Ausländische Stiftung als Gesellschaft der Mutter-Tochter-Richtlinie (MTR)
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Marco Laudacher in der Beschwerdesache VLTGmbH, vom , vertreten durch PWG, gegen den Bescheid des Finanzamtes GW vom , betreffend Haftungsbescheid Kapitalertragsteuer für den Zeitraum 2/2019
zu Recht erkannt:
1. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
2. Eine Revision gegen dieses Erkenntnis an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
A. Im Beschwerdeverfahren dargestellter Sachverhalt:
1. An der Bf (VLT GmbH) sind die in Deutschland ansässigen Firmen
- VL VerwaltungsgmbH (mit 1,7%) und
- VL GmbH & Co KG (mit 98,3%) als Gesellschafter beteiligt. Kommanditist der KG ist die VL Familienstiftung.
2. a. Vom mit Gesellschafterbeschluss vom ausgeschütteten Bilanzgewinn des Geschäftsjahres 2017 wurde der auf die operative Mutter-KG entfallende Anteil von 495.825,20 € vom zuständigen Finanzamt der Kapitalertragsteuer durch richtlinienkonforme Interpretation des § 94 EStG im Haftungsbescheid vom unterzogen (495.825,20 € x 15% = 74.373,78 €).
b. Die Vorschreibung wurde wie folgt begründet:
(1) Gemäß § 95 Abs 1 EStG hafte der Abzugsverpflichtete dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer. Nachforderungen seien mittels Haftungsbescheid geltend zu machen.
(2) Ausländische Privatstiftungen zählten nicht zu den begünstigten Gesellschaften im Sinne der Mutter-Tochter-Richtlinie. Eine Befreiung vom Abzug der KESt an der Quelle gemäß § 94 Z 2 EStG sei daher nicht möglich. Entsprechend dem Art 10 des DBA Deutschland werde eine reduzierte KESt im Ausmaß von 15% des Bruttobetrages vorgeschrieben.
(3) Die Geltendmachung der Haftung sei eine Ermessensentscheidung (§ 20 BAO). Sie erfolge im Hinblick auf die Pflichtverletzung bei Einbehaltung und Abfuhr der gegenständlichen KESt sowie im öffentlichen Interesse an der Durchsetzung und Einbringung der Abgabe. Der Ermessensausübung entgegen stehende Umstände oder überwiegende Billigkeitsgründe lägen nicht vor.
3. Mit Schreiben vom legte die Bf. Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom ein.
a. Beantragt werde die Kapitalertragsteuer für die Ausschüttung an die VL GmbH & Co KG (kurz VL KG) in Höhe von 0,00 € festzusetzen.
b. Der Konzern besitze folgende Struktur:
Die VL Familienstiftung halte 97% an der VL GmbH & Co KG, diese halte 98,3% an der österreichischen Bf.
Gesellschafter der Bf. seien
- die VL VerwaltungsgmbH mit 1,7% und die
- VL GmbH & Co KG mit 98,3%.
c. Bei der KG sei laut Auszug des Handelsregisters des Amtsgerichtes Stuttgart die VL Familienstiftung als Kommanditist einziger Eigentümer des Vermögens.
d. Die Beteiligung der VL VerwaltungsgmbH an der VL KG sei folgendermaßen zu verstehen:
(1) Die VL VerwaltungsgmbH sei am Kapital mit 3% beteiligt. Ihr Ertragsanteil sei jedoch unabhängig vom Ertrag der KG mit 15.000,00 € pauschaliert, sodass insoweit wirtschaftlich keine Beteiligung an der Ausschüttung gegeben sei.
(2) Es liege eine sogenannte "Einheitsgesellschaft" vor. Die Anteile an der VL VerwaltungsgmbH lägen zu 100% bei der KG, nicht mehr bei der Stiftung. Für die nachfolgende Bewertung sei das Problem der "Einheitsgesellschaft" allerdings ausgelassen worden. Zu überprüfen wäre in diesem Zusammenhang, ob aufgrund dieser Struktur die Ausschüttung an die VL VerwaltungsgmbH nicht ebenfalls der Familienstiftung als Obergesellschaft zuzurechnen wäre.
e. Mit Gesellschafterbeschluss vom sei festgelegt worden, vom gesamten Bilanzgewinn des Geschäftsjahres 2017 im Betrag von 778.567,91 € einen Teilbetrag im Ausmaß von 524.266,14 € an die Gesellschafter im Verhältnis der eingezahlten Stammeinlage auszuschütten.
Diese Ausschüttung sei daher im Verhältnis der Stammeinlagen erfolgt:
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VL VerwaltungsgmbH | 1,7% | 8.912,52 € |
VL KG | 98,3% | 515.353,62 € |
Hinsichtlich der bereits abgeführten Kapitalertragsteuer sei folgende Überlegung relevant gewesen:
Durchgerechneter Anteil der VL VerwaltungsgmbH an der Bf. (VLT GmbH):
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Direkter Anteil | 1,70% | |
Beteiligung an der VL KG | 3,00% | |
Beteiligung an der Bf | 98,30% | 2,95% |
Durchgerechneter Anteil | 4,65% |
f. VL KG:
Der Komplementär (Kpl) HBÖ sei weder am Vermögen noch am Ergebnis der VL KG beteiligt. Somit seien sämtliche Gesellschafter der VL KG körperschaftsteuerpflichtige Gesellschaften. Für die Familienstiftung ergebe sich daher nachstehendes mittelbares Anteilsverhältnis an der Bf (im Falle der Einheitsgesellschaft sei hier ein "durchgerechneter Anteil von 100% anzusetzen):
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Anteil Familienstiftung an VL KG | 97,00% |
Anteil der VL KG an der Bf | 98,30% |
Durchgerechneter Anteil der Familienstiftung | 95,35% |
g. Zur VL VerwaltungsgmbH:
Von jenem Anteil des ausgeschütteten Gewinnes, der direkt bzw indirekt der VL VerwaltungsgmbH zufalle (4,65% von 524.266,14 €, das sind 24.174,80 €), sei entsprechend des Art 10 DBA Deutschland eine (reduzierte) Kapitalertragsteuer im Ausmaß von 15% des Bruttobetrages der Dividende einbehalten und abgeführt worden (4.266,14 €).
h. Zur VL KG:
(1) Ein Anteil von 495.825,20 € der Ausschüttung an die operative deutsche Mutter-KG, sei in Anwendung des richtlinienkonform interpretierten § 94 EStG von der KESt zu entlasten (EAS 2630). Dieser Ausschüttungsbetrag entspreche jenem Teil der Ausschüttung, der einer zu 97% beteiligten körperschaftsteuerpflichtigen Gesellschaft (VL Familienstiftung) zuzurechnen sei.
(2) § 94 EStG stelle in Österreich die Umsetzung der Mutter-Tochter-Richtlinie (2011/96/EU) dar.
Die im vorliegenden Fall anwendbare Z 2 des § 94 bestimme, dass keine KESt abzuziehen sei: ……unter folgenden Voraussetzungen bei den Kapitalerträgen von Körperschaften im Sinne des § 1 Abs 2 KStG:
- Es handelt sich um Gewinnanteile (Dividenden) und sonstige Bezüge aus Aktien, Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder an Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften und
- die Körperschaft ist mindestens zu einem Zehntel mittel- oder unmittelbar am Grund- oder Stammkapital beteiligt."
i. Diese Regelung gelte auch für ausländische Körperschaften, soweit sie die in der Anlage 2 zum EStG vorgesehenen Voraussetzungen der Mutter-Tochter-Richtlinie erfüllen.
j. (1) Im Hinblick auf EAS 2630 falle die Ausschüttung der Bf. an sich prinzipiell unter den Regelungsbereich des § 94 EStG. Es verbleibe nur die Frage, inwieweit eine deutsche Familienstiftung unter den Begriff der Gesellschaft nach der Mutter-Tochter-Richtlinie (MTR) falle.
(2) Anlage 2 zum EStG spreche unter anderem von "nach deutschem Recht gegründete Gesellschaften, die der deutschen Körperschaftsteuer unterliegen."
(3) Grundsätzlich unterliege eine deutsche Familienstiftung nach § 1 dKStG unbeschränkt der deutschen Körperschaftsteuer. Sie müsse ihr Einkommen mit 15% (§ 23 dKStG) versteuern. Insofern sei die Voraussetzung des zweiten Teiles erfüllt. Es verleibe die Frage, ob es sich bei einer Familienstiftung um eine nach deutschem Recht gegründete Gesellschaft im Sinne der MTR handle.
k. Der Gesellschaftsbegriff:
(1) Für die Auslegung des Begriffes der Gesellschaft im EU-rechtlichen Sinn sei auf Artikel 54 AEUV zurückzugreifen. Dieser definiere den Begriff der Gesellschaft wie folgt: "Als Gesellschaften gelten die Gesellschaften des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts einschließlich der Genossenschaften und die sonstigen juristischen Personen des öffentlichen und privaten Rechts mit Ausnahme derjenigen, die keinen Erwerbszweck verfolgen."
(2) Grundsätzlich geklärt sei, dass eine Stiftung iS des deutschen Sachenrechtes eine "Gesellschaft" iSd Art 54 AEUV sein könne. Ebenso wie die österreichische Privatstiftung sei sie ein Rechtsträger mit eigener Rechtspersönlichkeit und werde als juristische Person angesehen. Sie erfülle damit den Tatbestand der "sonstigen juristischen Person des privaten Rechts". Die verbleibende Fragestellung sei jene nach dem "Erwerbszweck."
l. Der "Erwerbszweck":
(1) Allgemein werde unter dem Erwerbszweck die beabsichtigte Teilnahme der Organisation am Wirtschaftsleben gesehen. Im Wesentlichen solle es bei dieser Bestimmung darum gehen, karitative oder kulturelle Organisationen vom Gesellschaftsbegriff auszuschließen. In der Literatur gehe man allerdings davon aus, dass auch die reine Vermögensverwaltung unter den Erwerbszweck des Art 54 AEUV falle, da sich die Stiftung hier wirtschaftlich betätige (Enzinger in Mayer/Stöger, EUV/AEUV, Art 54 AEUV, Rz 17 ff iVm Art 49 Rz 10 ff.).
(2) Unabhängig von der Tatsache, dass in der Literatur auch die rein vermögensverwaltende Gesellschaft als einen Erwerbszweck verfolgend angesehen werde, seien die Besonderheiten der Familienstiftung zu beachten. Aufgrund der familiären Struktur greife die Familienstiftung vor allem über den Stiftungsbeirat und den Vorstand aktiv in die Finanzierung und die strategische Führung der jeweiligen Tochtergesellschaften ein (so sei auch der Umlaufbeschluss hinsichtlich der Ausschüttung der österreichischen Tochter von der Familienstiftung gegengezeichnet).
Wesentliche strategische Entscheidungen in den Beteiligungsunternehmen würden vom Stiftungsbeirat/Vorstand beschlossen. Die Vermögensverwaltung werde daher jedenfalls aktiv betrieben. Diese Eingriffsmöglichkeiten seien in der Satzung der Familienstiftung und der Gesellschaften schriftlich definiert. Auch das Ausmaß der von der Stiftung gehaltenen Beteiligungen (idR 100%) zeige die Einflussmöglichkeiten der Stiftung auf die aktive Geschäftsführung der Beteiligungsunternehmen.
m. Aus den angeführten Gründen gehe man davon aus, dass jener Teil der Ausschüttung, der Bf. an die VL KG im Ausmaß von 495.825,20 € die Voraussetzung der MTR erfülle und damit von der KESt zu befreien sei.
n. Man beantrage daher eine Festsetzung der KESt im Ausmaß von 0,00 €.
o. Im Fall einer anderslautenden BVE stelle man bereits jetzt den Antrag auf Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das BFG.
4. Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom wurde die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid zur Kapitalertragsteuer vom als unbegründet abgewiesen:
a. Die Beschwerde begehre die Befreiung des Teils der Ausschüttung an die VL KG im Ausmaß von 495.825,20 €.
b. Unter folgenden Voraussetzungen habe der Abzugsverpflichtete gemäß § 94 Z 2 EStG bei den Kapitalerträgen von Körperschaften iSd § 1 Abs 2 KStG keine Kapitalertragsteuer abzuziehen
- Es handle sich um Gewinnanteile (Dividenden) und sonstige Bezüge aus Aktien, Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder an Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften und
- die Körperschaft sei mindestens zu einem Zehntel mittel- oder unmittelbar am Grund- oder Stammkapital beteiligt.
Dies betreffe auch ausländische Körperschaften, die die in der Anlage 2 des EStG vorgesehenen Voraussetzungen des Art. 2 der RL 2011/96/EU vom über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (ABl Nr.L 345 vom , S. in der jeweils geltenden Fassung - MTR) erfüllten, wenn die Beteiligung ununterbrochen während eines Jahres bestanden habe.
c. Das gelte unter der Voraussetzung, dass die ausländische Muttergesellschaft die in der Anlage 2 zum EStG enthaltenen Voraussetzungen erfülle. Die Anlage 2 zum EStG setze die Vorgaben des Artikels 2 der MTR um. Diese seien:
- Die ausländische Körperschaft weise eine der in der Z 1 der Anlage 2 zum EStG erhaltenen Gesellschaftsformen auf,
- sie gelte nach dem Steuerrecht eines Mitgliedstaates der EU in Bezug auf den steuerlichen Wohnsitz als in diesem Staat ansässig und werde auch nicht aufgrund eines mit einem dritten Staat abgeschlossenen DBA in Bezug auf den steuerlichen Wohnsitz als außerhalb der EU ansässig betrachtet und
- sie sei ohne Wahlmöglichkeit einer der in der Z 3 der Anlage 2 zum EStG aufgezählten Steuern unterworfen.
d. In der Anlage 2 zum EStG seien folgende Gesellschaften deutschen Rechts angeführt: Mit der Bezeichnung "Aktiengesellschaft", "Kommanditgesellschaft auf Aktien", "Gesellschaft mit beschränkter Haftung", "Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit", "Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft", "Betrieb gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts" und "andere nach deutschem Recht gegründete Gesellschaften, die der deutschen Körperschaftsteuer unterliegen" würden.
Privatstiftungen seien in dieser Aufzählung nicht enthalten und erfüllten damit nicht die gesetzlichen Voraussetzungen des § 94 Z 2 EStG.
Die Beschwerde sei daher abzuweisen.
5. Mit Schreiben vom wurde die Vorlage des Haftungsbescheides zur KESt vom an das BFG beantragt.
6. Am wurde die Beschwerde über den Haftungsbescheid dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt. Da in der Anlage 2 zum EStG deutsche Privatstiftungen nicht enthalten seien, könnten diese auch nicht die Voraussetzungen des § 94 Z 2 EStG erfüllen.
7. Mit Schreiben vom wurden nachstehende Unterlagen an das BFG versandt (Auszüge):
a. Gesellschaftsvertrag der VL KG vom :
§ 2 Gegenstand des Unternehmens:
Gegenstand des Unternehmens ist die Entwicklung und Herstellung sowie der Vertrieb von Beschichtungsmaterialien für Holz, Holzwerkstoffe, Kunststoffe und sonstige Trägermaterialien.
Die Gesellschaft kann Beteiligungen an anderen Gesellschaften und Tochtergesellschaften im In-und Ausland erwerben, errichten und führen, Unternehmensverträge abschließen und alle weiteren Geschäfte betreiben, die dem Gegenstand des Unternehmens zu dienen geeignet sind.
§ 4 Gesellschaftsanteile, Gesellschaftereinlagen:
Das feste Gesellschaftskapital beträgt 2.664.400,00 €. Persönlich haftende Gesellschafter sind
- die VL VerwaltungsgmbH (Komplementär GmbH) und
- Herr HBÖ (persönlich haftender Gesellschafter).
Der persönlich haftende Gesellschafter ist am Gesellschaftsvermögen nicht beteiligt.
Am Gesellschaftskapital und damit an der Gesellschaft sind beteiligt
- die Komplementär GmbH mit einem Kapitalanteil von 80.000,00 € (rd 3%) und
- als Kommanditistin die VL Familienstiftung mit einem Kapitalanteil von 2.584.400,00 € (rd 97%). Die Einlagen der Komplementär GmbH und der Kommanditistin sind voll erbracht. Der Kapitalanteil der Kommanditistin entspricht der im Handelsregister einzutragenden Haftsumme.
Die Kapitalanteile sind fest und stimmen mit den prozentualen Gesellschaftsanteilen überein. Sie repräsentieren den Anteil der einzelnen Gesellschafter am Gesellschaftsvermögen einschließlich der stillen Reserven. Die Stimmrechte der einzelnen Gesellschafter in und außerhalb der Gesellschafterversammlung bestimmen sich nach § 14. Die Anteile der einzelnen Gesellschafter am laufenden Gewinn bestimmen sich nach § 16.
§ 5 Gesellschafterkonten:
Die Gesellschaftsanteile der Gesellschafter nach § 4 werden für jeden Gesellschafter auf einem Kapitalkonto I geführt. Außerdem wird für die Kommanditistin ein Rücklagenkonto geführt. Weiters führt die Gesellschaft für die Kommanditistin und die Komplementär GmbH jeweils ein Verlustvortragskonto. Ferner wird für die Kommanditistin ein veränderliches Privatkonto geführt,
- auf diesem werden Habenzinsen für Guthaben auf dem Privatkonto, Aufwendungsersatz, Auslagenersatz sowie Gewinnanteile und Einzahlungen gutgeschrieben. Entnahmen und Sollzinsen für Verbindlichkeiten auf dem Privatkonto werden von dem Privatkonto abgebucht.
§ 7 Geschäftsführung, Vertretung:
(1) Zur Geschäftsführung und zur Vertretung der Gesellschaft ist ausschließlich die Komplementär GmbH berechtigt und verpflichtet. Der persönlich haftende Gesellschafter ist also von der Geschäftsführung und von der Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen.
(2) Abweichend von der Regelung des Abs 1 werden die Gesellschafterrechte aus den der Kommanditgesellschaft zustehenden Geschäftsanteilen an der Komplementär GmbH unmittelbar vom Beirat (§ 8) ausgeübt. Das gilt insbesondere, jedoch nicht abschließend, für
- Bestellung oder Abberufung von Geschäftsführern der Komplementär GmbH,
- die Vertretung der Komplementär GmbH gegenüber ihren Geschäftsführern,
- den Erlass einer Geschäftsordnung für die Geschäftsführung der Komplementär GmbH,
- die Einräumung einer Alleinvertretungsbefugnis für die Geschäftsführer der Komplememtär GmbH bzw
- die Feststellung des Jahresabschlusses und Gewinnverwendung der Komplementär GmbH.
(5) Die Komplementär GmbH hat dem Beirat rechtzeitig vor Beginn eines neuen Geschäftsjahres für die Gesellschaft selbst sowie für alle Unternehmen, an denen die Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar mehrheitlich beteiligt ist (Beteiligungsunternehmen), eine den betriebswirtschaftlichen Grundsätzen entsprechende Unternehmensplanung (Investitions- und Finanzplan, Liquiditäts-, Umsatz- und Ergebnisplan, Personalplan etc) für das neue Geschäftsjahr zur Genehmigung vorzulegen. Sie hat den Beirat vierteljährlich über die Einhaltung der vorgelegten Unternehmensplanung zu informieren; Änderungen sind, soweit dies möglich ist, dem Beirat zur Zustimmung vorzulegen.
(6) Der Beirat erlässt eine Geschäftsordnung für die Komplementärs GmbH und deren Geschäftsführung. In dieser Geschäftsordnung hat der Beirat vorzusehen, dass die Komplementär GmbH zur Vornahme bestimmter Geschäfte bzw Maßnahmen der Zustimmung des Beirates und/oder der Gesellschafterversammlung bedarf, soweit das betreffende Geschäft bzw die betreffende Maßnahme nicht bereits im Rahmen der Unternehmensplanung gemäß Abs 5 genehmigt worden ist.
§ 8 Beirat:
Die Gesellschaft hat einen Beirat, der aus drei Mitgliedern besteht. Die Mitglieder des Beirats werden von der Gesellschafterversammlung mit einer Mehrheit von 75% der abgegebenen Stimmen gewählt.
§ 9 Aufgaben und Rechte des Beirates, Entlastung:
Der Beirat hat die Komplementär GmbH zu überwachen und zu beraten. Er allein entscheidet über die Bestellung und Abberufung ihrer Geschäftsführer.
Der Beirat soll zu allen Gesellschafterversammlungen eingeladen werden. Er hat, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich oder zweckmäßig ist, das Recht, sich jederzeit von den Angelegenheiten der Gesellschaft und der Beteiligungsunternehmen persönlich zu unterrichten. Die Geschäftsführer der Komplementär GmbH sind verpflichtet, dem Beirat Auskunft über alle Angelegenheiten der Gesellschaft, über ihre rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zu Beteiligungsgesellschaften sowie über geschäftliche Vorgänge bei dieser zu erteilen sowie auf sein Verlangen zu den Sitzungen des Beirates zu erscheinen.
Soweit dem Beirat in diesem Gesellschaftsvertrag Aufgaben und Kompetenzen übertragen werden, treten diese - soweit gesetzlich zulässig - an die Stelle entsprechender Kompetenzen der anderen Organe, insbesondere der Gesellschafterversammlung.
§ 11 Einberufung, Beschlussfassung, innere Ordnung:
Über jede Sitzung des Beirates ist eine Niederschrift anzufertigen, die vom Vorsitzenden der Sitzung zu unterzeichnen ist.
§ 13 Gesellschafterversammlung:
Die ordentliche Gesellschafterversammlung findet jährlich, spätesten sechs Monate nach Ende eines Geschäftsjahres statt. Die Gesellschafterversammlung ist beschlussfähig, wenn Gesellschafter, denen zusammen mindestens 75% des Gesellschaftskapitals gehören, anwesend oder vertreten sind.
§ 16 Verteilung von Gewinn und Verlust:
Aus dem Jahresüberschuss ist zunächst das Rücklagenkonto der Kommanditistin zu dotieren. Dazu sind 50% des handelsbilanziellen Jahresüberschusses diesem Rücklagenkonto zuzuführen. Der Beirat kann den Rücklagenanteil bis auf 20% ermäßigen oder bis auf 60% erhöhen. Der sich aus dem Jahresabschluss ergebende Bilanzgewinn (Jahresüberschuss abzüglich Rücklagenzuführung) wird auf das Privatkonto der Kommanditistin gebucht.
§ 17 Entnahmen:
Die Komplementär GmbH und die Kommanditistin können Steuern und Steuervorauszahlungen einschließlich Ergänzungsabgaben (zB Solidaritätszuschlag) entnehmen, soweit diese auf den steuerlichen Gewinnanteil des entnehmenden Gesellschafters an der KG entfallen.
Unterzeichnung für die Komplementär GmbH: Dr. VL
Unterzeichnung für die Familienstiftung: Dr. VL
b. Satzung der VL Familienstiftung vom :
§ 1 Name, Rechtsform, Sitz:
Die Stiftung führt den Namen VL Familienstiftung.
§ 2 Stiftungszweck:
Zweck der Stiftung ist die Förderung in jeglicher Hinsicht, erfolgreiche Weiterführung und unternehmerische Verwaltung der Unternehmensgruppe VL. Die einmalige, wiederholte oder laufende Unterstützung der Stifter.
Aufgabe der Stiftung ist insbesondere der Erhalt der Unternehmensgruppe VL als eigenständiges Unternehmen, soweit dies wirtschaftlich möglich und sinnvoll ist. Die Stiftung hat dabei den Beirat der Unternehmensgruppe VL durch geeignete Persönlichkeiten zu besetzen und die Gesellschafterrechte im Rahmen der Gesellschaftsverträge der Unternehmensgruppe VL auszuüben.
§ 9 Stiftungsbeirat:
Der Stiftungsbeirat besteht aus fünf Mitgliedern, die nach ihrer Ausbildung und ihrer gesellschaftlichen Stellung über die für ein derartiges Amt erforderliche fachliche und persönliche Qualifikation verfügen müssen.
Der Stiftungsbeirat soll mit zwei Familienangehörigen (leibliche und/oder adoptierte Abkömmlinge der Eheleute VL) besetzt sein.
§ 10 Aufgaben des Stiftungsbeirates:
Der Stiftungsbeirat hat neben den Aufgaben, die ihm diese Satzung und das Gesetz zuweisen, die Aufgabe den Vorstand zu beraten und zu überwachen. Er beschließt insbesondere über die Wahrnehmung von Gesellschafterrechten in der VL Unternehmensgruppe, insbesondere die Besetzung des Beirats der Unternehmensgruppe (Bestellung und Abberufung der einzelnen Beiratsmitglieder).
Die Ausübung der Gesellschafterrechte in Gesellschaften, an denen die Stiftung beteiligt ist, obliegt dem Stiftungsbeirat; er handelt insofern als besonderer Vertreter iSv § 86 Satz 1 iVm § 30 BGB.
Der Stiftungsbeirat entscheidet über die Erteilung von Weisungen gegenüber den Geschäftsführern der Unternehmensgruppe, sofern ein Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung bei der betreffenden Gesellschaft vorgesehen ist.
Über jede Sitzung des Stiftungsbeirates ist eine Niederschrift auszufertigen.
c. Weitere Unterlagen (Beispiele):
(1) Genehmigung der Anschaffung eines IR-Spektrometers (Investitionsantrag Beirat; 16.350,00 €) durch die VL Familienstiftung am .
(2) Beschluss der Familienstiftung vom über die Anstellung eines Mitarbeiters
(3) Beschluss der Familienstiftung vom über die Beauftragung einer Beratungsgesellschaft zur Erstellung eines Gutachtens nach IDW S 6.
8. Mit Mail vom übermittelte das Steuerbüro die für den Ausschüttungsbeschluss vom an das Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart übermittelte Ansässigkeitsbescheinigung der VL Familienstiftung. Dem Dokument sind folgende Daten zu entnehmen:
Betrifft: Antrag auf Rückzahlung/Erstattung der österreichischen Abzugsteuer betreffend Kapitalertragsteuer auf Dividenden aus GmbH-Anteilen.
Datum:
Empfänger: Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart
Im Jahr: 2017
Antragsteller: Juristische Person
Rechtsgrundlage: Aufgrund der österreichischen Doppelbesteuerungsabkommen
Firmenname: VL Familienstiftung
Ansässigkeitsstaat zum Zeitpunkt des Zuflusses der Einkünfte: Deutschland
Sitzstaat: Deutschland
Allgemeine Angaben:
War der Antragsteller zum Zeitpunkt des Zuflusses der angegebenen Dividenden zur Nutzung der GmbH-Anteile berechtigt, aus denen diese Dividenden stammen und hat er diese Erträge für eigene Rechnung vereinnahmt? Antwort: Ja.
Besondere Angaben:
Übt die antragstellende juristische Person eine betriebliche Betätigung aus die über den Rahmen der Vermögensverwaltung hinausgeht? Antwort: Nein
Beschäftigt die antragstellende juristische Person eigene Arbeitskräfte und verfügt sie zur Betriebsausübung über eigene Betriebsräumlichkeiten? Antwort: Nein.
Sind in Österreich ansässige Gesellschaften zum Zeitpunkt des Zuflusses der angegebenen Dividenden zu mehr als 10% an der antragstellenden Gesellschaft beteiligt? Antwort: Nein.
Bezeichnung der inländischen ausschüttenden Gesellschaft: VLT GmbH
Ausmaß der Beteiligung in %: 98,31%.
Datum Ausschüttungsbeschluss:
Datum Zufluss:
Bruttobetrag der Einkünfte: 1.734.882,36
Einbehaltene Kapitalertragsteuer: 260.232,35
Ansässigkeitsbescheinigung der ausländischen Steuerverwaltung:
Für Zwecke der Steuerentlastung hinsichtlich der in Abschnitt 7 bezeichneten Einkünfte (Bruttobetrag der Einkünfte) wird bestätigt, dass die Abgabepflichtige zum Zeitpunkt des Zuflusses der Einkünfte im Sinne des DBA, das Österreich mit dem in Abschnitt 3 genannten Staat abgeschlossen hat, in diesem Staat ansässig war und dass auch die Angaben zur Person der Abgabepflichtigen (Abschnitt 1) mit dem hier vorliegenden Wissensstand übereinstimmen. Datum. .
Erklärung des Antragstellers:
Ich versichere, dass ich die vorstehenden Angaben nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig gemacht habe. Datum: .
9. Folgende Unterlagen sind in die rechtliche Würdigung miteinzubeziehen:
a. Beschluss gemäß § 34 GmbHG vom (Auszug):
Die VL VerwaltungsgmbH mit Sitz in Deutschland und die VL KG mit Sitz in Deutschland (vertreten durch die persönlich haftende Gesellschafterin VL VerwaltungsgmbH, diese vertreten durch den Geschäftsführer) fassen als Gesellschafter der VLT GmbH (Bf.) einstimmig nachstehenden Beschluss:
Der Bilanzgewinn des Geschäftsjahres 2017 beträgt 778.567,91 €. Vom Bilanzgewinn wird der Betrag von 524.266,14 € an die Gesellschafter im Verhältnis der eingezahlten Stammeinlage nach Absprache ausgeschüttet und der Restbetrag von 254.301,77 € auf neue Rechnung vorgetragen.
b. Unterlage über die Berechnung der Ausschüttung vom durch die Bf.:
(1) Ausschüttung netto 520.000,00 €
KG 98,30%; VL VerwaltungsgmbH 1,70%
(2) Mittelbare Beteiligung VL Familienstiftung
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Anteil VFS-KG | 97,00% |
Anteil KG-AT | 98,30% |
Durchgerechneter Anteil | 95,35% |
Quellensteuer
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Brutto-Ausschüttung | Quellensteuer 15% | |||
Ausschüttung KESt-frei | 95,35% | 495.825,20 € | 495.825,20 € | |
Mit Quellensteuer belastet | 4,65% | 24.174,80 € | 28.440,94 € | 4.266,14 € |
520.000,00 € | 524.266,14 € | 4.266,14 € |
Verbleibender Gewinnvortrag 254.301,77 €.
Notwendige Überweisung
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KG | 511.160,00 € |
VerwaltungsgmbH | 8.840,00 € |
520.000,00 € | |
Finanzamt | 4.266,14 € |
c. Anfrage des Steuerbüros an das zuständige Finanzamt vom zur steuerlichen Behandlung der Veranlagung 2016:
(1) An der VLT GmbH (Bf.) seien die VL VerwaltungsgmbH mit 1,69% und die VL KG mit 98,31% beteiligt. Bei der KG sei die VL Familienstiftung als Kommanditist einziger Eigentümer des Vermögens.
(2) Mit Beschluss vom sei aus dem Bilanzgewinn des Geschäftsjahres 2016 im Ausmaß von 2.427.937,38 € ein Betrag von 1.764.705,89 € an die Gesellschafter im Verhältnis ihrer Anteile ausgeschüttet worden.
(3) Vom Gesamtbetrag des ausgeschütteten Gewinnes sei entsprechend dem Art 10 des DBA mit Deutschland eine (reduzierte) Kapitalertragsteuer im Ausmaß von 15% des Bruttobetrages der Dividende einbehalten und abgeführt worden.
(4) Unter Anwendung des § 94 EStG wäre zumindest jener Teil der Ausschüttung von der Kapitalertragsteuer zur Gänze zu entlasten, der an die deutsche KG zu bezahlen sei, da hier indirekt wieder ausschließlich die Familienstiftung als Gesellschafter anzusehen wäre (s. auch SWI 2/2010, 51).
(5) Es stelle sich die Frage, ob die KESt entsprechend zu berichtigen sei und man von einer Steuerfreiheit der Ausschüttungen ausgehen könne.
d. Antwort des Finanzamtes vom zur Anfrage vom :
Nach Ansicht des BMF zählten ausländische Privatstiftungen nicht zu den begünstigten Gesellschaften iSd MTR. Eine Befreiung vom Abzug der Kapitalertragsteuer an der Quelle gemäß § 94 Z 2 EStG sei daher nicht möglich.
B. Der Entscheidung zugrunde gelegter Sachverhalt
An der Bf. sind als Gesellschafter die deutschen Gesellschaften VL VerwaltungsgmbH und VL KG beteiligt. Kommanditist der KG ist die VL Familienstiftung. Das Bundesfinanzgericht geht davon aus, dass die Geschäftstätigkeit der VL KG und damit auch der Bf. von der VL Familienstiftung über den Stiftungsbeirat bzw den Beirat der KG gesteuert und maßgeblich beeinflusst wird, also ein entsprechender "Erwerbszweck" bei der Familienstiftung anzunehmen ist. Es fehlt aber eine Ansässigkeitsbescheinigung für den gegenständlichen Ausschüttungszeitraum 2017.
C. Rechtslage
1. § 94 Z 2 EStG (idF des Veranlagungsjahres 2019) besagt, dass unter folgenden Voraussetzungen bei den Kapitalerträgen von Körperschaften iSd § 1 Abs 2 KStG keine Kapitalertragsteuer abzuziehen ist
- es handelt sich um Gewinnanteile (Dividenden) und sonstige Bezüge aus Aktien, Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder an Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften und
- die Körperschaft ist mindestens zu einem Zehntel mittel- oder unmittelbar am Grund- oder Stammkapital beteiligt.
Das gilt auch für ausländische Körperschaften, die die in der Anlage 2 zu diesem Bundesgesetz vorgesehenen Voraussetzungen des Artikels 2 der Richtlinie 2011/96/EU vom , über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, ABl Nr. L 345 vom , S. 8 in der jeweils geltenden Fassung erfüllen, wenn die Beteiligung während eines ununterbrochenen Zeitraumes von mindestens einem Jahr bestanden hat.
Davon abweichend hat der Abzugsverpflichtete die Kapitalertragsteuer dann einzubehalten, wenn Gründe vorliegen, wegen derer der Bundesminister für Finanzen dies zur Verhinderung von Steuerverkürzung und Missbrauch (§ 22 BAO) sowie in den Fällen verdeckter Ausschüttungen durch Verordnung anordnet. In diesen Fällen ist eine der Richtlinie entsprechende Entlastung von der Kapitalertragsteuer auf Antrag der Muttergesellschaft durch ein Steuerrückerstattungsverfahren herbeizuführen.
2. VO KESt-Erstattung MTR, BGBl 56/1995:
§ 1: Eine Unterlassung des Steuerabzugs im Sinne des § 94a Abs 1 EStG ist unzulässig, wenn Umstände vorliegen, die für die Annahme eines Missbrauchs iSd § 22 BAO sprechen.
§ 2 Abs 1: Ein Missbrauch iSd § 22 BAO wäre von dem zum Abzug verpflichteten nur dann nicht zu vertreten, wenn er über eine schriftliche Erklärung der die Kapitalerträge empfangenden Gesellschaft verfügt, aus der die in Abs 2 angeführten Umstände hervorgehen. Überdies dürfen dem zum Abzug Verpflichteten keine Umstände erkennbar sein, die Zweifel an der Richtigkeit dieser Erklärung auslösen.
Abs 2: Schriftliche Erklärungen iSd Abs 1 müssen folgende Aussagen enthalten:
- Die Gesellschaft entfaltet eine Betätigung, die über die bloße Vermögensverwaltung hinausgeht.
- Die Gesellschaft beschäftigt eigene Arbeitskräfte.
- Die Gesellschaft verfügt über eigene Betriebsräumlichkeiten.
§ 4: Der Nachweis der Voraussetzungen für eine Befreiung vom Kapitalertragsteuerabzug ist durch Unterlagen zu führen, aus denen diese Voraussetzungen jederzeit leicht nachprüfbar sind.
Abs 2 lit a.: Es ist eine von der Steuerverwaltung des Ansässigkeitsstaates erteilte Ansässigkeitsbescheinigung zu erbringen.
Abs 2 lit b.: Diese Ansässigkeitsbescheinigung kann auf jenen Vordrucken beigebracht werden, die aufgrund der mit den Ansässigkeitsstaaten abgeschlossenen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung für Zwecke der Rückerstattung der österreichischen Kapitalertragsteuer oder sonst für Zwecke einer abkommensgemäßen Steuerentlastung in Österreich aufgelegt sind.
Abs 2 lit c.: Die Ansässigkeitsbescheinigung muss zeitnah vor oder nach der Zahlung der Kapitalerträge ausgestellt sein. Sind für den Abzugsverpflichteten keine Umstände erkennbar, die auf eine ungerechtfertigte Steuerentlastung hindeuten könnten, ist eine Bescheinigung innerhalb eines Zeitraumes von einem Jahr noch als zeitnah anzusehen.
In der Anlage 2 des EStG sind unter dem Titel "Gesellschaften deutschen Rechts" folgende Gesellschaften angeführt:
- "Aktiengesellschaft",
- "Kommanditgesellschaft auf Aktien",
- "Gesellschaft mit beschränkter Haftung",
- "Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit",
- "Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft",
- "Betrieb gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts" und
- "andere nach deutschem Recht gegründete Gesellschaften, die der deutschen Körperschaftsteuer unterliegen".
4. Mutter-Tochter-Richtlinie idF vom (EU 2015/121):
a. Artikel 2 lit a MTR:
"Gesellschaft eines Mitgliedstaates" ist jede Gesellschaft,
- die eine der in Anhang I Teil A aufgeführten Formen aufweist;
- die nach dem Steuerecht eines Mitgliedstaates in Bezug auf den steuerlichen Wohnsitz als in diesem Mitgliedstaat ansässig und aufgrund eines mit einem dritten Staat geschlossenen DBA in Bezug auf den steuerlichen Wohnsitz nicht als außerhalb der Union ansässig betrachtet wird;
- die ferner ohne Wahlmöglichkeit einer der in Anhang I Teil B aufgeführten Steuern oder irgendeiner Steuer, die eine dieser Steuern ersetzt, unterliegt, ohne davon befreit zu sein.
b. Im Anhang I zur Mutter-Tochter-Richtlinie sind in der Liste der unter Artikel 2 Buchstabe a Ziffer i fallenden Gesellschaften deutschen Rechts erfasst: Gesellschaften mit der Bezeichnung
- "Aktiengesellschaft",
- "Kommanditgesellschaft auf Aktien",
- "Gesellschaft mit beschränkter Haftung",
- "Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit",
- "Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft",
- "Betrieb gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts" und
- "andere nach deutschem Recht gegründete Gesellschaften, die der deutschen Körperschaftsteuer unterliegen".
D. Rechtliche Erwägungen zum festgestellten Sachverhalt:
1. a. Strittig ist, ob der mit Gesellschafterbeschluss vom ausgeschüttete Bilanzgewinn des Geschäftsjahres 2017, mit dem auf die operative Mutter-KG entfallenden Anteil von 495.825,20 € (x 15% = 74.373,78 €) kapitalertragsteuerpflichtig ist.
b. Die für Haftung angeführten Gründe wurden nicht bekämpft.
c. Grundsätzlich unterliegen Beteiligungserträge beschränkt Steuerpflichtiger der inländischen Besteuerung nach § 21 Abs 1 Z 1 KStG, die ausschüttende Kapitalgesellschaft hat daher KESt einzubehalten. Der ausländische Gesellschafter kann auf Grundlage des anwendbaren DBA eine Entlastung von der KESt erreichen, im Wege der Rückerstattung oder im Wege der Entlastung an der Quelle (Jakom/Marschner, EStG, § 94 Rz 8 und § 99 Rz 43 ff).
d. (1) Für bestimmte Fälle sieht die Mutter-Tochter-Richtlinie (MTR) eine Quellensteuerbefreiung vor (RL vom , 2011/96/EU; geändert durch RL 2013/13/EU des Rates vom , zur Anpassung bestimmter Richtlinien im Bereich Steuern anlässlich des Beitritts der Republik Kroatien). MTR- und DBA-Regelung können auch parallel angewendet werden, je nachdem welche Regelung günstiger erscheint.
(2) Das vorrangige Ziel der MTR ist es, Dividendenzahlungen und andere Gewinnausschüttungen von Tochtergesellschaften an ihre Muttergesellschaften von Quellensteuern zu befreien und die Doppelbesteuerung derartiger Einkünfte auf Ebene der Muttergesellschaft zu beseitigen (Richtlinie 2011/96/EU des Rates vom , ABl L 345, 8).
(3) Nach Artikel fünf der MTR müssen ausgeschüttete Gewinne "vom Steuerabzug an der Quelle befreit werden", sie setzt damit einen Mindeststandard an Quellensteuerbefreiung fest (Jakom/Marschner, § 94 Rz 8).
e. Nach § 94 Z 2 EStG hat der Abzugsverpflichtete keine Kapitalertragsteuer abzuziehen, wenn es sich um Dividenden und sonstige Bezüge aus Aktien, Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder an Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften handelt. Das gilt auch für ausländische Körperschaften, die die Voraussetzungen der MTR erfüllen, wenn die Beteiligung während eines ununterbrochenen Zeitraumes von mindestens einem Jahr bestanden hat.
2. a. Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass Stiftungen nicht unter § 94 Z 2 EStG fallen können, weil sie nicht zu den in der Anlage 2 zum EStG aufgezählten Gesellschaften zählen.
b. Dagegen nimmt die Bf. an, dass
- die Ausschüttung der VLT GmbH unter die Regelung des § 94 EStG fällt und
- die deutsche Familienstiftung unter den Begriff der Gesellschaft nach der MTR zu subsumieren ist, sodass sie auch von der Anlage 2 zum EStG unter "nach deutschem Recht gegründete Gesellschaften, die der deutschen Körperschaftsteuer unterliegen" erfasst wird. Dies deshalb weil sie als Gesellschaft iSd Artikel 54 AEUV anzusehen ist und einen "Erwerbszweck" nach dieser Bestimmung erfüllt, da sie aktiv in Finanzierung und strategische Führung der Tochtergesellschaften eingreift.
3. Allgemeines:
a. Eine Privatstiftung ist eine juristische Person und eine Körperschaft, aber zumindest im Wortsinn keine Gesellschaft, weil sie keine Gesellschafter oder Eigentümer hat, sondern Begünstigte.
b. (1) Keine Kapitalertragsteuer fällt an, wenn die Voraussetzungen des § 94 Z 2 EStG für die sogenannte Schachtelbegünstigung erfüllt sind, weil Empfänger der Kapitalerträge eine unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft ist, die mindestens zu einem Viertel unmittelbar am Grund- oder Stammkapital der ausschüttenden Kapitalgesellschaft beteiligt ist (). In diesen Fällen wird nur die Eigenschaft einer "Körperschaft" vorausgesetzt.
(2) Für die Anwendung der Regelung auf ausländische Stiftungen können daraus keine Schlüsse gezogen werden, vielmehr ist zu prüfen, ob die ausländische Stiftung die Voraussetzungen der MTR erfüllt (zumal die Gesellschaften deutschen Rechts in der Anlage 2 des EStG und in der MTR ident sind).
Zudem ist zu untersuchen, ob auf die ausländische Muttergesellschaft die Missbrauchsregelung des § 94 Z 2 dritter Satz angewendet werden kann (s dazu allgemein BFG-Entscheidung vom , RV/7106377/2016 und ; EStR 7757 ff.).
4. Rechtsnormen und Voraussetzungen:
a. Neben den inländischen Rechtsnormen zur Kapitalertragsteuer (zB §§ 93 ff EStG) sind die Regelungen der DBA und die MTR zu beachten. Bei Ausschüttungen geht § 94 Z 2 EStG dem DBA-Recht (und damit der DBA-Entlastungs-VO BGBl III Nr. 92/2005 - Entlastung aufgrund von DBA) vor (EStR 7756).
b. Es müssen Gewinnanteile (Dividenden) oder sonstige Bezüge aus Aktien, GmbH-Anteilen oder Anteilen an Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vorliegen. Die Mindestbeteiligungshöhe muss 10% und die Mindestbeteiligungsdauer ein Jahr betragen.
Das Vorliegen dieser Voraussetzungen wurde im gegenständlichen Fall nicht bestritten.
c. (1) Die Dividenden empfangende Gesellschaft muss nach dem Wortlaut des § 94 Z 2 EStG eine "ausländische Körperschaft" sein, während nach § 94a EStG (vor dem BudgetbegleitG 2011) das Vorliegen einer "ausländischen Gesellschaft" im Sinne von Artikel zwei MTR erforderlich war. Zu den Körperschaften zählen auch die Stiftungen.
(2) § 94 Z 2 EStG verlangt idF BudgBG 2011 (anders als § 94a EStG) keine "unmittelbare" Beteiligung mehr. Die Zwischenschaltung einer Personengesellschaft steht unabhängig davon, ob diese in einem anderen EU-Staat oder in einem Drittstaat ansässig ist, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen einer Quellensteuerentlastung nicht im Wege (Stefaner/Schragl, Grenzüberschreitende Beteiligungserträge, S. 264).
Auch im Anwendungsbereich der MTR geht die h.A. zu Recht davon aus, dass das Halten der Beteiligung über eine transparente EU-Personengesellschaft ausreichend ist und zu einer quotalen Beteiligungszurechnung führt. Nur Drittstaatspersonengesellschaften und inländische Personengesellschaftsbetriebsstätten sind nach verbreiteter Ansicht ausgeschlossen (Kofler in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, 2. Auflage 2020, Rz 14.3).
5. Zur Frage des Missbrauchsverdachts allgemein:
a. , Rs "T Danmark und Y Denmark":
Aus dem Grundsatz, dass man sich nicht betrügerisch oder missbräuchlich auf das Unionsrecht berufen kann, folgt, dass ein Mitgliedstaat die Anwendung von Vorschriften des Unionsrechts verweigern muss, wenn diese nicht geltend gemacht werden, um die Ziele der Vorschriften zu verwirklichen, sondern um in den Genuss eines im Unionsrecht vorgesehenen Vorteils zu gelangen, obwohl die entsprechenden Voraussetzungen lediglich formal erfüllt sind (EuGH aaO, Rn 72). Somit ist zu antworten, dass der allgemeine Grundsatz des Unionsrechts, dass man sich nicht betrügerisch oder missbräuchlich auf die Vorschriften des Unionsrechts berufen kann, dahin auszulegen ist, dass die nationalen Behörden und Gerichte einem Steuerpflichtigen die Befreiung vom Steuerabzug an der Quelle der von einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft ausgeschütteten Gewinne gemäß Art. 5 der Richtlinie 90/435 bei Betrug oder Missbrauch auch dann zu verwehren haben, wenn dies nicht in einzelstaatlichen oder vertraglichen Bestimmungen vorgesehen ist (EuGH, aaO, Rn 95). Dass Dividenden kurz nach ihrem Erhalt von der Gesellschaft, die sie erhält, in vollem oder nahezu vollem Umfang an Einheiten weitergeleitet werden, die die Voraussetzungen der Richtlinie 90/435 nicht erfüllen - weil sie nicht in einem Mitgliedstaat ansässig sind, weil sie keine der in der Richtlinie aufgeführten Rechtsformen aufweisen, weil sie keiner der in Art. 2 Buchst. c der Richtlinie aufgeführten Steuern unterliegen oder weil sie keine Muttergesellschaft sind und die Voraussetzungen des Art. 3 der Richtlinie nicht erfüllen - ist also ein Indiz für eine künstliche Gestaltung, mit der die Befreiung gemäß Art. 5 der Richtlinie 90/435 zu Unrecht erlangt werden soll (EuGH, aaO, Rn 101). Dass eine Gesellschaft als Durchleitungsgesellschaft fungiert, ist nachgewiesen, wenn ihre einzige Tätigkeit in der Entgegennahme der Dividenden und deren Weiterleitung an den Nutzungsberechtigten oder andere Durchleitungsgesellschaften besteht. Ob eine reale wirtschaftliche Tätigkeit fehlt, ist anhand der charakteristischen Merkmale der betreffenden Tätigkeit zu ermitteln. Dabei sind sämtliche relevanten Umstände zu berücksichtigen, insbesondere die Geschäftsführung, die Bilanz, die Kostenstruktur, die tatsächlichen Ausgaben, die Beschäftigten, die Geschäftsräume und die Ausstattung der betreffenden Gesellschaft (EuGH, aaO, Rn 104). Der Nachweis eines Rechtsmissbrauchs setzt zum einen eine Gesamtheit objektiver Umstände voraus, aus denen sich ergibt, dass das Ziel der Unionsregelung, obwohl deren Voraussetzungen formal erfüllt sind, nicht erreicht worden ist, und zum anderen ein subjektives Element, nämlich die Absicht, aus der Unionsregelung, indem künstlich die erforderlichen Voraussetzungen geschaffen werden, einen Vorteil zu erlangen. Aus dem Zusammentreffen einer Reihe von Indizien kann, sofern diese objektiv und übereinstimmend sind, geschlossen werden, dass ein Missbrauch vorliegt. Als solche Indizien kommen insbesondere die Existenz von Durchleitungsgesellschaften, für die es keine wirtschaftliche Rechtfertigung gibt und der Pro-forma-Charakter der Konzernstruktur, der Steuergestaltung und der Darlehen in Betracht (EuGH, aaO, Rn 114; dazu Bendlinger, ÖStZ 2019, 140).
b. Mutter-Tochter-Richtlinie:
Durch Art 1 Abs 2 MTR ist in Bezug auf Missbrauchsregelungen keine abschließende Harmonisierung erfolgt, daher sind Regelungen im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit Primär- und Sekundärrecht zu beurteilen (Bendlinger, KESt-Entlastung von EU-Dividenden, Wirtschaftstreuhänder 1/2018 mit Verweis auf und C-613/16, Rs "Deister Holding AG", Rn 46). Eine nationale Regelung darf nur dann EU-konform Steuerhinterziehungen und Missbräuchen entgegentreten, wenn ihr spezifisches Ziel in der Verhinderung von Verhaltensweisen liegt, die darin bestehen, rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Konstruktionen zu dem Zweck zu errichten, ungerechtfertigt einen Steuervorteil zu nutzen (EuGH, aaO, Rn 60).
c. Rechtsprechung des VwHG zum Missbrauchsverdacht:
Hält eine luxemburgische Gesellschaft (LuxCo 1) Anteile an einer österreichischen AG und werden Anteile von einer weiteren luxemburgischen Gesellschaft gehalten (LuxCo 2), so liegt auch dann kein Missbrauchsverdacht vor, wenn die LuxCO 1 keine Geschäftsräumlichkeiten oder Mitarbeiter aufweist. Das Fehlen der wirtschaftlichen Tätigkeit bei LuxCO 1 wird durch eine Tätigkeit der LuxCo 2 kompensiert ( zur Ausschüttung (LuxCo 1) - (LuxCo 2, Ausschüttungsempfänger) - (Österr. AG, ausschüttende Gesellschaft); EAS 3414 vom zur Ausschüttung an eine deutsche Holding, hinter der eine operativ tätige, zu 100% beteiligte EU-Muttergesellschaft steht; Spies, Deloitte, Steuern International, , Missbrauchsrechtsprechung: Aktuelles zu Substanzanforderungen und außersteuerlichen Gründen bei Quellensteuerentlastungen).
6. Zur Direktentlastung an der Quelle:
a. Allgemeines:
Die Beteiligungsertragsbefreiung hängt davon ab, dass die dividendenempfangende ausländische Körperschaft eine EU-Gesellschaft ist, welche die in Anlage 2 des EStG vorgesehenen Voraussetzungen des Artikels 2 der MTR erfüllt (Loukota, Dividendenbesteuerung bei beschränkter Körperschaftsteuerpflicht - verbleibende Diskriminierungen im Lichte der EG/EWR-Freiheiten, SWI 2004, S. 504 ff.).
b. Die Stiftung als "Gesellschaft" der Mutter-Tochter-Richtlinie (MTR) - Ableitung aus dem Sekundärrecht:
(1) Anwendbarkeit der MTR:
Die MTR ist anwendbar auf Gewinnausschüttungen zwischen Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten. Art 2 der Richtlinie definiert, was unter "Gesellschaft eines Mitgliedstaates" zu verstehen ist. Um von der MTR erfasst zu sein, muss eine Gesellschaft drei Voraussetzungen erfüllen:
- Sie muss eine jener Gesellschaftsformen annehmen, die im Annex zu Art 2 der Richtlinie für jeden Mitgliedstaat angeführt sind.
- Sie muss in einem Mitgliedstaat ansässig sein.
- Sie muss einer jener Steuern unterliegen, die in Artikel 2 der Richtlinie angeführt sind, ohne die Möglichkeit, davon befreit zu sein (Daurer/Simader, Direkte Steuern, S. 325).
Für jeden Mitgliedstaat findet sich im Anhang der MTR - neben europäischen Gesellschaftsformen (SE, SCE) - eine eigene Auflistung jener Gesellschaftsformen, die unter Art 2 lit a sublit (i) MTR fallen. Dabei
- sind für manche Mitgliedstaaten die Rechtsformen abschließend angegeben (zB Bulgarien, Tschechien, Estland), für andere sind dagegen
- Generalklauseln normiert, wonach sämtliche nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaates gegründete oder eingetragene Gesellschaften erfasst werden (zB Irland, Litauen, Vereinigtes Königreich),
- wobei zum Teil die allgemeine Öffnungsklausel die explizit angeführten Rechtsformen ergänzt (zB Deutschland, Griechenland, Österreich)
- und teilweise zusätzlich gefordert wird, dass die Gesellschaften auch der nationalen Körperschaftsteuer (zB Dänemark) unterliegen (Hohenwarter/Marchgraber, Kein Typenvergleich bei EU-Gesellschaften, Heft1/2016, StAW, S. 6).
(2) Perspektive der Kriterienprüfung:
Die Prüfung dieser drei Kriterien hat dabei nach Aigner/Buzanich, SWK 2014, 517, ausschließlich aus der Perspektive des jeweiligen Ansässigkeitsstaates der Gesellschaft zu erfolgen. Weder die Beurteilung nach dem Recht des Quellenstaates, der die RL-Begünstigung gewähren muss, noch die Bestimmungen eines DBA dürfen für die Qualifikation einer Gesellschaft als Gesellschaft eines anderen Mitgliedstaates herangezogen werden (Tumpel, Die Bedeutung der abkommensrechtlichen Ansässigkeit für die Mutter-Tochter-Richtlinie und die Fusionsrichtlinie, in Gassner/Lang/Lechner, DBA und EU-Recht (1996) 181 (188 m. w. N); Kofler, Mutter-Tochter-Richtlinie, Art 2 Rz 13.).
Nach Ansicht von Daisenberger, Der Einfluss der Besteuerung auf die Unternehmensnachfolgeplanung von international tätigen Unternehmern, 2014, S. 93, ist eine deutsche Stiftung eine "andere nach deutschem Recht gegründete Gesellschaft iSd Mutter-Tochter-Richtlinie", sie ist in Deutschland körperschaftsteuerpflichtig und kann daher die Vorgaben der MTR nutzen. Bei Ausschüttung einer österreichischen Kapitalgesellschaft, an der eine deutsche Stiftung ununterbrochen ein Jahr lang zu mindestens 10% beteiligt ist, reduziert sich die österreichische Kapitalertragsteuer damit auf Null (vgl dazu auch Jesse, Richtlinien-Umsetzungsgesetz 2005, S. 153; wohl auch Lindberg, § 43b dEStG 2012, Rz 21f; a. A. Iffland-Zinser, Nachfolgeplanung, 2007, S. 170; Schönfeld, § 50d Abs 3 dEStG, 2011, Rz 51).
(3) Typenvergleich:
Aigner/Buzanich in SWK 2014, 517, sehen in der Anordnung eines generellen Typenvergleiches eine unzulässige pauschale Missbrauchsregelung. Die Unerheblichkeit des Typenvergleiches wird auch vertreten von Achatz/Bieber in Achatz/Kirchmayr, KStG, § 1 Tz 267; Blasina/Modaressy in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger/Vock, KStG, § 1 Tz 121; anders hingegen KStR 2013, Rz 133 (zu § 1 KStG) und Rz 1204 (zu § 10 KStG).
c. Stiftung als ausländische Gesellschaft - Ableitung aus dem Primärrecht (AEUV):
(1) MTR und Unionsrecht:
Die MTR stellt keine Rechtfertigung für eine Schlechterstellung dar. Im Urteil Bosal (C-168/01) hat der EuGH ausgedrückt, dass eine der MTR entsprechende Bestimmung gegen Grundfreiheiten verstoßen kann, da die Umsetzung der MTR unter Wahrung der grundlegenden Bestimmungen des EG-Vertrages zu erfolgen hat (Loukota, Dividendenbesteuerung bei beschränkter Körperschaftsteuerpflicht - verbleibende Diskriminierungen im Lichte der EG/EWR-Freiheiten, SWI 2004, S. 504 ff).
(2) Dividendenausschüttung, Niederlassungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit:
Die steuerliche Behandlung von Dividendenzahlungen kann grundsätzlich sowohl unter die Niederlassungsfreiheit als auch unter die Kapitalverkehrsfreiheit fallen ( und C-613/16, Rs "Deister Holding"; , Rs "Kronos", Rz 29). Für die Frage unter welche Regelung die nationale Regelung fällt, ist auf den Gegenstand der betreffenden Regelung abzustellen (Rs "Kronos", Rz 30). Eine nationale Regelung, die nur auf Beteiligungen anwendbar ist, die es ermöglichen einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen einer Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen, fällt in den Anwendungsbereich von Artikel 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit). Hingegen sind nationale Bestimmungen über Beteiligungen, die in der alleinigen Absicht der Geldanlage erfolgen, ohne dass auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss genommen werden soll, ausschließlich im Hinblick auf den freien Kapitalverkehr zu prüfen (Rs "Kronos, Rz 30 und 31). Im Angesicht von Rechtsvorschriften, deren Gegenstand es nicht ermöglicht, zu bestimmen, ob sie vorwiegend unter Art 49 AEUV oder unter Art 63 AEUV fallen, sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, wenn die nationalen Rechtsvorschriften Dividenden mit Ursprung in einem Mitgliedstaat betreffen, die tatsächlichen Gegebenheiten des konkreten Falles zu berücksichtigen, um zu klären, ob die dem Ausgangsverfahren zugrundeliegende Situation von Art 49 AEUV oder von Art 63 AEUV erfasst wird (Rs "Kronos", Rz 37).
Nach Loukota, Dividendenbesteuerung bei beschränkter Körperschaftsteuerpflicht - verbleibende Diskriminierungen im Lichte der EG/EWR-Freiheiten, SWI 2004, S. 504 f., ist auf grenzüberschreitende Dividendenströme zwischen Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten die Kapitalverkehrsfreiheit anwendbar, da sie nach ständiger Rspr des EuGH untrennbar mit den in der Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EG genannten Kapitalverkehrsvorgängen verbunden sind (, Rs Verkooijen, Rz 28). Sofern die Dividenden aufgrund wesentlicher Beteiligungen gezahlt werden, ist zusätzlich die Niederlassungsfreiheit anwendbar, da der Erwerb einer wesentlichen Beteiligung einen Niederlassungsvorgang im Sinne von Art 43 EG darstellt (Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit des EG-Vertrages, 2000).
(3) Stiftungen und unionsrechtlicher Gesellschaftsbegriff nach Art 48 EG bzw Art 54 AEUV:
Die Niederlassungsfreiheit bezieht sich nach ihrem Wortlaut zunächst auf natürliche Personen. Auf juristische Personen ist die Niederlassungsfreiheit nur unter drei Voraussetzungen entsprechend anwendbar, die in Art 54 AEUV genannt sind: Es muss sich um eine "Gesellschaft" handeln; die "Gesellschaft" muss einen Erwerbszweck verfolgen und sie muss nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates gegründet und ihren Sitz (Hauptverwaltung oder die Hauptniederlassung) in der EU haben (Wesiack, Europäisches Internationales Vereinsrecht, S. 78).
In einer Reihe von Publikationen wird die Lehrmeinung vertreten, dass Stiftungen unter bestimmten Umständen dem unionsrechtlichen Gesellschaftsbegriff (abgeleitet aus den Regelungen über die Niederlassungsfreiheit) unterliegen können.
- Der von der Niederlassungsfreiheit geschützte Gesellschaftsbegriff wird auf Artikel 48 EGV (nunmehr Artikel 54 AEUV) gestützt und davon sind auch Stiftungen erfasst, weil gesellschaftsrechtliche Beteiligungsverhältnisse nicht obligatorisch sind (Schulz, Die Besteuerung ausländischer Familienstiftungen nach dem Außensteuergesetz, 2010, S. 139). Nach Richter/Wachter, Handbuch des Internationalen Stiftungsrechtes, 2007, § 23, Besteuerung ausländischer Familienstiftungen, Rz 73, wird eine nach deutschem Recht gegründete Stiftung grundsätzlich als geeignet angesehen, vom Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit (nach Art 43 EG) zu profitieren. Sie ist als Zweckvermögen im engeren Sinn zwar keine Körperschaft, besitzt jedoch eine eigene Rechtspersönlichkeit und ist damit eine Gesellschaft iSd Art 48 EG.
- Nach Lange/Sabel, ZStV, 6/2014, S. 201 ff, ist annähernd geklärt, dass eine rechtsfähige Stiftung iSd deutschen Sachenrechts eine Gesellschaft iSd Artikel 54 Abs 2 AEUV sein kann und damit in den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit fällt (Jung in Schwarze, EU-Kommentar, 3. Auflage 2012, Art 54 Rn 2; Müller-Graff in Streinz, EUV/AEUV, 2. Auflage 2012, Art 54 AEUV Rn 2; verkürzt Zimmer/Raab, Non Profit Law Yearbook 2004, 111; a. A. zu Artikel 31, 34 EWR-Abkommen wohl nur Daragan, DB 2011, 2223, 2225 und v. Campenhausen/Richter/Hof (Fn 11), § 6 Rn 162; zur Niederlassungsfreiheit Forsthoff in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 52, EL 2014, Artikel 54 Rn 3; Streinz/Müller-Graff (Fn 29), Artikel 54 Rn 4; Troberg/Tiedje in v. d. Groeben/Schwarze, EU-Vertrag, 6. Auflage 2003, Art 48 EGV Rn 2; Zimmer/Raab, Non Profit Law Yearbook 2004, 111; im Grundsatz zustimmend auch Richter/Wachter/Hoffmann (Fn 4), § 10 Rn 50).
- Nach Loukota, Dividendenbesteuerung bei beschränkter Körperschaftsteuerpflicht, verbleibende Diskriminierungen im Lichte der EG/EWR-Freiheiten, SWI 2004, S. 504 ff, muss sich der Gesellschaftsbegriff der MTR nicht mit dem Gesellschaftsbegriff der Grundfreiheiten in Art 48 EG (nunmehr 54 AEUV) decken: Auch Vereine oder Privatstiftungen können Gesellschaften im Sinne des Art 48 EG sein, wenn sie erwerbswirtschaftlich tätig sind (Fn 31). Das schließt Einrichtungen, die ausschließlich ideelle oder altruistische Ziele verfolgen und nicht auf einem Markt in Wettbewerb mit anderen Wirtschaftsteilnehmern auftreten, vom unionsrechtlichen Gesellschaftsbegriff aus; dagegen können aber vermögensverwaltende Tätigkeiten gemeinnütziger Körperschaften einen Erwerbszweck iSd Artikel 54 AEUV begründen (BFH-Urteil vom , I R 54/14 mit Verweis auf Senatsbeschluss vom , I R 94/02, BFHE 206, 350, BStBl II 2005, 721 u.a. in Rz 16).
(4) Erfüllung des Erwerbszwecks:
Die Diskussion über den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit betrifft insbesondere das Tatbestandsmerkmal "Erwerbszweck". Art 54 Abs 2 AEUV legt fest, dass Gesellschaften (und damit Stiftungen) die keinen Erwerbszweck verfolgen, nicht der Niederlassungsfreiheit unterfallen. Wann eine Stiftung einen Erwerbszweck verfolgt, ist im Einzelnen unklar. Unproblematisch ist lediglich die ausschließlich unentgeltlich tätige Stiftung (bspw im religiösen, karitativen oder kulturellen Bereich), sofern diese keinerlei entgeltliche Leistungen anbietet, auch nicht um Mittel zur Verfolgung der unentgeltlichen Tätigkeit zu erwirtschaften. Nach herrschender Meinung verfolgt eine solche Stiftung keinen Erwerbszweck und fällt damit auch nicht in den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit.
Schwierigkeiten bereitet die Familienstiftung im Rahmen der Nachfolgegestaltung, die üblicherweise meist vermögensverwaltend tätig ist. In der Literatur wird teilweise die Ansicht vertreten, jede vermögensverwaltende Stiftung verfolge einen Erwerbszweck und unterfalle damit der Niederlassungsfreiheit. Die Vermögensverwaltung sei eine gewinnorientierte Betätigung, die ein Mindestmaß an wirtschaftlichem Handeln verlange, wobei der Einzug von Zinsen und Dividenden oder die Ausübung von Mitverwaltungsrechten aus Beteiligungen für die Verfolgung eines Erwerbszwecks ausreiche (Richter/Wachter/Hoffmann (Fn 4), § 10 Rn 53; Horvath, Stiftungen als Instrument der Unternehmensnachfolge, 2010, S. 138 aE; Naumann zu Grünberg, ZEV 2012, 569, 573 mit Fn 49; Prast, ZV-glRWiss 111(2012), 391, 402 ff; unklarer Leible, FS Werner, 2009, S. 271, wonach zwar jede rechtsfähige Stiftung in den Anwendungsbereich der Niederlassung fallen soll, aber nicht auf die Frage eingegangen wird, wie die Stiftung ihre Einnahmen erzielt).
In der Literatur wird diskutiert, ob das Halten einer Unternehmensbeteiligung in der Stiftung nur dann eine aktive Vermögensverwaltung ist, wenn die Beteiligung einen kontrollierenden Einfluss auf die Geschäftsführung ermöglicht. Die Abgrenzung zwischen aktiver und passiver Vermögensverwaltung ist in der Praxis gerade bei Familienstiftungen im Rahmen der Nachfolgeplanung häufig problematisch (Lange/Sabel, ZStV, 6/2014, S. 201 ff).
- Nach Wesiak, Europäisches Internationales Vereinsrecht, 2011, 79 ist Kernpunkt des Streits die Frage, wie der Begriff des Erwerbszwecks in Art 54 Abs 2 AEUV auszulegen ist.
Dabei dürfte sich der Zweck des Erwerbszweckkriteriums darauf beschränken, ausschließlich diejenigen juristischen Personen aus dem Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit herauszunehmen, die überhaupt nicht entgeltlich tätig sind. Dass die Vorschrift Wettbewerbsverzerrungen vermeiden soll, ist nicht erkennbar. Dem Wortlaut ist eine derartige Zwecksetzung nicht zu entnehmen. Gerade der französischen Formulierung "but lucrativ", die den Begriff des Erwerbszwecks geprägt haben dürfte, liegt kein steuerliches, sondern ein zivilrechtliches Konzept zugrunde (Wesiak, aaO, S. 84). Die herrschende Meinung versteht den Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit als entgeltliche Tätigkeit (Wesiak, aaO, S. 85). Die Vermögensverwaltung stellt nur dann eine wirtschaftliche Tätigkeit dar, wenn sie entgeltliche Leistungen beinhaltet. Das bloße Halten von Unternehmensbeteiligungen und eine etwa damit einhergehende Entgegennahme von Dividenden dürfte dagegen keine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen. Die Niederlassungsfreit ist nach dem EuGH aber anwendbar, wenn an einem Unternehmen eine Kontrollbeteiligung gehalten wird, die ihrem Inhaber sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der betreffenden Gesellschaft verleiht und es ihm ermöglicht deren Tätigkeiten zu bestimmen (Wesiak, aaO, 87 mit Verweis auf , Rs "Baars", Rn 20 bis 22; , Rs "X und Y", Rn 37 und 67).
- Nach Mogck, Mobilität gemeinnütziger Stiftungen durch Wandlung, S. 297, muss die Verfolgung eines Erwerbszwecks nach Art 54 AEUV durch gemeinnützige Stiftungen als rechtlicher Grundfall unterstellt werden. Die gemeinnützige Stiftung verfolgt daher generell einen Erwerbszweck. Der EuGH hat in seiner Stauffer-Entscheidung die Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit auf eine gemeinnützige, aber auch vermögensverwaltende Stiftung, unter anderem vom Vorliegen einer aktiven Vermögensverwaltung abhängig gemacht (EuGH NJW 2006, 3765, 3766 - Centro di Musicologia Walter Stauffer). Klare Kriterien zur Abgrenzung zwischen aktiver und passiver Vermögensverwaltung, die auf andere Konstellationen übertragbar wären, zeigt der EuGH aber nicht auf. Nach BFH , I R 54/14 (kommentiert von Märtens in jurisPR-SteuerR 17/2017 Anm 1), können selbst gemeinnützige Stiftungen "Gesellschaften" des Art 54 AEUV sein, soweit sie Güter oder Dienstleistungen erwerbsorientiert und gegen Entgelt anbieten, die zur Durchführung ihrer satzungsmäßigen Zwecke erforderlich und sachdienlich sind; er sieht die Rechtslage als insoweit eindeutig an, als die Anrufung des EuGH nicht erforderlich ist.
(5) Diskriminierung:
Nach herrschender Ansicht reichen Beteiligungen von 50% aus, um vom Bestand einer Tochtergesellschaft und damit einer von Art 43 EG geschützten Sekundärniederlassung auszugehen. Das bedeutet, dass ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit vorliegen kann, soweit beschränkt steuerpflichtige Stiftungen durch § 94a EStG von der Steuerfreiheit hinsichtlich inländischer Dividenden ausgeschlossen werden, während vergleichbare inländische Stiftungen durch § 10 Abs 1 KStG befreit sind. Behandeln Mitgliedstaaten landesinterne Beteiligungen daher großzügiger als von den Standards der MTR gefordert, müssen sie auch vergleichbare grenzüberschreitende Transaktionen innerhalb des Binnenmarktes begünstigen (Loukota, Dividendenbesteuerung bei beschränkter Körperschaftsteuerpflicht - verbleibende Diskriminierungen im Lichte der EG/EWR-Freiheiten, SWI 2004, S. 504).
Da der auf Verhinderung von Diskriminierungen abzielende Artikel 54 AEUV (vormals Artikel 48 EGV) auch Privatstiftungen und Vereine erfasst und sich nicht mit dem Gesellschaftsbegriff der MTR deckt, könnte eine Diskriminierung im Lichte der Grundfreiheiten darin bestehen, dass der nationale Steuergesetzgeber zur Gewährung eines Steuervorteiles starr an die Eigenschaft einer EU-Gesellschaft im Sinne der MTR anknüpft, den Steuervorteil aber inländischen Rechtsformen auch dann gewährt, wenn sie auf Seiten anderer Mitgliedstaaten keine EU-Gesellschaften iSd MTR sind (Loukota, Dividendenbesteuerung bei beschränkter Körperschaftsteuerpflicht - verbleibende Diskriminierungen im Lichte der EG/EWR-Freiheiten, SWI 2004, S. 504).
Auch Marschner geht in Jakom, EStG, § 94 Rz 9 davon aus, dass eine Entlastung von der KESt über den Regelungsinhalt der MTR hinaus unionsrechtlich geboten ist, wenn Dividenden einer inländischen Tochtergesellschaft an eine ausländische Muttergesellschaft im Unionsgebiet gegenüber dem Inlandsfall steuerlich schlechter gestellt sind (Jakom/Marschner, § 94 Rz 9).
7. Zusammenfassung:
a. Allgemeine Voraussetzungen:
An der österreichischen Gesellschaft (unbeschränkt steuerpflichtige GmbH) besteht eine qualifizierte Beteiligung mit einer Dauer von mehr als einem Jahr zu mindestens 10% am Stammkapital. Die Kapitalerträge resultieren aus Dividenden.
b. Besondere Voraussetzung Substanznachweis gemäß § 2 Z 1 KESt-VO:
(1) Der Missbrauchsverdacht nach § 1 der VO BGBl. 56/1995 kann durch schriftliche Erklärungen bezüglich einer über die Vermögensverwaltung hinausgehenden Betätigung, die Beschäftigung von Arbeitskräften und Verfügung über Betriebsräumlichkeiten hintangehalten werden.
(2) Die Bf. hat anhand der Regelungen in der Satzung der Familienstiftung bzw den Normierungen des Gesellschaftsvertrages der VL KG nachgewiesen, dass von einer Beteiligung auszugehen ist, die der Stiftung sicheren Einfluss auf die wichtigen Entscheidungen der VL KG gewährt, sodass eine weit über eine Vermögensverwaltung hinausgehende Betätigung der Familienstiftung vorliegt. Aufgabe der Stiftung ist die "unternehmerische Verwaltung" der angeschlossenen Unternehmen. Der Einfluss der Familienstiftung wurde auch anhand ausgewählter Unterlagen über die Geschäftsgebarung untermauert.
(3) Ist die Beteiligung keine unübliche Konstruktion, ist es ohne Belang, ob die Bf. sich eigener Betriebsräumlichkeiten und angestellter eigener Arbeiter bedient (). Aufgrund der Einflussmöglichkeiten der Stiftung auf die VL KG ist von der Nutzung von Räumlichkeiten und Arbeitnehmern durch die Familienstiftung auszugehen.
c. Besondere Voraussetzung Ansässigkeitsbescheinigung nach § 4 KESt-VO:
(1) Die Ansässigkeit der Muttergesellschaft ist durch eine "zeitnahe" Ansässigkeitsbescheinigung der ausländischen Steuerbehörde nachzuweisen (Jakom/Marschner, § 94 Rz 33; ).
(2) Die Unterlassung des Steuerabzugs ist unzulässig, wenn die Voraussetzungen für die Befreiung nicht durch die Ansässigkeitsbescheinigung nachgewiesen werden können (). Diese kann auf jenen Vordrucken beigebracht werden, die für Zwecke einer Steuerentlastung aufgelegt werden ().
(3) Grundsätzlich wird davon auszugehen sein, dass eine Ansässigkeitsbescheinigung für jenen Zeitraum auszustellen ist, indem die Ausschüttung durchgeführt wurde. Genau aus diesem Grund wurde auch in § 4 Abs 2 c VO BGBl 56/1995 eine zeitnahe Ausstellung binnen eines Jahres nach Zahlung der Kapitalerträge geregelt.
Nach § 4 Abs 1 der VO BGBl 56/1995 führt die Bescheinigung den Nachweis darüber, dass die Kapitalerträge einer in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässigen Gesellschaft zufließen. Es wäre daher äußerst aufwendig, müsste die ausschüttende Gesellschaft bei jeder Ausschüttung gesondert eine neue Ansässigkeitsbescheinigung beibringen.
Die Finanzverwaltung hat daher (schon im Bereich des § 94a EStG) eine zeitliche Erstreckung der Wirkung der Ansässigkeitsbescheinigung wie folgt vorgesehen: Im Fall einer positiven Erledigung eines Rückerstattungsverfahrens gilt die Ansässigkeitsbescheinigung drei Jahre, wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben und es kann in der Folge die KESt-Befreiung angewandt werden.
In EAS 3016 BMF-010221/2986-IV/4/2008, wird dies wie folgt begründet:
Hat Ende November 2005 die österreichische Tochtergesellschaft an ihre zu 100% beteiligte deutsche Holding-Muttergesellschaft eine Gewinnausschüttung unter Einbehaltung der Kapitalertragsteuer vorgenommen und ist in der Folge von der österreichischen Finanzverwaltung auf der Grundlage von § 94a EStG die Berechtigung der deutschen Holdinggesellschaft zur Steuerentlastung in Österreich anerkannt und die Kapitalertragsteuer bescheidmäßig rückerstattet worden, dann bestehen im Grunde keine Bedenken, wenn analog zur Regelung des § 3 Abs. 2 DBA-Entlastungsverordnung in den folgenden 3 Jahren das Rückzahlungsverfahren vermieden und die KESt-Entlastung anlässlich der Gewinnausschüttung vorgenommen wird; dies allerdings unter der Voraussetzung, dass im Gefolge der finanzamtlichen Rückzahlung in den maßgebenden Verhältnissen keine wesentlichen Änderungen eintreten. Eine solche Änderung wäre gegeben, wenn nach dem finanzamtlich erledigten Rückerstattungsantrag Gewinnausschüttungen in einer Höhe getätigt werden, die bei weitem den (dem amtlich kontrollierten Rückzahlungsverfahren zugrundeliegenden) Ausschüttungsbetrag übersteigen (EAS 2772). Findet daher im November 2008 eine weitere Gewinnausschüttung in etwa der gleichen Höhe wie im Jahr 2005 statt, kann diese Gewinnausschüttung auf der Grundlage von Vordruck ZS-QU2 KESt-frei erfolgen, weil die finanzamtliche KESt-Rückerstattung im Jahr 2005 eine Entlastung vom potentiellen Verdacht einer künstlichen Zwischenschaltung der die Gewinnausschüttung empfangenden deutschen Holdinggesellschaft zur Folge hatte und hiermit eine dreijährige Ausstrahlwirkung dieser Beurteilung verbunden war.
(4) Im vorliegenden Fall wurde für die Rückerstattung hinsichtlich der Ausschüttung bezüglich des Jahres 2016 vom im Jahr 2020 eine Ansässigkeitsbescheinigung beim Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart vorgelegt.
Bei positiver Erledigung eines Rückerstattungsverfahrens könnte die Wirkung der Ansässigkeitsbescheinigung auch auf folgende Verfahren erstreckt werden.
Eine Erledigung des Rückerstattungsantrages für 2016 ist aber noch nicht erfolgt, da dem Antrag keinerlei Unterlagen beigelegt worden sind und das Finanzamt dazu erst ermitteln muss. Damit kann derzeit diesem Verfahren keine Erstreckungswirkung zugebilligt werden.
(5) Für die Ausschüttung des Jahres 2017 wurde keine Ansässigkeitsbescheinigung eingereicht.
Die Beschwerde bleibt mangels Vorlage einer für die gegenständliche Ausschüttung maßgeblichen Ansässigkeitsbescheinigung (bzw der positiven Beurteilung einer Rückerstattung) erfolglos.
8. Ergänzende Ausführungen zur Stiftung als Gesellschaft der MTR bzw nach dem Primärrecht:
a. Seit der Änderungsrichtlinie (Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 90/435/EWG vom über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften) wird der Terminus "Gesellschaften" offenbar sehr weit verstanden, zumal die erweiterte Liste der "Gesellschaften" auch
- bestimmte Genossenschaften,
- Vereine auf Gegenseitigkeit,
- Nichtkapitalgesellschaften,
- Sparkassen und Vereine, Fonds und
- gewerblich tätige Vereinigungen erfasst, an denen einerseits keine Kapitalbeteiligung im konventionellen Sinn bestehen kann und die andererseits nicht unter die klassischen nationalen Gesellschaftsbegriffe fallen. Auch ist der in der englischen Richtlinienfassung verwendete Begriff der "companies" weiter als der kontinentalrechtliche Gesellschaftsbegriff. Das wirft die bislang ungelöste Frage auf, ob beispielsweise auch körperschaftsteuerliche Rechtsgebilde von den Öffnungsklauseln der Richtlinie erfasst sind, die vom nationalen Recht nicht als "Gesellschaften" angesehen werden, wie zB Stiftungen oder Vereine (Kogler, Mutter-Tochter-Richtlinie, Artikel 2 Rz 19 mit Verweis auf Fibbe, EC Tax Rev. 2006, 95 (98) mit dem Beispiel der niederländischen "Stichting").
b. Missbrauchsverdacht:
Durch die Bestimmungen des § 94 EStG (und der KESt-VO) soll sichergestellt werden, dass die Begünstigungen der Mutter-Tochter-Richtlinie nicht missbräuchlich verwendet werden. Der Gesetzgeber will vermeiden, dass Gewinne österreichischer Kapitalgesellschaften durch Zwischenschaltung funktionsloser (Mutter-)Gesellschaften steuerfrei ins EU-Ausland gelangen und von dort unbesteuert in Steueroasen weitergeleitet werden.
Die Voraussetzungen für eine Befreiung vom Kapitalertragsteuerabzug wurden im gegenständlichen Fall durch Unterlagen nachgewiesen, die die Nachprüfbarkeit der Voraussetzungen ermöglichen. Die Konzernstruktur mit der Familienstiftung und der Einbindung der Bf. ist langjährig gewachsen, sodass von einer missbräuchlichen Gestaltung nicht auszugehen ist. Die Vorgangsweise der Bf. stellt sich weder als ungewöhnlich dar, noch liegen Tatsachen vor, die darauf schließen lassen, dass sie lediglich aus Gründen der Steuerersparnis gewählt worden ist. In der Vorgehensweise der Bf. ist kein Fall eines Rechtsmissbrauchs iSd § 22 BAO zu sehen.
c. Anwendungsbereich der MTR
Nur quasi-subjektiv befreite Gesellschaften sollten nach dem Ratsprotokoll aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie genommen werden
- Holdinggesellschaften und Kapitalanlagegesellschaften, die nicht der KÖSt im Sitzstaat unterliegen,
- deutsche Anlagegesellschaften, wenn das Fondseinkommen bei den Anteilseignern besteuert wird,
- niederländische Anlagegesellschaften und
- bestimmte spanische und portugiesische Gesellschaften (Kofler in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, 2. Auflage 2020, Rz 14.2)
Die hier vorliegende deutsche Familienstiftung ist unbestritten in diesem Mitgliedstaat ansässig, unterliegt der deutschen Körperschaftsteuer und würde damit prinzipiell die Voraussetzungen der MTR erfüllen. Eine deutsche Stiftung kann daher grundsätzlich als eine "andere nach deutschem Recht gegründete Gesellschaft iSd MTR" angesehen werden(siehe auch Daisenberger und die zitierte Literatur).
d. Entlastung auch durch Anwendung des Unionsrechtes:
Die obige Rechtsfolge kann sich auch auf das Primärrecht stützen. Folge einer Diskriminierung gegenüber inländischen Stiftungen wäre die unmittelbare Anwendung der Grundfreiheiten, mit der gemeinschaftsrechtswidrige Elemente des § 94 Z 2 EStG verdrängt würden (siehe auch Loukota, aaO zur Verdrängung von § 94a EStG). Aus dem Vorrang des Primärrechtes (hier Art 54 AEUV) folgt, dass sich die Rechtsnormen des österreichischen Rechts an den Grundfreiheiten zu orientieren haben.
Nach der überwiegenden Meinung der Lehre kann eine rechtsfähige Stiftung iSd des deutschen Sachenrechts eine Gesellschaft iSd Artikel 54 AEUV sein, wenn sie erwerbswirtschaftlich tätig ist. Bei Unternehmensbeteiligungen einer Stiftung ist davon auszugehen, dass eine kontrollierende (das heißt zumindest 50%ige) Beteiligung eine aktive Vermögensverwaltung darstellt, bei der ein Erwerbszweck angenommen werden kann. Aufgrund der weit über 90% liegenden Beteiligung der Stiftung, der Regelungen in der Satzung der Stiftung bzw dem Gesellschaftsvertrag der VL KG, kann von einer Beteiligung ausgegangen werden, die der Stiftung sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der VL KG gewährt und mit der sie deren Tätigkeiten bestimmen kann. Da vergleichbare inländische Stiftungen der Steuerbefreiung unterliegen, wäre im Fall des Versagens der Entlastung an der Quelle die Niederlassungsfreiheit verletzt.
e. Damit ist klargestellt dass das Bundesfinanzgericht grundsätzlich von der Möglichkeit der Entlastung einer deutschen Stiftung in Bezug auf den Kapitalertragsteuerabzug ausgeht.
Diese Entlastung scheitert im vorliegenden Fall nur an der fehlenden Ansässigkeitsbescheinigung für die Ausschüttung 2017.
E. Zulassung zur Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Entscheidung orientiert sich an der KESt-Verordnung BGBl 56/1995 und der ständigen Rechtsprechung des VwGH. Eine Rechtsfrage mit besonderer Bedeutung liegt nicht vor.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 94 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 Mutter-Tochter-Richtlinie, RL 2011/96/EU, ABl. Nr. L 345 vom S. 8 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002 § 95 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100693.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at