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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.06.2020, RV/3101029/2016

Geschäftsführerhaftung, Verschulden, kein Nachweis der Gläubigergleichbehandlung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid des ***FA*** vom zu Recht erkannt:

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang und Sachverhalt

Der Beschwerdeführer war von bis zu ihrer Auflösung Geschäftsführer der im Firmenbuch zu FN eingetragenen GmbH (im Folgenden: Primärschuldnerin). Die Primärschuldnerin war als Bauträgerin tätig. Mit Beschluss des Landesgerichts A vom zu GZ_1 wurde über die Primärschuldnerin ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung eröffnet. In der Sanierungsplantagsatzung am bot die Primärschuldnerin ihren Gläubigern hinsichtlich der unbesicherten Forderungen eine Quote in Höhe von 30 %, zahlbar innerhalb von 24 Monaten ab Abnahme des Sanierungsplanes, an.

Am richtete das Finanzamt ein Ergänzungsersuchen an den Beschwerdeführer, in dem es diesen von der beabsichtigten Haftungsinanspruchnahme informierte und zur Stellungnahme zu den Haftungsvoraussetzungen aufforderte. Der Beschwerdeführer erstattete keine Stellungnahme. Mit Haftungsbescheid vom nahm das Finanzamt den Beschwerdeführer als Haftungspflichtigen gemäß §§ 9, 80 BAO für folgende aushaftenden, um die im Sanierungsplan angebotene Quote von 30 % gekürzten, Abgaben der Primärschuldnerin in Höhe von EUR 215.117,96 in Anspruch:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag
Lohnsteuer
05/14
444,25
Dienstgeberbeitrag
05/14
282,60
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
05/14
27,01
Lohnsteuer
06/14
1.321,50
Dienstgeberbeitrag
06/14
506,35
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
06/14
48,38
Lohnsteuer
07/14
1.152,21
Dienstgeberbeitrag
07/14
282,60
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
07/14
27,01
Lohnsteuer
08/14
1.152,21
Dienstgeberbeitrag
08/14
282,60
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
08/14
27,01
Lohnsteuer
09/14
409,66
Dienstgeberbeitrag
09/14
241,49
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
09/14
23,07
Umsatzsteuer
09/14
22.705,12
Körperschaftsteuer
10-12/14
743,40
Dienstgeberbeitrag
10/14
200,37
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
10/14
19,15
Umsatzsteuer
11/13
38.066,49
Säumniszuschlag 1
2014
533,65
Stundungszinsen
2014
135,81
Körperschaftsteuer
2012
40.897,50
Anspruchszinsen
2012
355,15
Körperschaftsteuer
04-06/14
87,50
Körperschaftsteuer
07-09/14
87,50
Stundungszinsen
2014
1.290,08
Säumniszuschlag 1
2014
37,28
Säumniszuschlag 1
2014
43,17
Säumniszuschlag 1
2014
36,51
Stundungszinsen
2014
508,53
Umsatzsteuer
10/14
1.906,09
Dienstgeberbeitrag
11/14
346,41
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
11/14
33,10
Umsatzsteuer
11/14
41.611,67
Dienstgeberbeitrag
12/14
82,28
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
12/14
7,86
Säumniszuschlag 1
2014
454,10
Säumniszuschlag 1
2014
817,95
Säumniszuschlag 1
2014
38,12
Körperschaftsteuer
01-03/15
251,30
Umsatzsteuer
12/14
25.700,27
Lohnsteuer
01/15
290,26
Dienstgeberbeitrag
01/15
82,28
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
01/15
7,86
Säumniszuschlag 1
2015
832,23
Lohnsteuer
02/15
290,26
Dienstgeberbeitrag
02/15
82,28
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
02/15
7,86
Lohnsteuer
03/15
290,26
Dienstgeberbeitrag
03/15
82,28
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
03/15
7,86
Säumniszuschlag 2
2014
227,05
Säumniszuschlag 1
2015
514,00
Lohnsteuer
04/15
290,26
Dienstgeberbeitrag
04/15
82,28
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
04/15
7,86
Säumniszuschlag 2
2014
380,67
Säumniszuschlag 2
2014
408,98
Umsatzsteuer
2013
18.545,81
Dienstgeberbeitrag
2011
2.309,85
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2011
220,72
Dienstgeberbeitrag
2012
2.309,85
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2012
220,72
Dienstgeberbeitrag
2013
2.309,85
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2013
220,72
Dienstgeberbeitrag
2014
1.708,37
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2014
163,23
Summe
215.117,96

Mit Beschluss des Landesgerichts A vom zu GZ_1 wurde die Bezeichnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Primärschuldnerin von Sanierungs- auf Konkursverfahren geändert und die Primärschuldnerin aufgelöst.

In seiner Beschwerde vom brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, jener Liquiditätsengpass, der zum Konkursverfahren geführt habe, sei nicht durch die Geschäftsführung verschuldet worden. Der Primärschuldnerin seien im Zeitraum, in dem sich die aushaftenden Abgabenrückstände ergeben hätten, keine liquiden Mittel zur Verfügung gestanden. Dies sei auf "Verzögerungen der zuständigen Baubehörde im Zusammenhang mit der Erteilung einer endgültigen Bewilligung des Bauvorhabens X und damit einhergehender Sperre der Auszahlung von beim Treuhänder bereits seit längerer Zeit hinterlegter Kaufpreisraten in Höhe von insgesamt EUR 865.843,18 ... zurückzuführen". Er habe nicht gegen abgabenrechtliche Pflichten verstoßen. Er habe auch keine Gläubiger gegenüber dem Finanzamt bevorzugt, "da dem Unternehmen die notwendigen liquiden Mittel, mit Ausnahme von zweckgebundenen, nicht frei verfügbaren Zahlungen im Zusammenhang mit anderen Bauvorhaben sowie eines von der Geschäftsbank in Höhe von EUR 5.244,- monatlich zur Bedienung der allernotwendigsten Centralregien (hauptsächlich gebunden für Gehaltszahlungen) freigegebenen Betrages, nicht zur Verfügung standen...". Mit der Beschwerde legte der Beschwerdeführer Auszüge der Debitorenkonten sowie des Kontos Bank aus der laufenden Buchhaltung vor. Aus dem Konto Bank geht hervor, dass von diesem Konto während des gesamten Jahres 2014 laufend Zahlungen an diverse Gläubiger geflossen sind.

Der Masseverwalter der Primärschuldnerin zeigte am an, dass die Masse nicht ausreicht, um die Masseforderungen zu erfüllen.

In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom führte das Finanzamt begründend unter anderem aus, dass die Behauptungslast für die Gleichbehandlung aller Gläubiger den Beschwerdeführer träfe. Die Nichtabfuhr von Lohnabgaben für ausbezahlte Löhne stelle jedenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung dar.

Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

Über den Beschwerdeführer wurde am vom Bezirksgericht B das Schuldenregulierungsverfahren zu GZ_2 eröffnet. Mit Beschluss vom wurde der Zahlungsplan bestätigt, dem zufolge die Gläubiger 3,5 % ihrer Forderungen erhalten. Das Finanzamt meldete die gesamte Haftungssumme am als Insolvenzforderung an.

Mit Stellungnahme vom ergänzte der Beschwerdeführer sein Vorbringen dahin, dass es sich bei der Primärschuldnerin um ein Bauträgerunternehmen handle, welches seine Bauvorhaben zu 100 % fremdfinanziert habe. "Die für die jeweiligen Bauvorhaben fälligen Kosten (insbesondere fällige Rechnungen der beschäftigten Baufirmen entsprechend Baufortschritt) wurden ausschließlich über die vom finanzierenden Kreditinstitut bereitgestellten Darlehen bezahlt, wobei es der Geschäftsführung nicht erlaubt war, die bereitgestellten Kredite für andere als die Bauvorhaben betreffenden Ausgaben zu verwenden ... Die zweckgebundene Durchführung der Zahlungen wurde dabei von den jeweils gewährenden Kreditinstituten entsprechend überwacht.

Grundsätzlich sind Umsätze aus der Tätigkeit als Bauträger unecht umsatzsteuerbefreit, jedoch besteht die Möglichkeit, zur Umsatzsteuerpflicht zu optieren, sofern dies ein Käufer wünscht ... Dies war bei mehreren Käufern von Einheiten des Objekts ... der Fall, sodass im betreffenden Zeitraum entsprechende Umsatzsteuerzahllasten fällig wurden. In diesem Zusammenhang wurden umsatzsteuerpflichtige Kundenzahlungen getätigt, der Eingang musste auf Wunsch der Bank jedoch direkt auf das entsprechende Kreditkonto erfolgen, aufgrund der Kontoüberziehung konnte über die Zahlungseingänge jedoch nicht verfügt werden und war somit den Geschäftsführern die termingerechte Entrichtung der Umsatzsteuerzahllasten nicht möglich.

Wie bereits in der Beschwerde angeführt, konnten von Seiten des Treuhänders aufgrund der Verzögerung der zuständigen Baubehörde im Zusammenhang mit der Erteilung der endgültigen Baugenehmigung Kaufpreisrestzahlungen, für welche aufgrund des Übergangs der Verfügungsmacht auf die Käufer die Umsatzsteuer bereits fällig war, nicht an den Bauträger weitergeleitet werden und standen somit auch aus diesem Grund die notwendigen Mittel zur Entrichtung der bereits fälligen Umsatzsteuer nicht zur Verfügung.

Die [Primärschuldnerin] verfügte neben den zweckgebundenen Einnahmen aus den abgewickelten Bauvorhaben über keine weiteren Einnahmen, sodass der laufende Geschäftsbetrieb nur aufgrund einer Freigabe von monatlichen liquiden Mitteln in Höhe von EUR 5.224,- durch die Geschäftsbank (Y) sowie durch sonstige mühsam aufgetriebene Leihgelder (insbesondere von Seiten der Firma Z) aufrecht erhalten werden konnte.

Die Freigabe der liquiden Mittel in Höhe von EUR 5.224,- durch die Geschäftsbank erfolgte mit der Auflage, dass diese Mittel ausschließlich zur Aufrechterhaltung des laufenden Geschäftsbetriebes, insbesondere für Gehaltszahlungen, verwendet werden mussten. Darüber hinaus standen der Geschäftsführung keine weiteren wesentlichen liquiden Mittel zur Verfügung."

Im Rahmen des Erörterungstermins am gab der Beschwerdeführer weiter an, dass er als Geschäftsführer der Primärschuldnerin aufgrund seines beruflichen Hintergrundes (Tätigkeit in einer Bank und als Unternehmensberater) unter anderem für den Bereich Finanzierung zuständig war. Die Banken hätten de facto weite Bereiche der Geschäftsführung maßgeblich beeinflusst, er habe im haftungsgegenständlichen Zeitraum keinen finanziellen Handlungsspielraum mehr gehabt. Es habe allerdings keine ausdrücklichen Vereinbarungen mit Banken gegeben, welche die Geschäftsführung von vornherein eingeschränkt hätten.

Der Bauträger sei für die Erwirkung der Baubewilligung verantwortlich. Beim Bauvorhaben "X" sei entgegen dem ursprünglichen Baubescheid anders gebaut worden, worauf seitens der Baubehörde ein Baustop verfügt worden sei und die bereits abgerufenen Kundengelder vom Treuhänder nicht ausbezahlt worden seien. Teilweise seien auch umsatzsteuerpflichtige Kundenzahlungen vom Treuhänder auf ein Baukonto überwiesen worden. Die darin enthaltene Umsatzsteuer habe jedoch nicht mehr ans Finanzamt überwiesen werden können, da das Konto zwischenzeitlich derart überzogen gewesen sei, dass die Bank keinerlei weitere Überweisungen mehr bewilligt habe. Es habe im haftungsgegenständlichen Zeitraum auch noch Einnahmen und Zahlungen betreffend andere Bauvorhaben gegeben. Er habe jedoch faktisch keine Möglichkeit gehabt, diese Gelder zu verwenden, da die Banken aufgrund des Gesamtobligos keine Überweisungen bewilligt hätten. Von der Schwesterfirma der Primärschuldnerin, der Z, seien Leihgelder in "dem laufenden Betrieb dienlicher Höhe" bezogen worden. Er gehe davon aus, dass in Bezug auf die haftungsgegenständlichen Lohnabgaben die entsprechenden Löhne tatsächlich bezahlt worden seien.

Mit Beschluss des Landesgerichts A vom zu GZ_1 wurde das über das Vermögen der Primärschuldnerin eröffnete Insolvenzverfahren mangels Vermögens gemäß § 123a IO aufgehoben. Auf die Insolvenzgläubiger entfiel eine Quote von 0 %.

Die Feststellungen zu Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem Firmenbuch, der Insolvenzdatei (www.edikte.justiz.gv.at) und dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Die Vertreter einer juristischen Person haben alle Pflichten zu erfüllen, die den Vertretenen obliegen. Insbesondere haben sie dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus Mitteln, welche sie verwalten, entrichtet werden (§ 80 BAO).

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Vertreters zur Haftung voraus. Die haftungsgegenständlichen Abgaben sind bei der Primärschuldnerin uneinbringlich, da das über das Vermögen der Primärschuldnerin eröffnete Insolvenzverfahrens mangels Vermögens aufgehoben wurde. Die Höhe der haftungsgegenständlichen Abgaben ergibt sich aus rechtskräftigen Festsetzungsbescheiden und ist unstrittig, zumal der Beschwerdeführer von seinem Beschwerderecht gemäß § 248 BAO keinen Gebrauch gemacht hat.

Eine weitere Voraussetzung ist eine schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters, zu dessen Aufgaben es gehört, für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen. Die Abgabenbehörde konnte zu Recht von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters ausgehen, wenn der Vertreter nicht dartut, dass er ohne eigenes Verschulden gehindert war, dafür zu sorgen, dass die Primärschuldnerin die angefallenen Abgaben entrichtet (Ritz, BAO, 6.A., Rz 22 zu § 9; ).

Wenn Löhne ausgezahlt werden, die darauf entfallende Lohnsteuer aber nicht (oder nicht zur Gänze) einbehalten und an das Finanzamt abgeführt wird, so begründet dies jedenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters (). Der Beschwerdeführer gibt selbst an, dass laufende Löhne bezahlt wurden. Hinsichtlich der haftungsgegenständlichen Lohnsteuer ist daher das Verschulden des Beschwerdeführers an ihrer Nichtentrichtung evident.

Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, dass der Liquiditätsengpass, welcher zum Insolvenzverfahren geführt habe, auf Verzögerungen der zuständigen Baubehörde im Zusammenhang mit der Erteilung einer Baubewilligung zurückzuführen sei. Daher treffe ihn kein Verschulden daran, dass Abgaben nicht bezahlt werden konnten. Dem ist entgegenzuhalten, dass laut seinen Angaben am Erörterungstermin einerseits die Verantwortung für die Erwirkung einer Baubewilligung bei der Primärschuldnerin als Bauträgerin gelegen war. Andererseits kam es zum Baustopp beim Projekt "X" deshalb, weil entgegen der ursprünglich erteilten Baubewilligung eine andere Bauausführung gewählt wurde, was wiederum in der Verantwortung der Primärschuldnerin als Bauträgerin lag. Und schließlich liegt auch die Wahl eines Geschäftsmodelles, bei dem Bauprojekte zu 100 % fremdfinanziert abgewickelt und damit den finanzierenden Banken weitreichende Mitspracherechte eingeräumt werden (mussten), in der Disposition und Verantwortung der Primärschuldnerin bzw ihrer Organe.

Das Beschwerdevorbringen dahin, dass den Beschwerdeführer kein Verschulden an der Nichtentrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben träfe, weil keinerlei liquide Mittel vorhanden gewesen seien, geht ins Leere. Seinem Vorbringen zufolge waren sehr wohl liquide Mittel vorhanden, und zwar Mittel im Zusammenhang mit "anderen Bauvorhaben" in nicht bekanntgegebener Höhe, Leihgelder der Schwesterfirma in nicht bekanntgegebener Höhe sowie ein Betrag von EUR 5.244,- monatlich für "Centralregien". Auch erklärte die Primärschuldnerin im haftungsgegenständlichen Zeitraum steuerpflichtige Umsätze.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs wird die Haftung des Vertreters dann eingeschränkt, wenn er nachweist, welcher Abgabenbetrag auch bei einer gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger uneinbringlich geworden wäre (zuletzt ). Diesfalls haftet er nur für die Differenz zwischen dem tatsächlich abgeführten und jenem Betrag, der bei gleichmäßiger Befriedigung aller Gläubiger an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre (). In dieser Berechnung sind die gesamte Einnahmensituation () und sämtliche Ausgaben einzubeziehen. Dieser Gleichbehandlungsgrundsatz gilt jedoch nicht für Abfuhrabgaben wie die Lohnsteuer (zuletzt ), die Lohnsteuer ist ungeachtet wirtschaftlicher Schwierigkeiten zur Gänze abzuführen (§ 78 Abs 3 EStG). Der Beschwerdeführer hat trotz mehrfacher Vorhaltung seitens des Finanzamtes im Ergänzungsersuchen, im Haftungsbescheid und in der Beschwerdevorentscheidung einen Nachweis der Gleichbehandlung aller Gläubiger nicht einmal ansatzweise erbracht. Die mit der Beschwerde vorgelegten Buchhaltungsauszüge vermitteln keinen Überblick über die gesamte Liquiditätssituation oder über die Befriedigung der Forderungen von anderen Gläubigern. Die mit Schreiben vom vorgelegte Darstellung umfasst nicht alle haftungsgegenständlichen Zeiträume - jene vor 2014 blieben unberücksichtigt. Auch wurde keinerlei Darstellung der jeweils vorhandenen liquiden Mittel vorgelegt.

Insgesamt erweist sich die Heranziehung des Beschwerdeführers als Haftungspflichtiger aufgrund seines Verschuldens an der Verletzung der abgabenrechtlichen Pflichten der Primärschuldnerin als gerechtfertigt.

Der Beschwerdeführer hat keine Einwände gegen die Richtigkeit der Ermessensübung des Finanzamtes erhoben. Bedenken diesbezüglich ergeben sich auch aus dem Akteninhalt nicht. Bei der Ermessensübung war der Zweck der Haftungsinanspruchnahme als Besicherungsinstitut zu berücksichtigen. Nur die Haftungsinanspruchnahme kann zur Durchsetzung des Abgabenanspruchs verhelfen, zumal die Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin aufgrund der Aufhebung des über deren Vermögen eröffneten Insolvenzverfahrens mangels Vermögens feststeht. Die Wahrscheinlichkeit der Einbringlichkeit beim Haftenden tritt bei der Interessenabwägung gegenüber dem öffentlichen Interesse auf Durchsetzung des Abgabenanspruchs zurück (). Da die Haftungssumme im Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des Beschwerdeführers bereits berücksichtigt wurde, erübrigt sich auch eine Anpassung im Wege der Ermessensübung (siehe ).

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Dieses Erkenntnis folgt in der rechtlichen Würdigung der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wurde darüber hinaus nicht aufgeworfen.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
Zitiert/besprochen in
Dirnbacher in AVR 2020, 149
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.3101029.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at