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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.12.2020, RV/7103149/2020

§ 59 Abs 4 lit a GSpG: Keine Haftung für einen bloßen Vermieter von Räumlichkeiten

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2021/17/0006. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/7103149/2020-RS1
Nach § 59 Abs 4 lit a GSpG haftet derjenige, der die Durchführung einer Ausspielung in seinem Verfügungsbereich erlaubt, für die korrekte Entrichtung der Glücksspielabgaben zur ungeteilten Hand. Nach Beurteilung durch das Bundesfinanzgericht kann diese Bestimmung nicht derart ausgelegt werden, dass dadurch ein bloßer Vermieter zur Haftung für Glücksspielabgaben seines Mieters herangezogen werden kann. Das Bundesfinanzgericht gelangt zu dieser Beurteilung durch eine vorgenommene Wortlautinterpretation, eine historische Interpretation sowie eine verfassungskonforme Auslegung der Norm.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter MMag. Gerald Erwin Ehgartner in der Beschwerdesache **BF**, **Adr**, vertreten durch CERHA HEMPEL Rechtsanwälte GmbH, Parkring 2, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom betreffend Haftung für Glücksspielabgaben für die Zeiträume Jänner 2011 bis Juni 2015 zu Recht:

I. Der Beschwerde wird Folge geleistet. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO ersatzlos aufgehoben.

II. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Gemäß § 59 Abs 4 lit a des Glücksspielgesetzes (GSpG; in der Fassung BGBl I 54/2010) haftet derjenige für die korrekte Entrichtung der Glücksspielabgaben zur ungeteilten Hand, der die Durchführung einer Ausspielung in seinem Verfügungsbereich erlaubt. Strittig im Beschwerdeverfahren ist, ob die Beschwerdeführerin, als bloße Vermieterin von Räumlichkeiten, nach dieser Norm zur Haftung für die Glücksspielabgaben ihrer Mieterin herangezogen werden kann.

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin der Liegenschaft *** mit der Grundstücksadresse ***. Bereits vor dem Erwerb der Liegenschaft durch die Beschwerdeführerin im Jahr 2008 (Kaufvertrag vom ) hat die vorherige Liegenschaftseigentümerin (***) am einen Hauptmietvertrag über ein Geschäftslokal auf dieser Liegenschaft mit der *** (später umfirmiert in ***X*** ***; in der Folge ***X***) abgeschlossen, die dort von Anfang an der Glücksspielabgabe unterliegende Ausspielungen durchführte. Im Zuge des Liegenschaftserwerbs ging dieser Mietvertrag (wie auch der zweite, die Liegenschaft betreffende Mietvertrag) auf die Beschwerdeführerin über.

Mit Auskunftsersuchen vom verlangte die belangte Behörde von der Beschwerdeführerin den Mietvertrag mit der ***X*** bzw allfällige sonstige Vereinbarungen ab.

Mit Vorhalt vom setzte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin davon in Kenntnis, dass sie gemäß § 59 Abs 4 lit a GSpG als Haftende für die aus dem Spielbetrieb ihrer Mieterin ***X*** resultierenden Glücksspielabgaben in Frage komme und ersuchte um entsprechende Stellungnahme. In der Vorhaltsbeantwortung vom teilte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde im Wesentlichen mit, dass die betreffende Haftungsbestimmung schon dem Wortlaut nach gegenständlich nicht anwendbar sei; zudem würden eine systematische und verfassungskonforme Interpretation der Norm zum Ergebnis führen, dass eine Haftung ihrerseits nicht bestehen könne.

Mit Haftungsbescheid vom verfügte die belangte Behörde die Heranziehung der Beschwerdeführerin zur Haftung für aushaftende Glücksspielabgaben der ***X*** in Höhe von EUR 1.216.628,29 (dies entspricht 1,5% der über die Zeiträume Jänner 2011 bis Juni 2015 am gegenständlichen Standort angelaufenen Abgabenschulden der ***X*** von gesamt EUR 81.108.552,87). Die ***X*** habe in den bezeichneten Zeiträumen am Standort *** der Glücksspielabgabe unterliegende Ausspielungen in Form von Poker-Cashgames und Poker Turnieren veranstaltet; die Abgabe sei von der ***X*** jedoch nicht entrichtet worden bzw sei die Einbringlichmachung bei der ***X*** der Aktenlage nach als unwahrscheinlich anzusehen.

Mit Beschwerde vom erfolgte die Anfechtung des Bescheids, im Rahmen dessen die ersatzlose Aufhebung bzw in eventu die Herabsetzung des Haftungsbetrags beantragt wurde. Begründend findet sich im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Haftungsinanspruchnahme der Beschwerdeführerin schon nach dem Wortlaut des § 59 Abs 4 GSpG nicht in Betracht komme. Insbesondere habe die Beschwerdeführerin keine Erlaubnis erteilt bzw gar nicht erteilen können; die Erlaubnis sei vielmehr von der Gewerbebehörde erteilt worden und die Räumlichkeiten seien ohnehin im Verfügungsbereich der Mieterin ***X*** gestanden. Darüber hinaus dürfe eine Haftung nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes geltend gemacht werden und nur denjenigen treffen, der das Risiko eines Abgabenausfalls beeinflussen, kontrollieren und somit gegebenenfalls darauf einwirken könne, was gegenständlich jedoch nicht der Fall sei. Weiter müsse eine adäquate Begrenzung des Haftungsumfangs gegeben sein und die Behörde hätte durch eine dementsprechende verfassungskonforme Ausübung des ihr eingeräumten Ermessens auf die Erlassung des Bescheids verzichten und derart verfassungskonform handeln können. Aus der Judikatur ergebe sich, dass eine Haftung für Bestandgeber regelmäßig nicht bestehe, insbesondere dann nicht, wenn diese - wie im gegenständlichen Fall - nicht in das Glücksspiel eingebunden waren. Unabhängig davon sei hinsichtlich der Glücksspielabgaben Jänner 2011 bis einschließlich November 2014 bereits die Einhebungsverjährung eingetreten und allgemein stehe der Haftungsbetrag in keinem angemessenen Verhältnis zu dem von der Beschwerdeführerin erzielten Mietzins.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Im Wesentlichen wurde die Abweisung damit begründet, dass unter "Erlauben" keinesfalls eine behördliche Genehmigung und Überwachung zu verstehen sei; bei Auslegung der gegenständlichen Haftungsbestimmung, wie von der Beschwerdeführerin vorgenommen, würde sie anwendungsleer werden. Mit Verweis auf die Definition im Duden sei unter "Erlauben" auch der Umstand erfasst, dass Pokerveranstaltungen im Verfügungsbereich des Verfügungsberechtigten ermöglicht bzw zugelassen werden. Die gegenständliche Vermietung sei gerade zum Zweck eines Casinobetriebes - Veranstaltung von Pokerspielen - erfolgt. Die Verfügungsbefugnis über die Räume sei zwar durch den Abschluss des Mietvertrags allenfalls auf die ***X*** übergegangen, die entsprechende Erlaubnis sei jedoch bereits mit Abschluss des Mietvertrags erteilt worden. In der betreffenden Gesetzesbestimmung sei kein zeitlicher Konnex vorgesehen. Die Beschwerdeführerin sei zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags in Kenntnis davon gewesen, dass im Kaufobjekt entsprechende Ausspielungen durchgeführt würden. Durch den Abschluss des Kaufvertrags habe die Beschwerdeführerin zugestimmt, dass in ihrem Verfügungsbereich diese Ausspielungen erfolgen. Dass die Beschwerdeführerin im Nachhinein, also nach Abschluss des Kaufvertrags, die Durchführung der Ausspielungen rechtlich nicht unterbinden habe können, vermag an dem Umstand, dass sie durch den Erwerb der Liegenschaft und die Übernahme des Bestandverhältnisses die Durchführung der Ausspielungen in ihrem Verfügungsbereich akzeptiert habe, nichts zu ändern. Da es sich bei einem Bestandvertrag um ein Dauerschuldverhältnis handle, habe die Beschwerdeführerin in jedem einzelnen Monat die Ausspielungen in ihrem Verfügungsbereich zumindest erlaubt - wobei die Ausspielungen auch nicht bloß geduldet, sondern ausdrücklich bedungen gewesen seien. Die im Sinne einer verfassungskonform ausgestalteten Haftung erforderliche Nahebeziehung zwischen dem Abgabenschuldner und dem zur Haftung Herangezogenen habe in der Gestalt bestanden, dass es sich eben um Bestandgeber und Bestandnehmer handle und das Bestandobjekt zumindest vor Unterfertigung des Bestandvertrags in der Interessen- und Einflusssphäre des Bestandgebers gelegen sei; dies ergebe sich unter anderem aus der Möglichkeit der spezifischen Gestaltung des Bestandvertrags, aus dem Umstand, dass der Bestandgeber durch den Mietzins am Ertrag des Betriebs partizipiere sowie aus dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Einbringlichkeit der Ansprüche.

Hinsichtlich der eingewendeten Verjährung erfolgte von Seiten der belangten Behörde der Verweis, dass das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, zwar binnen fünf Jahren verjähre, die Frist jedoch durch jede zur Durchsetzung des Anspruchs unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen werde und derart neu zu laufen beginne. Im gegenständlichen Fall seien Säumniszuschläge laufend vorgeschrieben und darüber hinaus laufend Zahlungsaufforderungen hinausgegeben worden; die laufenden Stundungsansuchen seien anfangs gewährt und dann abgewiesen worden, etc. Die Einbringungsverjährung sei daher keinesfalls eingetreten.

In Bezug auf die vorgenommene Ermessensausübung findet sich in der Beschwerdevorentscheidung im Wesentlichen ausgeführt, dass die maßgeblichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin überprüft worden seien und ihr aufgrund ihrer Gewinn- und Vermögenssituation aus der Haftungsinanspruchnahme kein Vermögensnachteil in unvertretbarem Ausmaß (Insolvenzgefahr, Vermögensverschleuderung, etc) erwachse. Es liege zwar im Interesse der Beschwerdeführerin, nicht bzw nicht in vollem Umfang zur Entrichtung einer fremden Abgabenschuld herangezogen zu werden, jedoch seien von ihr keine darüberhinausgehenden (berechtigten) Interessen dargestellt worden, die im Rahmen der Ermessensabwägungen zu berücksichtigen gewesen wären. Demgegenüber stehe das Interesse der Öffentlichkeit an der Einbringung der Abgaben, wobei die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles das wesentliche Ermessenskriterium bei der Haftungsinanspruchnahme sei. Daneben sei zu berücksichtigen, dass, würde den Ausführungen in der Beschwerde gefolgt werden, jede Haftungsinanspruchnahme unbillig wäre, wenn der Haftende keinen wirtschaftlichen Vorteil aus den haftungsbegründenden Umständen gehabt hätte. Eine derartige Intention könne dem Gesetzgeber bei der allgemein formulierten Haftungsbestimmung nicht unterstellt werden.

Im Vorlageantrag vom verwies die Beschwerdeführerin im Wesentlichen noch einmal auf die Begründung ihrer Beschwerde und bekräftigte insbesondere, dass der angefochtene Bescheid bei verfassungskonformer Ermessensausübung nicht erlassen werden hätte dürfen. Selbst bei Bejahung einer Heranziehung dem Grunde nach, würde der Haftungsbetrag iHv EUR 1.216.628,29 in keinem angemessenen Verhältnis zum erzielten Mietzins stehen. Vorgelegt wurde der Jahresabschluss 2018, aus dem sich ergibt, dass die Beschwerdeführerin bei einem Anlagevermögen von circa EUR 5,2 Mio ein (buchmäßiges) negatives Eigenkapital von circa EUR -900.000,00 ausweist und einen Bilanzverlust von EUR -929.469,96 (davon Verlustvortrag EUR -1.208.223,64) erzielte.

Am wurde am Bundesfinanzgericht ein Erörterungstermin abgehalten, an dem Vertreter der belangten Behörde, der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin sowie der Gesellschafter-Geschäftsführer der Beschwerdeführerin teilnahmen. Es wurden dabei sachverhaltsmäßige und rechtliche Aspekte umfassend erörtert und die teilnehmenden Personen befragt.

Von Seiten der belangten Behörde wurde im Wesentlichen zu Protokoll gegeben.

  1. Das Insolvenzverfahren der ***X*** sei bis dato noch nicht abgeschlossen worden.

  2. Der gegenständliche Haftungszeitraum ende deshalb im Juni 2015, weil sich die Prüfung auf bloß auf diesen Zeitraum erstreckt habe.

  3. Der Betrieb der ***X*** sei im Zuge der Insolvenzeröffnung an eine andere Konzerngesellschaft verpachtet worden, in welcher der Spielbetrieb zunächst fortgeführt worden sei. Aktuell fänden keine Ausspielungen mehr statt.

  4. Es fänden deshalb derzeit keine Ausspielungen mehr statt, da die Übergangsfrist in § 60 GSpG für Pokercasinos, welche mit einem "alten Gewerbeschein" betrieben wurden, ausgelaufen und ein legales Angebot seit diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich sei.

  5. Auf die Frage, aus welchem Grund die Glücksspielabgaben nicht bereits laufend bei der ***X*** eingehoben wurden bzw warum sie nicht eingehoben werden konnten: Die Verfahren hätten sich über Jahre gezogen. Einbringungsmaßnahmen seien nur sehr eingeschränkt möglich gewesen, da kein Vermögen vorhanden gewesen sei. Daneben sei (ursprünglich) für gewisse Zeiträume die Aussetzung der Einhebung gewährt worden; im Laufe der Zeit klärten sich aber die entsprechenden Rechtsfragen, sodass die Aussetzung nicht mehr weitergewährt worden sei. Dagegen seien wiederum Rechtsmittel erhoben worden, sodass sich die Sperrwirkung verlängert habe.

  6. Bei der vorherigen Vermieterin der Liegenschaft, der *** (die den gegenständlichen Mietvertrag abschloss), und der Verkäuferin der Liegenschaft, der ***, handle es sich um dasselbe Unternehmen, beide Gesellschaften hätten dieselbe Firmenbuchnummer.

  7. Es sei der belangten Behörde keinerlei Naheverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und der Verkäuferin der gegenständlichen Liegenschaft bekannt.

  8. Eine allfällige Kündigungsmöglichkeit des Mietverhältnisses erweise sich letztendlich als irrelevant, da der Haftungstatbestand nicht an eine Kündigungsmöglichkeit oder ein Verschulden bzw ein Versäumnis anknüpfe. Allerdings könne der Umstand, dass die Mieterin ihre Abgabenschuldigkeiten nicht bezahlt habe, einen wichtigen Grund ausmachen und somit eine Kündigung ermöglichen.

Von Seiten der Beschwerdeführerin wurde im Wesentlichen zu Protokoll gegeben:

  1. Der Geschäftsgegenstand der Beschwerdeführerin liege ausschließlich in der Vermietung der gegenständlichen Immobilie.

  2. Außer der gegenständlichen Liegenschaft gebe es im Anlagevermögen keine weiteren Liegenschaften.

  3. Das Mietverhältnis sei mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am ***.2016 beendet worden. Aktuell sei das gegenständliche Geschäftslokal jedoch an eine Gesellschaft weitervermietet worden, die im Naheverhältnis zum Geschäftsführer der ***X*** stehe, wobei derzeit aber keine Tätigkeit dort entfaltet werde. Vielmehr werde vom Mieter nach einem neuen Geschäftsmodell gesucht und die Beschwerdeführerin sei darum gebeten worden, die Räumlichkeiten weiterhin in Bestand zu belassen.

  4. Dem Geschäftsführer der Beschwerdeführerin sei nicht bekannt, ob im Geschäftslokal nach der Insolvenzeröffnung noch weiterhin Ausspielungen stattgefunden hätten.

  5. Der Geschäftsführer sei bloß im Zuge des Erwerbs der Immobilie und ein oder zwei Mal aufgrund von Schäden vor Ort bei der gegenständlichen Immobilie gewesen.

  6. Zu Beginn des gegenständlichen Mietverhältnisses im November 2003 habe der Mietzins EUR 15.000,00 betragen, zuletzt sei er bei EUR 19.200,00 zzgl Betriebskosten und USt gelegen.

  7. Bis zur Insolvenzeröffnung sei die Miete von der ***X*** ordentlich bezahlt worden, es habe nie ein Problem gegeben.

  8. Bei der gegenständlichen Liegenschaft handle es sich um ein Gebäude, das in der Mitte geteilt sei. Es gebe zwei voneinander unabhängige Mietverträge (Geschäftsraummiete) an unterschiedliche Gesellschaften, die nicht zusammenhängen würden. Eine Mieterin sei die ***X*** gewesen, die zweite Mieterin sei ein Saunaclub.

  9. Wirtschaftlicher Eigentümer der Gesellschaftsanteile an der Beschwerdeführerin sei aktuell die *** Privatstiftung, deren Stifter ***A***, bis dato Geschäftsführer und Gesellschafter der Beschwerdeführerin, sei. Der zweite, noch im Firmenbuch ausgewiesene Gesellschafter der Beschwerdeführerin, ***B***, sei ab etwa 2010 oder 2011 Treuhänder von ***A*** gewesen, ebenso die Ehefrau und die frühere Freundin von ***B***. Gestern (am ) sei jedoch ein Abtretungsvertrag errichtet worden. Ab sofort sei die ***C*** GmbH einzige Gesellschafterin der Beschwerdeführerin; deren Gesellschafterin sei wiederum die Ehegattin von ***A***. Die Privatstiftung habe aktuell gar nichts mehr damit zu tun.

  10. Es habe zur Verkäuferin der Liegenschaft keinerlei Naheverhältnis gegeben.

  11. Wesentlich sei, dass die gegenständliche Haftungsbestimmung erst mit in Kraft getreten und zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags nicht bekannt gewesen sei.

  12. Der gegenständliche Vertrag unterliege dem Mietrechtsgesetz (MRG). Eine Kündigung durch die Beschwerdeführerin wäre nur aus einem aufgezählten wichtigen Grund möglich gewesen (zB wenn die Miete nicht bezahlt worden wäre, nicht aber aufgrund einer Haftungsbestimmung im GSpG); ein derartiger Grund sei jedoch nicht vorgelegen.

  13. Auf Seiten der Beschwerdeführerin sei es nicht bekannt gewesen, dass Abgabenschuldigkeiten der Mieterin bestanden. Erstmals habe die Beschwerdeführerin davon mit Schreiben vom von der belangten Behörde erfahren. Auch aus den Medien habe es die Beschwerdeführerin nicht erfahren, zumindest im Jahr 2017 nicht.

  14. Zur wirtschaftlichen Lage der Beschwerdeführerin: Verwiesen werde zunächst auf das negative Eigenkapital. Weiter werde seit März 2020 keine Miete mehr aus dem gegenständlichen Geschäftslokal bezahlt. Schließlich würden Instandhaltungsaufwendungen aufgrund eines Schadens am Dach anfallen. Vorgelegt wird ein Angebot der Firma *** über den Betrag von netto EUR 204.769,63 für Instandhaltungsarbeiten am Dach.

Von Seiten der Beschwerdeführerin wurde im Rahmen des Erörterungstermins die Rücknahme der Anträge auf mündliche Verhandlung und auf Entscheidung durch den Senat erklärt.

Zur Frage des Bundesfinanzgerichts, ob es eine nähere Begründung dafür gebe, warum im Rahmen der Ermessensausübung eine gegenständliche, auf das Ausmaß von 1,5% reduzierte Haftungsinanspruchnahme der gesamten Abgabenschuldigkeiten vorgenommen wurde, während in anderen Fällen die Reduktion auf etwa 10% erfolgt sei, übermittelte die belangte Behörde mit eine Stellungnahme, in der sie im Wesentlichen erklärte, dass das Ermessen im konkreten Einzelfall zu üben sei. Wie hoch der konkrete Prozentsatz der Haftungsinanspruchnahme in anderen (hier nicht gegenständlichen) Fällen sei, habe keine Bedeutung für den gegenständlichen Beschwerdefall. Weder im Gesetz, noch in den Gesetzesmaterialien gebe es Vorgaben oder Richtwerte, wie hoch die Haftungsinanspruchnahme im Einzelfällen ausfallen solle. Zentrale Überlegung der belangten Behörde sei gewesen, dass der zur Haftung herangezogenen Partei kein Vermögensnachteil in unvertretbarem Ausmaß (Vermögensverschleuderung, Insolvenzgefahr, etc) entstehe. Es komme daher auf die konkrete Vermögenssituation an. Weiter sei berücksichtig worden, wie lange der Abgabenzeitraum, für welchen zur Haftung herangezogen werde, sei und wie hoch die Abgabenbeträge seien. Die Behörde lege nicht Prozentsätze für die Haftungsinanspruchnahme fest, sondern ermittele vielmehr im Schätzungswege den angemessenen Haftungsbetrag und runde dann den sich ergebenden Prozentsatz. Jedenfalls sei bei einem aushaftenden Abgabenbetrag von rund EUR 81,1 Mio die Haftungsinanspruchnahme iHv EUR 1.216,628,29 nicht als überhöht anzusehen, zumal unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin auf eine Geldmachung der Haftung im Ausmaß von rund EUR 79,9 Mio Abstand genommen worden sei.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen

1. Feststellungen

Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine GmbH, deren ausschließlicher Geschäftsgegenstand in der Vermietung der Liegenschaft ***, mit der Grundstücksadresse ***, liegt. Die Beschwerdeführerin verfügt über keine weiteren Liegenschaften.

Auf der Liegenschaft befindet sich ein Gebäude, das in der Mitte geteilt ist (Geschäftsgebäude in gekoppelter Bauweise). Im Gebäude befinden sich zwei Mietobjekte, die beide unabhängig voneinander als Geschäftsräumlichkeiten an unterschiedliche Gesellschaften, die in keiner Verbindung zueinander stehen, vermietet sind. Das beschwerdegegenständlich relevante Hauptmietverhältnis betrifft die (ehemalige) Vermietung von Geschäftsräumlichkeiten an die ***X*** *** (in der Folge ***X***), das zweite (gegenständlich nicht relevante) Mietverhältnis betrifft einen Saunaclub.

Die gegenständliche Liegenschaft wurde von der Beschwerdeführerin mit Kaufvertrag vom von der ***, vormals *** ("vorherige Liegenschaftseigentümerin"), laut Vertrag frei von bücherlichen und außerbücherlichen Geldlasten, um den Kaufpreis von netto EUR 5 Mio (unecht umsatzsteuerbefreit) erworben. Laut vorliegendem Kaufvertrag seien keine Verfahren bei Gerichten, Schlichtungsstellen, Verwaltungs- oder Steuerbehörden anhängig oder angedroht gewesen. Vertraglich fand sich festgeschrieben, dass alle Hauptmietverträge übergehen. Zwischen der Verkäuferin und der Beschwerdeführerin bestand keinerlei Naheverhältnis und es liegen keine Umstände vor, die auf eine fehlende Fremdüblichkeit des Kaufpreises schließen lassen würden. Im Zuge des Liegenschaftserwerbs durch die Beschwerdeführerin gingen beide Mietverhältnisse auf sie über.

Das beschwerdegegenständlich relevante Mietverhältnis basiert auf dem am zwischen der ***X*** (vormals firmierend als ***) und der vorherigen Liegenschaftseigentümerin (***, später umfirmiert in ***) abgeschlossenen Hauptmietvertrag. Das Mietverhältnis begann am , lief und über den gesamten beschwerdegegenständlichen Zeitraum (Jänner 2011 bis Juni 2015) hinweg und endete aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die ***X*** am ***2016. Das gegenständliche Mietobjekt weist eine Nutzfläche von ungefähr 1.200 m2 auf und umfasst rund 1.840 m2 Parkplatz-Fläche. Laut im Mietvertrag angeführten Verwendungszweck durfte das Mietobjekt ausschließlich zu Geschäftszwecken, und zwar nur als Casinobetrieb mit integriertem Gastronomiebetrieb, verwendet werden; jede widmungswidrige Verwendung stellte ausdrücklich einen Kündigungsgrund dar.

Der monatliche Mietzins betrug im November 2003 EUR 15.000,00 und zuletzt EUR 19.200,00, jeweils zuzüglich Betriebskosten und Umsatzsteuer. Die Beschwerdeführerin stand mit der ***X*** (außer aufgrund des Mietverhältnisses) in keiner anderen Art von Naheverhältnis; auch zur vorherigen Eigentümerin der Liegenschaft bestand ein solches nicht. Es liegen keine Umstände vor, dass der Mietzins nicht fremdüblich war. Der Mietzins gestaltete sich jedenfalls völlig unabhängig vom Umsatz oder wirtschaftlichen Erfolg bzw von der Geschäftstätigkeit der ***X***.

Von der Mieterin (***X***) wurde in den Räumlichkeiten vertragsgemäß von Anfang an ein Pokercasino betrieben und dabei Poker-Cashgames und Poker Turniere durchgeführt. Ausspielungen mit Glücksspielautomaten wurden nicht vorgenommen. Die Beschwerdeführerin war in keiner Weise am Betrieb bzw an der Veranstaltung der Pokerspiele durch die ***X*** involviert und auch nicht am Umsatz oder geschäftlichen Erfolg in irgendeiner Weise beteiligt.

Das Mietverhältnis wurde vertraglich auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Laut Mietvertrag konnte das Mietverhältnis durch die Beschwerdeführerin als Vermieterin nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes aufgekündigt werden. Im Mietvertrag finden sich diesbezüglich folgende Gründe angeführt: Verwendung des Mietgegenstandes zu einem anderen Zweck als im Punkt Verwendungszweck genannt; qualifizierter Zahlungsverzug; qualifizierte Verletzung von Instandhaltungspflichten oder vertragswidrige bauliche Änderungen am Mietgegenstand; vertragswidrige Untervermietung; Eröffnung eines Konkurs- oder Ausgleichsverfahrens. Zudem verweist der Vertrag auch auf die Auflösungsründe des § 1118 ABGB, wonach ein Bestandgeber die frühere Aufhebung des Vertrags fordern kann, wenn der Bestandnehmer von der Sache einen erheblichen nachteiligen Gebrauch macht, wenn er mit der Zahlung des Zinses qualifiziert in Verzug ist oder wenn ein vermietetes Gebäude neu aufgeführt werden muss. Ausdrücklich verweist Punkt 1 Abs 3 des Mietvertrags auch darauf, dass das Mietobjekt dem MRG (Geschäftsraummiete) unterliegt.

Festzustellen ist, dass zumindest im Zeitraum von der Anschaffung der Liegenschaft durch die Beschwerdeführerin im Oktober 2008 bis über den beschwerdegegenständlichen Zeitraum (von Jänner 2011 bis Juni 2015) hinweg weder einer der vertraglich angeführten Gründe, noch ein Kündigungsgrund im Sinne des § 30 Abs 2 MRG oder des § 1118 ABGB vorgelegen war. Insbesondere wurde die monatliche Miete von der ***X*** bis zu deren Konkurseröffnung im Februar 2016 stets beglichen.

Es ergibt sich, dass der Beschwerdeführerin vom Zeitpunkt des Erwerbs der Liegenschaft im Oktober 2008 über den gesamten beschwerdegegenständlichen Zeitraum hinweg hinsichtlich des Geschäftsverlaufs der ***X*** oder hinsichtlich der Erfüllung ihrer abgabenrechtlichen Verpflichtungen in keiner Weise Einfluss- oder Kontrollmöglichkeiten zukamen. Sie hatte keine Möglichkeit, auf die Geschäftstätigkeit ihrer Mieterin einzuwirken, Bewilligungen zu erteilen oder die Einhaltung behördlicher Auflagen zu überwachen. Weder stand ihr die Berechtigung, noch die Verpflichtung zu, die Einhaltung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der ***X*** zu überprüfen bzw durchzusetzen. Sie befand sich derart nicht in der Lage, das Risiko von Abgabenausfällen der ***X*** zu kontrollieren und gegebenenfalls darauf einzuwirken.

Glaubhaft war es den handelnden Personen auf Seiten der Beschwerdeführerin bis zum Vorhalteschreiben der belangten Behörde vom bzw zumindest bis Ende des beschwerderelevanten Zeitraums im Juni 2015 nicht bekannt, dass offene Abgabenschuldigkeiten ihrer Mieterin bestanden haben.

Mit Konkurseröffnung über die ***X*** (Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***2016) wurde auch das gegenständliche Mietverhältnis beendet. Aktuell wird das Geschäftslokal an eine andere Gesellschaft im Naheverhältnis zu handelnden Personen der ***X*** weitervermietet, wobei derzeit vor Ort keine gewerbliche Tätigkeit entfaltet wird.

Zur allgemeinen wirtschaftlichen Lage der Beschwerdeführerin ist festzuhalten, dass diese im offengelegten Jahresabschluss 2019 Aktiva mit einem Buchwert von EUR 5.931.742,57, ein negatives Eigenkapital von EUR -916.071,76 und einen Bilanzverlust von EUR -951.071,76, davon Verlustvortrag iHv EUR -929.469,95, ausweist. Nach den Erläuterungen im Anhang liegt eine Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts nicht vor, das Negative Eigenkapital finde in den stillen Reserven des Gebäudes volle Deckung. Aufgrund eines Schadens am Dach des Gebäudes würden der Beschwerdeführerin laut einem vorgelegten Anbot demnächst ein Aufwand von voraussichtlich netto EUR 204.769,63 entstehen.

Laut angefochtenem Haftungsbescheid vom wurde die Beschwerdeführerin für 1,5% der aushaftenden Abgabenschuldigkeiten (Glücksspielabgaben) der ***X*** für die Zeiträume Jänner 2011 bis Juni 2015 am betreffenden Standort *** in Anspruch genommen. Die diesbezüglich aushaftenden Glücksspielabgaben der ***X*** betrugen für die genannten Zeiträume gesamt EUR 81.108.552,87; die Beschwerdeführerin wurde im Ausmaß von 1,5% dieses Betrags - sohin mit EUR 1.216.628,29 - von der belangten Behörde in Anspruch genommen.

Die belangte Behörde setzte zuvor gegen die ***X*** zahlreiche Handlungen zur Durchsetzung des Abgabenanspruchs. Für sämtliche Zeiträume wurden etwa laufend Säumniszuschläge vorgeschrieben. Darüber hinaus wurde der ***X*** im Rahmen ihrer Beschwerdeverfahren zunächst die Aussetzung der Einhebung gewährt, in der Folge jedoch von der Abgabenbehörde verwehrt, wogegen von Seiten der ***X*** Rechtsmittel erhoben wurden, was zu einer Verlängerung der Sperrwirkung führte. Diese Handlungen gaben sich klar nach außen zu erkennen. Wie bereits angeführt, wurde zudem mit ***2016 das Konkursverfahren über die ***X*** eröffnet, bei dem sämtliche Abgabenrückstände der ***X*** angemeldet wurden. Bis dato wurde der Konkurs noch nicht aufgehoben.

2. Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem oben angeführten Verfahrensgang, insbesondere aus den bezeichneten Schriftsätzen und durchgeführten Einvernahmen im Zuge des abgehaltenen Erörterungstermins sowie aus vorgenommenen Einsichten in das Firmenbuch und in FinanzOnline. Die Feststellungen können als unstrittig betrachtet werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1 Zu Spruchpunkt I. (Beschwerdestattgabe)

Mit gegenständlich angefochtenem Haftungsbescheid, datiert mit , wurde die Beschwerdeführerin als Vermieterin von Geschäftsräumlichkeiten von der belangten Behörde auf der Basis von § 59 Abs 4 lit a des Glücksspielgesetzes (GSpG) zur Haftung für offene Abgabenschuldigkeiten ihrer Mieterin (***X***) betreffend die Zeiträume Jänner 2011 bis Juni 2015 herangezogen. Im Rahmen einer vorgenommenen Ermessensübung wurde die Haftungsinanspruchnahme von der belangten Behörde auf 1,5% der gesamten aushaftenden Glücksspielabgaben beschränkt (1,5% von EUR 81.108.552,87 = EUR 1.216.628,29).

Von der Beschwerdeführerin wurde (nur) der bezeichnete Haftungsbescheid angefochten, nicht hingegen nach § 248 der Bundesabgabenordnung (BAO) der zugrundeliegende Abgabenanspruch. Neben inhaltlichem Vorbringen, wonach aus der Norm des § 59 Abs 4 GSpG keine Haftung der Beschwerdeführerin als bloße Vermieterin abgeleitet werden könne, erfolgte von Seiten der Beschwerdeführerin auch der Einwand, dass für die Zeiträume Jänner 2011 bis einschließlich November 2014 ohnehin bereits Einhebungsverjährung eingetreten sei.

3.1.1 Zum Einwand der Verjährung

Der eingewandte Eintritt der Einhebungsverjährung hinsichtlich der Glücksspielabgaben für die Zeiträume Jänner 2011 bis einschließlich November 2014 ergebe sich nach Ansicht der Beschwerdeführerin daraus, dass die Glücksspielabgabe für November 2014 am fällig geworden sei (die Glücksspielabgaben für vorangegangene Zeiträume dementsprechend früher). Der angefochtene Bescheid sei jedoch erst im Jänner 2020 erlassen worden, somit mehr als fünf Jahre nach dem . Die Beschwerdeführerin könne daher bereits aufgrund des Eintritts der Einhebungsverjährung nicht mehr zur Haftung für die Abgaben der benannten Zeiträume herangezogen werden.

In rechtlicher Beurteilung wird diesbezüglich von Seiten des Bundesfinanzgerichts ausgeführt, dass die Inanspruchnahme persönlich Haftender durch einen Haftungsbescheid ebenfalls eine Einhebungsmaßnahme darstellt. Zulässig ist eine diesbezügliche Inanspruchnahme nur, wenn die Einhebungsverjährung gegenüber dem Hauptschuldner noch nicht eingetreten ist (vgl etwa ).

Gemäß § 238 Abs 1 BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe. Gemäß Abs 2 wird die Verjährung fälliger Abgaben durch jede zur Durchsetzung des Anspruchs unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, Vollstreckungsmaßnahmen, Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder Erlassung eines Haftungsbescheids unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.

Darüber hinaus wird gemäß § 9 Abs 1 der Insolvenzordnung (IO) durch die Anmeldung im Insolvenzverfahren die Verjährung der angemeldeten Forderungen unterbrochen. Die Verjährung der Forderung gegenüber dem Schuldner beginnt von neuem mit dem Ablauf des Tages, an dem der Beschluss über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens rechtskräftig geworden ist.

Entsprechend obiger Feststellungen wurden von der belangten Behörde gegen die Hauptschuldnerin ***X*** zahlreiche Amtshandlungen zur Durchsetzung des Anspruchs unternommen, wie etwa die laufende Vorschreibung von Säumniszuschlägen, die sich klar nach außen zu erkennen gaben (vgl etwa ; , 2006/17/0054; , 2005/16/0095). Die Abgabenrückstände wurden darüber hinaus von der belangten Behörde als Forderungen im Konkursverfahren der ***X*** angemeldet (Konkurseröffnung am ***2016) und das Konkursverfahren wurde bis dato noch nicht rechtskräftig aufgehoben.

Durch die unternommenen Amtshandlungen wurde die Einhebungsverjährungsfrist jeweils unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist begann die fünfjährige Verjährungsfrist jeweils neu zu laufen bzw im gegenständlichen Fall sogar erst mit Ablauf des Tages, an dem der Beschluss über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens rechtskräftig wird.

Es ist somit hinsichtlich der beschwerdegegenständlich relevanten Zeiträume noch keine Einhebungsverjährung eingetreten.

3.1.2 Zur Haftungsbestimmung des § 59 Abs 4 Glücksspielgesetz

Gemäß § 2 Abs 1 GSpG sind Ausspielungen Glücksspiele, die (Z 1) ein Unternehmer veranstaltet, organisiert, anbietet oder zugänglich macht und (Z 2) bei denen Spieler oder andere eine vermögenswerte Leistung in Zusammenhang mit der Teilnahme am Glücksspiel erbringen (Einsatz) und (Z 3) bei denen vom Unternehmer, von Spielern oder von anderen eine vermögenswerte Leistung in Aussicht gestellt wird (Gewinn).

Entsprechend obiger Feststellungen wurden von der Beschwerdeführerin an die ***X*** Räumlichkeiten vermietet, in denen die ***X*** von Anfang an ein Pokercasino betrieb und dabei Poker-Cashgames und Poker Turniere durchführte. Während es sich in früheren Jahren in rechtlicher Hinsicht noch als ungeklärt darstellte, ob es sich bei Poker um ein Glücksspiel handelt, bzw sich sogar bis etwa in das Jahr 2017 diverse diesbezügliche Rechtsfragen als strittig erwiesen, kann mittlerweile von einer gesicherten höchstgerichtlichen Rechtsprechung ausgegangen werden, dass es sich bei den von der ***X*** ab dem Jahr 2011 veranstalteten Ausspielungen um solche iSd § 2 GSpG handelt, die gemäß § 57 GSpG der Glücksspielabgabe unterliegen (vgl etwa ; , E 1330/2016-13, E 1756/2016; , E 3862/2017, E 3452/2017 und E 3860/2017; sowie ; , Ro 2017/17/0025; , Ra 2018/17/0150; , Ro 2018/17/0007 und 0008; , Ro 2019/17/0003).

Aufgrund der Uneinbringlichkeit der Glücksspielabgaben bei der ***X*** zog die belangte Behörde die Beschwerdeführerin zur Haftung für die offenen Glücksspielabgaben für die Zeiträume Jänner 2011 bis Juni 2015 heran (im Rahmen der vorgenommenen Ermessensausübung auf 1,5% der aushaftenden Abgaben beschränkt). Die Behörde bezog sich dabei auf die Haftungsbestimmung des § 59 Abs 4 lit a GSpG, nach der derjenige für die korrekte Entrichtung der Glücksspielabgaben zur ungeteilten Hand haftet, der die Durchführung der Ausspielung in seinem Verfügungsbereich erlaubt.

§ 59 Abs 4 lit a GSpG in der gemäß § 60 Abs 22 GSpG seit dem anwendbaren Fassung BGBl I 54/2010 lautet:

Es haften für die korrekte Entrichtung der Abgaben zur ungeteilten Hand

a)derjenige, der die Durchführung der Ausspielung in seinem Verfügungsbereich erlaubt;

Von Seiten des Bundesfinanzgerichts wird diesbezüglich zunächst darauf hingewiesen, dass bei der Auslegung von Verwaltungsgesetzen aufgrund des Legalitätsprinzips nach Art 18 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) vorrangig eine Wortlautinterpretation (bzw Wortinterpretation oder wörtliche Auslegung) vorzunehmen ist (vgl etwa ; , Ro 2018/15/0020; , Ro 2020/15/0016). Es hat dabei eine Orientierung am Sprachgebrauch der Allgemeinheit oder an jenem des Gesetzgebers zu erfolgen. Grundsätzlich ist somit zu fragen, welche Bedeutung einem Ausdruck nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bzw dem Sprachgebrauch des Gesetzgebers zukommt. Es müssen dabei die objektiven, jedermann zugänglichen Kriterien des Verständnisses im Vordergrund stehen, nicht hingegen ein subjektives Verständnis der einzelnen Beteiligten.

Nach dem Wortlaut des § 59 Abs 4 lit a GSpG trifft denjenigen die Haftung für die korrekte Entrichtung der Abgaben, der die Durchführung einer Ausspielung "in seinem Verfügungsbereich erlaubt". Nach allgemeinem Sprachgebrauch wird es sich beim eigenen Verfügungsbereich um jenen Bereich handeln, den man selbständig nutzen kann, etwa um dem eigenen Wohnbedürfnis, seinen geschäftlichen Interessen oder gewerblichen Tätigkeiten nachzukommen. Unter "erlauben" versteht man im allgemeinen Sprachgebrauch, jemandem zu etwas die Zustimmung zu erteilen bzw etwas zu gestatten.

Ein Mieter kann - sofern er sich innerhalb der Grenzen des Vertrags bzw der Verkehrssitten bewegt - in angemieteten Gastronomieräumlichkeiten einem Dritten etwa die Erlaubnis erteilen, Infomaterial aufzulegen, Lesungen oder Konzerte zu veranstalten, Automaten aufzustellen oder aber auch Ausspielungen zu veranstalten. Einem Vermieter wäre es hingegen klar verwehrt, einem Dritten die Vornahme derartiger Handlungen in dem von ihm vermieteten Objekt zu erlauben. Nichts anderes kann gelten, wenn die angeführten Handlungen vom Mieter selbst durchgeführt werden. Es wird allgemein weder erforderlich, noch üblich bzw gar nicht möglich sein, dass ein Vermieter seinem Mieter derartige Handlungen erlaubt. Es handelt sich nämlich insoweit nicht um Handlungen, die den Verfügungsbereich des Vermieters betreffen, als er dafür auch keine Erlaubnis erteilen kann.

Während der Vermieter Sachbesitzer des von ihm vermieteten Objekts bleibt, kommt dem Mieter der Rechtsbesitz zu, der sich auf den vertragsgemäßen bzw auf den im Umfang der Verkehrssitte liegenden Gebrauch am Mietobjekt erstreckt (vgl MietSlg 36.014). Dem Mieter steht es zu, das Mietobjekt somit konkludent in orts- und verkehrsüblicher Weise zu nutzen, wobei im Inneren des Bestandobjekts sogar ein großzügigerer Maßstab gilt, als für allgemeine Teile (MietSlg 69.014). Der Sachbesitz des Vermieters reicht nur so weit, als er nicht durch den Rechtsbesitz des Mieters eingeschränkt wird. Der Rechtsbesitz geht in diesem Sinne dem Sachbesitz vor (vgl Kodek in Fasching/Konecny3 III/2 § 454 ZPO Rz 33).

Ein Mieter von Geschäftsräumlichkeiten übt seine gewerbliche Tätigkeit somit in seinem eigenen Verfügungsbereich und nicht in jenem seines Vermieters aus. Der Mieter kann sich als Rechtsbesitzer mittels Besitzstörungsklage nach § 339 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) gegen Eingriffe zur Wehr setzen und selbst den Vermieter dazu zwingen, Störungen zu unterlassen. Hingegen kann sich der Vermieter gegen Handlungen des Mieters, die sich im vertragsmäßigen und der Verkehrssitte entsprechenden Gebrauch des Mietobjekts bewegen, keine Abhilfe verschaffen. Er ist hinsichtlich des Mietobjekts insoweit nicht verfügungsberechtigt, als er einem Dritten oder dem Mieter selbst die Erlaubnis erteilen könnte, im Mietobjekt Ausspielungen zu veranstalten. Ganz im Gegenteil hat der Vermieter entsprechende Handlungen seines Mieters zu dulden und ist im Rahmen seiner vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten sogar verpflichtet, den Mieter in der Ausübung seines Rechtsbesitzes gegen Dritte zu schützen. Er kann sich bloß dann zur Wehr setzen, wenn das Mietobjekt über den vertragsgemäßen oder der Verkehrssitte entsprechenden Umfang hinaus benutzt werden würde.

Im beschwerdegegenständlichen Fall kam der ***X*** als Mieterin der Rechtsbesitz und die damit einhergehende entsprechende Verfügungsgewalt über die Räumlichkeiten zu. Die Nutzung des Mietobjekts erfolgte durch die Mieterin im vertragsgemäßen bzw innerhalb des durch die Verkehrssitte abgesteckten Rahmens. Selbst wenn vertraglich nicht explizit die Nutzung ausschließlich zu Geschäftszwecken, und zwar nur als Casinobetrieb mit integriertem Gastronomiebetrieb festgeschrieben worden wäre, wäre die Nutzung durch die Veranstaltung von legalen Ausspielungen nicht über den der Verkehrssitte entsprechenden Umfang hinaus erfolgt. Bei der Veranstaltung von Ausspielungen handelte die ***X*** somit in ihrem eigenen Verfügungsbereich. Es handelte sich bei den Räumlichkeiten hinsichtlich der durchgeführten Ausspielungen daher nicht um den in § 59 Abs 4 lit a GSpG benannten Verfügungsbereich der Beschwerdeführerin als Vermieterin, weshalb sie auch keine diesbezügliche Erlaubnis zur Durchführung von Ausspielungen in ihrem Verfügungsbereich gewähren konnte; sie hatte als bloße Sachbesitzerin vielmehr den zulässigen Gebrauch des Mietobjekts durch ihre Mieterin zu dulden.

Darüber hinaus lässt auch der im Gesetz verwendete Terminus "Erlauben", insbesondere im gegebenen Kontext (bzw im systematischen Zusammenhang) mit Ausspielungen, nicht darauf schließen, dass die gegenständliche Norm den Vermieter einer Liegenschaft ansprechen will. Wie die Beschwerdeführerin mit Verweis auf Beiser (Haften Vermieter für Glücksspielabgaben der Mieter? taxlex 2018, 87) zutreffend vorbringt, erstreckt sich die Erlaubnis eines Vermieters grundsätzlich bloß allgemein auf die Benutzung der vermieteten Räumlichkeiten im Rahmen der vom Gesetz erlaubten Zwecke und unter Einhaltung der behördlichen Auflagen. In diesem Sinne erlaubt ein Vermieter nicht die Durchführung von Ausspielungen, er duldet sie allenfalls bloß. Eine diesbezügliche Erlaubnis kann in diesem Sinne nur durch die zuständige Behörde erteilt worden sein.

Dass im vorliegenden Fall das Mietobjekt "ausschließlich zu Geschäftszwecken, und zwar nur als Casinobetrieb mit integriertem Gastronomiebetrieb" verwendet werden durfte, ändert daran nichts. Der ***X*** wurde die Erlaubnis zur Durchführung von Ausspielungen von Seiten der Gewerbebehörde erteilt, von der Beschwerdeführerin als Vermieterin wurde die Tätigkeit in der Folge geduldet.

Mangels Durchführung von Ausspielungen im diesbezüglichen Verfügungsbereich der Beschwerdeführerin und der damit einhergehenden Unmöglichkeit, die tatbestandsmäßige Erlaubnis zu erteilen, kann die Norm des § 59 Abs 4 GSpG nach Beurteilung durch das Bundesfinanzgericht im gegenständlichen Fall zumindest hinsichtlich des laufenden Mietverhältnisses keine Haftung für die Beschwerdeführerin begründen (vgl dazu auch die diesbezüglichen Ausführungen von Beiser, taxlex 2018, 87; ders, Der Rechtsschutz gegen gesetzes-, verfassungs- oder unionsrechtswidrige Abgaben - Anträge auf Normprüfung zur Aufhebung oder Auslegung nach höherrangigem Recht? ÖStZ 2020/590, 453, denen sich das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen anschließt).

Erlaubniserteilung im Zuge des Abschlusses des Mietvertrages?

Nach Ansicht der belangten Behörde sei der ***X*** als Mieterin die Erlaubnis zur Durchführung der Ausspielungen - wenn schon nicht während des laufenden Mietverhältnisses - jedenfalls jedoch insgesamt zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags erteilt worden. Zu diesem Zeitpunkt sei der ***X*** die Durchführung der Ausspielungen in den bis dahin auf jeden Fall im Verfügungsbereich der Vermieterin stehenden Räumlichkeiten im Sinne des § 59 Abs 4 GSpG erlaubt worden. Dies insbesondere deshalb, weil das Mietobjekt ausdrücklich zum Betrieb eines Casinos vermietet wurde.

Von Seiten des Bundesfinanzgerichts wird dieser Ansicht zunächst damit entgegengetreten, dass der Wortlaut "in seinem Verfügungsbereich erlaubt" dem allgemeinen Sprachgebrauch nach eher auf einen Zeitraumbezug schließen lässt, und zwar in dem Sinne, als ein diesbezügliches Erteilen einer Erlaubnis zur Durchführung von Ausspielungen einen Bezug auf konkrete Zeiträume und weniger auf einen einzelnen Zeitpunkt indiziert. Insbesondere wird dies (im Sinne einer systematischen Auslegung) im gegebenen Kontext von Ausspielungen gelten, zumal sich das Glücksspielgesetz gemäß § 59 Abs 3 jeweils auf die Abgabe des bestimmten Zeitraums (und zwar eines Kalendermonates) bezieht und wohl auch die Haftung nach § 59 Abs 4 GSpG jeweils auf Abgaben des jeweiligen Monats abstellt. Der Terminus "Erlaubnis in seinem Verfügungsbereich" wird somit auch in dem Sinne ausgelegt werden müssen, dass jeweils auf den Zeitraum eines Kalendermonats abgestellt wird. Dies unterstreicht auch der Umstand, dass der Wortlaut des § 59 Abs 4 GSpG von "Ausspielung" spricht, also den Singular verwendet - es finden demnach Monat für Monat immer wieder neue Ausspielungen statt; entsprechend dieser Auslegung, würde jeweils von neuem eine neue entsprechende Erlaubnis zur Durchführung im eigenen Verfügungsbereich erteilt werden müssen. Wie bereits ausgeführt, wäre es einem Vermieter im Zuge eines laufenden Mietverhältnisses jedoch verwehrt, eine derartige Erlaubnis zu erteilen.

Hingegen deutet der Wortlaut der Norm dem allgemeinen Sprachgebrauch nach kaum auf eine Zeitpunktbezogenheit in dem Sinne hin, dass sich die Einräumung der entsprechenden Erlaubnis auf den konkreten Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags bezieht und damit ein für alle Mal (bzw bis zur Möglichkeit der Auflösung des Mietverhältnisses) erteilt werden würde. Ein diesbezügliches Abstellen nur auf diesen Zeitpunkt würde darüber hinaus, wie dies die Beschwerdeführerin zutreffend ausführt, die Haftung unsachlich erweitern und die Kausalität ausufern lassen. Umso mehr muss dies im vorliegenden Fall gelten, zumal die Beschwerdeführerin den Mietvertrag selbst überhaupt nicht abgeschlossen hat (siehe dazu weiter unten).

Betreffend das beschwerdegegenständlich vorliegende Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter adressiert die Norm des § 59 Abs 4 GSpG somit eher den Mieter. Würde dieser jemandem Ausspielungen in seinem Verfügungsbereich (somit in seinen angemieteten Räumlichkeiten) erlauben, könnte eine entsprechende Haftung schlagend werden. Anders als es die belangte Behörde vermeint, würde sich die Norm bei einer derartigen Auslegung keinesfalls als anwendungsleer erweisen: Ein Mieter von Gastronomieräumlichkeiten könnte etwa einem Dritten die Erlaubnis erteilen, Ausspielungen in seinen Räumlichkeiten durchzuführen - sei es auch nur deshalb, um dadurch selbst höhere Getränkeumsätze zu generieren.

Für das Bundesfinanzgericht ergibt sich somit, dass ein bloßer Vermieter grundsätzlich nicht unter den Wortlaut des § 59 Abs 4 lit a GSpG subsumierbar ist. Wollte der Gesetzgeber den Vermieter zur Haftung verpflichten, hätte er ihn wohl (zumindest demonstrativ) im Wortlaut auch benannt.

Abschluss des Mietvertrags durch die vorherige Liegenschaftseigentümerin

Der vorliegende Fall ist noch dazu derart gelagert, dass der gegenständliche Mietvertrag (datiert mit ) vermieterseitig nicht von der Beschwerdeführerin, sondern von der vormaligen Liegenschaftseigentümerin (***) abgeschlossen wurde. Erst etwa fünf Jahre danach wurde die gesamte Liegenschaft mit Kaufvertrag vom an die Beschwerdeführerin veräußert (entsprechend obiger Feststellungen bestand weder zwischen den Kaufvertragsparteien noch zwischen der Beschwerdeführerin und der ***X*** ein Naheverhältnis und es gestaltete sich sowohl die Vermietung als auch der Verkauf fremdüblich).

Da das Mietobjekt in den Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes (MRG) fällt, gingen gemäß § 2 Abs 1 MRG, entgegen der von der belangten Behörde geäußerten Ansicht, im Rahmen des Erwerbs der Liegenschaft ex lege alle bestehenden Hauptmietverhältnisse automatisch auf die Beschwerdeführerin über, ohne dass es zu einer Änderung der Verfügungsgewalt über die Räumlichkeiten kommen hätte können. Der Beschwerdeführerin kam dabei auch nicht das Recht zu, das gegenständliche Mietverhältnis im Zuge des Erwerbs aufzulösen. Entsprechend obiger Feststellungen erlaubt der Mietvertrag der Vermieterin nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes eine Aufkündigung, wobei die Durchführung von Ausspielungen keinen derartigen Grund darstellt; nach den getroffenen Feststellungen lag auch kein anderer möglicher Grund, weder einer der vertraglich genannten, noch ein Kündigungsgrund im Sinne des § 1118 ABGB oder des § 30 Abs 2 MRG, vor. Die Beschwerdeführerin hatte daher weder im Zeitpunkt des Liegenschaftserwerbs, noch über den gesamten beschwerdegegenständlichen Zeitraum Jänner 2011 bis Juni 2015 hinweg die Möglichkeit, das Mietverhältnis zu aufzulösen.

Mangels somit (im Sinne eines Rechtsbesitzes) vorhandener Verfügungsgewalt über die Räumlichkeiten, konnte von der Beschwerdeführerin umso weniger selbst die tatbestandsmäßige Erlaubnis im Sinne des § 59 Abs 4 GSpG erteilt worden sein. Selbst wenn man die (vom Bundesfinanzgericht nicht geteilte) Auffassung vertreten würde, dass insgesamt durch den Abschluss des Mietvertrags die tatbestandsmäßige Erlaubnis erteilt worden wäre, ergibt sich im beschwerdegegenständlichen Fall, dass die Beschwerdeführerin den Mietvertrag eben nicht selbst abgeschlossen hatte und sie die Räumlichkeiten von der Anschaffung der Liegenschaft im Oktober 2008 über den gesamten beschwerdegegenständlichen Zeitraum hinweg nicht ein einziges Mal im unvermieteten Zustand in ihrem Besitz hielt und schon aus diesem Grund keine Erlaubnis betreffend ihres Verfügungsbereichs erteilen hätte können.

Auch der von der belangten Behörde geäußerten Auffassung, dass die Beschwerdeführerin durch den Erwerb der Liegenschaft im Wissen, dass in den vermieteten Räumlichkeiten Ausspielungen stattfanden, gewissermaßen die entsprechende Erlaubnis erteilt habe, kann von Seiten des Bundesfinanzgerichtes nicht gefolgt werden. Es wird diesbezüglich wieder auf den oben bereits erwähnten Zeitraum-Bezug der Bestimmung und den Aspekt der ausufernden Kausalität verwiesen.

Abschluss des Mietvertrags vor Inkrafttreten der Haftungsbestimmung des § 59 Abs 4 GSpG

Schließlich bleibt darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Mietvertrag bereits am abgeschlossen wurde, somit weit vor Inkrafttreten der Haftungsbestimmung des § 59 Abs 4 GSpG idF BGBl I 54/2010 zum (vgl § 60 Abs 22 GSpG). Im Jahr 2003 sowie im gesamten Zeitraum vor dem existierte keine vergleichbare Haftungsvorschrift.

Darüber hinaus ist auch darauf hinzuweisen, dass sowohl zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses im Jahr 2003 als auch beim Liegenschaftserwerb im Jahr 2008 generell noch keine geklärte Rechtslage vorlag, ob es sich bei Poker überhaupt um ein Glücksspiel handelt und daher entsprechende Abgaben anfallen (oder ob Poker ausschließlich dem Gewerberecht unterliegt). Wie oben ausgeführt, können erst etwa seit dem Jahr 2017 alle diesbezüglichen Fragen als endgültig geklärt angesehen werden (vgl insbesondere ).

Auch diese Umstände sprechen gegen eine auf § 59 Abs 4 GSpG basierende, rechtmäßige Haftungsheranziehung der Beschwerdeführerin. (Selbst, wenn man dennoch eine Haftung dem Grund nach bejahen würde, müsste im Zuge der bei einer Haftungsinanspruchnahme vorzunehmenden Ermessensausübung im gegenständlichen Fall der Haftungsbetrag auf Null herabgesetzt werden.)

Weitere Auslegungsmethoden

Wie ausgeführt, lässt sich bei Anwendung der Wortlautinterpretation bzw der systematischen Interpretation kaum die Deutung tragen, dass durch die Vorschrift des § 59 Abs 4 GSpG ein bloßer Vermieter von Räumlichkeiten zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten seines Mieters herangezogen werden kann. Insbesondere muss das - wie erwähnt - im beschwerdegegenständlichen Fall gelten, zumal der zugrundeliegende Mietvertrag von der vorherigen Liegenschaftseigentümerin und noch dazu vor dem Inkrafttreten der Haftungsbestimmung zum abgeschlossen wurde. Würde man dennoch von einem Zweifelsfall ausgehen, führt die Heranziehung weiterer Auslegungsmethoden zu einer entsprechenden Bestätigung.

Zunächst ist dabei darauf hinzuweisen, dass eine historische Auslegung durch Rückgriff auf die Gesetzesmaterialien (vgl , wonach die Erläuterungen zur Regierungsvorlage im Rahmen der Interpretation des Gesetzes einen Hinweis auf das Verständnis des Gesetzes bieten können) die vom Bundesfinanzgericht getroffene Beurteilung weder stützt, noch widerlegt. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu § 59 Abs 4 GSpG in der seit dem anwendbaren Fassung BGBl I 54/2010 (ErlRV 658 BlgNR XXIV. GP 9) lauten:

"In § 59 sind die Entstehung der Steuerschuld, der Abgabenschuldner, die Bestimmungen zur Selbstbemessungsabgabe und zur Haftung geregelt und bewertungsrechtliche Bestimmungen enthalten."

Eine Absicht des Gesetzgebers, einen bloßen Vermieter für die Abgabenschuldigkeiten seines Mieters haftbar zu machen, kann daraus jedenfalls nicht abgeleitet werden.

Hingegen ist bei Zweifelsfällen bzw mehreren möglichen Auslegungsvarianten nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs gemäß dem Gesichtspunkt der verfassungskonformen Interpretation jene Auslegung zu wählen, die eine Norm nicht als verfassungswidrig erscheinen lässt (vgl etwa ; , 2005/12/0251; , 98/15/0100). Innerhalb der Grenzen des Wortlauts ist eine Norm somit im Zweifel so zu verstehen, dass sie nicht fehlerhaft ist, somit also dem übergeordneten Recht nicht widerspricht. Einfache Gesetze sind demnach möglichst so auszulegen, dass sie sich in die Verfassungsordnung einfügen (; , 2009/16/0087).

Konkret ist § 59 Abs 4 GSpG als einfachgesetzliche Norm daher nicht so zu interpretieren, dass die Bestimmung mit der Verfassung in Widerspruch steht, sondern sich innerhalb der verfassungsrechtlichen Vorgaben bewegt. Das Bundesfinanzgericht folgt diesbezüglich im Wesentlichen den auf den Beiträgen von Beiser (taxlex 2018, 87 und ÖStZ 2020/590, 453) beruhenden Ausführungen der Beschwerdeführerin.

Aus dem Gleichheitssatz des Art 7 B-VG, an den der Gesetzgeber unbestritten gebunden ist (vgl etwa ua), entwickelte der Verfassungsgerichtshof etwa ab den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts ein allgemeines Sachlichkeitsgebot (vgl zum Übergang etwa ). In beschwerdegegenständlich relevanter Hinsicht folgt aus diesem, dass sich eine Haftung nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes als gerechtfertigt erweist. Eine sachlich nicht begründete Behandlung eines Sachverhalts würde sich hingegen als willkürliche Verschiedenbehandlung erweisen und ist derart zu vermeiden.

Wird jemand durch eine Regelung dazu verhalten, für etwas einzustehen, womit ihn nichts verbindet, also für Umstände, die außerhalb seiner Interessen- und Einflusssphäre liegen, erweist sich diese Regelung als unsachlich (vgl ; G83/88; G85/88; G86/88; G87/88; G88/88; G90/88; G207/88). Es ist nach der haftungsrechtlichen Judikatur des Verfassungsgerichtshofs somit unsachlich, wenn jemand für etwas einstehen soll, womit ihn nichts verbindet (vgl G 6/66; , G 141/99). Es darf daher niemand aus Gründen belangt werden, die er nicht beeinflussen kann (vgl ), bzw verstößt es allgemein gegen den Gleichheitssatz, wenn eine Vorschrift jemanden in eine ausweglose Situation bringt (vgl dazu Gunacker-Slawitsch, Amtswegigkeit und Mitwirkung im Abgabenverfahren [2020] 57). Dies gilt auch für jene Fälle, in denen der Gesetzgeber die Pflicht zur Entrichtung einer Abgabe einer vom Steuerschuldner verschiedenen Person auferlegt (vgl ua; in dieser Entscheidung hat es der VfGH als Verstoß gegen den Gleichheitssatz beurteilt, dass Kreditinstituten die Verpflichtung zur Abfuhr der Steuer auch in den Fällen auferlegt wurde, in denen ihnen die dafür erforderlichen Daten und/oder erforderlichen Mittel nicht zur Verfügung standen bzw von ihnen nicht ohne weiteres beschafft werden konnten; vgl dazu auch Gunacker-Slawitsch, aaO). Aus dem verfassungsrechtlichen Sachlichkeitsgebot folgt somit, dass ein durch eine Rechtsbeziehung begründeter sachlicher Zusammenhang zwischen dem Abgabepflichtigen und dem Haftungspflichtigen bestehen muss.

Im zitierten Erkenntnis vom (G 82/88 ua) beschäftigte sich der Verfassungsgerichtshof mit der Frage der Haftungsinanspruchnahme eines Verpächters und bejahte dabei im Verhältnis zwischen Verpächter und Pächter das Vorliegen eines starken Naheverhältnisses und sah derart die geforderte sachliche Begründung als gegeben an. Es handelte sich im zugrundeliegenden Sachverhalt jedoch eben nicht um ein bloßes Mietverhältnis, sondern um ein Pachtverhältnis. Ausdrücklich wies der Verfassungsgerichtshof darauf hin, dass sich ein Verpächter eben alle ihm erforderlichen Einfluss- und Einschaurechte sichern könne. Er könne sich eine bestimmte Art der Betriebsführung ausbedingen (zB Verträge mit Getränkelieferanten oder Brauereien überbinden) oder ein volles Einschaurecht in die steuerliche Gebarung verlangen. Solche Vertragsklauseln, so der Gerichtshof, seien nicht nur bloß möglich, sondern je nach Vorsicht der Verpächter auch durchaus üblich. Aufgrund seiner Kenntnis des Betriebs könne der Verpächter auch mit einiger Sicherheit beurteilen, ob die steuerliche Gestion des Verpächters sachlich richtig sei, ob die Steuern in richtiger Höhe einbekannt und festgesetzt würden. Dazu komme noch, dass der Verpächter Eigentümer des Betriebs bleibe, also ungeachtet des Umstands, dass er den Betrieb nicht selbst führe, durch ein festes Band mit dem Betrieb verbunden sei, der früher oder später wieder an ihn ins unbeschränkte Eigentum zurückfallen müsse (vgl ua).

Ein bloßer Vermieter, der auch in keiner Weise am Umsatz oder wirtschaftlichen Erfolg bzw an den Ausspielungen selbst beteiligt ist, steht hingegen im Hinblick auf den geführten Betrieb nicht in einem (wie allenfalls bei einem Pachtverhältnis vorliegenden) vergleichbaren Naheverhältnis zu seinem Mieter und ihm stehen derartige Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten auch in keiner Weise zu. Insbesondere ist es einem Vermieter nicht möglich, die abgabenrechtlichen Gebarungen seines Mieters einzusehen oder zu beurteilen, ob sie korrekt sind bzw zu erkennen, ob der Mieter seinen abgabenrechtlichen Pflichten auch tatsächlich nachkommt.

Im vorliegenden Fall vermietete die Beschwerdeführerin bloß Räumlichkeiten an die ***X***, mit der sie in keinem Naheverhältnis stand. Sie war in keiner Weise in die abgabenpflichtigen Ausspielungen eingebunden und auch nicht am Umsatz oder wirtschaftlichen Erfolg der Ausspielungen beteiligt. Als bloße Vermieterin der Räumlichkeiten kam der Beschwerdeführerin weder die Berechtigung, noch die Verpflichtung zu, die Einhaltung der Abgabenpflichten durch ihre Mieterin zu prüfen oder durchzusetzen; sie hatte auch nicht die Möglichkeit, auf die Geschäftstätigkeit ihrer Mieterin einzuwirken, Bewilligungen zu erteilen oder die Einhaltung behördlicher Auflagen zu überwachen. Wie oben bereits dargelegt, kam ihr nicht einmal das Recht zu, den gegenständlichen Mietvertrag aufzulösen - weder gleich zum Zeitpunkt der Anschaffung der Liegenschaft im Oktober 2008, noch über den gesamten beschwerdegegenständlichen Zeitraum Jänner 2011 bis Juni 2015 hinweg. Die Beschwerdeführerin befand sich somit nicht in der Lage, das Risiko zur Tragung der Abgaben effizient zu kontrollieren bzw die Haftung zu vermeiden. Darüber hinaus ist auch auf den Umstand hinzuweisen, dass die gegenständliche Haftungsinanspruchnahme für Abgabenschulden im Ausmaß von etwa EUR 1,2 Mio in keinem angemessenen Verhältnis zum vereinnahmten monatlichen Mietzins von zuletzt EUR 19.200,00 steht.

Nach verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten kann im beschwerdegegenständlichen Fall somit kein sachlicher Grund iSd Art 7 B-VG für eine Haftung ausgemacht werden. Eine Haftungsinanspruchnahme der Beschwerdeführerin würde sich in diesem Sinne als unsachlich und somit nicht als verfassungskonform erweisen.

Nimmt man bei der Auslegung der Norm des § 59 Abs 4 GSpG daher auf den Gleichheitssatz des Art 7 B-VG bedacht, führt dies zur Bekräftigung bzw Bestätigung der bereits oben vorgenommenen Beurteilung des Bundesfinanzgerichts, dass aus dieser Norm im gegenständlichen Fall keine Haftung für die Beschwerdeführerin als Vermieterin abgeleitet werden kann. Der Beschwerde war daher Folge zu geben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben.

Da die betreffende Norm verfassungskonform ausgelegt werden konnte, verblieben auf Seiten des Bundesfinanzgerichts keine verfassungsrechtlichen Bedenken iSd Art 89 Abs 2 B-VG iVm Art 135 Abs 4 B-VG gegen die Norm bestehen. Von einem Normenkontrollersuchen an den Verfassungsgerichtshof wurde daher Abstand genommen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Zulässigkeit der Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 59 Abs 4 lit a GSpG haftet derjenige, der die Durchführung einer Ausspielung in seinem Verfügungsbereich erlaubt, für die korrekte Entrichtung der Glücksspielabgaben zur ungeteilten Hand. Die Rechtsfrage, ob diese Bestimmung derart ausgelegt werden kann, dass dadurch ein bloßer Vermieter zur Haftung für Glücksspielabgaben seines Mieters herangezogen werden kann, wurde durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs noch nicht geklärt. Die Revision war daher gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Glücksspiel
betroffene Normen
Art. 7 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 59 Abs. 4 lit. a GSpG, Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989
Verweise











G 6/66







Zitiert/besprochen in
Ehgartner in BFGjournal 2021, 32
Twardosz/Oreschnik in SWK 7/2021, 493
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7103149.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at