Rechtzeitigkeit der Berufungserhebung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch seinen Richter Dr. Alexander Hajicek über die Beschwerde (vormals Berufung) der N**** A****, [Adresse], vertreten durch Mag. Alfons Umschaden, 1010 Wien, Domgasse 4/9, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 8/16/17 vom betreffend die Zurückweisung der Berufung gegen den Rückforderungsbescheid von Familienbeihilfe vom zu Recht:
Der Beschwerde wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Datum vom fertigte das Finanzamt einen an die Beschwerdeführerin adressierten Bescheid über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Sohn S**** A**** aus (idF Rückforderungsbescheid).
Dieser Bescheid wurde laut Rückschein (RSb) beim Postamt hinterlegt, die Abholfrist begann am .
Am wurde eine gegen diesen Bescheid gerichtete Berufung eingebracht.
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt diese Berufung zurück, die Berufungsfrist sei bereits am abgelaufen, die Berufung daher verspätet (angefochtener Bescheid bzw Zurückweisungsbescheid).
Gegen diesen Zurückweisungsbescheid richtet sich die verfahrensgegenständliche Berufung (nunmehr Beschwerde). Die Beschwerdeführerin bringt darin durch ihren Vertreter zusammengefasst vor, die Zustellung des Rückforderungsbescheides sei nicht rechtmäßig erfolgt, da die Beschwerdeführerin in der Zeit von Anfang Dezember 2008 bis Ende April 2009 in Damaskus, Syrien bzw vorübergehend auch in Beirut, Libanon aufhältig gewesen sei. Zum Beweis legte die Beschwerdeführerin eine Aus- und Einreisebestätigung des Innenministeriums der Syrischen Arabischen Republik samt beglaubigter Übersetzung sowie eine Bestätigung des Besuches des International **** (in Beirut?) im Jänner 2009 vor und beantragte die Einvernahme der Beschwerdeführerin.
Soweit in dieser Aufstellung einmal kein Ausreisedatum aus Syrien angeführt sei, sei dies darauf zurückzuführen, dass sich die Beschwerdeführerin in diesem Zeitraum in Beirut aufgehalten habe. Für die Reise nach Beirut sei keine Meldung an das Direktorat der Emigration und Pässe notwendig, es genüge ein Personalausweis, um ausreisen zu können. Die Einreise in Syrien werde jedoch wieder dokumentiert.
Die Beschwerdeführerin besitze sowohl die österreichische als auch die syrische Staatsbürgerschaft und reise mehrmals jährlich nach Syrien um ihre Familie zu besuchen.
Erst der Sohn der Beschwerdeführerin (S**** A****) habe das Schriftstück am entdeckt, geöffnet und sogleich Berufung erhoben (Beweis: Einvernahme von S**** A****).
Die Beschwerdeführerin beantragte eine mündliche Verhandlung.
Mit Datum vom erließ das Finanzamt eine abweisende Berufungsvorentscheidung in welcher es ausführte, die Berufung wende "einen vorgeblichen ,Aufenthalt der Berufungswerberin in der Zeit von Anfang Dezember 2008 bis Ende April 2009 in Damaskus, Syrien' ein. Unter Bezugnahme auf eine der Berufung beigefügte Beilage wende die Berufung zusätzlich ein, dass sich ,die Berufungswerberin in diesem Zeitraum in Beirut aufhielt'."
In den vorgelegten Bestätigungen sei zudem von einer N**** bzw N_**** B**** die Rede.
In der am durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde ausgeführt:
"Die Beschwerdeführerin erklärt:
Mein Sohn S**** hat damals noch studiert. Ich habe ihm gesagt, er soll seine Studienbesuchsbestätigung dem Finanzamt vorlegen. Er hat das aber leider nicht gemacht. Deshalb ist es dann dazu gekommen, dass das Finanzamt die Familienbeihilfe zurückgefordert hat. Als ich dann aus Syrien zurückgekommen bin war der Bescheid schon ergangen und ich habe mich deswegen an den Rechtsanwalt gewendet. Mein Sohn hatte damals eine schwierige Phase. Er hat auch verschiedene andere Sachen nicht gezahlt zB den Strom oder das Fitnessstudio. Er war damals 19 oder 20 Jahre alt und das erste Mal alleine in einem Haushalt. Aber das war nur eine vorübergehende Phase.
Über die Frage des Richters, wie die Beschwerdeführerin von dem Rückforderungsbescheid erfahren hat gibt sie an:
Als ich aus Syrien zurückgekommen bin war der Brief schon da und dann war es zu spät etwas zu tun.
Besprochen wird die Aufenthaltsbestätigung des syrischen Innenministeriums.
Beschwerdeführerin: Bei dem Namen N****B**** handelt es sich um meinen ledigen Namen. Ich war in der Zeit von 2. Jänner bis März nicht in Österreich. Ich war in Syrien oder in Beirut. Meine jüngere Tochter hat damals noch in Syrien die Schule besucht. Deshalb habe ich mich damals öfter in Syrien aufgehalten.
In der Wohnung in der T-Straße wohnen meine Eltern. Diese haben auch dort gewohnt, als ich damals in Syrien war. Wer den Brief vom Postamt abgeholt hat weiß ich nicht. Mein Sohn hat mich nicht angerufen und mir von dem Brief erzählt. Ich habe davon erst erfahren, als ich zurückgekommen bin. Ich habe den Rückforderungsbescheid dann schon wirklich körperlich bekommen.
Auf die Frage, ob die Beschwerdeführerin ihrem Sohn eine Vollmacht erteilt hat zur Einbringung der Berufung gibt die Beschwerdeführerin an:
Eine formelle Vollmachtsurkunde haben wir sicher nicht errichtet. Eventuell habe ich ihm aufgetragen, er soll sich um die Sachen kümmern.
Über Befragen durch den Finanzamtsvertreter gibt die Beschwerdeführerin an:
Ich habe von dem Rückforderungsbescheid kurz nach meiner Rückkehr im März oder April erfahren. Ich habe mich damals überwiegend in Syrien aufgehalten, weil meine Tochter dort die Schule besucht hat. Mein Mann hat damals auch in Syrien gelebt.
Zunächst haben wir nur den Nachweis vorgelegt, dass mein Sohn studiert hat. Zu diesem Zeitpunkt hatte er das Studium bereits abgeschlossen.
Finanzamtsvertreter: Es war erklärt worden, dass der erforderliche Nachweis von 8 Semester-Wochenstunden erbracht worden sei. Dies war aber noch nicht nachgewiesen worden. Aus der Bestätigung des syrischen Innenministeriums geht nicht eindeutig hervor, dass es sich um die Beschwerdeführerin handelt. Aus den Abreise- und Ankunftsdaten ist nicht zwingend ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin nicht in Österreich war. Es hätte auch sein können, dass sie sich in Österreich aufgehalten hat.
Beschwerdeführerin: Der in der Bestätigung genannte H**** ist mein Vater Dr. H****B_****.
[…]
Einvernahme des Zeugen S****A****:
[…]
Ich kann mich noch halbwegs an die Vorgänge damals erinnern. Das Finanzamt wollte eine Studienerfolgsbestätigung haben. Diese habe ich nicht rechtzeitig gebracht. Deshalb ist dann der Rückforderungsbescheid erlassen worden. Wer den Brief vom Postamt abgeholt hat weiß ich nicht mehr. Vielleicht haben ihn die Großeltern bekommen. Sie haben in der T-Straße gewohnt. Ob ich vor der Einbringung der Berufung mit meiner Mutter gesprochen habe kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich habe den Brief dann meiner Mutter nach ihrer Rückkehr gegeben.
Auf die Frage, ob es eine Vollmacht gegeben hat gebe ich an: Eine Vollmachtsurkunde hat es nicht gegeben aber so wie es zwischen Mutter und Sohn üblich ist hat es ein Einvernehmen gegeben, dass ich das Erforderliche tun soll.
Ob meine Mutter damals in Syrien war kann ich wirklich nicht mehr sagen, das ist schon so lange her."
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Folgender Sachverhalt steht fest:
Die Beschwerdeführerin war von 2. Jänner bis Ende März bzw Anfang April 2009 nicht in Österreich, sondern verbrachte diese Zeit in Syrien bzw im Libanon.
Der Rückforderungsbescheid von Familienbeihilfe vom wurde laut Rückschein (RSb) am beim Postamt hinterlegt, die Abholfrist begann am . Der Rückforderungsbescheid wurde von einer nicht feststellbaren Person behoben.
Erst am wurde (durch den am **.**.1985 geborenen Sohn der Beschwerdeführerin S**** A****) eine Berufung eingebracht.
Die Beschwerdeführerin hatte ihren Sohn S**** A**** vor ihrer Abreise allgemein beauftragt, sich um die ihn betreffenden Angelegenheiten zu kümmern.
Der Rückforderungsbescheid vom kam der Beschwerdeführerin nach ihrer Rückkehr aus Syrien tatsächlich körperlich zu.
Diese Feststellungen gründen sich auf folgende Beweiswürdigung:
Die Feststellungen über den Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Syrien und im Libanon gründen sich auf ihre Angaben in der mündlichen Verhandlung sowie auf die Aus- und Einreisebestätigung des syrischen Innenministeriums. Dem Gericht erscheint es nachvollziehbar, dass die Beschwerdeführerin nicht jeweils für die wenigen Tage, welche sie laut Aus- und Einreisebestätigung nicht in Syrien verbracht hat, nach Österreich zurückgekehrt ist. Vielmehr ist ein Aufenthalt im Libanon angesichts der räumlichen Nähe und der Enge der Beziehungen zwischen Syrien und dem Libanon glaubwürdig.
Das Gericht geht angesichts des seriösen und umsichtigen Eindrucks, den die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, davon aus, dass die Beschwerdeführerin sich um die gegenständliche Angelegenheit rechtzeitig selbst gekümmert hätte, wenn sie in Österreich gewesen wäre.
Die Feststellung über die Beauftragung des Sohnes der Beschwerdeführerin sowie die Feststellung, dass der Beschwerdeführerin der Rückforderungsbescheid nach ihrer Rückkehr Ende März bzw Anfang April 2009 tatsächlich körperlich zugekommen ist gründen sich auf die Angaben der Beschwerdeführerin und ihres Sohnes in der mündlichen Verhandlung.
Im Übrigen sind die Feststellungen unstrittig.
Rechtlich folgt daraus:
§ 17 ZustG lautet:
"(1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.
(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.
(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.
(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde."
Erfolgt eine Hinterlegung iSd § 17 ZustG während einer Abwesenheit des Empfängers und kehrt der Empfänger erst nach Ablauf der Abholfrist an die Abgabestelle zurück, so ist die Zustellung durch Hinterlegung nicht wirksam erfolgt, sie ist vielmehr gescheitert (vgl in diesem Sinn zB Feil, Zustellwesen5, § 17 Tz 18).
Der Rückforderungsbescheid wurde laut Rückschein (RSb) am beim Postamt hinterlegt, die Abholfrist begann am . Die Beschwerdeführerin war von 2. Jänner bis Ende März bzw Anfang April nicht in Österreich anwesend, sie ist daher erst nach Ablauf der Abholfrist an die Abgabestelle zurückgekehrt. Die Zustellung des Rückforderungsbescheides durch Hinterlegung ist daher nicht wirksam erfolgt.
Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung gemäß § 7 ZustG als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist; der Zustellmangel wird diesfalls geheilt.
Bei einer Hinterlegung trotz vorübergehender Ortsabwesenheit liegt ein Zustellmangel iSd § 7 ZustG vor (Ritz, BAO6, § 7 ZustG Tz 5f).
Nach den Feststellungen hat S**** A**** den Rückforderungsbescheid vom der Beschwerdeführerin nach ihrer Rückkehr Ende März bzw Anfang April 2009 körperlich übergeben, sie ist damit tatsächlich in den Besitz des Rückforderungsbescheides gekommen. Die Voraussetzungen des § 7 ZustG sind damit erfüllt, die Zustellung des Rückforderungsbescheides gilt somit als mit Ende März bzw Anfang April 2009 bewirkt; der Zustellmangel wurde geheilt. Der Rückforderungsbescheid wurde daher mit diesem Zeitpunkt rechtswirksam.
Die Berufung gegen den Rückforderungsbescheid wurde am , also mehrere Wochen vor dem Wirksamwerden dieses Bescheides erhoben.
§ 273 Abs 2 BAO idF vor dem FVwGG 2012, BGBl I Nr 2013/14 bestimmte, dass eine Berufung nicht deshalb als unzulässig zurückgewiesen werden darf, weil sie vor Beginn der Berufungsfrist eingebracht wurde.
Gleiches regelt nunmehr § 260 Abs 2 BAO betreffend die Bescheidbeschwerde.
Dass die Berufung gegen den Rückforderungsbescheid verfrüht erhoben wurde spielt somit keine Rolle, die Berufung war zeitgerecht.
Eingebracht wurde die Berufung durch S**** A****, den Sohn der Beschwerdeführerin.
Die Berufung lässt nicht eindeutig erkennen, ob sie von S**** A**** in eigenem Namen oder im Namen der Beschwerdeführerin erhoben wurde.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Parteienerklärungen nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszwecks und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Absicht der Parteien zu erforschen. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (zB ).
In der Berufung (es handelt sich um ein Formular des Finanzamtes) ist ua die Sozialversicherungsnummer der Beschwerdeführerin und auch ihr Name (wie auch der Name des Sohnes) angeführt. Im Übrigen ist die Berufung in der Ich-Form ausgeführt ("Für den Zeitraum Dezember 2005 bis Mai 2008 war ich noch immer Student und meine Mutter hat für mich finanziell gesorgt. […]").
Angesichts der Tatsache, dass die Rückforderung mit dem Studienerfolg des Sohnes bzw der Unterhaltsleistung der Beschwerdeführerin an den Sohn in Bezug stand war für den Sohn die Verwendung der Ich-Form naheliegend und ist daraus nichts Näheres abzuleiten. Die Sozialversicherungsnummer der Beschwerdeführerin wurde vom Sohn angeführt, ebenso der Name der Beschwerdeführerin. Es ist daher nicht eindeutig erkennbar, ob die Berufung im eigenen Namen oder im Namen der Beschwerdeführerin erhoben wurde. Unter Anwendung der angeführten Zweifelsregel, wonach im Zweifel einem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen ist, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt, ist die Berufung der Beschwerdeführerin zuzurechnen.
Die Berufung wurde nicht durch die Beschwerdeführerin selbst, sondern durch ihren Sohn S**** A**** eingebracht.
Die Parteien können sich gemäß § 83 Abs 1 BAO ua durch eigenberechtigte natürliche Personen vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben.
Die Abgabenbehörde kann gemäß § 83 Abs 4 BAO von einer ausdrücklichen Vollmacht absehen, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Angehörige (§ 25 BAO) handelt und Zweifel über das Bestehen und den Umfang der Vertretungsbefugnis nicht obwaltend.
§ 83 Abs 4 BAO räumt der Abgabenbehörde Ermessen ein, bei amtsbekannten Angehörigen von einer ausdrücklichen Vollmacht abzusehen, wenn keinerlei Zweifel am Bestehen und Umfang der Vertretungsbefugnis bestehen. Voraussetzung dafür, dass Prozesshandlungen von oder gegen den angeblichen Vertreter wirksam gesetzt werden können, ist das tatsächliche Bestehen der Vertretungsbefugnis (Ritz, BAO6, § 83 Tz 9).
Das Finanzamt hat im Verwaltungsverfahren keine Zweifel an der Vertretungsbefugnis des Sohnes der Beschwerdeführerin erkennen lassen und die Berufung der Beschwerdeführerin (wenn auch als verspätet) zugerechnet. Nach den Feststellungen hatte die Beschwerdeführerin ihren Sohn S**** A**** vor ihrer Abreise allgemein beauftragt, sich um die ihn betreffenden (behördlichen) Angelegenheiten zu kümmern. Der Sohn war daher von der Beschwerdeführerin bevollmächtigt, für sie auch im Verfahren betreffend Rückforderungsbescheid einzuschreiten und eine (die) Berufung für die Beschwerdeführerin zu erheben.
Zusammengefasst ist daher festzuhalten:
Während der Ortsabwesenheit der Beschwerdeführerin wurde der Rückforderungsbescheid vom beim Postamt hinterlegt und von einer nicht feststellbaren Person behoben. Diese Hinterlegung war unwirksam, der Zustellmangel heilte jedoch durch das tatsächliche Zukommen des Bescheides Ende März bzw Anfang April 2009.
Gegen diesen Bescheid wurde durch den Sohn der Beschwerdeführerin (zulässigerweise) verfrüht namens der Beschwerdeführerin Berufung erhoben. Der Sohn war von der Beschwerdeführerin bevollmächtigt. Da es sich um einen nahen Angehörigen handelte, konnte von einer ausdrücklichen Vollmacht abgesehen werden.
Die Berufung gegen den Rückforderungsbescheid wurde somit durch einen Vertreter (Sohn) fristgerecht erhoben und ist der Beschwerdeführerin zuzurechnen.
Die Berufung gegen den Rückforderungsbescheid erweist sich damit als zulässig, die Zurückweisung erfolgte daher zu Unrecht.
Der angefochtene Zurückweisungsbescheid hätte somit nicht ergehen dürfen und ist daher gemäß § 279 Abs 1 BAO ersatzlos aufzuheben.
Zur Unzulässigkeit der Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Beschwerdefall liegt keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die zu lösenden Rechtsfragen beschränken sich einerseits auf Rechtsfragen, welche bereits in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beantwortet wurden und solche, welche im Gesetz eindeutig gelöst sind. Im Übrigen hängt der Beschwerdefall von der Lösung von nicht über den Einzelfall hinausgehenden Sachverhaltsfragen ab. Tatfragen sind kein Thema für eine ordentliche Revision. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 260 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 83 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 7 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7101549.2012 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at