Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.11.2020, RV/7102970/2020

Eigenheim als Voraussetzung für die Hauptwohnsitzbefreiung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr Roland Pfleger, Mariahilfer Straße 27/4/16, 1060 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom betreffend Einkommensteuer 2017 Steuernummer 07-zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom schrieb das Finanzamt ***Bf1*** (im Folgenden kurz Beschwerdeführerin = Bf.) für das Jahr 2017 Einkommensteuer in Höhe von € 60.960,00, darin u.a. Steuer für Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen (besonderer Steuersatz von 30%) in Höhe von€ 145.950,00 und Immobilienertragsteuer (ImmoESt) in der Höhe von - € 84.651,00 enthaltend vor, resultierend aus dem Verkauf der Liegenschaft Ort1, mit der Grundstücksadresse Ort1.1 an die A mit Kaufvertrag vom Dat1 zu einem Preis von € 3.475.000,00. Die Bf. erwarb die Liegenschaft ihrerseits mit Schenkungsvertrag vom Dat2. Laut ZMR-Auszug war die Bf. im Zeitraum von Dat3 - Dat4 hauptwohnsitzlich an der Adresse der verkauften Liegenschaft gemeldet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom steuerlichen Vertreter der Bf. rechtzeitig eingebrachte Beschwerde vom , in der eingewendet wird, dass aufgrund der Feststellungen der Außenprüfung über die Jahre 2015 - 2017 eine erhöhte ImmoESt festgesetzt worden sei. Das Objekt sei nie von der Prüferin besichtigt worden. Die Wohnung der Bf. und ihrer Familie habe aus den im Gutachten als Top 6 und Top 7 bezeichneten Räumen bestanden. Diese Wohnung habe einen gemeinsamen Eingangsbereich mit zwei Türen, um Zugluft zu vermeiden. Im Vorraum befände sich eine Treppe, die in die oberen Räumlichkeiten führe. Wenn man sich vor dem Eingang befunden habe, dann sei klar gewesen, dass es sich hier um den Zugang zu einer Wohnung gehandelt habe, die zwei Etagen umfasse und die durch eine außerhalb des Wohnbereiches gelegene Treppe verbunden sei. Die im Gutachten angeführten beiden Wohneinheiten würden sich auf die Tatsache beziehen, dass grundsätzlich die Möglichkeit bestehe, Top 6 und Top 7 zu trennen und so als eigene Wohnungen vermietet zu werden. Top 6 habe keine Küche, es hätten sich dort die Zimmer der beiden Söhne sowie die allgemeinen Räumlichkeiten der Familie befunden. Diese Zimmer seien noch teilweise von der Familie genutzt worden, vor allem vom Ehegatten der Bf. für die Lagerung seiner Erinnerungsstücke aus Zeiten als erfolgreicher Handballspieler und Trainer sowie als Manager in einem großen Pharmaunternehmen. Für das gartenseitig gelegene Gebäude mit Grundanteil würde die Hauptwohnsitzbefreiung gelten und sei daher der Einkommensteuerbescheid dementsprechend abzuändern.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , zugegangen am , und Bescheidbegründung vom , gesondert zugegangen am , wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab und führte diesbezüglich aus, dass am vor Prüfungsbeginn eine äußere Besichtigung der Liegenschaft stattgefunden habe. Es seien seitens der Steuerberatung detaillierte Pläne und ein Gutachten über die Liegenschaft vorgelegt worden, wodurch eine erneute Besichtigung als nicht notwendig erachtet worden sei. Die vorgelegten Pläne seien laut steuerlichem Vertreter der Bf. die Grundlage für die Berechnung der Hauptwohnsitzbefreiung. Diese würden neben 8 Bestandsplänen der vorhandenen Wohnungen auch eine Vogelperspektive der Gebäude beinhalten, auf welchem zwei Eingänge für die Wohnungen Top 6 und Top 7 eingezeichnet seien. In dem vorgelegten Gutachten sowie in dem Kaufvertrag über die Liegenschaft würden jeweils 8 Wohnungen angeführt. Im straßenseitigen Baukörper befänden sich 5 Wohnungen (Top 1 - 5) und im gartenseitigen Baukörper drei Wohnungen (Top 6 - 8). Bei der Besichtigung am sei die Gegensprechanlage abfotografiert worden, welche 8 Wohnungen mit Gegensprechanlage zeige, was ein weiteres Indiz dafür sei, dass es sich bei Top 6 um eine eigenständige Wohneinheit handle. Laut Bestandsplan gebe es in der Wohnung Top 6 auch eine eigene 8,09 m2 große Küche. Die Hauptwohnsitzbefreiung für Eigenheime ziele auf die Legaldefinition des § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG ab. Demnach sei ein Eigenheim ein Wohnhaus mit nicht mehr als zwei Wohnungen, wenn mindestens zwei Drittel der Gesamtnutzfläche des Gebäudes Wohnzwecken dienen würden. Gemäß § 30 Abs. 2 Z 1 EStG seien von der Besteuerung Eigenheime im Sinne des § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG ausgenommen, wenn sie dem Veräußerer ab der Anschaffung oder Herstellung (Fertigstellung) bis zur Veräußerung für mindestens zwei Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient hätten und der Hauptwohnsitz aufgegeben werde. Unter der Anwendung beider Gesetzesstellen sei daher ersichtlich, dass die Hauptwohnsitzbefreiung nicht auf die Nutzung, sondern auf die Beschaffenheit der Eigenheime abziele. Eine Wohnung sei eine "in sich geschlossene und gegen außen abgeschlossene Einheit mit eigenem Zugang". Auf Seite 5 des Gutachtens werde zudem festgehalten, dass das gartenseitige Wohnhaus aus den Tops 6 - 8 bestehe. Der Gutachter verweise auch darauf, dass Top 6 über einen eigenen Eingang im Erdgeschoss verfüge. Neben dem Gutachten werde auch im vorgelegten Kaufvertrag (Fassung vom ) auf Seite 6 unter Punkt 6.1 darauf verwiesen, dass die Bf. zwei Tops nutze. Sie sei wohnhaft in Top 7 und das im Obergeschoss gelegene Top 6 werde für Lagerungszwecke verwendet.

Dem am rechtzeitig eingebrachten Fristverlängerungsantrag wurde stattgegeben. Der steuerliche Vertreter der Bf. stellte fristgerecht am beim Finanzamt den Antrag die Beschwerde vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen. Hinsichtlich der Begründung wurde auf die Niederschrift vom anlässlich der Außenprüfung gemäß § 147 BAO am verwiesen und erläutert, dass darin unterschiedliche Definitionen des Begriffs "Wohnung" auf den vorliegenden Sachverhalt zur Anwendung gekommen wären. Zum einen sei laut Prüfbericht der Begriff der "Eigentumswohnung" nach der Legaldefinition des § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG auszulegen und handle es sich daher um Wohnungseigentum, wenn eine Wohnung im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 1 WEG vorliege, zum anderen werde darin eine Wohnung als "eine in sich geschlossene und gegen außen abgeschlossene Einheit" definiert. Auch wurde ausgeführt, dass in der Bescheidbegründung nicht darauf eingegangen worden sei, warum die Hauptwohnsitzbefreiung nicht auf die Nutzung, sondern auf die Beschaffenheit der Eigenheime abziele. Es würden lediglich die Gesetzesstellen (§ 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG und § 30 Abs. 2 Z 1 EStG) angeführt, eine Begründung dieser Beurteilung bleibe jedoch aus. Zudem widerspreche eine reine Beurteilung nach der Beschaffenheit dem ertragsteuerlichen Prinzip der wirtschaftlichen Betrachtungsweise und somit der Systematik des Steuerrechts. Zitiert wurde ein (BMF-010203/0151-VI/6/2014), der bei der Beurteilung von Wohnungseigentum einerseits auf die zivilrechtliche und andererseits auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise eingehe. Auch sei nicht die Definition einer Wohnung als "in sich geschlossene und gegen außen abgeschlossene Einheit mit eigenem Zugang" heranzuziehen, sondern jene nach § 3 Abs. 1 Z 1 WEG und das Wohnhaus mangels Wohnungseigentumsvertrages folglich als Eigenheim im Sinne des § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG einzustufen. Für die Hauptwohnsitzbefreiung würden auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage für das Stabilitätsgesetz 2012 sprechen, wonach der Sinn und Zweck der Hauptwohnsitzbefreiung darin liege, dass der Veräußerungserlös ungeschmälert der Schaffung eines neuen Hauptwohnsitzes dienen könne. Da die Bf. und ihre Familie das Eigenheim - bis auf die vermietete Wohnung (Top 8) - als privaten Wohnraum genützt hätten, stünde ihnen die Hauptwohnsitzbefreiung im Falle eines Umzugs zu, um sich ein gleichwertiges Wohnobjekt durch Reinvestition des ungeschmälerten Veräußerungsgewinns leisten zu können.

Das Finanzamt legte die Beschwerde an das Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vor, wiederholte die Begründung der Beschwerdevorentscheidung vom und führte in seiner Stellungnahme im Vorlagebericht abermals an, dass ein Eigenheim gemäß § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b S 2 ein Wohnhaus mit nicht mehr als zwei Wohnungen sei, wenn mindestens zwei Drittel der Gesamtnutzfläche des Gebäudes Wohnzwecken dienen würden. Zitiert wurde unter anderem Peyerl in Jakom, EStG 2020, 13. Aufl. 2020, § 18, Rz 57, wonach es sich bei einem aus drei Wohneinheiten bestehenden Gebäude um kein Eigenheim handle, selbst dann nicht, wenn zwei Wohnungen privaten Wohnzwecken dienen würden und eine dritte Wohnung gleicher Größe vermietet werde, und die Entscheidung des , hinsichtlich derer sich die Judikatur bei der Frage, ob zwei oder drei Wohneinheiten vorliegen, an Bauplänen, der ursprünglichen Zweckbestimmung und der tatsächlichen Baugestaltung orientieren werde. Für eine von der Bf. geforderte wirtschaftliche Betrachtungsweise bleibe demnach kein Raum, könne der Steuerpflichtige mit einer derartigen Betrachtungsweise doch willkürlich Sachverhalte schaffen, mit der die eindeutige und dem Wortlaut nach klare gesetzliche Bestimmung des § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG unterlaufen würde. Auch wurde auf das Gutachten, den Kaufvertrag und die Wohnungspläne verwiesen, aus denen eindeutig hervorgehe, dass es sich bei Top 6 und Top 7 um zwei separate Wohneinheiten handle und sohin aufgrund von insgesamt drei bestehenden Wohnungen kein Eigenheim vorliege.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Das Bundesfinanzgericht geht von folgendem Sachverhalt aus:

Im Zuge des Verkaufs der Liegenschaft Ort1, mit der Grundstücksadresse Ort1.1 am Dat1 an die A erzielte die Bf. einen Verkaufspreis in der Höhe von € 3.475.000. Die Liegenschaft besteht aus zwei Grundstücken und zwei darauf befindlichen Wohnhäusern. Das straßenseitig gelegene Wohnhaus besteht aus Top 1 und den zusammengelegten Top 3 + 4 im Erdgeschoss sowie Top 2 und Top 5 im Obergeschoss. Top 1, 2 und 5 wurden von der Bf. vermietet, Top 3 + 4 konnten aufgrund eines anhängigen Rechtsstreits nicht vermietet werden. Das gartenseitig gelegene Wohnhaus besteht aus dem ebenfalls vermieteten Top 8, das sich über Erd- und Obergeschoss erstreckt, sowie Top 7 im Erdgeschoss und Top 6 im Obergeschoss, welche von der Bf. und ihrer Familie privat genutzt wurden.

Top 6 ist über einen eigenen Eingang im Erdgeschoss und eine separate Treppe erschließbar. Bei Top 6 und Top 7 handelt es sich um zwei Wohneinheiten, welche über zwei getrennte Eingänge sowie jeweils über ein eigenes Bad, WC und eine Küche bzw. über die entsprechenden Anschlüsse für eine Küche verfügen. Zudem sind an der Gegensprechanlage am Eingang zwei separate Rufknöpfe für Top 6 und Top 7 angebracht. Top 6 und Top 7 wurden nie vermietet, sondern durchgehend von der Bf. und ihrer Familie bewohnt und ist es während dieser Zeit zu keinerlei Umbauarbeiten gekommen. Die beiden Wohnhäuser wurden nicht parifiziert. Die Bf. war laut Grundbuchauszug des Kaufvertrages bis zum Zeitpunkt der Veräußerung Alleineigentümerin der Liegenschaft.

Dieser Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus der Aktenlage, insbesondere aus den im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen (Wohnungspläne, Gutachten über die Ermittlung des Verkehrswertes der Liegenschaft vom , Niederschrift vom anlässlich der Außenprüfung gemäß § 147 BAO am , Bericht vom gemäß § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung am , Kaufvertrag vom Dat1, Grundbuchauszug des Kaufvertrages, Mietverträge, Fotos).

Strittig ist, ob im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen für die Hauptwohnsitzbefreiung hinsichtlich des gartenseitig gelegenen Wohnhauses erfüllt sind.

Gemäß § 30 Abs. 1 EStG sind private Grundstücksveräußerungen Veräußerungsgeschäfte von Grundstücken, soweit sie keinem Betriebsvermögen angehören.

Nach § 30 Abs. 2 Z 1 EStG sind von der Besteuerung Einkünfte aus der Veräußerung von Eigenheimen und Eigentumswohnungen samt Grund und Boden (§ 18 Abs. 1 Z 3 lit. b) ausgenommen, wenn sie dem Veräußerer
lit. a: ab der Anschaffung bis zur Veräußerung für mindestens zwei Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird oder
lit. b: innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung mindestens fünf Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird.

Die Begriffe "Eigenheim" und "Eigentumswohnung" richten sich nach § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG (Kanduth-Kristen in Jakom, EStG 2020, 13. Aufl. 2020, § 30, Rz 27).
Gemäß § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG ist ein Eigenheim ein Wohnhaus mit nicht mehr als zwei Wohnungen, wenn mindestens zwei Drittel der Gesamtnutzfläche des Gebäudes Wohnzwecken dienen. Das Eigenheim kann auch im Eigentum zweier oder mehrerer Personen stehen. Das Eigenheim kann auch ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden sein. Eine Eigentumswohnung muss mindestens zu zwei Drittel der Gesamtnutzfläche Wohnzwecken dienen. Das Eigenheim oder die Eigentumswohnung muss unmittelbar nach Fertigstellung dem Steuerpflichtigen für einen Zeitraum von zumindest zwei Jahren als Hauptwohnsitz dienen. Auch die Aufwendungen für den Erwerb von Grundstücken zur Schaffung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen durch den Steuerpflichtigen oder durch einen von ihm Beauftragten sind abzugsfähig.

Bis zum Budgetbegleitgesetz 2011 wurde eine Eigentumswohnung in § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG näher definiert, nämlich als eine Wohnung im Sinne des WEG, die mindestens zu zwei Drittel der Gesamtnutzfläche Wohnzwecken dient. Der und den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Budgetbegleitgesetz folgend, soll sich an dem bisherigen Begriffsverständnis bezogen auf österreichische Wohnungen nichts ändern. Nach der ist eine Eigentumswohnung im Sinne des § 30 EStG durch den Verweis auf § 18 EStG eine solche im Sinne des WEG (Tomas in SWK 3/2019, S. 97f; ).

Nach § 2 WEG sind Wohnungseigentumsobjekte Wohnungen, sonstige selbständige Räumlichkeiten und Abstellplätze für Kraftfahrzeuge (wohnungseigentumstaugliche Objekte), an denen Wohnungseigentum begründet wurde. Eine Wohnung ist ein baulich abgeschlossener, nach der Verkehrsauffassung selbständiger Teil eines Gebäudes, der nach seiner Art und Größe geeignet ist, der Befriedigung eines individuellen Wohnbedürfnisses von Menschen zu dienen.

Wenn mangels Abschlusses eines Wohnungseigentumsvertrages keine Eigentumswohnung veräußert wird, kann eine solche auch nicht in wirtschaftlicher Betrachtungsweise fingiert werden (Tomas in SWK 3/2019, S. 98). Im gegenständlichen Fall liegt kein Wohnungseigentumsvertrag im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 1 WEG und sohin auch keine Eigentumswohnung vor.

Das Eigenheim kann ein Einfamilienhaus oder ein Haus mit höchstens zwei Wohnungen sein (Renner in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21 § 18, Rz 135). Kein Eigenheim liegt bei einem Gebäude vor, das aus drei Wohneinheiten besteht (an denen Wohnungseigentum nicht begründet wurde), und zwar selbst dann nicht, wenn zwei Wohnungen privaten Wohnzwecken dienen und eine dritte Wohnung gleicher Größe vermietet wird (Peyerl in Jakom, EStG 2020, 13. Aufl. 2020, § 18, Rz 57). Sind mehr als zwei Wohnungen vorhanden, liegt jedenfalls kein Eigenheim vor, unabhängig davon, wie die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse sind (Bodis/Hammerl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21 § 30, Rz 132).

Ob das Vorliegen der Anzahl der Wohneinheiten laut Bauakt oder nach den Behauptungen der Bf. zu erfolgen hat, ergibt sich aus den einschlägigen Ausführungen der herrschenden Lehre und Rechtsprechung, welchen zu entnehmen ist, dass die der Baubewilligung zugrundeliegende Bauausführung maßgeblich für die Klärung derartiger Fragen ist ().

Der unabhängige Finanzsenat erwog in der Entscheidung vom , RV/1439-W/03: "In Zusammenhang mit der in § 18 Abs. 1 Z 3 normierten Zweidrittelregelung "für Wohnzwecke" führen Hofstätter/Reichel im ESt-Kommentar zum EStG 1988 aus: Entscheidend ist stets die bauliche Gestaltung und nicht die den einzelnen Gebäudeteilen zukommende Funktion (; daraus wörtlich "Diese Elemente der baulichen Gestaltung und der aus den Bauplänen und Photos sich ergebende äußere Gesamteindruck rechtfertigen es,…."). Für die Frage, in welchem Ausmaß Teile der Gesamtnutzfläche eines Eigenheimes Wohnzwecken oder anderen Zwecken dienen, kommt es nicht auf den Zeitpunkt an, zu dem es zu Wohn- oder Betriebszwecken verwendet wird, sondern darauf, welcher Bestimmung das Gebäude vom Zeitpunkt der Errichtung an gewidmet ist (und für welche Bestimmung sie objektiv geeignet sind; , ÖStZB 1988, 111; Quantschnigg/Schuch, ESt-HB § 18 Tz 56)."

Mit Erkenntnis vom , 87/14/0052, entschied der Verwaltungsgerichtshof:
"Es ergibt sich bereits aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, dass unter Eigenheim ein Gebäude zu verstehen ist, das vom Besitzer (im wesentlichen) selbst zu Wohnzwecken benützt wird, sei es durch eigenes Bewohnen allein, sei es mit nahen Angehörigen. Dafür, dass der Gesetzgeber von diesem Wortsinn abweichen wollte, bietet das Gesetz keinen Anhaltspunkt. Ist ein Zweifamilienhaus schon vom Zeitpunkt seiner Errichtung an dazu gewidmet, dass eine der beiden gleich großen Wohnungen der Vermietung dienen soll, so handelt es sich nicht um ein Eigenheim."

Aus dieser Judikatur kann geschlossen werden, dass auch zur Frage, ob nun zwei oder drei Wohneinheiten vorliegen, ebenso eine Orientierung des Höchstgerichts an den Bauplänen, der ursprünglichen Zweckbestimmung und der tatsächlichen Bauausführung erfolgen wird. Für eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, wie sie von der Bf. gefordert wird, bleibt hierbei kein Raum. Könnte doch mit einer derartigen Betrachtungsweise im vorliegenden Fall die Bf. willkürlich Sachverhalte schaffen, mit der die eindeutige und dem Wortlaut nach klare gesetzliche Bestimmung des § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG, nämlich dass ein Eigenheim ein solches mit maximal zwei Wohneinheiten ist, unterlaufen werden würde. Trotz wirtschaftlicher Betrachtungsweise sind die verwendeten Rechtsbegriffe bzw. sonstigen rechtlichen Erscheinungen so zu verstehen wie in ihrer Heimatdisziplin. Keinesfalls erlaubt § 21 Abs. 1 BAO eine eigenständige, vom Tatbestand losgelöste Beurteilung und Umdeutung des Sachverhaltes nach sozusagen freischwebend wirtschaftlichen Gesichtspunkten (; Doralt/Ruppe, Grundriß des österr. Steuerrechtes Bd II 4. Aufl. S 218).

Dass sich die Rechtsprechung bei Auslegung des Begriffs "Eigenheim" oder "Wohneinheit" an der im Baurecht angesiedelten Heimatdisziplin orientiert, ergibt sich etwa auch aus dem Erkenntnis des (ÖStZB 1985, 262), in welchem ausgesprochen wird, dass ohne baubehördliche Bewilligung die Errichtung des Eigenheimes nicht unter die Begünstigung des § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG fällt. Zeigt doch eben dieses Judikat, dass die Ergebnisse des Bauverfahrens auch für die steuerliche Würdigung anspruchsbegründend und ausschlaggebend sind ().

Es ergibt sich aus den beigebrachten Unterlagen, insbesondere aus dem Gutachten und den Wohnungsplänen, dass es sich bei Top 6 und Top 7 um zwei eigenständige Wohneinheiten handelt, demnach befinden sich im gartenseitig gelegenen Wohnhaus insgesamt drei Wohnungen (Top 6 - 8) und ist nach dem oben Gesagten daher der Begünstigungstatbestand des § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG nicht erfüllt.

Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall wurde die zu lösende Rechtsfrage im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. ; ) zur Beurteilung, ob der Begünstigungstatbestand des § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG beim verwirklichten Sachverhalt erfüllt ist, entschieden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102970.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at