EStG 1988 zu versteuern seien. Im vorliegenden Fall wäre daher - entgegen der Vorgangsweise des Dienstgebers - ein Teil der Diensterfindungsvergütung mit dem festen Steuersatz zu versteuern gewesen. Vor dem Hintergrund der Systematik des EStG 1988 könne nicht davon ausgegangen werden, dass es im Belieben von Normunterworfenen stehe, freiwillig auf zwingend vorgesehene Steuerbegünstigungen (hier: Begünstigung für sonstige Bezüge gemäß § 67 EStG 1988) zu verzichten, um andere steuerliche Vorteile (hier: Progressionsermäßigung gemäß § 37 EStG 1988) zu erlangen. Wäre dies zulässig, wäre der Ausschlussgrund des § 37 Abs 7 EStG 1988, wonach für Einkünfte, die zum Teil mit dem festen Steuersatz des § 67 EStG 1988 versteuert würden, keine Progressionsermäßigung zustehe, inhaltsleer, weil beliebig vermeidbar. Wenn sich demnach bei der Veranlagung ergebe, dass eine Vergütung aus der Verwertung von Patentrechten zum Teil mit dem festen Steuersatz des § 67 EStG 1988 zu versteuern gewesen wäre, komme zwingend der Ausschlussgrund des § 37 Abs 7 EStG 1988 zum Tragen. Mit dem StRefG 2015/2016 sei ab die bis dahin speziell für Diensterfindungsvergütungen in Geltung gestandene Steuerbegünstigung des § 67 Abs 7 EStG 1988 aus dem EStG 1988 gestrichen worden. Dies habe dazu geführt, dass derartige Vergütungen, die - wie im vorliegenden Fall - aufgrund des Rechtstitels und der Auszahlungsmodalität als sonstige Bezüge einzustufen seien, nunmehr nach Maßgabe des § 67 Abs 1 und 2 EStG 1988 gegebenenfalls mit einem festen Steuersatz zu versteuern seien. Die Bestimmung des § 37 Abs 7 Satz 2 EStG 1988 sei unverändert geblieben und daher im vorliegenden Fall anzuwenden.

Mit Schreiben vom beantragte der steuerliche Vertreter des Bf innerhalb verlängerter Rechtsmittelfrist (Fristverlängerungsantrag vom ) die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Darin wurde ua ausgeführt, das Finanzamt halte auch in der Beschwerdevorentscheidung an seiner Auffassung fest, dass bei Diensterfindungsvergütungen allein der Zeitpunkt der Auszahlung über die Möglichkeit der Anwendung des Hälftesteuersatzes nach § 38 EStG 1988 ausschlaggebend sein solle. Folge man der wörtlichen Interpretation des § 37 Abs 7 EStG 1988, dass "für Einkünfte, die zum Teil mit dem festen Steuersatz des § 67 EStG 1988 versteuert werden, keine Progressionsermäßigung zusteht", so führe selbst diese bei einer Jahresbetrachtung (und nur eine solche könne überhaupt zur Anwendung kommen, wenn nicht völlig willkürliche Ergebnisse erzielt werden sollten; Hinweis ua auf ) dazu, dass es auch bei Anwendung des § 37 Abs 7 iVm § 67 EStG 1988 zu keinem Ausschluss der Anwendbarkeit des § 38 EStG 1988 komme. Denn: bei einer laufenden Jahresvergütung von 274.353,71 Euro ergebe sich ein Jahressechstel von 45.725,62 Euro. Dem stünden als sonstiger Bezug (13. und 14. Gehalt) 45.927,16 Euro gegenüber, somit verbleibe schon rein rechnerisch kein Raum für eine Versteuerung der Diensterfindungsvergütung von 84.420,00 Euro mit dem festen Steuersatz des § 67 EStG 1988 (Hinweis auf vorgelegtes Jahreslohnkonto 2016). Bis zum sei es aufgrund der Bestimmung des § 67 Abs 7 EStG 1988 möglich gewesen, Diensterfindungsvergütungen als sonstigen Bezug mit einem zusätzlichen um 15% erhöhten Jahressechstel direkt über die Lohnverrechnung abzurechnen. Mit dem StRefG 2015/2016 sei diese Begünstigung für Diensterfindungsprämien ab dem Jahr 2016 gestrichen worden. Der vom Finanzamt vertretenen Auffassung, wonach eine teilweise Versteuerung mit 6% hätte erfolgen können und folglich § 37 Abs 1 Teilstrich 3 iVm § 38 EStG 1988 nicht anwendbar sei, sei zu widersprechen. § 37 Abs 7 Satz 2 EStG 1988 verweise zwar generell auf § 67 EStG 1988, diese Bestimmung sei jedoch nicht an die ab 2016 geänderte Rechtslage angepasst worden. Gemäß § 37 Abs 7 Satz 2 EStG 1988 stehe für Einkünfte, die zum Teil mit dem festen Steuersatz des § 67 EStG 1988 versteuert würden, keine Progressionsermäßigung zu. Deshalb hätten nach der bis einschließlich 2015 geltenden Rechtslage Diensterfindungsvergütungen, die teilweise nach § 67 Abs 7 EStG 1988 versteuert worden seien, hinsichtlich des voll zu versteuernden Restbetrages nicht auch noch dem Hälftesteuersatz unterworfen werden können (Hinweis ua auf die Erläuternden Bemerkungen zum StRefG 1993). Gerade dieser § 67 Abs 7 EStG 1988, der eine spezielle Begünstigung für Diensterfindungsvergütungen vorgesehen habe, die insoweit § 37 iVm § 38 EStG 1988 vorgegangen sei, sei jedoch ab 2016 entfallen. Folge man der Argumentation des Finanzamtes, würde einem nichtselbständig tätigen Erfinder nahezu immer die begünstigte Besteuerungsmöglichkeit, die selbständigen Erfindern oder Beziehern von Lizenzgebühren offenstehe, verwehrt werden bzw käme es dann rein willkürlich auf den Auszahlungszeitpunkt der Diensterfindungsvergütung an, den der Dienstnehmer jedoch nicht einseitig beeinflussen könne. Bei entsprechender teleologischer Interpretation könne § 37 Abs 7 Satz 2 EStG 1988 nur dahingehend verstanden werden, dass nur dann, wenn § 67 Abs 7 EStG 1988 zur Anwendung gekommen sei, eben nicht auch noch die Begünstigung des § 37 iVm § 38 EStG 1988 zugestanden sei. Seien die Vergütungen aber zur Gänze zum vollen Tarif zu versteuern, weil dem Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Auszahlung keine laufenden Bezüge aus dem früheren Dienstverhältnis mehr zugeflossen seien bzw weil § 67 Abs 7 EStG 1988 seit 2016 entfallen sei, habe bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 38 EStG 1988 im Rahmen der Veranlagung der ermäßigte Steuersatz zur Anwendung zu kommen (Hinweis ua auf Jakom, EStG13 § 38 Rz 14). Auch die Erfassung eines Teils der Erfindervergütung im Rahmen des Jahressechstels sollte die Begünstigung hinsichtlich des Jahressechstelüberhangs nicht ausschließen (Hinweis auf Bramerdorfer/Kovacevic, SWK 2018, 969). Nach dem Erkenntnis des sei für die Beurteilung, ob die vom Arbeitgeber neben dem laufenden Bezug ausbezahlte Diensterfindungsvergütung dem ermäßigten Steuersatz unterliege, eine kalenderjahresbezogene Gesamtbetrachtung anzustellen. Finde die Diensterfindungsvergütung im Jahressechstel überhaupt keine Deckung, unterliege diese nach der Rechtslage ab dem ermäßigten Steuersatz. Nur in diesem Sinne könne § 37 Abs 7 iVm § 38 EStG 1988 im Bereich der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit seit 2016 verfassungskonform und telelogisch richtig ausgelegt werden. Die vom Finanzamt vertretene Ansicht laufe den Absichten sowohl des historischen Gesetzgebers als auch des Gesetzgebers des StRefG 2015/2016 zuwider und führe zu nicht sachgerechten, die Bezieher von nichtselbständigen Einkünften gegenüber selbständigen Erfindern benachteiligenden Ergebnissen.

Das Finanzamt legte daraufhin den Beschwerdeakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Festgestellter Sachverhalt:

Der Bf ist Dienstnehmer der ***X GmbH*** und bezog im Streitjahr im Rahmen seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für zum Patent angemeldete Diensterfindungen eine Diensterfindungsvergütung in Höhe von insgesamt 84.420,00 Euro, welche in drei Tranchen von jeweils 28.140,00 Euro im Juni, Juli und August 2016 ausbezahlt wurde. Diese Zahlungen wurden vom Dienstgeber in der laufenden Lohnverrechnung als laufender Bezug qualifiziert und dementsprechend zum vollen Tarif versteuert.

Die Bruttobezüge (Lohnzettel-KZ 210) des Bf aus diesem Dienstverhältnis beliefen sich im Streitjahr auf 416.662,89 Euro. Darin enthalten sind der Basisbezug, die Überstundenpauschale, der Pkw-Sachbezug und die steuerpflichtigen Reisekostenersätze in Höhe von insgesamt 286.315,73 Euro, der Urlaubszuschuss und die Weihnachtsremuneration in Höhe von insgesamt 45.927,16 Euro sowie die Diensterfindungsvergütung in Höhe von 84.420,00 Euro.

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen sind unstrittig bzw durch die aktenkundigen Unterlagen (Dienstvertrag, Auszug aus dem Patentregister, Lohnkonto 2016, Lohnzettel 2016) belegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung):

Gemäß § 37 Abs 1 Teilstrich 3 EStG 1988 ermäßigt sich der Steuersatz für Einkünfte aus der Verwertung patentrechtlich geschützter Erfindungen (§ 38 EStG 1988) auf die Hälfte des auf das gesamte Einkommen entfallenden Durchschnittssteuersatzes.

Gemäß § 37 Abs 7 Satz 2 EStG 1988 steht für Einkünfte, die zum Teil mit dem festen Steuersatz des § 67 EStG 1988 versteuert werden, keine Progressionsermäßigung zu.

Gemäß § 38 Abs 1 EStG 1988 ermäßigt sich der Steuersatz auf die Hälfte des auf das gesamte Einkommen entfallenden Durchschnittssteuersatzes, wenn im Einkommen Einkünfte aus der Verwertung patentrechtlich geschützter Erfindungen durch andere Personen enthalten sind, wobei diese Begünstigung nur dem Erfinder selbst zusteht.

§ 67 Abs 1 EStG 1988 lautet:

"Erhält der Arbeitnehmer neben dem laufenden Arbeitslohn von demselben Arbeitgeber sonstige, insbesondere einmalige Bezüge (zum Beispiel 13. und 14. Monatsbezug, Belohnungen), beträgt die Lohnsteuer für sonstige Bezüge innerhalb des Jahressechstels gemäß Abs. 2 nach Abzug der in Abs. 12 genannten Beträge

1. für die ersten 620 Euro 0%,

2. für die nächsten 24 380 Euro 6%,

3. für die nächsten 25 000 Euro 27%,

4. für die nächsten 33 333 Euro 35,75%.

Die Besteuerung der sonstigen Bezüge mit diesen festen Steuersätzen unterbleibt, wenn das Jahressechstel gemäß Abs. 2 höchstens 2 100 Euro beträgt. Der Freibetrag von 620 Euro und die Freigrenze von 2 100 Euro sind bei Bezügen gemäß Abs. 3, Abs. 4, Abs. 5 erster Teilstrich, Abs. 6 bis 8 und Abs. 10 nicht zu berücksichtigen."

§ 67 Abs 2 EStG 1988 in der Fassung vor BGBl I 103/2019 lautet:

"Das Jahressechstel beträgt ein Sechstel der bereits zugeflossenen, auf das Kalenderjahr umgerechneten laufenden Bezüge. Soweit die sonstigen Bezüge gemäß Abs. 1 mehr als das Jahressechstel oder nach Abzug der in Abs. 12 genannten Beträge mehr als 83 333 Euro betragen, sind diese übersteigenden Bezüge im Auszahlungsmonat nach Abs. 10 zu besteuern. Bei der Berechnung des Jahressechstels ist jener laufende Bezug, der zusammen mit dem sonstigen Bezug ausgezahlt wird, bereits zu berücksichtigen. Wird ein sonstiger Bezug in einem Kalenderjahr vor Fälligkeit des ersten laufenden Bezuges ausgezahlt, ist dieser erste laufende Bezug in seiner voraussichtlichen Höhe auf das Kalenderjahr umzurechnen. Steuerfreie laufende Bezüge gemäß § 3, ausgenommen laufende Einkünfte gemäß § 3 Abs. 1 Z 10, 11 und 15 lit. a, erhöhen nicht das Jahressechstel, steuerfreie sonstige Bezüge gemäß § 3, ausgenommen sonstige Einkünfte gemäß § 3 Abs. 1 Z 10 und 11, werden auf das Jahressechstel nicht angerechnet."

Im vorliegenden Fall ist strittig, ob die dem Bf vom Dienstgeber gewährte Diensterfindungsvergütung der Progressionsermäßigung nach § 37 Abs 1 Teilstrich 3 iVm § 38 EStG 1988 zugänglich ist oder ob die Ausschlussbestimmung des § 37 Abs 7 Satz 2 EStG 1988 greift.

Im jüngst ergangenen Erkenntnis vom , Ro 2019/15/0014, dem ein Sachverhalt zugrunde liegt, der dem hier gegenständlichen Sachverhalt ähnlich ist (Gewährung einer Diensterfindungsprämie in Höhe von insgesamt 6.510,00 Euro, welche in drei Tranchen von jeweils 2.170,00 Euro im Juli, August und September 2016 ausbezahlt wurde), setzte sich der VwGH umfassend mit den hier einschlägigen Normen auseinander und führte wörtlich wie folgt aus:

"Ob die Steuerermäßigung des § 38 EStG 1988 auch auf Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit anzuwenden ist, war zunächst nicht unumstritten (vgl. diese Frage bejahend , und , 2010/15/0158; sowie Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 38 Tz 7). Schließlich sah sich der Gesetzgeber veranlasst, § 37 mit dem Steuerreformgesetz 1993, BGBl. Nr. 818, um einen weiteren Absatz zu ergänzen und im neuangefügten Abs. 6 zu bestimmen, dass für Einkünfte, die zum Teil mit dem festen Satz des § 67 versteuert werden, der ermäßigte Steuersatz nicht anzuwenden ist, womit auch klargestellt war, dass Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht grundsätzlich von der in Rede stehenden Tarifbestimmung ausgeschlossen sind.

Im Rahmen des StruktAnpG 1996, BGBl. Nr. 201, wurde § 37 EStG 1988 neu strukturiert und die Anordnung des bisherigen Abs. 6 inhaltlich unverändert in den Abs. 7 zweiter Satz verschoben.

Der mit dem Steuerreformgesetz 1993 angefügte Absatz sollte ausschließen, dass der halbe Durchschnittssteuersatz auch auf Einkünfte anzuwenden ist, die bereits teilweise mit dem festen Steuersatz von 6% versteuert worden sind, was insbesondere für Erfindervergütungen im Sinne des § 67 Abs. 7 Bedeutung habe (vgl. ErlRV 1237 BlgNR 18. GP, 56f).

Ohne diese Ausschlussbestimmung wäre es zu einer doppelten Begünstigung von Erfindervergütungen gekommen, weil § 67 Abs. 7 EStG 1988 bereits in seiner Stammfassung vorsah, dass u.a. Vergütungen für Diensterfindungen im Ausmaß eines zusätzlichen Jahressechstels mit den festen Steuersätzen des § 67 Abs. 1 EStG 1988 zu versteuern sind. Die Sechstelregelung für andere sonstige Bezüge (insbesondere den 13. und 14. Gehalt) blieben davon unberührt. Ein Aufstocken dieses gesonderten (zusätzlichen) Jahressechstels mit anderen sonstigen Bezügen war jedoch nicht möglich, wenn die Prämien für Verbesserungsvorschläge bzw. Diensterfindungen nicht im Ausmaß eines Jahressechstels zur Auszahlung gelangte (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 67 Tz 55).

Im Zuge des 1. StabG 2012, BGBl. I Nr. 22/2012, kam es zu einer Erweiterung der Steuerbegünstigung (Erhöhung des "zusätzlichen Sechstels" um 15% der bereits zugeflossenen, auf das Kalenderjahr umgerechneten laufenden Bezüge).

Mit dem StRefG 2015/2016, BGBl. I Nr. 118/2015, wurde § 67 Abs. 7 EStG 1988 ab 2016 (dem Streitjahr) zur Gänze aufgehoben. Die Gesetzesmaterialien führen dazu aus, dass die Streichung dem Vorschlag der Steuerreformkommission zum Thema Harmonisierung von Sozialversicherung und Lohnsteuer folgt und nunmehr Jubiläumsgeldzahlungen und Diensterfindungsprämien in beiden Bereichen abgabenpflichtig sein sollen. Im Gegenzug solle für Jubiläumsgeschenke aus Anlass eines Dienstjubiläums oder eines Firmenjubiläums in § 3 Abs. 1 Z 14 EStG 1988 eine Befreiung bis zu einer dort genannten Höhe vorgesehen werden (vgl. ErlRV 684 BlgNR 25. GP, 6).

Prämien für Diensterfindungen sind daher ab 2016 nach § 67 Abs. 1 und 2 EStG 1988 zu versteuern (sonstiger Bezug unter Anrechnung auf das Jahressechstel).

Die mit der Bestimmung des § 37 Abs. 7 EStG 1988 beabsichtigte Vermeidung einer doppelten Begünstigung von Diensterfindungsvergütungen tritt nach der für das Streitjahr 2016 geltenden Rechtslage dann nicht ein, wenn wie vom Bundesfinanzgericht im Revisionsfall festgestellt, bei richtiger lohnsteuerlicher Behandlung der Diensterfindungsprämien zwar eine (teilweise) Versteuerung mit dem festen Steuersätzen des § 67 EStG 1988 hätte erfolgen müssen, dafür aber andere (später ausbezahlte) sonstige Bezüge (etwa der 13. und 14. Monatsbezug) wegen Sechstelüberschreitung zum vollen Tarif zu versteuern gewesen wären.

Eine vom Gesetzgeber nicht gewollte doppelte steuerliche Begünstigung der Diensterfindungsvergütung liegt nicht vor, wenn lediglich auf Grund des zufälligen Auszahlungszeitpunktes der feste Steuersatz des § 67 EStG 1988 zur Anwendung kommt (bzw. kommen müsste), über das Kalenderjahr betrachtet aber andere sonstige Bezüge wegen der begünstigten Besteuerung der Diensterfindungsprämie zum vollen Tarif versteuert werden müssen. Teleologische, historische und verfassungsrechtliche Erwägungen sprechen dafür, die Ausschlussbestimmung des § 37 Abs. 7 EStG 1988 dahingehend auszulegen, dass ein solcher Jahressechstelüberhang einer Progressionsermäßigung nach § 38 EStG 1988 im Rahmen der Veranlagung zugänglich ist (vgl. Fuchs in Doralt et al, EStG21, § 38 Tz 14/1; Bramerdorfer/Kovacevic, Steuerliche Behandlung von Diensterfindungsvergütungen, SWK 2018, 969ff; Jakom/Kanduth-Kristen EStG, 2020, § 38 Rz 14)."

Unter Zugrundelegung einer kalenderjahresbezogenen, nicht auf einen zufälligen Auszahlungszeitpunkt abstellenden Betrachtung, wie sie nach dem oben zitierten Erkenntnis des VwGH anzustellen ist (siehe dazu auch Zorn, RdW 2021, 143 f), ist im vorliegenden Fall wie folgt vorzugehen:

Die für die Ermittlung des Jahressechstels des § 67 Abs 1 und 2 EStG 1988 relevanten laufenden Bezüge des Jahres 2016 (Basisbezug, Überstundenpauschale, Pkw-Sachbezug, steuerpflichtige Reisekostenersätze) betragen 286.315,73 Euro (dieser Betrag weicht von dem vom steuerlichen Vertreter des Bf im Vorlageantrag angeführten Betrag von 274.353,71 Euro insoweit ab, als auch der Pkw-Sachbezug und die steuerpflichtigen Reisekostenersätze in Höhe von insgesamt 11.962,02 Euro zu berücksichtigen sind; vgl zB Kirchmayr/Schaunig in Doralt et al, EStG21 § 67 Tz 27 mwN), das Jahressechstel beträgt daher 47.719,29 Euro. Dieses wird durch den Urlaubszuschuss und die Weihnachtsremuneration in Höhe von insgesamt 45.927,16 Euro, bei denen es sich um sonstige Bezüge unter Anrechnung auf das Jahressechstel handelt, nicht in vollem Ausmaß ausgeschöpft. Die in drei Tranchen ausbezahlte Diensterfindungsvergütung in Höhe von insgesamt 84.420,00 Euro, die nach dem oben zitierten Erkenntnis des VwGH ebenfalls als sonstiger Bezug unter Anrechnung auf das Jahressechstel zu qualifizieren ist, findet demnach bei einer jahresbezogenen Betrachtung im Ausmaß von 1.792,13 Euro im Jahressechstel Deckung, der Jahressechstelüberhang beträgt 82.627,87 Euro.

Damit unterscheidet sich der hier gegenständliche Fall von jenem Fall, den der VwGH im oben zitierten Erkenntnis zu entscheiden hatte. Der vom VwGH entschiedene Fall war insofern anders gelagert, als die dem Dienstnehmer gewährte Diensterfindungsvergütung bei einer jahresbezogenen Betrachtung überhaupt keine Deckung im Jahressechstel des § 67 Abs 1 und 2 EStG 1988 fand (Jahressechstel: 13.172,59 Euro; 13. und 14. Gehalt: 13.238,29 Euro).

Offen ist daher die Frage, welche rechtlichen Konsequenzen die Ausschlussbestimmung des § 37 Abs 7 Satz 2 EStG 1988 nach sich zieht, wenn - wie im vorliegenden Fall - bei einer jahresbezogenen Betrachtung ein (kleiner) Teil der Diensterfindungsvergütung im Jahressechstel des § 67 Abs 1 und 2 EStG 1988 Deckung findet.

Eine reine Wortinterpretation der Ausschlussbestimmung des § 37 Abs 7 Satz 2 EStG 1988 legt den Schluss nahe, dass die Progressionsermäßigung nach § 37 Abs 1 Teilstrich 3 iVm § 38 EStG 1988 in einem solchen Fall zur Gänze ausgeschlossen ist. Im Extremfall würde dies darauf hinauslaufen, dass selbst dann, wenn die Diensterfindungsvergütung mit nur einem einzigen Euro im Jahressechstel des § 67 Abs 1 und 2 EStG 1988 Deckung finden würde, die Progressionsermäßigung nach § 37 Abs 1 Teilstrich 3 iVm § 38 EStG 1988 vollumfänglich zu versagen wäre. Dass ein solches (unsachliches) Ergebnis nicht dem Willen des Gesetzgebers entspricht, zeigt sich anhand der Entstehungsgeschichte der einschlägigen Normen. Wie den Erläuternden Bemerkungen zum Steuerreformgesetz 1993 (vgl ErlRV 1237 BlgNR 18. GP, 56 f) zu entnehmen ist, steht (bzw stand) die Ausschlussbestimmung des § 37 Abs 7 Satz 2 EStG 1988 in unmittelbarem Zusammenhang mit der - ab dem Jahr 2016 entfallenen (StRefG 2015/2016, BGBl I 118/2015) - Bestimmung des § 67 Abs 7 EStG 1988, die für Diensterfindungsvergütungen eine spezielle Begünstigung in Form eines zusätzlichen Jahressechstels mit dem festen Steuersatz von 6% vorsah. Dem Gesetzgeber ging es demnach darum, eine doppelte Inanspruchnahme zweier Begünstigungsnormen auszuschließen, die speziell auf Erfindervergütungen zugeschnitten waren (vgl dazu ausführlich Bramerdorfer/Kovacevic, SWK 2018, 969 [973 f]). Gerade diese Zielsetzung geht jedoch mit dem Entfall der Begünstigungsbestimmung des § 67 Abs 7 EStG 1988 ab dem Jahr 2016 (StRefG 2015/2016, BGBl I 118/2015) ins Leere.

Vor diesem Hintergrund schließt sich das Bundesfinanzgericht der von Fuchs in Doralt et al, EStG21 § 38 Tz 14/1 vertretenen Rechtsansicht an. Dieser führt - unter Hinweis ua auf Bramerdorfer/Kovacevic, SWK 2018, 969 ff - wie folgt aus: "Obwohl die Bestimmung in § 37 Abs 7, wonach für Einkünfte, die zum Teil mit dem festen Steuersatz des § 67 versteuert werden, keine Progressionsermäßigung zusteht, ursprünglich iZm § 67 Abs 7 geschaffen wurde, wurde durch das StRefG 2015/2016 nur letztere Bestimmung aufgehoben […]. Wörtlich interpretiert würde § 37 Abs 7 nun dazu führen, dass eine Begünstigung für Diensterfindungsvergütungen nach § 38 auch dann ausgeschlossen ist, wenn (bei nicht laufend ausbezahlter Dienstvergütung) nur der kleinste Teil dieser Vergütung von der begünstigten Besteuerung des "normalen" Jahressechstels des § 67 Abs 1 für sonstige Bezüge erfasst ist. Teleologische, historische und verfassungsrechtliche Erwägungen sprechen allerdings dafür, die Ausschlussbestimmung des § 37 Abs 7 (teleologisch reduziert) dahingehend auszulegen, dass ein solcher Jahressechstelüberhang einer Progressionsermäßigung nach § 38 im Rahmen der Veranlagung zugänglich ist."

Dementsprechend ist im vorliegenden Fall jener Teil der Diensterfindungsvergütung, der im begünstigt besteuerten Jahressechstel des § 67 Abs 1 und 2 EStG 1988 keine Deckung findet (Jahressechstelüberhang: 82.627,87 Euro), der Progressionsermäßigung nach § 37 Abs 1 Teilstrich 3 iVm § 38 EStG 1988 zugänglich.

Es war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Zulässigkeit der Revision):

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zur Frage, welche rechtlichen Konsequenzen die Ausschlussbestimmung des § 37 Abs 7 Satz 2 EStG 1988 nach sich zieht, wenn unter Zugrundelegung einer kalenderjahresbezogenen Betrachtung ein (kleiner) Teil der Diensterfindungsvergütung im Jahressechstel des § 67 Abs 1 und 2 EStG 1988 Deckung findet, liegt noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor, weswegen die Revision zuzulassen war.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.2100669.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at