Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.01.2020, RV/2100838/2019

Steuerfreiheit von innergemeinschaftlichen Lieferungen bei formell richtigem Buchnachweis

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/2100838/2019-RS1
Hat der Steuerpflichtige die vorgeschriebenen Nachweispflichten erfüllt, begründet dies die - widerlegbare - Vermutung, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen (vgl Ruppe/Achatz, UStG 1994, Art 7 Tz 28). Gegenteiliges muss vom Finanzamt bewiesen werden.
RV/2100838/2019-RS2
Die Finanzbehörde ist nicht berechtigt, aus dem Fehlen zusätzlicher, über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehender Nachweise, die Mangelhaftigkeit des Beleg- oder Buchnachweises abzuleiten (vgl BFH , V R 65/06).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Barbara Wisiak in der Beschwerdesache Dr. als Masseverwalter im Konkurs des A B, Steiermark über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Deutschlandsberg Leibnitz Voitsberg vom , betreffend Umsatzsteuer 2012 zu Recht erkannt: 

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Umsatzsteuer 2012 wird (wie im Bescheid vom ) mit 25.875,37 Euro festgesetzt.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer ist Masseverwalter des A B. Herr B ist Rechtsnachfolger der Firma AB.

Im Zuge einer abgabenbehördlichen Überprüfung der Firma AB wurde hinsichtlich des Jahres 2012 folgendes festgestellt:

Die Lieferung diverser Waren an die Firma Riga aus Riga (Lieferung am , Rechnung Nr. 9774.4 vom ) um 340.306,06 Euro wurde als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung behandelt und in die zusammenfassende Meldung 12/2012 aufgenommen.

Als Nachweis der Beförderung in das übrige Gemeinschaftsgebiet wurden der Abgabenbehörde ein Lieferschein, das CMR-Formular und die dazugehörige Rechnung des Spediteurs (C D s.p. aus Slowenien) vorgelegt.

Ein Bestätigungsverfahren betr. die Richtigkeit der UID-Nummer der Lettischen Firma LV12345678 wurde nicht durchgeführt.

Das Finanzamt stellte eine SCAC-Anfrage an die slowenische Abgabenbehörde um herauszufinden, ob der Transport tatsächlich stattgefunden hat.

Dem BP-Bericht ist dazu zu entnehmen:

Für diese Überprüfung wurde von der österreichischen Behörde ebenfalls das vorgelegte CMR-Formular mitgeschickt. Von der slowenischen Behörde wurde bestätigt, dass die von der österreichischen Behörde vorgelegten CMR-Papiere, für die oben erwähnte Lieferung, nicht in den slowenischen Unterlagen vorhanden sind. Weiters wurde bestätigt, dass laut Fahrtenbücher der slowenischen Firma dieser Transport nicht durchgeführt wurde. Aus diesem Grund werden die vorgelegten Unterlagen nicht als Nachweis der Beförderung für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung anerkannt.

Mit dem hier angefochtenen Umsatzsteuerbescheid 2012 rechnete das Finanzamt den Umsatz mit dem Nettobetrag von 283.588,33 Euro zu den steuerpflichtigen Umsätzen und erhöhte so die Umsatzsteuer-Zahllast um 56.717,67 Euro.

In der dagegen eingebrachten Beschwerde des Herrn A B machte dieser geltend, dass „die Anfrage nach der Transportdurchführung in Englisch dahingehend beantwortet wurde, dass keine Transportunterlagen vorhanden sind. Hingegen wurde von der Behörde - in Deutsch - behauptet, dass das Fahrtenbuch bestätigt, dass der Transport nicht stattfand. D.h. tatsächlich gibt es kein Fahrtenbuch, das bestätigt, dass der Transport nicht durchgeführt worden ist. In weiterer Folge konnten die Daten des Tachometers auch nicht überprüft werden, da der LKW schon einige Zeit vorher außerhalb des EU-Raumes verkauft wurde. Es wurde somit das Auskunftsersuchen, nach meiner Meinung, rechtlich völlig unrichtig gewürdigt und sind daher sämtliche vorgelegten Unterlagen sehr wohl als Nachweis der Beförderung für eine innergemeinschaftliche Lieferung anzuerkennen.“

In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung wiederholte das Finanzamt die Feststellungen der Betriebsprüfung und stellte fest, dass die vorgelegten Unterlagen nicht als Nachweis für eine innergemeinschaftliche Lieferung anerkannt würden und die Steuerfreiheit dieser Lieferung daher zu untersagen sei.

Dem Vorlageantrag legte der Bf. eine beglaubigte Übersetzung des Antwortschreibens aus der Originalsprache Slowenisch bei:

„Fahrtenbücher, die nachweisen, dass die Transporte durchgeführt wurden, existieren nicht.
Die Daten aus den Tachographen wurden nicht geprüft.
Es sind Bestellungen für Transportleistungen beigefügt. Dokumente der Beladung existieren nicht.
Dokumente bezüglich des Transports von Gefahrgütern existieren nicht. Es existiert nur ein Zertifikat über die Befähigung des Herrn C D für den Transport von Gefahrgütern, das beigefügt ist.
In den Geschäftsbüchern des Unternehmens EF d.o.o. sind alle behandelten ausgestellten Rechnungen erfasst. Es wurden keine nachträglichen Buchungen bezüglich der ausgestellten Rechnungen vorgenommen.“

Inhaltlich wurde ergänzt, dass die streitgegenständlichen Transportleistungen durch die C D s.p. durchgeführt worden seien. Das Unternehmen sei am in Insolvenz geraten.

Anlässlich der Steuerprüfung durch die slowenischen Finanzbehörden seien die Transportfahrzeuge der Firma C D s.p. bereits veräußert und keine Fahrtenbücher mehr vorhanden gewesen.

Zu einer Beanstandung der slowenischen Finanzbehörde sei es gegenüber D C s.p. nicht gekommen.

In einer Ergänzung des Vorlageantrages legte der Bf. eine eidesstattliche Aussage des Herrn C D vor. Darin erklärt er:

„Unter Nr. 4 auf der Liste befindet sich eine Fahrt welche die Spedition C D s.p. am 17./ für die Firma AB. Österreich durchgeführt. Es wurde eine komplette Ladung Waren nach Polen zur Firma GH transportiert. Der Transport wurde am mit der Rechnungsnummer 327/2013 an die Firma AB. Österreich verrechnet und dieser Firma auch bezahlt. Empfänger der Lieferung war die Firma Riga in Lettland.

Zum Zeitpunkt der Steuerprüfung durch das slowenische Finanzamt, waren die LKW der Firma C D s.p. alle schon verkauft. Fahrtenbücher, Tachoscheiben, CMR oder Transportaufträge nicht mehr vorhanden und konnten dem Finanzamt daher auch nicht übergeben werden!

Auf Grund der Prüfung der Buchhaltung gab es keine Beanstandung, auch keine Strafe oder Steuernachzahlung!“

Im Vorlagebericht verwies das Finanzamt darauf, dass selbst bei Anerkennung eines Übersetzungsfehlers das Fahrtenbuch, welches als Nachweis dienen könnte, um den Transport von Herrn C D nachzuweisen, fehle.

Von der slowenischen Behörde sei bestätigt worden, dass das von der österreichischen Behörde vorgelegte CMR-Papier, für die erwähnte Lieferung vom 17./, nicht in den Unterlagen des Herrn C D vorhanden war. Ebenfalls konnte weder ein Dokument für die Beladung, noch ein Dokument, welches den Transport von Gefahrengütern bestätigt, für diese Lieferung in den Unterlagen von Herrn C D von der slowenischen Behörde sichergestellt werden.

Für die strittige Lieferung sei auf der, der eidesstattlichen Erklärung beigefügten Liste, weder ein Fahrer noch der Ort der Lieferung ersichtlich.

Rechtslage

UStG 1994:

Art. 7. (1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (Art. 6 Abs. 1) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen vorliegen:

1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber und

3. der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung ist beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat steuerbar.

(…)

Verordnung des Bundesministers für Finanzen über den Nachweis der Beförderung oder Versendung und den Buchnachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen
BGBl. Nr. 401/1996 idF BGBl. II Nr. 172/2010 :

Nachweis der Beförderung oder Versendung bei innergemeinschaftlichen Lieferungen

§ 1. Bei innergemeinschaftlichen Lieferungen (Art. 7 UStG 1994) muß der Unternehmer eindeutig und leicht nachprüfbar nachweisen, daß er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat.

§ 2 In den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, hat der Unternehmer den Nachweis wie folgt zu führen:

1. durch die Durchschrift oder Abschrift der Rechnung (§ 11, Art. 11 UStG 1994),

2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein, und

3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten oder in den Fällen der Beförderung des Gegenstandes durch den Abnehmer durch eine Erklärung des Abnehmers oder seines Beauftragten, daß er den Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördern wird.

§ 3. (1) In den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendet, hat der Unternehmer den Nachweis wie folgt zu führen:

1. durch die Durchschrift oder Abschrift der Rechnung (§ 11, Art. 11 UStG 1994) und

2. durch einen Versendungsbeleg im Sinne des § 7 Abs. 5 UStG 1994, insbesondere durch Frachtbriefe, Postaufgabebescheinigungen, Konnossemente und dergleichen oder deren Doppelstücke.

(2) Ist es dem Unternehmer nicht möglich oder nicht zumutbar, den Versendungsnachweis nach Absatz 1 zu führen, kann er den Nachweis auch nach § 2 führen.

Das BFG hat erwogen

Im Beschwerdefall ist ausschließlich strittig, ob die Lieferung von Waren an die Firma Riga aus Riga (Lieferung am , Rechnung Nr. 9774.4 vom ) um 340.306,06 Euro eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung darstellt oder nicht.

Der Bf. bringt vor, dass die Lieferung tatsächlich stattgefunden habe: Es sei eine komplette Ladung Pflanzenschutzmittel vom Bf. nach Polen zur Firma GH transportiert worden. Empfänger der Lieferung sei die Firma Riga in Lettland gewesen.

Der Transport sei am mit der Rechnungsnummer 327/2013 abgerechnet worden. Zusätzlich zur Transportrechnung liege ein CMR-Frachtbrief und ein Lieferschein vor.

Die Rechnung sei auch beim Spediteur vorhanden gewesen, weiterführende Unterlagen seien bei ihm möglicherweise deshalb nicht gefunden worden, weil sich der Spediteur zu dem Zeitpunkt bereits in Insolvenz befunden habe.

Das Finanzamt stützt seine Auffassung demgegenüber ausschließlich darauf, dass die vorgelegten Unterlagen nicht als Nachweis für eine innergemeinschaftliche Lieferung anerkannt werden könnten. Dies ergebe sich aus den Antworten der slowenischen Finanzbehörden. Im Übrigen seien beim Spediteur mit Ausnahme der Rechnung keinerlei Dokumente (zB Fahrtenbuch, CMR-Papier, Dokument für die Beladung, Bestätigung über den Transport von Gefahrengütern) auffindbar gewesen.

Entscheidend für die Steuerfreiheit von innergemeinschaftlichen Lieferungen ist, dass die materiellen Voraussetzungen zweifelsfrei vorliegen ( unter Verweis auf , Albert Collée zum Buchnachweis).

Der Nachweis der materiellen Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach Art. 7 UStG 1994 ist primär vom inländischen Lieferer zu erbringen (vgl. , Teleos, Rz 42 ff; , Twoh International, Rz 23ff oder , Mecsek-Gabona Kft, Rz 35ff).

Die Mehrwertsteuersystemrichtlinie enthält jedoch keine Vorschrift, die sich unmittelbar mit der Art der Nachweise befasst. Die Mitgliedstaaten legen die Bedingungen für die Befreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen von Gegenständen selbst fest (vgl EuGH Twoh International, , C-184/05, Rz 25).

In Österreich ist dazu der buchmäßige Nachweis (Art 7 Abs 3 UStG 1994), geregelt in der Verordnung BGBl. 401/1996 idF BGBl. II 172/2010 vorgesehen.

Hat der Steuerpflichtige die vorgeschriebenen Nachweispflichten erfüllt, begründet dies die - widerlegbare - Vermutung, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen (Ruppe/Achatz, UStG 1994, Art 7 Tz 28).

Im Beschwerdefall hat der Bf. den Buchnachweis - auch nach den Angaben des Finanzamtes - in der im Gesetz vorgesehenen Weise erbracht.

Damit besteht zunächst die Vermutung, dass der formell richtig erbrachte Nachweis auch inhaltlich richtig ist. Gegenteiliges muss vom Finanzamt bewiesen werden.

Das Finanzamt war daher angehalten nachzuweisen, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nicht vorliegen.

Die Finanzbehörde ist dabei jedoch nicht berechtigt, aus dem Fehlen zusätzlicher, über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehender Nachweise, die Mangelhaftigkeit des Beleg- oder Buchnachweises abzuleiten (Ruppe/Achatz, UStG 1994, Art 7 Tz 28 unter Verweis auf BFH , V R 65/06).

Im Beschwerdefall hat sich das Finanzamt ausschließlich auf die Beantwortung des an die slowenische Finanzverwaltung gerichteten Auskunftsverlagen gestützt.

Dieses Auskunftsverlangen wurde offenkundig unrichtig übersetzt: Die slowenische Abgabenbehörde hat nämlich nicht bestätigt, dass die Lieferung nicht stattgefunden hat, sondern bestätigt, dass mit Ausnahme der Rechnung keine weiteren Nachweise vorhanden waren.

Damit konnte das Finanzamt Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Bf. hegen.

Es ist ihm jedoch nicht gelungen, nachzuweisen, dass die materiell rechtlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, da aus dem Fehlen weiterer Nachweise weder die Mangelhaftigkeit des Beleg- oder Buchnachweises noch das Vorliegen einer steuerpflichtigen Lieferung abgeleitet werden kann.

Der strittige Umsatz ist daher in stattgebender Weise steuerfrei zu belassen. Die Umsatzsteuer 2012 ist wie im Bescheid vom mit 25.875,37 Euro festzusetzen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall ist ausschließlich die Beweiswürdigung strittig weshalb keine Rechtsfrage vorliegt.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise





BFH , V R 65/06
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.2100838.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at