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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.07.2020, RV/7104982/2018

Zuweisung von Bediensteten einer Gebietskörperschaft an ausgegliederten Rechtsträger: kein Vorliegen eines Betriebs und keine Verpflichtung der Gebietskörperschaft zur Entrichtung von Dienstgeberbeiträgen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerden der ***1***

  • Vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 1/23 vom , betreffend Festsetzung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für den Zeitraum Juli 1999 bis Dezember 2002 und des Jahres 2003 und

  • vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Festsetzung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für den Zeitraum 2004 bis 2008

  • zu Recht erkannt:

Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert:

Der Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für den Zeitraum Juli 1999 bis Mai 2008 wird mit Null festgesetzt.

Gegen dieses Erkenntnis ist betreffend Festsetzung von Dienstgeberbeiträgen für den Zeitraum Juli 1999 bis Dezember 2002 eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Gegen dieses Erkenntnis ist betreffend Festsetzung von Dienstgeberbeiträgen für den Zeitraum Jänner 2003 bis Mai 2008 eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Verfahren vor der Abgabenbehörde:

Die Bf stellte einen Antrag auf Festsetzung des Dienstgeberbeitrages und Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag mit Null für den Zeitraum Juli 1999 bis Dezember 2002 am . Begründet wird dieser Antrag von der Bf folgendermaßen:

Auf der Grundlage des Bundesgesetzes über Maßnahmen anlässlich der Ausgliederung der ***2*** (BGBl I 1999/68) sei das Vermögen der ***11*** als Unternehmung der Stadt ***3*** auf die ***4***, die ***5***, die ***6*** (nunmehr ***7***), die ***8***, die ***9*** und die ***10*** übertragen worden. Gemäß § 3 Abs. 1 leg. cit. handle es sich bei diesen Vorgängen um solche mit Gesamtrechtsnachfolge. Die Einbringungsverträge enthielten indes ausdrücklich eine Klausel, wonach die dienstrechtlichen Verhältnisse der Bediensteten der Gemeinde ***3***, die aufgrund eines in einem öffentlich-rechtlichen oder durch Vertrag begründeten Dienstverhältnis zur Gemeinde ***3*** in den Betrieben tätig seien, nicht übergingen. Gleiches gelte für bestehende Lehrverhältnisse sowie die Pensionsansprüche bzw. Anwartschaften der aktiven und pensionierten Bediensteten. Die Rechtsfolgen für diese Bediensteten seien im ***11*** Zuweisungsgesetz (LGBl 1999/17) geregelt. Demnach würden die Bediensteten, die im Zeitpunkt der Betriebsaufnahme der oa. (ausgegliederten) Gesellschaften in einem öffentlich-rechtlichen oder durch Vertrag begründeten Dienstverhältnis zur Gemeinde ***3*** beschäftigt seien, diesen Gesellschaften zur Dienstleistung zugewiesen. Weiters bestimme dieses Gesetz ausdrücklich, dass durch die Zuweisung in der dienst-, besoldungs- und pensionsrechtlichen Stellung keine Änderung eintrete (§ 1 Abs. 4). Betont wurde auch, dass in die öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Dienstverhältnisse durch die Ausgliederung/ Zuweisung nicht eingegriffen worden sei. Sämtliche Rechte und Pflichten als Dienstbehörde gegenüber den zugewiesenen Beamten und als Dienstgeber gegenüber den Vertragsbediensteten würden dem Magistrat obliegen. Im Bereich der Behörde sei dafür eine Dienststelle einzurichten, deren Leiter das zur Besorgung von Personalangelegenheiten berufene Vorstandsmitglied der ***4*** sein solle. Der Leiter der Dienstelle sei in Besorgung dieser Aufgaben gegenüber dem Magistratsdirektor weisungsgebunden. Dieser Dienststelle sei von den jeweiligen (ausgegliederten) Gesellschaften, die die zugewiesenen Bediensteten erhielten, der gesamte anfallende Aufwand (Aktivitätsaufwand, Aufwand für Pensionszahlungen, Personalverrechnungsaufwand [§ 3 Abs. 3]) zu ersetzen. Diese Ersatzverpflichtung bedeute aber, dass weiterhin die Gemeinde ***3*** die Gehälter etc. zu leisten habe, allerdings müsse der aufgewendete Betrag seitens der (ausgegliederten) Unternehmen refundiert werden. Neben den bestehenden Dienstverhältnissen gelte diese Regelung auch für Bedienstete der Gemeinde ***3***, die in einem Übergangszeitraum von zwei Jahren ab der Betriebsaufnahme für eine Tätigkeit in den (ausgegliederten) Gesellschaften aufgenommen würden. Jedenfalls nach Ablauf dieses Zeitraumes aufgenommene Dienstnehmer unterlägen nicht den dargestellten gesetzlichen Bestimmungen, sondern den allgemeinen arbeitsrechtlichen Bestimmungen. Die genannten Maßnahmen seien auf Basis der am abgeschlossenen Einbringungsverträge mit Wirkung für die Bediensteten auf die Betriebsaufnahme der (ausgegliederten) Gesellschaften, sohin mit , erfolgt.

Die relevanten Bestimmungen des Familienlastenausgleichsgesetzes stellten sich wie folgt dar: Gemäß § 42 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 seien von der Leistung des Dienstgeberbeitrages der Bund, die Länder und die Gemeinden mit Ausnahme der von diesen Gebietskörperschaften verwalteten Betriebe, Unternehmungen, Anstalten, Stiftungen und Fonds befreit; die Gemeinden jedoch nur dann, wenn ihre Einwohnerzahl 2.000 übersteige. Aus den genannten gesetzlichen Bestimmungen ergebe ich unzweifelhaft, dass es sich bei den den Unternehmungen zugewiesenen Beamten um Bedienstete der Gemeinde ***3*** handle. Aus diesem Grund sei auch für die Abfuhr von Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag (DB) eine eigene Steuernummer der Behörde verwendet worden. Daher sei die Gemeinde ***3*** auch als steuerrechtlicher Arbeitgeber anzusehen.

Bezüglich des Begriffs des Dienstverhältnisses verweise § 41 Abs. 2 FLAG auf § 47 Abs. 2 EStG 1959. Nach dieser Bestimmung liege ein Dienstverhältnis vor, wenn ein Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schulde. Arbeitskraft werde nach § 47 Abs. 2 EStG dann geschuldet, wenn einerseits eine Weisungsgebundenheit bestehe und andererseits die Eingliederung im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers gegeben sei. Die Weisungsgebundenheit bestehe weiterhin gegenüber der Gemeinde ***3***, da für den Bereich der zugewiesenen Bediensteten auf Grund des § 3 des ***11*** Zuweisungsgesetzes eine eigene Dienststelle in der Behörde einzurichten sei, der die Wahrnehmung der Rechte und Pflichten als Dienstbehörde gegenüber den zugewiesenen Bediensteten obliege. Da die Weisungsgebundenheit - wie bereits ausgeführt - weiterhin gegenüber der Gemeinde ***3*** gegeben sei, könne kein Dienstverhältnis iSd § 47 zu den betroffenen (ausgegliederten) Unternehmen bestehen. Nach Doralt, Kommentar zum EStG, Rz 8 zu § 47, richte sich die steuerliche Arbeitgebereigenschaft auch insbesondere danach, wer über die Höhe der Bezüge entscheide, wer das Risiko für eine Lohnzahlung im Nichtleistungsfall trage, wem gegenüber Abfertigungs- und Pensionsansprüche erwachsen würden, wer über das Urlaubsausmaß entscheide, wer den Arbeitnehmer nach Ablauf der Entsendezeit behalte, wer das Recht habe, den Arbeitnehmer zu kündigen bzw. zu entlassen und wer die Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers schulde. Zitiert wurde in diesem Zusammenhang Ludwig, ecolex 1994, 421 sowie die Rz 924 der LStR, wobei (im Sinne eines beweglichen Systems) auf das Überwiegen und den Gesamteindruck abzustellen sei (Ludwig, ecolex 1994, 421). Eine Bewertung in diesem Sinne ergebe auch in steuerlicher Sicht, dass die Gemeinde ***3*** der Arbeitgeber der zugewiesenen Bediensteten sei. Die Zuweisung ändere nichts am Status der zugewiesenen Bediensteten. Die Gemeinde sei und bleibe Dienstgeber der Bediensteten. Die Bediensteten stünden weder in einem privatrechtlichen noch in einem öffentlichrechtlichen Verhältnis zu den (ausgegliederten) Unternehmungen. Die Höhe der Bezüge sei gesetzlich vorgegeben, Pensionsansprüche bestünden nur gegenüber der Gemeinde ***3***. Auch die Entlassung der Bediensteten könne nur durch die Gemeinde, vertreten durch die Dienststelle der Behörde, ausgesprochen werden. Ebenso würden die Sozialversicherungsbelange der Gemeinde ***3*** obliegen. Anders als in der Vergangenheit praktiziert, sei die Bf nunmehr der Ansicht, dass die Gemeinde ***3*** nach § 42 Abs. 1 FLAG 1967 von der Leistung des Dienstgeberbeitrages befreit sei. Weder die nach dem ***11*** Zuweisungsgesetz einzurichtende Dienststelle, noch die oa. (ausgegliederten) Unternehmen selbst würden einem Unternehmen iSd § 42 Abs. 1 FLAG entsprechen. Auch würden die oa. (ausgegliederten) Unternehmen nicht von der Gemeinde ***3*** verwaltet. Damit ergäbe sich, dass die Gemeinde ***3***, vertreten durch die bei der Behörde angesiedelte Dienststelle, hinsichtlich der zugewiesenen Bediensteten als Selbstträger iSd § 46 FLAG zur direkten Zahlung der Familienbeihilfe verpflichtet sei und der Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds nicht zu entrichten sei. Gemäß § 201 BAO habe die Festsetzung einer Selbstberechnungsabgabe durch Abgabenbescheid ua. dann zu erfolgen, wenn sich die Selbstberechnung einer Abgabe als nicht richtig erweise. Der Dienstgeberbeitrag zähle zu den von § 201 BAO erfassten Selbstberechnungsabgaben (vgl. Stoll, Kommentar zur BAO, 1. lit b zu § 201; Ritz, Kommentar zur BAO, Rz 3 zu § 201; Richtlinien zur Festsetzung von Selbstberechnungsabgaben). Da im vorliegenden Fall für jene Bediensteten der Gemeinde ***3***, die der ***8*** auf Grund des ***11*** Zuweisungsgesetzes (LGBl 1999/17) zur Dienstleistung zugewiesen worden seien, keine Pflicht zur Entrichtung des Dienstgeberbeitrages bestehe, sei die Selbstberechnung des Dienstgeberbeitrages (für den Zeitraum 07/1999 bis 12/2002) unrichtig. Nach Ritz, Kommentar zur BAO, Rz 4 zu § 201, liege die Erlassung solcher Festsetzungsbescheide nicht im Ermessen der Behörde. Werde der Abgabenbehörde die Unrichtigkeit der Selbstbemessung bekannt, so sei sie verpflichtet, einen solchen Bescheid zu erlassen. Weiters seien nach der Judikatur des VwGH bei Selbstbemessungsabgaben Bescheide bei Meinungsverschiedenheiten über die Richtigkeit der Selbstbemessungsabgabe zu erlassen (siehe Ritz, Rz 5 zu § 201; vgl. auch ); ein hierauf gerichtetes Anbringen der Partei unterliege ebenfalls der Entscheidungspflicht.

Ihren Antrag vom auf Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für das Kalenderjahr 2003 mit Null hat die Bf im Wesentlichen wie ihren Antrag vom (auf Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für den Zeitraum 07/1999 bis 12/2002 mit Null) begründet. Ebenso die folgenden Anträge: vom auf Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für das Kalenderjahr 2004 mit Null; vom auf Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für das Kalenderjahr 2005 mit Null; vom auf Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für das Kalenderjahr 2006 mit Null; vom auf Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für das Kalenderjahr 2007 mit Null; vom auf Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für das Kalenderjahr 2008 mit Null. In den diese Kalenderjahre betreffenden Anträgen hat die Bf (abschließend) ausgeführt: Nach den Richtlinien zur Festsetzung von Selbstberechnungsabgaben (§ 201 BAO) vom , Z 05 2001/1-IV/5/02, sei eine bescheidmäßige Festsetzung in Form eines Feststellungsbescheides (über die Selbstberechnungsabgabe) auf Antrag eines Abgabepflichtigen zu erlassen, wenn dieser Bescheid ein notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung sei. Die Richtlinien führten weiters aus, dass ein solcher Antrag zB dann in Betracht komme, wenn der Abgabepflichtige eine für die Abgabenhöhe bedeutsame Abgabenvorschrift für verfassungswidrig halte und einen Bescheid zur Anfechtung beim VfGH begehre.

Mit Bescheid vom hat das Finanzamt sowohl den Antrag vom auf Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für den Zeitraum Juli 1999 bis Dezember 2002 mit Null als auch den Antrag vom auf Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für das Kalenderjahr 2003 mit Null abgewiesen.

Das Finanzamt begründete seine Entscheidung folgendermaßen:

Verjährung betreffend Zeitraum Juli 1999 bis Dezember 2002: Gemäß § 209a Abs. 2 BAO stehe der Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn es sich um einen in den Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrag handle. Da bis Ende 2002 in § 201 BAO (idF vor AbgRmRefG 2002) kein Antragsrecht vorgesehen gewesen sei, sei § 209a Abs. 2 BAO grundsätzlich nicht anwendbar. Ausnahmsweise könne es für den Fall, dass ein Antrag in den Abgabenvorschriften nicht vorgesehen sei, im Zuge der verfassungskonformen Auslegung von § 209a Abs. 2 BAO zu einer Verlängerung der Verjährung kommen, wenn es sich bei den zugrundeliegenden Anbringen um Pflichteingaben handle (vgl. Ritz, BAO-Handbuch, § 209a Rz 7). Da es sich beim Antrag auf Festsetzung gemäß § 201 BAO (idF vor AbgRmRefG 2002) um keine Pflichteingabe handle, könne es auch im Zuge der verfassungskonformen Auslegung von § 209a Abs. 2 BAO zu keiner Festsetzung außerhalb der Verjährungsfristen kommen. Es sei daher davon auszugehen, dass für den Zeitraum Juli 1999 bis Dezember 2002 jedenfalls Verjährung eingetreten sei.

Betreffend des Antrags auf Festsetzung mit Null für das Kalenderjahr 2003 begründete das Finanzamt seine Abweisung, damit, dass auf Grund der Sondervorschrift des § 85 Abs. 1 Satz 2 EStG 1988 der Bf steuerlich Rechtssubjektivität als Arbeitgeber zukomme (vgl. ). Bei Anträgen, die innerhalb der Jahresfrist des § 201 Abs. 2 Z 2 BAO eingebracht worden seien, liege die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages gemäß § 201 BAO im Ermessen (§ 20 BAO) der Abgabenbehörde. Entscheidungen, die die Abgabenbehörde nach ihrem Ermessen zu treffen habe, müssten sich nach § 20 BAO in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen ziehe. Innerhalb dieser Grenzen seien Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dabei sei dem Begriff Billigkeit die Bedeutung von Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei und dem Begriff Zweckmäßigkeit das öffentliche Interesse, insbesondere an der Einhebung der Abgaben, beizumessen (; ). Die Ermessensübung habe sich dabei vor allem am Zweck der Norm zu orientieren (Ritz, BAO5, Tz 8 zu § 20; ; ).

Das Finanzamt habe das in § 201 Abs. 2 normierte Ermessen deshalb nicht ausgeübt, weil es durch die Rückzahlung des entrichteten Dienstgeberbeitrages an die Bf zu einer Bereicherung der Bf (bzw. der Stadt ***3***) kommen würde. Die Bf wäre für die Zeit des Bestehens der Selbstträgerschaft (bis inkl. Mai 2008) zur Auszahlung der Familienbeihilfe für ihre Bediensteten verpflichtet gewesen. Die Bf (bzw. die Stadt ***3***) habe aber die Familienbeihilfe nicht ausgezahlt bzw. nicht getragen (die Finanzämter hätten die Familienbeihilfe an die den im Zuge der Neustrukturierung neu geschaffenen Unternehmen zugewiesenen Bediensteten ausgezahlt). Von der Bf könne das (für die Rückforderung zuständige) Finanzamt die Familienbeihilfe (für die Antragszeiträume) jedoch nicht mehr zurückfordern, da (bis zur Abschaffung der Selbstträgerschaft) bereits Verjährung eingetreten sei. Für den innerhalb der Jahresfrist des § 201 Abs. 2 Z 2 BAO eingebrachten Antrag sei daher keine Festsetzung des Dienstgeberbeitrages und Rückzahlung des sich aus der Festsetzung allfällig ergebenden Guthabens erfolgt, da das Finanzamt das in § 201 Abs. 2 Z 2 BAO normierte Ermessen nicht ausüben werde. Soweit der gegenständliche Antrag innerhalb der Monatsfrist des § 201 Abs. 3 Z 1 BAO - somit ein Monat ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages - eingebracht worden sei, so liege die Festsetzung bei Wahrung dieser Frist nicht im Ermessen der Abgabenbehörde. Maßgebender Zeitpunkt bei Selbstberechnungen sei jener der Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages etwa durch Anführung des Abgabenbetrages am Einzahlungsbeleg. Der gegenständliche Antrag enthalte jedoch keine Angaben darüber, ob die Monatsfrist des § 201 Abs. 3 Z 1 BAO eingehalten worden sei (sowie für welches Monat diese Frist eingehalten worden sei) bzw. zur Höhe des sich aus der Festsetzung allfällig ergebenden Guthabens, weshalb auch hinsichtlich des in der Monatsfrist des § 201 Abs. 3 Z 1 BAO eingebrachten Antrages keine Festsetzung erfolgen habe können.

Mit Bescheid vom hat das Finanzamt ua die Anträge auf Festsetzung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für die Kalenderjahre 2004-2008 mit Null ebenfalls abgewiesen und auch diese Entscheidung wie den Bescheid vom abgesehen von den Ausführungen betreffend Verjährung (für den Zeitraum Juli 1999 bis Dezember 2002) im Wesentlichen gleich begründet.

Ihre Beschwerde vom gegen den Bescheid vom hat die Bf wie folgt begründet:

Verjährung für den Zeitraum Juli 1999 bis Dezember 2002 wird bestritten. Antragsrechte im § 201 BAO seien mit dem AbgRmRefG eingeführt worden (Ritz, BAO, Kommentar5, Rz 23 zu § 201). Nach § 201 aF seien Festsetzungen stets zwingend vorzunehmen gewesen - ein ausdrückliches Antragsrecht sei nicht vorgesehen gewesen. Ebenso sei § 209a Abs. 2 ungeachtet dessen, dass das Antragsrecht nicht ausdrücklich normiert gewesen sei, anwendbar gewesen (Ritz, RdW 202, 60). Trotz des in § 209a Abs. 2 eingefügten Klammerausdrucks ("§ 85") seien nur Anträge zur Geltendmachung von Rechten umfasst (und nicht auch - ebenfalls von § 85 erfasste - Anbringen zur Erfüllung von Verpflichtungen) (Ritz, BAO5, Kommentar, Rz 7 zu § 209a). Da in den gegenständlichen Anträgen keine Pflichteingaben vorlägen, sondern nur Rechte geltend gemacht würden, sei § 209a Abs. 2 BAO anwendbar und für den Zeitraum Juli 1999 bis Dezember 2002 daher keine Verjährung eingetreten.

Betreffend des Antrages auf Festsetzung mit Null für das Kalenderjahr 2003 sei dem Finanzamt zuzustimmen, dass bei innerhalb der Jahresfrist eingebrachten Anträgen nach § 201 Abs. 2 Z 2 BAO die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages im Ermessen (§ 20 BAO)der Abgabenbehörde liege (vgl. auch Ritz, BAO5, § 201, Rz 30). Nach § 20 BAO müssten sich Ermessensentscheidungen in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen ziehe. Innerhalb dieser Grenzen seien Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.

Die maßgebenden Kriterien für die Ermessensübung ergäben sich primär aus den das Ermessen einräumenden Bestimmungen, wobei sie in den betreffenden Bestimmungen nur ausnahmsweise genannt seien und daher idR lediglich aus dem Zweck der Norm erschließbar seien (Ritz, BAO5, Kommentar, § 20, Rz 5-8). Die im § 20 genannten Ermessenskriterien (Billigkeit, Zweckmäßigkeit) seien grundsätzlich und subsidiär zu beachten (vgl. Stoll, BAO, 207). Unter Billigkeit sei nach der ständigen Rechtsprechung die "Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei" () und unter Zweckmäßigkeit werde das öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben, verstanden (vgl. zB ; , 2003/17/0132; , 2009/15/0161). Die Ermessensübung habe sich vor allem am Zweck der Norm zu orientieren (-0381; , 2008/16/0087; Orientierung an der Intention des Gesetzgebers, ). Für die Ermittlung der Intention der Gesetzgebung seien Gesetzesmaterialien eine wertvolle Quelle. Nach den Gesetzesmaterialien zum Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz (BGBl I 97/2002, GP XXI IA 666/A AB 1128) diene die Neufassung des § 201 BAO primär der Harmonisierung der Rechtswirkungen (insbesondere im Bereich des Rechtsschutzes) von Selbstberechnungen und Veranlagungsbescheiden. Mit der Neuregelung solle erreicht werden, dass die erstmalige Festsetzung von Selbstberechnungsabgaben (wie zB von Dienstgeberbeiträgen) somit grundsätzlich nur innerhalb jener Fristen (und bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen) zulässig sei, in denen bei Veranlagungsabgaben die Abgabenbescheide gemäß § 299 BAO aufhebbar seien bzw. Wiederaufnahmen (§ 303 Abs. 4 BAO) der betreffenden Verfahren in Betracht kämen. Da Maßnahmen nach § 299 und nach § 303 Abs. 4 BAO im Ermessen lägen, sollten in gleicher Weise Festsetzungen gemäß § 201 BAO im Ermessen liegen. Bei der Ermessensübung (nach § 201 BAO) seien daher nach den Gesetzesmaterialien jene Kriterien heranzuziehen, die bei der Ermessensübung für Aufhebungen nach § 299 BAO und für die Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 303 Abs. 4 BAO) entscheidungsrelevant seien. Ebenso solle (zur "Harmonisierung" mit dem Berufungsrecht) die Festsetzung dann nicht (nur) im Ermessen liegen, wenn der Abgabepflichtige die Festsetzung innerhalb eines Monates ab Bekanntgabe der Selbstberechnung beantrage. Die Normierung eines Antragsrechts in § 201 BAO vermeide Verschlechterungen der Rechtsposition des Abgabepflichtigen (vor allem hinsichtlich der Entscheidungspflicht), die sich ansonsten daraus ergeben könnten, dass nunmehr (dh nach dem Abgaben-Rechtsmittel-Reform- Gesetz) die Festsetzung der Selbstberechnungsabgaben grundsätzlich nicht mehr zwingend zu erfolgen habe, sondern im Ermessen liege. Der Normzweck des § 201 Abs. 2 BAO ergäbe sich daher aus den §§ 299, 303 BAO. Bei der Ermessensübung nach §§ 299, 303 BAO komme dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung sowie Rechtmäßigkeit (Rechtsrichtigkeit) der Vorrang vor Rechtssicherheit (Rechtsbeständigkeit) zu (zB ; , 2001/15/0133; , 2001/13/0053; , 2002/14/0022). Bei der Ausübung des Ermessens nach § 201 Abs. 2 BAO sei somit in erster Linie das Prinzip der Rechtsrichtigkeit zu berücksichtigen. Die Verhinderung einer möglichen Bereicherung entspräche nicht dem Zweck des § 201 Abs. 2 BAO bzw. den §§ 299 und 303 BAO, womit von der Behörde das Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes geübt worden sei. Dies ergäbe sich auch daraus, dass sich der Gesetzgeber zur "Verhinderung von Bereicherungen" (im Rahmen der Verfahren zur Getränkesteuer) veranlasst gesehen habe, eine spezielle Norm zu schaffen, die bei der Rückzahlung - jedoch nicht auch bei der Festsetzung der Abgabe - den Aspekt der Bereicherung in Betracht ziehe: § 239a BAO. Nach den Gesetzesmaterialien (38 der Beilagen XXIV GP - Regierungsvorlage - Erläuterungen) gelte § 239a BAO nur für indirekte Abgaben (zB Umsatzsteuer, Verbrauchsteuern), nicht jedoch beispielsweise für lohnabhängige Abgaben (zB Kommunalsteuer, Dienstgeberbeitrag). Es sei daher auch kein Fall aus der Rechtsprechung bekannt, in dem bei der Ermessensübung einer Wiederaufnahme berücksichtigt worden sei, ob der konkrete Betrieb bzw. dessen Dienstnehmer einen "Überschuss" oder ein "Zuviel" an durch den Fonds zu erbringenden Leistungen erbracht (der Bf hat damit wohl "bekommen" ausdrücken wollen) hätten. Vielmehr seien bei der Ermessensübung die Kriterien der Rechtsrichtigkeit der Abgabenerhebung und die Billigkeit herangezogen worden. Eine "Bereicherungs"-Überlegung habe bei der Abgabenerhebung und damit der Ermessensübung im Rahmen des § 201 Abs. 2 BAO daher keinen Platz. Überdies habe das Finanzamt in seiner Bescheidbegründung (nur) ausgeführt, dass die Finanzämter an die zugewiesenen Bediensteten die Familienbeihilfe ausbezahlt hätten und es bei Erlassung eines Festsetzungsbescheides mit "Null" zu einer Bereicherung der Gemeinde ***3*** kommen würde, ohne auszuführen, in welcher Höhe an die zugewiesenen Bediensteten Familienbeihilfen ausbezahlt worden seien, sodass auch nicht bekannt sei, in welcher Höhe die in der Bescheidbegründung des Finanzamtes angesprochene Bereicherung eintreten würde. Das Finanzamt gehe offenbar davon aus, dass die (von der Bf) auszuzahlen gewesene Familienbeihilfe genau in der Höhe der geleisteten Dienstgeberbeiträge angefallen sei. Eine Begründung für diese Annahme fehle aber, womit - selbst wenn "Bereicherung" ein Kriterium für die Ermessensübung bei der Abgabenerhebung sein sollte - die Behörde das Ermessen nicht rechtmäßig ausgeübt habe und der Bescheid auch aus diesem Grunde rechtswidrig sei.

Betreffend der Monatsfrist des § 201 Abs. 3 Z 1 BAO innerhalb der der Antrag eingebracht worden sei (betreffe nur Kalenderjahr 2003) führt die Bf aus, dass in der
Bescheidbegründung richtig ausgeführt worden sei, dass die Festsetzung bei Wahrung der
Monatsfrist nicht im Ermessen der Abgabenbehörde liege und diese daher von Amts wegen zu ermitteln habe, ob und in welchem Ausmaß die Festsetzung - ohne Ermessensübung - zu erfolgen habe. Abweichend vom Begründungstext seien dem Finanzamt jedoch alle zur Entscheidung über die gestellten Anträge erforderlichen Angaben bekannt:

-Einlangensdaten der Anträge seien dem Finanzamt als Empfänger der Anträge bekannt;

-auf dem in den Anträgen angegebenen Abgabenkonto seien ausschließlich die Dienstgeberbeiträge für die dem (ausgegliederten) Unternehmen zur Dienstleistung zugewiesenen Bediensteten entrichtet worden;

-aus Finanzonline seien die jeweiligen Entrichtungs- und Buchungsdaten der Abgabenbeträge für alle Zeiträume ersichtlich;

-in den Anträgen sei beantragt worden, die Dienstgeberbeiträge (für die im Betreff angeführten Zeiträume) mit EUR 0,00 festzusetzen, da auf diesem Abgabenkonto nur die auf die Lohn- und Gehaltssummen der zugewiesenen Bediensteten entfallenden Dienstgeberabgaben gebucht worden seien.

Zudem sei zu berücksichtigen, dass es sich beim Antrag auf Festsetzung gemäß § 201 BAO um ein Anbringen zur Geltendmachung von Rechten iSd § 85 Abs. 1 BAO handle, sodass das Finanzamt -wenn seiner Auffassung nach Angaben für die Festsetzung gemäß § 201 Abs. 3 Z 1 BAO fehlten - einen Mängelbehebungsauftrag erlassen hätte müssen, was jedoch nicht erfolgt sei, sodass die Abweisung der Festsetzung auch aus diesem Grund rechtswidrig sei.
Der für Novemberr 2003 entrichtete Dienstgeberbeitrag, der innerhalb der Monatsfrist bekannt gegeben worden sei und den die Bf aus Finanzonline entnommen habe, betrage € 1. 431.587, 77. Es wurde der Antrag gestellt, den DB entsprechend der oben angeführten Anträge mit Null festzusetzen. Desweiteren wurde das Unterlassen einer Beschwerdevorentscheidung durch die belangte Behörde und Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie Vorlage beim Bundesfinanzgericht beantragt.

Ihre Beschwerde vom gegen den Bescheid vom hat die Bf (nur) gegen die Anwendung § 201 Abs. 2 Z 2 BAO (Festsetzung/Ermessen) und des § 201 Abs. 3 Z 1 BAO (Festsetzung/Monatsfrist) gerichtet und im Wesentlichen wie ihre Beschwerde vom begründet. Hinsichtlich des Kalenderjahres 2008 hat die Bf (nur) für die Monate Jänner bis Mai beantragt, den Dienstgeberbeitrag mit Null festzusetzen.

Mit beiden Beschwerdevorentscheidungen, jeweils vom , hat das
Finanzamt die Beschwerde vom (gemeint war unzweifelhaft ) und die Beschwerde vom abgewiesen und beide
Entscheidungen im Wesentlichen wortgleich folgendermaßen begründet:

Den Dienstgeberbeitrag gem. § 41 Abs. 1 FLAG 1967 hätten alle Dienstgeber zu leisten, die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigten. Dienstnehmer seien nach § 41 Abs. 2
FLAG ua. Personen, die in einem Dienstverhältnis im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988
stünden. Nach der mit Wirkung ab dem durch Art. 7 Z 12 FAG 2008,
BGBl I Nr. 103/2007, aufgehobenen Bestimmung des § 42 Abs. 1 lit. a FLAG seien der
Bund, die Länder und Gemeinden mit Ausnahme der von diesen Gebietskörperschaften
verwalteten Betriebe (Unternehmungen, Anstalten, Stiftungen und Fonds) von der
Leistung des Dienstgeberbeitrages befreit gewesen.
Im Jahr 1999 seien aufgrund des ***11*** - Zuweisungsgesetzes (LGBl
Nr. 17/1999) Gemeindebedienstete, die bei den ***11*** in einem öffentlich-rechtlichen oder durch Vertrag begründeten Dienstverhältnis beschäftigt gewesen seien, den (vom Finanzamt namentlich angeführten) Gesellschaften (***5***, ***6***, ***11*** . GmbH & Co KG, ***9*** und ***2*** Holding AG) zugewiesen worden. Gemäß § 3 Abs. 2 ***2*** - Zuweisungsgesetz sei im Bereich der Behörde eine Dienststelle (= ***Bf1***, Behörde der Stadt ***3***, Personalstelle ***11***) eingerichtet worden und gemäß § 3 Abs. 3 sei diesem Personalamt der gesamte anfallende Aufwand iSd Aktivitätsaufwandes für den zugewiesenen Personenkreis von den namentlich angeführten Unternehmen zu ersetzen.
Aufgrund der im Bereich der Ausgliederung mittlerweile ergangenen Rechtsprechung (u.a.
Zl. 2012/13/0099; ) sei klargestellt worden, dass es durch die Zuweisung von Bundesbediensteten (und Gleiches gelte natürlich auch für Gemeindebedienstete) zur Dienstleistung an ausgegliederte Rechtsträger zu keiner Änderung hinsichtlich der Arbeitgeberstellung komme. D.h., die Personalstelle, die gemäß § 3 Abs. 2 ***11*** - Zuweisungsgesetz einzurichten gewesen sei, trete gemäß § 85 Abs. 1 EStG 1988 als öffentliche Kassa für die KöR Gemeinde ***3*** in Erscheinung und somit sei die Gemeinde ***3*** nach wie vor als Arbeitgeberin dieser (zugewiesenen) Personen anzusehen. Als Dienstgeberin rechne die Gemeinde ***3*** in Form der ***Bf1*** monatlich die Bezüge der betroffenen Dienstnehmer ab und zahlediese unmittelbar an die Dienstnehmer aus. Alle in diesem Zusammenhang anfallenden Abgaben und Beiträge würden ebenfalls von der Gemeinde ***3*** als Arbeitgeberin der Dienstnehmer abgeführt.
Die vor der Ausgliederung von den Betrieben gewerblicher Art erbrachten
unternehmerischen Dienstleistungen der ***2*** seien ab dem Zeitpunkt
der Ausgliederung von den ausgegliederten Rechtsträgern wahrgenommen worden.
Das hierfür benötigte Personal werde von der Personalstelle in Form eines BgA
"Personalgestellung" den jeweiligen Unternehmen zur Verfügung gestellt. Der VwGH
habe im Erkenntnis vom , Zl. 2007/15/0101, hinsichtlich dieser Struktur in der Zuweisung von Personen zur Dienstleistung die Rechtsmeinung bestätigt, dass es sich, da alle diesbezüglichen Merkmale gemäß § 2 KStG 1988 vorlägen, um einen Betrieb
gewerblicher Art handle. Unter einem Betrieb iSd § 42 Abs. 1 lit. a FLAG sei, wie der VwGH wiederholt dargelegt habe (u.a. ), eine in einer bestimmten Organisationsform in Erscheinung tretende wirtschaftlich selbständige Tätigkeit zu verstehen, die mit Einnahmen und Ausgaben verbunden sei. Nicht maßgeblich sei, in welcher Organisationsform dieser Betrieb in Erscheinung trete, ob dieser Betrieb eine eigene Rechtspersönlichkeit habe und ob Gewinnerzielungsabsicht gegeben sei. Zwar sei der Begriff "Betrieb" im Sinne des FLAG als eigenständige Begrifflichkeit () zu sehen, doch orientiere er sich an den Grundzügen, die im § 2 Abs. 1 KStG für einen BgA normiert seien. Ein Betrieb gewerblicher Art iSd § 2 KStG einer Körperschaft öffentlichen Rechts sei jede Einrichtung, die
- wirtschaftlich selbständig
- ausschließlich oder überwiegend einer nachhaltigen privatwirtschaftlichen Tätigkeit von
wirtschaftlichem Gewicht und
- zur Erzielung von Einnahmen oder im Falle des Fehlens der Beteiligung am allgemeinen
wirtschaftlichen Verkehr von anderen wirtschaftlichen Vorteilen und
- nicht der Land- und Forstwirtschaft diene.

Die beiden wesentlichen Kriterien für den Betrieb iSd § 42 Abs. 1 lit. a FLAG seien,
dass Leistungen im Sinne der Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr erbracht würden
und dass mit der ausgeübten Tätigkeit entsprechende Einnahmen erzielt würden. Beide
Parameter seien bei der hier vorliegenden Konstellation als erfüllt anzusehen. Der
VwGH habe im Erkenntnis vom , 98/14/0062, zweifelsfrei festgestellt, dass,
wenn eine Körperschaft öffentlichen Rechts einen BgA in Form eines ausgegliederten
Rechtsträgers führe und diesem Tochterunternehmen Dienstnehmer für die Tätigkeit
zuweise (= Personalleasing), nur (wenn überhaupt) das Kriterium der wirtschaftlichen
Selbständigkeit in Frage gestellt werden könnte. Ob dieses Merkmal schlussendlich
gegeben sei, müsse nach dem Umstand des Einzelfalles beurteilt werden. Anhaltspunkte
dafür, was unter diesem Terminus zu verstehen sei, müssten daher im Einzelfall anhand
des gegebenen Sachverhaltes beurteilt werden, wobei anzumerken sei, dass eine völlige
Selbständigkeit nicht erforderlich sei (vgl. ). Im hier gegenständlichen Fall gäbe es eine besondere Leitung (gemäß § 3 Abs. 4 ***2*** - Zuweisungsgesetz solle der Leiter oder die Leiterin des Personalamtes
das berufene Vorstandsmitglied der ***4*** sein) als auch
mehrere eigene Haushaltsstellen (= Geschäftskreise), die zwecks Ermittlung der exakten
Kostenabrechnung hinsichtlich der überlassenen Personen (= Aktivitätsaufwand) an die
Tochterunternehmen unabdingbar seien. Das Magistrat wäre gemäß § 3 Abs. 3 ***11***
Zuweisungsgesetz befugt, im Streitfall die Höhe des zu ersetzenden Aufwandes mit
Bescheid vorzuschreiben. Unstrittig sei, dass die Gemeinde ***3*** vor Ausgliederung mit
ihren Betrieben gewerblicher Art die Verpflichtung zur Abfuhr des Dienstgeberbeitrages
gehabt habe und diesem Umstand auch gesetzmäßig nachgekommen sei. Der Sinn
der Besteuerung von BgA einer Körperschaft öffentlichen Rechts bestehe primär in der
Ausschaltung von Wettbewerbsverzerrungen zu privaten Rechtsträgern. Durch die in
diesem Bereich durchgeführte Besteuerung sei somit die Gleichbehandlung auf allen
Ebenen zu privaten Unternehmen sichergestellt. Den Erläuterungen zum Entwurf des ***2*** - Zuweisungsgesetzes sei zu entnehmen, dass unter Bedachtnahme auf die geänderten wirtschaftspolitischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen eine Neustrukturierung der ***2*** vorgenommen worden sei, um unter dem starken Wettbewerb die optimale Erbringung von Diensten für den Kunden sicherzustellen. Damit sei aber auch klar erkennbar, dass der Gesetzgeber durch die Ausgliederung nicht die Umgehung der Abgabepflicht für den Dienstgeberbeitrag und somit quasi eine staatliche Beihilfe beabsichtigt bzw. in Kauf genommen habe, sondern andere Gründe zu dem oben dargelegten Sachverhalt geführt hätten. Ebenso wenig ergäben sich aus den Erläuterungen zur Änderung des FLAG 1967 im Rahmen des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 103/2007 zur Abschaffung der Selbstträgerschaft Anhaltspunkte dafür, dass es hinsichtlich der BgA zu einem Wegfall der bislang unstrittigen Dienstgeberbeitragspflicht und somit zu Ausgabenersparnissen habe kommen sollen. Der Gesetzgeber sei vielmehr von Mehrausgaben für die Länder ausgegangen, die entsprechend ausgeglichen werden sollten, andernfalls wäre im Gesetzgebungsprozess wohl besonders darauf hingewiesen worden bzw. hätte dies in der Abgeltung der Mehrausgaben für die Länder Berücksichtigung gefunden. Auszug aus den Erläuterungen: "Mit Wirkung vom Juni 2008 wird die Selbstträgerschaft abgeschafft. Dies wird zu Mehrausgaben der bisherigen Selbstträger führen, weil die höheren Ausgaben für den Dienstgeberbeitrag die Ersparnisse aus der bisherigen Leistung der Familienbeihilfe übersteigen werden. Um einen kostenneutralen Ausgleich auf Basis des Erfolges des Jahres 2007 zu ermöglichen, hat der Bundesminister für Finanzen die Auswirkungen auf die Gebietskörperschaften sowie die Gemeinnützigen Krankenanstalten zu ermitteln (§ 24 Abs. 5). Die Anteile des Familienlastenausgleichsfonds werden um das Ausmaß dieser
ermittelten Auswirkungen, die ja den Mehreinnahmen des Familienlastenausgleichsfonds
entsprechen, gekürzt (§ 9 Abs. 2 vorletzter Satz). Die Mehrausgaben der Länder und Gemeinde, jeweils einschließlich der Krankenanstalten, deren Rechtsträger sie sind, werden in Form höherer Ertragsanteile (§ 9 Abs. 2 letzter Satz, § 9 Abs. 7 Z 5 lit. a sublit. ac und lit. b sublit. bd, § 11 Abs. 8), die Mehrausgaben der anderen gemeinnützigen Krankenanstalten durch eine Ausgleichszahlung des Bundes ausgeglichen (§ 24 Abs. 6 letzter Satz)."Aufgrund der oben dargelegten rechtlichen Sichtweise werde nochmals festgehalten, dass der erklärte und abgeführte Dienstgeberbeitrag der Bf zu Recht erfolgt sei und daher den Anträgen auf Festsetzung der Dienstgeberbeiträge gemäß § 201 BAO mit Null nicht Folge gegeben werde.

Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht:

Dagegen richtete die Bf Ihre beiden eingebrachten Vorlageanträge vom , die betreffend der Bescheide vom und gleichlautend folgendermaßen begründet wurden:
Die vom Finanzamt vertretene Rechtsansicht sei nicht zutreffend, da die VwGH-Erkenntnisse (, 2007/15/0101; , 98/14/0062; , 99/13/0002), die das Finanzamt zur Begründung herangezogen habe, zum Kommunalsteuergesetz und nicht zum Familienlastenausgleichsgesetz ergangen seien. Nach § 3 Abs. 3 KommStG seien Körperschaften öffentlichen Rechts unter anderem im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art kommunalsteuerpflichtig. Hinsichtlich der Definition des Betriebes gewerblicher Art werde im § 3 Abs. 3 KommStG auf § 2 KStG verwiesen. Insbesondere das Erkenntnis des , in dem - wie in der Begründung der Beschwerdevorentscheidung ausgeführt - der VwGH festgestellt habe, dass Personalleasing durch eine Körperschaft öffentlichen Rechts einen Betrieb gewerblicher Art der Körperschaft begründen könne, beziehe sich, da es zur Frage der Kommunalsteuerpflicht ergangen sei, ausschließlich auf die Definition des Betriebes gewerblicher Art gemäß § 2 Abs. 1 KStG und enthalte keine Aussagen zum Begriff des Betriebes iSd FLAG. In seiner Rechtsprechung zum 2008 außer Kraft getretenen § 42 FLAG weise der VwGH aber darauf hin, dass in § 42 Abs. 1 lit. a FLAG der Begriff des "Betriebes" eigenständig verwendet werde und nicht etwa auf die Begriffsdefinition eines Betriebes gewerblicher Art in § 2 KStG verwiesen werde. Die Aussage in der Begründung der Beschwerdevorentscheidung, dass sich der Begriff "Betrieb" im Sinne des FLAG an den Grundzügen, die in § 2 Abs. 1 KStG für einen Betrieb gewerblicher Art normiert seien, orientiere, sei daher nicht zutreffend. Dementsprechend seien auch die Ausführungen zur organisatorischen Selbständigkeit irrelevant. Unter einer Unternehmung (einem Betrieb) im Sinne des § 42 Abs. 1 lit. a FLAG sei nach ständiger Rechtsprechung des VwGH (vgl. Erkenntnis vom , 2009/13/0160 mwN) eine in einer bestimmten Organisationsform in Erscheinung tretende wirtschaftliche Tätigkeit zu verstehen, die sich auf Vermögenswerte stütze und mit Einnahmen und Ausgaben verbunden sei. Hoheitsbetriebe einer Gebietskörperschaft könnten auch beitragspflichtig sein, wenn sich ihre Tätigkeit als Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr darstelle. Wesentlich sei für den VwGH, dass die Tätigkeit auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet sei, sich auf Vermögenswerte stütze und mit Einnahmen und Ausgaben verbunden sei. Im gegenständlichen Fall werde der ***11*** . GmbH und Co KG durch die Gemeinde ***3*** ausschließlich Personal zur Dienstleistung zugewiesen, aber keinerlei Vermögenswerte zur Verfügung gestellt. Da für das Vorliegen eines Betriebes im Sinne des FLAG nach der oa. Judikatur aber Vermögenswerte wesentlich seien, liege kein Betrieb im Sinne des FLAG vor. Hingewiesen wird auf das Erkenntnis vom , 2009/13/0160, in dem der Verwaltungsgerichtshof zur Dienstgeberbeitragspflicht des Bundes im Zusammenhang mit der Dienstzuteilung von Beamten an einen ausgegliederten Rechtsträger unter Verweis auf das Erkenntnis vom , 2007/13/0025, festgestellt habe, dass im Ersatz der Kosten für diese Bediensteten kein vom Bund verwalteter Betrieb im Sinne des § 42 Abs. 1 lit. a FLAG zu erblicken sei. Der hinsichtlich der Zuweisung von Bediensteten der Gemeinde ***3*** an die ***11*** . GmbH und Co KG vorliegende Sachverhalt sei mit jenem des VwGH-Erkenntnisses vom , 2009/13/0160, vergleichbar. Dazu werde auch auf die Entscheidung des (insbesondere auf Seite 25), verwiesen. Es werde daher (wie bisher) die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages mit Null beantragt.

Am wurde der Akt dem Bundesfinanzgericht vorgelegt. Im Vorlagebericht der belangten Behörde hielt diese die in der Beschwerdevorentscheidung vom vertretene Rechtsansicht aufrecht und beantragte, die Beschwerden als unbegründet abzuweisen.

Am hat die Bf bei einer stattgebenden Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgezogen (und dies am nochmals bestätigt).

Das Bundesfinanzgericht hat am das Beschwerdeverfahren gem. § 271 BAO ausgesetzt, da das Beschwerdeverfahren eines Parallelfalles in Form einer außerordentlichen Amtsrevision zum Erkenntnis des beim Verwaltungsgerichtshof anhängig war unter der GZ -7 und der Ausgang dieses Verfahrens für den gegenständlichen Fall von wesentlicher Bedeutung war. Den Parteien wurde vorher Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, aber keine gegen die Aussetzung sprechenden, überwiegenden Parteiinteressen bekannt gegeben.

Am wies der Verwaltungsgerichtshof die genannte Amtsrevision mit Beschluss zurück und verwies in seiner Begründung auf eine Zurückweisung eines anderen Parallelfalles vom . Darin erblickte der VwGH im Zusammenhang mit der Dienstzuteilung von Beamten im Ersatz der Kosten für diese Bediensteten keinen vom Bund verwalteten Betrieb iSd § 42 Abs. 1 lit. a FLAG. Die Überlassung der Beamten an die ausgegliederten Rechtsträger stelle für sich noch keinen Betrieb iSd genannten Bestimmung dar.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Im Zuge der Umstrukturierung der ***2*** auf der Grundlage des Bundesgesetzes über Maßnahmen anlässlich deren Ausgliederung (BGBl I 1999/68) wurde das Vermögen der ***2*** als Unternehmung der Stadt ***3*** auf die ***4***, die ***5***, die ***6*** (nunmehr ***12***), die ***8***und die ***9*** übertragen.
Die Rechtsfolgen für die Bediensteten der vormals ***11*** als Unternehmung der Gemeinde ***3*** legte das ***11*** Zuweisungsgesetz LGBl 1999/17 fest:
Bedienstete, die im Zeitpunkt der Betriebsaufnahme der ausgegliederten Gesellschaften in einem öffentlich rechtlichen oder durch Vertrag begründeten Dienstverhältnis zur Gemeinde ***3*** beschäftigt waren, wurden den ausgegliederten Gesellschaften zur Dienstleistung zugewiesen. Im gegenständlichen Fall wurden konkret Bedienstete der ***2***-Verkehrsbetriebe der ***8*** zur Dienstleistung zugewiesen (§ 1 Abs. 1 leg. cit.).

Durch diese Zuweisung ist gemäß § 1 Abs. 4 ***11*** - Umstrukturierungsgesetz in der dienst- und besoldungs- bzw pensionsrechtlichen Stellung der Bediensteten, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Gemeinde ***3*** standen, sowie in der dienst- und besoldungsrechtlichen Stellung der in einem vertraglich zur Gemeinde ***3*** begründeten Dienstverhältnis Beschäftigten keine Änderung eingetreten. Sämtliche Rechte und Pflichten als Dienstbehörde gegenüber den zugewiesenen Beamten und als Dienstgeber gegenüber den Vertragsbediensteten obliegen dem Magistrat gemäß § 3 Abs 1 leg. cit. Die genannten Maßnahmen erfolgten (mit Wirkung für die Beschäftigten) mit .
Die Bf hat den der ***11*** . GmbH und Co KG zugewiesenen Beschäftigten die Gehälter (Löhne etc.) ausbezahlt und die (darauf entfallenden) Dienstgerbeiträge an das Finanzamt abgeführt.
In der Zwischenzeit ist die Bf jedoch nicht mehr der Auffassung, dass sie zur Entrichtung
von Dienstgeberbeiträgen verpflichtet gewesen sei.

Das Bundesfinanzgericht hat am das Beschwerdeverfahren gem. § 271 BAO ausgesetzt, da ein Parallelfall in Form einer außerordentlichen Amtsrevision zum Erkenntnis des beim Verwaltungsgerichtshof anhängig war und dessen Ausgang für den gegenständlichen Fall von wesentlicher Bedeutung war. Am wies der Verwaltungsgerichtshof die genannte Amtsrevision mit Beschluss zurück und stellte im Zusammenhang mit der Dienstzuteilung von Beamten im Ersatz der Kosten für diese Bediensteten keinen vom Bund verwalteten Betrieb iSd § 42 Abs. 1 lit. a FLAG fest.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist auf Grund der vorliegenden Bescheide, des gegenständlichen Verfahrens, der erhobenen Beschwerden, der Beschwerdevorentscheidungen sowie der Vorlage vor dem Bundesfinanzgericht und des von der belangten Behörde elektronisch vorgelegten Aktes als erwiesen anzusehen.

Der Verfahrensgang vor dem Finanzamt 1/23 als belangter Behörde sowie vor dem Bundesfinanzgericht ist evident.

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig.

Auch das in einem Parallelfall durchgeführe Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichthof ist für den gegenständlichen Fall einschlägig und zu würdigen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Strittig ist, ob die Beschwerdeführerin ***Bf1*** GmbH & Co KG (in der Folge als Bf bezeichnet) hinsichtlich der ihr zugewiesenen Bediensteten (der Gemeinde ***3***) verpflichtet ist, Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu entrichten.

I. Zeitraum September 1999 bis Dezember 2002:

Bezüglich dieses Zeitraumes hat das Finanzamt seinen abweisenden Bescheid damit begründet, dass bereits Verjährung eingetreten sei.
Rechtlicher Hintergrund dazu ist § 201 BAO idF vor dem AbgRmRefG 2002:

"Wenn die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung der Abgabe zulassen, ist ein Abgabenbescheid nur zu erlassen, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung einer Erklärung, zu der er verpflichtet ist, unterlässt oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstberechnung als nicht richtig erweist. Innerhalb derselben Abgabenart kann die Festsetzung mehrerer Abgaben in einem Bescheid zusammengefasst werden."


Gemäß § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist bei Verbrauchsteuern drei Jahre,
bei allen übrigen Abgaben und bei Beiträgen fünf Jahre.


In den Fällen des § 207 Abs. 2 BAO beginnt die Verjährungsfrist mit dem Ablauf des
Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist (siehe dazu § 208 Abs. 1 lit. a BAO).
§ 209a Abs. 2 BAO lautet wie folgt:

"Hängt eine Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung oder eines in den Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrages (§ 85) ab, so steht der Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Berufung oder der Antrag vor diesem Zeitpunkt oder wenn ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens rechtzeitig im Sinn des § 304 eingebracht wurde."


Festgehalten wird, dass die Festsetzung einer Selbstberechnungsabgabe mit Abgabenbescheid in den in § 201 BAO (idF vor dem AbgRmRefG 2002) aufgezählten Fällen an keinen Antrag gebunden war. Die Verjährungsfrist für das Recht, eine Selbstberechnungsabgabe mit Abgabenbescheid festzusetzen, beträgt gemäß § 207 Abs. 3 BAO fünf Jahre. Das bedeutet, dass für die Dienstgeberbeiträge 1999 nach Ablauf des Kalenderjahres 2004, für die Dienstgeberbeiträge 2000 nach Ablauf des Kalenderjahres 2005, für die Dienstgeberbeiträge 2001 nach Ablauf des Kalenderjahres 2006 und für die Dienstgeberbeiträge 2002 nach Ablauf des Kalenderjahres 2007 das Recht, Festsetzungsbescheide zu erlassen, verjährt gewesen wäre. Grundsätzlich ist richtig, dass § 209a Abs. 2 BAO direkt auf die gesetzlich eingeräumte Möglichkeit einer Antragstellung (§ 85 BAO) verweist und dass in § 201 BAO idF vor dem AbgRmRefG 2002 eine solche Antragstellung nicht vorgesehen war. Jedoch würde das einen sachlich nicht zu rechtfertigenden Nachteil für die Partei darstellen und das Bundesfinanzgericht steht auf dem Standpunkt, dass dies den Normzweck des § 209a Abs. 2 BAO nicht erfüllen würde. Dessen Normzweck ist vielmehr, die Partei vor Rechtsnachteilen (durch Eintritt der Bemessungsverjährung) zu schützen, die lediglich dadurch entstehen, dass die Abgabenbehörde Anbringen nicht unverzüglich erledigt. Dass ein solches Vorgehen nicht zum Nachteil der Partei gehen dürfe, vertritt auch Ritz, BAO6 Kommentar, § 209a Tz 11 und verweist auf den Normzweck.

Um genau diese Konstellation geht es im gegenständlichen Fall, weil die Abgabenbehörde über den Antrag auf Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für den Zeitraum Juli 1999 bis Dezember 2002, gestellt am , erst am - also nach 13 Jahren - bescheidmäßig abgesprochen hat. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch, dass dieser Bescheid erst erging, nachdem die Bf eine Säumnisbeschwerde eingebracht hatte.

Demzufolge vertritt das Bundesfinanzgericht den Standpunkt, dass - wie im gegenständlichen Fall - auch auf Erlassung eines Abgabenbescheides gerichtete Anbringen iSd § 201 BAO idF vor dem AbgRmRefG 2002 unter den Tatbestand des § 209a Abs. 2 BAO zu subsumieren sind (ebenso Ritz, BAO6, Kommentar, § 209a Tz 8, wonach § 209a Abs. 2 auch dann gilt, wenn ein Antrag nicht ausdrücklich in den Abgabenvorschriften vorgesehen ist.

Demzufolge liegt die vom Finanzamt behauptete Verjährung nicht vor.

II. Zeitraum Jänner 2003 bis Mai 2008:

Bezüglich dieses Zeitraumes hat das Finanzamt seinen abweisenden Bescheid damit begründet, dass eine positive Ermessensübung iSd § 201 Abs. 2 Z 2 BAO idF AbgRmRefG 2002 nicht vorgenommen wurde.

§ 201 Abs. 1 BAO idF AbgRmRefG 2002 (somit für Abgaben, für die der
Abgabenanspruch nach dem entstanden ist) lautet wie folgt:

"Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann nach Maßgabe des Abs. 2 und muss nach Maßgabe des Abs. 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist."

Nach § 201 Abs. 2 Z 2 BAO kann eine Festsetzung erfolgen, wenn der Antrag
auf Festsetzung spätestens ein Jahr ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages
eingebracht wird.
Eine Festsetzung von Selbstberechnungsabgaben im Anwendungsbereich des § 201 Abs. 2 Z 2 BAO idF AbgRmRefG 2002 liegt zweifellos im Ermessen der Abgabenbehörde. Seine Entscheidung, keine Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für die Zeiträume ab dem Jahr 2003 vorzunehmen, traf das Finanzamt aus dem Grund, dass es durch die Festsetzung der Dienstgeberbeiträge mit Null und - da die Bf diese bereits entrichtet hat - des daraus resultierenden Guthabens bzw. Rückzahlung desselben nicht zu einer Bereicherung der Bf kommen würde, die dadurch entstanden wäre, dass nicht die Bf sondern die Finanzämter die Familienbeihilfe an die zugewiesenen Beschäftigten ausbezahlt haben, die die Finanzämter von der Bf nicht mehr rückfordern könnten, da bereits Verjährung
eingetreten sei.

Zu dieser Argumentation ist in Bezug auf die Ausübung des Ermessens festzuhalten, dass gem. § 20 BAO sich Ermessensentscheidungen in den Grenzen halten müssen, die das Gesetz dem Ermessen zieht und innerhalb dieser Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen sind. Die maßgebenden Kriterien für die Ermessensübung ergeben sich daher in erster Linie aus den Bestimmungen, die Ermessen einräumen, wobei sie in den betreffenden Bestimmungen nur ausnahmsweise genannt sind - grundsätzlich sind sie lediglich aus dem Normzweck erschließbar (Ritz, BAO6 Kommentar, § 20 Tz 5 ). Das bedeutet, die Ermessensübung hat sich in erster Linie am Normzweck zu orientieren (Ritz, BAO6, Kommentar, § 20 Tz 8 inklusive dort genannte Rechtsprechung).

Wenn also § 201 Abs. 1 BAO von einem Abgabepflichtigen spricht, der - obwohl er dazu verpflichtet ist - der Abgabenbehörde keinen oder einen unrichtigen selbst berechneten Betrag bekannt gibt, sowie davon, dass sich die Selbstberechnung als nicht richtig erweist, das Bundesfinanzgericht auf dem Standpunkt steht, dass Ziel des § 201 BAO ist, ein Ergebnis im Sinne der materiell-rechtlichen Vorschriften und dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit zu erzielen. Die vom Finanzamt argumentierten "Bereicherungsüberlegungen" in § 201 Abs. 1 BAO sind dort jedenfalls nicht angeführt - schon daraus ergibt sich, dass solche Überlegungen bei der Festsetzung von Selbstberechnungsabgaben nicht zu berücksichtigen sind. Außerdem sind Bereicherungsüberlegungen auch kein Kriterium, das bei der Ermessensübung iSd § 20 BAO zu berücksichtigen sind. Die Argumentation des Finanzamtes in seiner Bescheidbegründung, die eine Abweisung der Festsetzung iSd § 201 Abs. 2 Z 2 BAO nachvollziehbar machen soll und in diesem Zusammenhang nur das Argument der Bereicherung vorgebracht hat, ist daher nicht einschlägig zutreffend und es kann ihr daher nicht gefolgt werden.


Zusammenfassend ist festzuhalten, dass betreffend des Zeitraumes Juli 1999 bis Dezember 2002 keine Verjährung eingetreten ist und betreffend des Zeitraumes Jänner 2003 bis Mai 2008 keine einschlägigen Gründe gegen eine positive Ermessensübung
vorliegen.

In der Folge ist daher nur noch zu klären, ob entsprechend des Antrages der Bf für beide Zeiträume die Dienstgeberbeiträge mit Null festzusetzen sind:
Gemäß § 41 Abs. 1 FLAG 1967 haben den Dienstgeberbeitrag alle Dienstgeber zu leisten,
die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigen. Nach der mit Wirkung ab dem durch Art. 7 Z 12 FAG 2008, BGBl. I Nr. 103/2007, aufgehobenen Bestimmung des § 42 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 waren Bund, Länder und Gemeinden mit Ausnahme der von diesen Gebietskörperschaften verwalteten Betriebe, Unternehmungen, Anstalten, Stiftungen und Fonds von der Leistung des Dienstgeberbeitrages befreit.
Das Finanzamt argumentiert in seinen Beschwerdevorentscheidungen, dass es sich
bei der Zuweisung von Gemeindebediensteten durch die Bf an die ***11*** . GmbH und Co KG um einen Betrieb gewerblicher Art iSd § 2 KStG bzw. um ein Unternehmen iSd (aufgehobenen) § 42 Abs. 1 lit. a FLAG handeln würde. Der Begriff "Betrieb" iSd (aufgehobenen) § 42 Abs. 1 lit. a FLAG ist allerdings ein eigenständiger iSd der angesprochenen Gesetzesbestimmung - auf die Begriffsdefinition eines Betriebes gewerblicher Art iSd § 2 KStG wird hingegen nicht verwiesen ( Zl. 2009/13/0160). Bei der Zuweisung von Bediensteten (durch eine Gebietskörperschaft) an ausgegliederte Unternehmen handelt es sich aber nicht um einen Betrieb iSd (aufgehobenen) § 42 Abs. 1 lit. a FLAG ( Zl. 2009/13/0160; vom , Zl. 2012/13/0099; vom , Zl. 2007/13/0025).
Da demzufolge kein Betrieb iSd (aufgehobenen) § 42 Abs. 1 lit. a FLAG vorliegt und die Bf in den spruchgegenständlichen Zeiträumen von der Verpflichtung zur Entrichtung von
Dienstgeberbeiträgen befreit gewesen wäre, wird der Dienstgeberbeitrag sowohl für
den Zeitraum Juli 1999 bis Dezember 2002 als auch für den Zeitraum Jänner 2003 bis Mai 2008 mit Null festgesetzt.

Diese Rechtsansicht wurde auch vom VwGH in Parallelverfahren so entschieden, am , Ra 2019/13/0085 und am , Ra 2019/13/0064-7:

Am wies der Verwaltungsgerichtshof eine außerordentliche Amtsrevision Ra 2019/13/0064-7 zurück und verwies in seiner Begründung auf seine Zurückweisung eines anderen Parallelfalles vom Ra 2019/13/0085. Der VwGH stellte im Zusammenhang mit der Dienstzuteilung von Beamten im Ersatz der Kosten für diese Bediensteten keinen vom Bund verwalteten Betrieb iSd § 42 ABs. 1 lit.a FLAG fest, sondern stellte klar, dass die Überlassung der Beamten an die ausgegliederten Rechtsträger für sich noch keinen Betrieb iSd genannten Bestimmung darstellt.

Demzufolge war das ausgesetzte Verfahren gem. § 271 Abs. 2 BAO von Amts wegen fortzusetzen und aus den genannten Gründen spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision gem. Art 133 Abs 4 B-VG iVm § 25a Abs 1 VwGG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Demzufolge ist im gegenständlichen Fall über die Revision unterschiedlich abzusprechen:

I. In Hinblick auf die verfahrensrechtliche Frage, ob unter einem "in den Abgabenvorschriften vorgesehen Antrag (§ 85)" iSd § 209a Abs. 2 BAO auch Anbringen iSd § 201 BAO (idF vor dem AbgRmRefG 2002) subsumiert werden können, die auf Erlassung eines Abgabenbescheides gerichtet sind, ist eine eindeutige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ersichtlich. Demzufolge wird daher betreffend der Festsetzung von Dienstgeberbeiträgen für den Zeitraum Juli 1999 bis Dezember 2002 die Revision zugelassen.

II. Die Frage, ob es sich bei der Zuweisung von Bediensteten einer Gebietskörperschaft an ausgegliederte Unternehmen um einen Betrieb iSd (aufgehobenen) § 42 Abs. 1 lit. a FLAG handelt, hat das Bundesfinanzgericht nicht widersprüchlich zur einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beurteilt. Ausserdem existiert jüngste Rechtsprechung des VwGH von Parallelverfahren Ra 2019/13/0085 und Ra 2019/13/0064-7, der zu Folge klargestellt wird, dass kein Betrieb vorlag. Demzufolge ist daher betreffend Festsetzung von Dienstgeberbeiträgen für den Zeitraum Jänner 2003 bis Mai 2008 die Revision nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 201 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209a Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 42 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 41 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7104982.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

ECLI Nummer:
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7104982.2018

Fundstelle(n):
WAAAC-25264