Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.01.2020, RV/6100583/2019

1) Kinderfreibetrag für polnische Kinder 2) Doppelte Haushaltsführung Polen

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2020/15/0021. Zurückweisung mit Beschluss vom .

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Erich Schwaiger über die Beschwerde vom des Beschwerdeführers ***VN*** ***BF***,
***Anschrift*** gegen die Bescheide des Finanzamtes Salzburg-Land, 5026 Salzburg-Aigen, Aignerstraße 10 vertreten durch Monika Riedler, MA, vom 9., 24. und betreffend Einkommensteuer 2013 bis 2018 zu Recht erkannt:

I)
Die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2014 wird abgewiesen.
Er bleibt unverändert.

II)
Die Einkommensteuerbescheide 2013 sowie 2015 bis 2018 werden in Übereinstimmung mit den Beschwerdevorentscheidungen vom
(2015 - 2018) und (2013) abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der jeweiligen Einkommensteuer entsprechen denen, die auch im Spruch dieser Beschwerdevorentscheidungen enthalten sind, und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II)
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gem. Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde fällt in die Zuständigkeit des Fachgebietes FE 2 und damit in die Zuteilungsgruppe 7002. Auf Basis der gültigen Geschäftsverteilung wurde sie der Gerichtsabteilung 7013 zur Entscheidung zugewiesen.

1. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (kurz Bf.) ist polnisch-deutscher Staatsbürger mit Wohnsitz in Österreich und Polen.

Vorerst erfolgten für die Jahre 2013, 2014 und 2016 bis 2018 erklärungsgemäße Einkommensteuerveranlagungen, bei denen Werbungskosten für Familienheimfahrten (im Höchstausmaß von EUR 3.672,00 anstatt der beantragte EUR 12.000,00), nicht aber ein Kinderfreibetrag gewährt wurden.

Im Anschluss an Ermittlungen der Finanzpolizei im Zusammenhang mit der Nutzung polnischer Fahrzeuge in Österreich nahm das Finanzamt (kurz FA) die Einkommensteuerverfahren 2013, 2014 und 2016 gem. § 303 BAO wieder auf und hob die Einkommensteuerbescheide 2017 und 2018 gem. § 299 BAO auf. Diese verfahrensrechtlichen Bescheide erwuchsen in Rechtskraft.

Im Anschluss daran erließ das FA neue Einkommensteuerbescheide für 2013 bis 2018 (2015 Erstbescheid gem. § 41 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 aufgrund von zwei gleichzeitigen lohnsteuerpflichtigen Einkünften) und verweigerte nun auch den Abzug der Kosten für die Familienheimfahrten. Nachdem dies rechtzeitig mit Beschwerde bekämpft worden war, erließ das FA entsprechende, ausführlich begründete Beschwerdevorentscheidungen, gewährte den Kinderfreibetrag für einen volljährigen, in Ausbildung befindlichen Sohn für 2013 und 2015 bis 2018. 2014 unterblieb die Zuerkennung dieses Freibetrages mangels Vorliegen der Kindereigenschaft des § 106 EStG 1988.

Das FA verweigerte für alle Jahre den Abzug von Werbungskosten für Familienheimfahrten sowie für 2014 den Ansatz des Kinderfreibetrages. Ausschließlich dagegen richtet sich der Vorlageantrag, der in seiner Begründung die Beschwerde diesbezüglich wortwörtlich wiederholt.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts basiert auf folgendem Sachverhalt, der in den Akten der Abgabenbehörde sowie des Gerichtes abgebildet und soweit nicht gesondert angeführt unbestritten ist.

2. Sachverhalt, Beweiswürdigung

2.1. Familienheimfahrten

Der Bf. macht Aufwendungen für Familienheimfahrten in Höhe von EUR 12.000,00 pro Jahr geltend. Bis zu den Feststellungen der Finanzpolizei wurden diese im gesetzlichen Höchstausmaß von EUR 3.672,00 gewährt.

Unbestritten ist, dass der Bf. seit 2001 in Österreich nichtselbständig beschäftigt ist. Er verfügte laut Zentralem Melderegister über die folgenden österreichischen Wohnsitze, die er durchgehend seit gemeinsam mit seiner Gattin bewohnte.

[...]

Auch seine Gattin ist seit 2012 fast durchgehend in Österreich als Reinigungskraft nichtselbständig tätig (Lohnzettelabfrage im Abgabeninformationssystem).

In der Niederschrift mit der Finanzpolizei vom wurde dem Bf. der folgende Sachverhalt vorgehalten:

"Ihre Frau ***VN_Gattin*** wurden am gegen 15:05 Uhr von den Beamten der Polizeiinspektion ***Ort_PI*** in ***Ort_Kontrolle*** kontrolliert. Dabei lenkte ihre Frau das auf sie zugelassene Kfz der Marke Skoda Oktavia mit dem polnischen Kennzeichen ***AAA-A123***. Laut einer Abfrage beim Zentralen Melderegister sind Sie seit mit NWS in Österreich gemeldet. Im Zeitraum bis mit HWS. Im Zeitraum bis waren Sie mit HWS an der Adresse ***Straße_Nr*** in ***Ort1_Österreich*** gemeldet.

Bei einer Kontrolle durch die Organe der Finanzpolizei am gegen 08:40 Uhr wurden Sie und Ihre Frau in ihrer Wohnung in ***Anschrift*** angetroffen und darüber informiert, dass Sie bei der Finanzpolizei hinsichtlich 2 Kfz mit polnischem Kennzeichen mit Wohnsitz in Österreich befragt werden. Bei dieser Kontrolle wurden 2 Kfz mit polnischem Kennzeichen auf dem Parkplatz vor ihrer Wohnung gesehen. Sie werden heute betreffend die Verwendung eines Kfz mit ausländischem Kennzeichen mit Wohnsitz in Österreich befragt."

Dazu machte der Bf. zusammengefasst die folgenden hier relevanten Angaben, die durch eine Dolmetscherin übersetzt wurden:

  • Er sei seit 1990 mit seiner Frau ***VN_Gattin*** verheiratet und habe mit ihr zwei volljährige, selbsterhaltungsfähige Kinder.

  • In Österreich verfüge er über eine ca. 60 m² große Mietwohnung. In Polen besitze er ein Haus mit ca. 120 m² Wohnfläche, das sein Sohn und fallweise seine Tochter bewohnen. Sonst wohne niemand dort.

  • Seine Frau arbeite in Österreich Vollzeit. Er arbeite in Österreich gewöhnlich von Montag bis Freitag im Dreischichtbetrieb und fahre zwei- bis viermal pro Monat nach Polen. Er und seine Frau verfügten in Österreich über jeweils ein Mobiltelefon mit österreichischer Handynummer. Weiters besitze er ein polnisches Wertkartentelefon.

  • Er führe kein Fahrtenbuch und keine anderen Aufzeichnungen. In Polen zahle er meist bar und könne keine dortigen Bankabhebungen nachweisen.

  • Sein Hauptwohnsitz sei in Polen. Dort habe er auch seinen Mittelpunkt der Lebensinteressen, weil er dort alles habe, sein Haus, seine Kinder und seine besten Freunde. In Österreich sei er in keinen Vereinen tätig. Er habe 2001 niemals geglaubt, dass er einmal solange in Österreich bleiben würde.

In der Datenbank der Finanzverwaltung scheint im Bereich Familienbeihilfe die polnische Anschrift ***Ort_Polen*** auf. Das ist vom aktuellen Wohnsitz (***Anschrift***) in etwa 600 Kilometer bzw. ca. 6 Stunden Fahrzeit entfernt (Quelle: Google.maps).

In der Beschwerde ergänzte der Bf., er habe nicht gewusst, dass ein gemeinsamer Wohnsitz mit meiner Frau in Österreich die Familienheimfahrten ausschließt. Er sei davon ausgegangen, dass der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Polen ist und deshalb die Familienheimfahrten selbstverständlich absetzbar seien. Er sei in Österreich nur vorübergehend und ausschließlich aus beruflichen Gründen wohnhaft. Er habe seine Beschäftigung in Polen kündigen müssen, weil ihn sein österreichischer Dienstgeber direkt und persönlich hierher zum Arbeiten eingeladen habe. In seiner Heimat habe er ein Haus mit einem ca. 1.000 m² großen Grundstück, dort sei seine Familie (Kinder), seine ganzen Bekannten und Freunde. Alle Urlaube und Feiertage und sonstigen arbeitsfreien Tage sowie die meisten Wochenenden verbringe er in seiner Heimat, weshalb sich der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen dort befinde.

2.2. Kinderfreibetrag

Zu seinen beiden volljährigen Kindern gab der Bf. 2019 in der erwähnten Niederschrift an:

  • Die Tochter ***Tochter*** wurde am ***#.Monat*** 1990 geboren, wohnt in Polen und arbeitet dort als Krankenschwester. Sie ist selbsterhaltungsfähig.

  • Der Sohn ***Sohn*** wurde am ***##.Monat*** 1994 geboren, schloss nunmehr sein Studium ab und arbeitet als Verkäufer in einem Geschäft in Polen (***Ort_Polen***). Auch er ist nun selbsterhaltungsfähig.

Beide Kinder waren im Streitzeitraum 2013 bis 2018 volljährig und in Polen wohnhaft.

Mit Bescheid vom wurde der Antrag vom auf Ausgleichszahlung (Familienbeihilfe) für die Tochter ab Oktober 2014 abgewiesen, da sie mit Juli 2014 das 24. Lebensjahr vollendet hatte. Für sie stand im Streitzeitraum keine Familienbeihilfe oder Ausgleichszahlung zu und wurde auch nicht gewährt.

Mit Bescheid vom wurde auch ein Antrag vom auf Familienbeihilfe für den Sohn ab Oktober 2012 abgewiesen, weil ein Antrag nur für fünf Jahre rückwirkend gestellt werden könne (somit ab September 2014). Im Bescheid wurde ausgeführt, die Familienbeihilfe sei von April 2012 bis September 2013 sowie für Oktober 2014 bis Juli 2018 (Monat der Vollendung des 24. Lebensjahres) ausbezahlt worden. Aus der Datenbank des FA geht hervor, dass der Sohn im September 2013 (19-jährig) maturierte und sein Studium an der Fachhochschule in Polen mit begann sowie am (24-jährig) mit dem Bachelor abschloss.

3. Beweiswürdigung

Gem. § 167 Abs. 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Soweit nicht Einwendungen erhoben wurden, liefert dabei eine von der Abgabenbehörde ordnungsgemäß aufgenommene Niederschrift Beweis über den Gegenstand und den Verlauf der betreffenden Amtshandlung (§§ 87 und 88 BAO).

Nach der ständigen Judikatur des VwGH zu § 167 Abs. 2 BAO genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt. Daran hat sich durch die Verwaltungsgerichtsbarkeitsreform nichts geändert (vgl. unter Hinweis auf ; , Ro 2014/13/0025 und Ro 2014/13/0044).

Das Bundesfinanzgericht hat - wie auch das Finanzamt - die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Den Parteien ist Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben (§ 115 BAO in Verbindung mit § 2a BAO).

Eine in der Begründung einer Beschwerdevorentscheidung getroffene Feststellung des Finanzamtes wirkt wie ein Vorhalt und es obliegt dem Abgabepflichtigen, die vom Finanzamt in der Begründung der Beschwerdevorentscheidung getroffene Feststellung zu widerlegen bzw. zumindest deren Unrichtigkeit zu behaupten (vgl. etc.).

Mit BGBl. I Nr. 136/2017 wurde in Umsetzung der bisherigen Judikatur gesetzlich verankert, dass die Ermittlungspflicht durch eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen, wie beispielsweise bei Auslandssachverhalten, eingeschränkt wird.

Nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 1660 BlgNR 25. GP 24) trifft dies etwa dann zu, wenn durch faktische Gegebenheiten oder rechtliche Schranken die amtswegige Ermittlung des Sachverhaltes eingeschränkt oder verhindert ist. Dies gilt grundsätzlich bei Auslandssachverhalten. Durch das Wort "beispielsweise" sollte dabei klargestellt werden, dass es etwa auch am Abgabepflichtigen liegt, etwaige im Ausland lebende Zeugen zu kontaktieren und stellig zu machen sowie alle relevanten Sachverhaltselemente so zu dokumentieren, dass sie für die Abgabenbehörde nachvollziehbar sind. Eine Verletzung der erhöhten Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen hat beispielsweise zur Folge, dass die Verpflichtung der Abgabenbehörde endet, den Sachverhalt über das von ihr aufgrund einer ordentlich durchgeführten Ermittlung zu prüfen und sie den so ermittelten Sachverhalt als erwiesen annehmen darf.

Schon bisher wies Ritz zu Recht darauf hin (Ritz, BAO5, § 115 Tz 13), dass den Bf. auch dann eine erhöhte Mitwirkungspflicht trifft, wenn wenn typische Aufwendungen der privaten Lebensführung steuerlich verwertet werden sollen. Im Hinblick auf seine eigene Nähe zum Beweisthema hat hier der Beschwerdeführer von sich aus nachzuweisen oder zumindest glaubhaft zu machen, dass sie - entgegen allgemeinen Lebenserfahrung - die betriebliche oder berufliche Sphäre betreffen (vgl. etwa ).

Im Übrigen befreit der Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens den Revisionswerber nicht von seiner Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen ( mit weiteren Nachweisen).

Damit ist es hier auf Basis des obigen Sachverhaltes erwiesen, dass der Bf. seit etwa 2001 in Österreich wohnhaft war und hier auch seiner Arbeit nachging. Seine Gattin zog 2012 von Polen zu ihm und ist hier seitdem auch ohne Unterbrechung berufstätig. Sie bewohnten seitdem in Österreich durchgehend eine Mietwohnung (Dauermiete). Beide bezogen hier ihre einzigen Einkünfte.

Seine einzigen Bezugspunkte zu Polen bestanden aus einem Einfamilienhaus, das vom volljährigen Sohn sowie fallweise der volljährigen Tochter bewohnt und offenbar vom Bf. und seiner Gattin bei ihren dortigen Aufenthalten benutzt wurde. In Polen unterhielt er eigenen Angaben zufolge auch einen Bekanntenkreis, brachte aber nicht vor, dort anderweitig verankert zu sein (Eltern, Vereine etc.).

Die Nachweise bezüglich der Höhe der angefallenen Aufwendungen reduzierten sich auf sehr allgemeine Angaben. Es wurden weder ordnungsgemäße Fahrtenbücher noch andere Aufzeichnungen vorgelegt, aus denen hervorgehen würde, welche Verkehrsmittel konkret benutzt wurden, wie viele Kilometer dabei wann zurückgelegt wurden und welche Kosten dabei entstanden.
Dies reicht hier schon deshalb nicht aus, weil es schon allein aufgrund der großen Entfernung (600 Kilometer bzw. mindestens sechs Stunden Fahrzeit) sehr unwahrscheinlich ist, dass der Bf. wirklich sehr oft in Polen verbrachte.

4. Rechtsgrundlagen, rechtliche Würdigung

4.1. Kinderfreibetrag

Die Regelungen für den Kinderfreibetrag (kurz KFB) finden sich in § 106a EStG 1988.

Voraussetzung dafür ist das Vorliegen eines Kindes im Sinne des § 106 Abs. 1 EStG 1988 und damit grundsätzlich, dass dem Steuerpflichtigen oder seinem (Ehe)Partner mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 3 EStG 1988 zusteht. Das setzt voraus, dass in dieser Zeit Familienbeihilfe gewährt wurde.

Hier ist aktenkundig, dass für 2013 sowie 2015 bis 2018 die Familienbeihilfe für den Sohn jeweils über sechs Monate gewährt wurde. Für diese Jahre steht damit auch der Kinderfreibetrag zu.

Aufgrund des Ausbildungsbeginnes des volljährigen Sohnes mit war die Familienbeihilfe für 2014 nur für drei Monate (und damit unter sieben Monate) zu gewähren. Damit waren diese Voraussetzungen für dieses Jahr nicht gegeben.

4.2. Familienwohnsitz und Familienheimfahrten

Werbungskosten sind gem. § 16 EStG 1988 die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge sowie Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung dürfen nicht abgezogen werden, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen (§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. a und b EStG 1988). Sind Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten) beruflich veranlasst, sind sie nur insoweit abzugsfähig, soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d EStG 1988 angeführten Betrag (für 2013 bis 2018 EUR 3.672,00) nicht übersteigen.

Der Begriff "Familienwohnsitz" wird nicht im Gesetz definiert, sondern wurde ursprünglich nur von Lehre und Rechtsprechung interpretiert. Familienwohnsitz ist danach jener Ort, an dem der Steuerpflichtige mit seinem Ehegatten bzw. Lebensgefährten einen gemeinsamen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen bildet (Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG11, § 4 Tz 349 unter Hinweis auf ).

In Anlehnung an das zwischenstaatliche Steuerrecht definierte der VwGH den Begriff Mittelpunkt der Lebensinteressen so, dass darunter der Ort zu verstehen ist, zu dem der Steuerpflichtige die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Bindungen hat ( etc.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine Person zwar mehrere Wohnsitze, jedoch nur einen Mittelpunkt der Lebensverhältnisse haben. Dieser ist durch eine zusammenfassende Wertung aller Umstände zu ermitteln, wobei die Beurteilung anhand objektiv feststellbarer Umstände vorzunehmen ist (vgl. mit weiteren Nachweisen).

Wirtschaftliche Bindungen gehen vor allem von örtlich gebundenen Tätigkeiten und von Vermögensgegenständen in Form von Einnahmequellen aus. Dabei ist insbesondere die Höhe der Einkünfte ausschlaggebend.

Schon nach der Rechtsprechung kam allerdings bei dieser Beurteilung den persönlichen Beziehungen und dort wiederum der Gestaltung des Familienlebens eine überwiegende Bedeutung zu (vgl. ; , 98/14/0026; , 95/14/0145 und Fuchs in Hofstätter/Reichel, EStG45, § 1 Tz 9). Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens bestehen im Regelfall die stärksten persönlichen Beziehungen zu dem Ort, an dem man regelmäßig und Tag für Tag mit seiner Familie lebt. Daraus folgt, dass der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse einer verheirateten Person oder einer in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Person regelmäßig am Ort des Aufenthaltes des Paares zu finden sein wird (), wenn sie dort einen gemeinsamen Haushalt führen. Die auf die Wohnsitze entfallenden Aufenthaltszeiten sind dabei ein bedeutsames quantitatives Kriterium (). Demgegenüber treten andere persönliche Beziehungen wie zur restlichen Familie oder zu Freunden in den Hintergrund.

Für die Beurteilung sind alle nach außen hin objektiv erkennbaren Umstände heranzuziehen. Nicht von Relevanz sind im Allgemeinen eine bloß gefühlsmäßige Heimatverbundenheit, der Wunsch, später an einen bestimmten Ort zurückzukehren oder die Frage, wo Eltern und andere Verwandte leben (; , 1080/77).

§ 4 der Verordnung der Bundesministerin für Finanzen über die Kriterien zur Ermittlung des Pendlerpauschales und des Pendlereuros, zur Einrichtung eines Pendlerrechners und zum Vorliegen eines Familienwohnsitzes (Pendlerverordnung; BGBl. II Nr. 276/2016) definiert den Familienwohnsitz mit dem Ort, wo ein in (Ehe)Partnerschaft oder in Lebensgemeinschaft lebender Steuerpflichtiger oder ein alleinstehender Steuerpflichtiger seine engsten persönlichen Beziehungen (z.B. Familie, Freundeskreis) und einen eigenen Hausstand hat. Dies klammert die wirtschaftlichen Beziehungen aus und legt den Schwerpunkt auf die persönlichen Kontakte. Für den konkreten Fall ändert sich dadurch nichts.

Zur steuerlichen Anerkennung als Werbungskosten muss hinzutreten, dass es dem Bf. nicht zumutbar war, seinen Familienwohnsitz bzw. seine Wohnung an seinen Beschäftigungsort zu verlegen. Nur dann liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine berufliche Veranlassung der mit einer doppelten Haushaltsführung verbundenen Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen vor (vgl. mit weiteren Nachweisen). Solche Gründe für eine Unzumutbarkeit müssten aus Umständen resultieren, die von erheblichem objektivem Gewicht sind. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus.

Die Unzumutbarkeit ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres und nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Dabei ist es die Sache des die Werbungskosten begehrenden Steuerpflichtigen und nicht die der Abgabenbehörde, die Gründe zu nennen, aus denen er das Aufgeben des Familienwohnsitzes als unzumutbar ansieht (vgl. mit weiteren Nachweisen). Relevant sind deshalb nur die vom Bf. vorgetragenen Gründe.

Ein Grund für die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung wäre eine weitere Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder seines Partners (). Der bloße Besitz eines Eigenheims am Wohnort stellt keinen Grund für die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung an den (neuen) Arbeitsort dar (vgl. mit weiteren Nachweisen).

Auch die Erziehung und kontinuierliche Betreuung minderjähriger Kinder und die Bewahrung des familiären Umfeldes für diese Kinder können gewichtige Gründe darstellen, die für die Beibehaltung des Hauptwohnsitzes sprechen (vgl. unter Hinweis auf ). Sie dienen dazu, die Obliegenheiten als Elternteil zur Gewährleistung eines familiären Umfeldes für die Kinder und Aufrechterhaltung eines intensiven persönlichen Kontaktes laufend nachzukommen, und wären damit gewichtige Gründe, die eine Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung begründen könnten. Dies trifft allerdings im Regelfall nicht auf gesunde, nicht pflege- oder betreuungsbedürftige volljährige Kinder zu, bei denen grundsätzlich auch keine Ortsgebundenheit des haushaltsführenden Elternteils besteht (vgl. und mit weiteren Nachweisen).

War deshalb ein Kind während des ganzen Veranlagungszeitraumes volljährig, liegt für diesen Zeitraum keine Unzumutbarkeit vor.

Nur dann, wenn sowohl am Familienwohnsitz wie auch am Beschäftigungsort eine Wohnung unterhalten und benutzt wird, weil die tägliche Heimkehr zum Familienwohnsitz nicht zumutbar ist, stehen daraus resultierende Werbungskosten zu.

Trotz erhöhter Mitwirkungs- und Behauptungsverpflichtung aufgrund des Auslandsbezuges brachte der Bf. hier keine stichhaltigen Argumente vor, die für das Vorliegen und die Nutzung eines Familienwohnsitzes in Polen sprechen könnten. Die aktenkundigen Fakten reichen dafür nicht aus und sprechen bestenfalls für eine freiwillig unterhaltene "Ferienunterkunft" ohne jede Notwendigkeit für die Erzielung von polnischen oder österreichischen Einnahmen bzw. andere zwingende Pflichten.

Der Bf. lebte jedenfalls im Streitzeitraum zusammen mit seiner Gattin in Österreich. Beide gingen - ausschließlich - hier einer Erwerbstätigkeit nach und hatten keine minderjährigen oder anderweitig pflegebedürftigen Kinder in Polen zu versorgen. Da er auch keine anderen besonderen Umstände vorbrachte, die eine gegenteilige Beurteilung zu rechtfertigen vermögen, befanden sich sein Lebensmittelpunkt und Familienwohnsitz ohne Zweifel in Österreich. Daran vermögen auch (möglicherweise durchaus häufigere) Besuche in Polen nichts zu ändern, solange dies nicht dazu führte, dass sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen von Österreich wegverlagert. Das war hier nicht der Fall.

Werbungskosten aus dem Titel Familienheimfahrten kommen deshalb hier nicht in Frage.

4.3. Zusammenfassung

Damit war der Kinderfreibetrag für den Sohn für 2013 sowie 2015 bis 2018 zu gewähren, für 2014 war er zu versagen. Aufwendungen für Familienheimfahrten stehen nicht zu.

Die Einkommensteuererstbescheide 2013 sowie 2015 bis 2018 waren somit in Übereinstimmung mit den Beschwerdevorentscheidungen abzuändern und das FA in diesem Umfang zu bestätigen.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der jeweiligen Einkommensteuer entsprechen damit für diese Jahre denen, die auch im Spruch der Beschwerdevorentscheidungen vom (2015 - 2018) und (2013) enthalten sind. Diese bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2014 war abzuweisen und der diesbezügliche Erstbescheid war vollinhaltlich zu bestätigen. Die Einkommensteuer und die Bemessungsgrundlagen 2014 bleiben unverändert.

5. Revision

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG).

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).

Eine im Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung wirft im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf (vgl. mit weiteren Nachweisen).

Soweit Rechtsfragen für die hier zu klärenden Fragen entscheidungserheblich sind, sind sie durch höchstgerichtliche Rechtsprechung ausreichend geklärt (siehe oben), nicht von grundsätzlicher Bedeutung oder die anzuwendenden Normen sind klar und eindeutig.

Damit liegt hier kein Grund vor, eine Revision zuzulassen.

Salzburg-Aigen, am

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