Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.12.2019, RV/7101423/2019

Verschulden an der Insolvenz der Primärschuldnerin wird bestritten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch R über die Beschwerde der H, vom gegen den Haftungsbescheid gemäß § 224 BAO des Finanzamtes Wien 1/23 vom , Steuernummer HB, zu Recht erkannt: 

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert .

H wird für  folgende Abgaben im Gesamtausmaß von 8.122,28 Euro zur Haftung herangezogen : 


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Abgabe
Betrag (Euro)
Umsatzsteuer 2013
1.773,34
Umsatzsteuer 2014
4.098,61
Umsatzsteuer 10-12/2014
2.250,33

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Als alleinige handelsrechtliche Geschäftsführerinnen der im Jahr 2007 errichteten B.GmbH fungierten G (vom Jahr 2008 bis ) und die Beschwerdeführerin (Bf.) ab .

Während der Geschäftsführertätigkeit der G führte das Finanzamt bei der B.GmbH zwei abgabenrechtliche Prüfungen durch. In den Berichten über die Außenprüfung vom , ABNr. AB2, und vom , ABNr. AB, wurde festgehalten, dass G mehrmals zeugenschaftlich ausgesagt habe, mit der B.GmbH nichts zu tun zu haben und sie über deren Geschäftstätigkeit nichts wisse. Ihre Eintragung als handelsrechtliche Geschäftsführerin sei nur aus Freundschaft zur Bf. erfolgt, die die Geschäftsführertätigkeit bei der GmbH faktisch ausgeübt habe. Die Bf. bestätigte in der mündlichen Verhandlung am , auch vor ihrer Eintragung ins Firmenbuch die Geschäfte der GmbH geführt zu haben, weil G diese wegen Krankheit nicht habe ausüben können.

Mit dem Haftungsbescheid vom nahm das Finanzamt FA die B.GmbH als Haftungspflichtige gemäß § 14 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der U.GmbH im Ausmaß von 77.920,65 Euro in Anspruch. Der dieser Haftungsinanspruchnahme zu Grunde liegende Sachverhalt ist der Berufungsentscheidung des , zu entnehmen, mit der die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom als unbegründet abgewiesen wurde. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Behandlung der Beschwerde mit dem Beschluss vom , 2012/16/0115, abgelehnt.

Da die Haftungsschuld nicht entrichtet wurde, stellte die Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, am gemäß § 70 IO den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die B.GmbH. Laut Rückstandsausweis vom schuldete die B.GmbH als Haftungsschuldnerin der U.GmbH der Republik einen Betrag von 77.920,65 Euro an vollstreckbaren Abgaben. Die B.GmbH sei überschuldet und zahlungsunfähig.

Mit dem Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Datum1, wurde über das Vermögen der B.GmbH das Konkursverfahren eröffnet. 

Mit dem Beschluss des Gerichtes vom Datum2 wurde der Sanierungsplan (Gesamtquote 20%) rechtskräftig bestätigt und der Konkurs aufgehoben.

Die Generalversammlung der Gesellschaft beschloss am Datum3 die Fortführung der Gesellschaft.

In den Jahren 2010 und 2013 führte das Finanzamt bei der B.GmbH hinsichtlich Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer 2009 bzw. 2010 und 2011 Außenprüfungen durch (siehe die bereits zitierten BP-Berichte vom und ).

Die Außenprüfung im Jahr 2010 führte zu einer Nachforderung an Umsatzsteuer 2009 in der Höhe von 12.322,64 Euro (Bescheid vom ).

Am erließ das Finanzamt - zum Teil im gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder aufgenommenen Verfahren - Umsatzsteuerbescheide 2010 und 2011, Körperschaftsteuerbescheide 2010 und 2011 sowie Haftungsbescheide betreffend Kapitalertragsteuer 2010 und 2011 mit Abgabennachforderungen über 100.000 Euro.

Die B.GmbH brachte gegen die Bescheide das Rechtsmittel der Beschwerde ein und beantragte die Aussetzung der Einhebung der Abgaben gemäß § 212a BAO. Das Finanzamt bewilligte die Aussetzung der Einhebung hinsichtlich der Umsatzsteuer, der Körperschaftsteuer sowie der Kapitalertragsteuer 2010 und 2011 mit dem Bescheid vom und hinsichtlich der Umsatzsteuer 2009 mit dem Bescheid vom . Der Ablauf der Aussetzung der Einhebung der gegenständlichen Abgaben wurde vom Finanzamt mit den Bescheiden vom 22., 23. und verfügt.

Das Finanzamt erließ am einen Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für die Monate 10-12/2014 über 3.070,20 Euro und am den Umsatzsteuerjahresbescheid 2013 mit einer Nachforderung in der Höhe von 2.216,67 Euro. Der Umsatzsteuerjahresbescheid 2014 mit einer Nachforderung in der Höhe von 5.123,26 Euro wurde am erlassen.

Im Auskunftsersuchen vom teilte das Finanzamt der Bf. mit, am Abgabenkonto der B.GmbH hafteten Abgaben in der Höhe von 78.158,61 Euro unberichtigt aus. Der Rückstand bestehe in Folge Nichtentrichtung der im Zeitraum bis fällig gewordenen Abgaben (Umsatzsteuer 2009 bis 2014, Körperschaftsteuer 2010 und 2011 und Kapitalertragsteuer 01-12/2010 und 01-12/2011). Die die Sanierungsplanquote von 20% übersteigenden Abgabenrückstände, somit 62.526,89 Euro, seien bei der Gesellschaft nicht mehr einbringlich.

Wer die Vertretung der Gesellschaft übernehme, habe sich darüber zu unterrichten, ob und in welchem Umfang diese bisher ihre abgabenrechtlichen Verpflichtungen erfüllt habe. Bestünden Verbindlichkeiten aus einem Zeitraum vor der Übernahme der Vertreterfunktion, habe der für die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Zahlungspflichten nunmehr neu Verantwortliche dafür zu sorgen, dass auch die "Altverbindlichkeiten" aus den vorhandenen Geselschaftsmitteln entrichtet werden.

Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliege dem Vertreter. Auf diesem laste auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote. Trete der Vertreter diesen Nachweis nicht an, könne ihm die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden.

Sofern die B.GmbH bereits zum Zeitpunkt der Fälligkeit der einzelnen Abgaben nicht mehr über ausreichende liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügte, werde die Bf. ersucht, den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung zu erbringen, und zwar durch Darstellung der tatsächlich vorhandenen Mittel sowie der aliquoten Mittelverwendung. Dazu sei eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen zu übermitteln. In dieser Aufstellung seien alle damaligen Gläubiger der Gesellschaft sowie die auf einzelne Verbindlichkeiten (Gläubiger) geleisteten Zahlungen enthalten sein.

Im Fall der Nichterbringung der Nachweise gehe das Finanzamt davon aus, dass die Bf. die ihr obliegende Verpflichtung zur Entrichtung der Abgaben aus den verwalteten Mitteln schuldhaft verletzt habe und diese Pflichtverletzung für den Abgabenausfall bei der Gesellschaft ursächlich sei. In diesem Fall hafte die Bf. für die uneinbringlichen Abgabenschuldigkeiten im vollem Ausmaß.

Dem Vorhalt beigelegt wurden der Umsatzsteuerbescheid 2009 vom , die Wiederaufnahmsbescheide betreffend Umsatzsteuer 2010 und 2011 und die im wieder aufgenommenen Verfahren erlassenen Umsatzsteuerbescheide 2010 und 2011 vom , der Umsatzsteuerbescheid 2013 vom , der Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 10-12/2014 vom , der Umsatzsteuerbescheid 2014 vom , der Wiederaufnahmsbescheid betreffend Körperschaftsteuer 2010 vom , der im wieder aufgenommenen Verfahren erlassene Körperschaftsteuerbescheid 2010 vom , der Körperschaftsteuerbescheid 2011 vom , die Haftungsbescheide für Kapitalertragsteuer 2010 und 2011 vom , die Beschwerdevorentscheidung betreffend Umsatzsteuer 2009 vom , die Beschwerdevorentscheidungen betreffend Umsatzsteuer 2010 und 2011 und Körperschaftsteuer 2010 und 2011 vom , sowie der Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung gem. § 150 BAO vom .

In der Stellungnahme vom führten die Bf. und die Geschäftsführerin G aus:

"Aufgrund identer Haftungsvorhalte (bei H kommt noch USt 2014 hinzu) verantworten sich die Einschreiter gemeinsam.

Vorauszuschicken ist, dass die von der B.GmbH gewissenhaft berechneten und erklärten Abgabenlasten auch abgeführt wurden.

Die gegenständliche Rückstände beruhen auf Sachverhaltserhebungen und Rechtsansichten des Finanzamtes, denen die Einschreiter nicht nähertreten können, weshalb sie nach allfälligem Vorliegen der Haftungsbescheide die Ihnen gem. § 248 BAO eingeräumten Rechtsschutzinteressen auch umfänglich nützen werden.

Zur Abwendung der Erlassung von Haftungsbescheiden wird daher ergänzend zu den in den übermittelten Bescheiden wiedergegebenen Berufungs- bzw. Beschwerdevorbringen der B.GmbH und unter Bezugnahme auf die Bescheidbegründungen vorgebracht:

…..

Tatsächlich wurde die Abgabeneinbringung aufgrund der Berufung vom ausgesetzt und mussten Rechtsmittel über Veranlassung der Abgabenbehörde zum Zwecke der Annahme des Sanierungsplanes zurückgenommen werden.

Aufgrund der dargelegten Ausführungen trifft die Einschreiter kein vorwerfbares Fehlverhalten."

Mit dem hier angefochtenen Haftungsbescheid vom zog das Finanzamt die Bf. gemäß § 9 BAO zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten der B.GmbH im Ausmaß von 62.526,89 Euro heran.

Die Bf. sei ab Geschäftsführerin der B.GmbH und daher gemäß § 18 GmbHG zur Vertretung der Gesellschaft berufen gewesen.

Die Bf. habe sich zu Beginn ihrer Tätigkeit über Abgabenrückstände bzw. Versäumnisse, die zu Abgabenrückständen führten, informieren und Maßnahmen zu deren Begleichung vornehmen müssen. Als angemessen werde nach der Rechtsprechung des VwGH ein Zeitraum von drei Monaten erachtet; werden nach Ablauf dieser Frist keine Abstattungsmaßnahmen getroffen oder legt der Geschäftsführer seine Tätigkeit nicht nieder, übernehme er die Verantwortung für die Altlasten. Die Pflicht zur Entrichtung von Abgabenschuldigkeiten ende erst mit deren Abstattung, weshalb die Haftung daher auch bei Vertretungsübernahme bereits bestehende Altschulden umfasse.

Die Bf. sei ihrer Verpflichtung, Behauptungen und Beweisanbote zu ihrer Entlastung darzutun, nicht ausreichend nachgekommen. Die Bf. treffe die Beweislast, aus welchen Gründen ihr die Erfüllung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft unmöglich war, widrigenfalls von einer schuldhaften Pflichtverletzung ausgegangen werden könne. Nachweise einer erfolgten Gläubigergleichbehandlung seien nicht vorgebracht worden.

Die vorgebrachten Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenvorschreibung seien nicht im Haftungsverfahren zu erörtern.

Gegen den Bescheid brachte die Bf. am wegen inhaltlicher Rechtsidrigkeit das Rechtsmittel der Beschwerde ein.

Die Bf. beantragte unter Wiederholung ihrer Ausführungen in der Stellungnahme vom die Vorlage der Bescheidbeschwerde betreffend Umsatzsteuer 2009 bis 2011, Körperschaftsteuer 2010 und 2011 sowie Kapitalertragsteuer 2010 und 2011 an das Bundesfinanzgericht.

Hinsichtlich des Bescheides vom (Festsetzung der Umsatzsteuer 10-12/2014) brachte die Bf. das Rechtsmittel der Berufung ein.

Die Bf. stellte den Beschwerdeantrag, den angefochtenen Haftungsbescheid ersatzlos zu beheben.

Im Nachtrag zur Beschwerde vom brachte die Bf. am vor:

"Da die Behörde sowohl im Auftrag zur Stellungnahme als auch im Haftungsbescheid die Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer lediglich in einem Jahresbetrag bekannt gegeben hat, wurde die BF als zur Haftung Herangezogene nicht in die Lage versetzt, die geforderte, nach Monaten oder vierteljährlich gegliederte Liquiditätsaufstellung zu erstellen und dabei die auf die Abgabengläubigerin entfallende monatliche bzw. vierteljährliche Quote zu berechnen. Den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung kann sie aber erst erbringen, wenn ihr die Abgabenbehörde die monatlichen oder vierteljährlichen Beträge bekannt gegeben hat, die den Jahresbeträgen zugrunde gelegt wurden.

Der angefochtene Bescheid ist daher insbesondere in diesem Punkt rechtswidrig (VwGH GZ 2011/16/0188 mit Verweis auf GZ 2009/16/0181).

Im Übrigen hätte die Abgabenbehörde klarzustellen, ob die monatliche oder vierteljährliche Quote auf Basis der jeweiligen Abgabenfälligkeit mit oder ohne Berücksichtigung der bezahlten Sanierungsquote zu berechnen ist. Vermutlich ist die Bezahlung der Sanierungsquote im Zeitpunkt der Abgabenfälligkeit zu fingieren, um einer Gläubigerungleichbehandlung vorzubeugen."

Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

Das von der Bf. zitierte VwGH-Erkenntnis sei zur Haftung für Kommunalsteuer ergangen. Die darin getroffenen Aussagen könnten auf den gegenständlichen Fall keine Anwendung finden.

Im Vorlageantrag vom beantragte die Bf. die Entscheidung über die Bescheidbewerde durch das Bundesfinanzgericht und führte aus:

"Zur Beschwerde ist vorweg festzuhalten, dass die BF neben der insbesondere im Nachtrag (SS vom ) begründeten Anfechtung des Haftungsbescheides in einem erkennbar gem. § 248 BAO auch gegen die einzelnen Abgabenbescheide Berufung erhoben hat, wobei sie mit Ausnahme der Berufung gegen den Abgabenbescheid vom betreffend USt 10-12 /2014 anstatt Berufungsanträgen in der Meinung, dazu berechtigt zu sein, irrigerweise "Vorlageanträge" gestellt hat. Das Finanzamt hat die BF nicht zur Verbesserung aufgefordert und will die Berufungen gegen die Abgabenbescheide erkennbar nicht als solche behandeln.

Es ist daher darauf hinzuweisen, dass für die Beurteilung der Frage, ob überhaupt eine Berufung vorliegt, darauf abzustellen ist, ob sich erkennen lässt, dass eine Partei beabsichtigt, eine behördliche Maßnahme zu bekämpfen und ob sich erkennen lässt, ob sich die Partei durch eine bestimmte Entscheidung beschwert fühlt und deren Nachprüfung begehrt ( GZ 2003/14/0082).

Die BF hat daher fristgerecht gegen die einzelnen Abgabenbescheide Berufung erhoben, worüber die Abgabenbehörde nach allfälligem Eintritt der Rechtskraft des Haftungsbescheides im Verfahren nach § 248 BAO abzusprechen haben wird.

Die BF nimmt aber den Vorlageantrag zum Anlass, an ihrer Beschwerde gegen den Haftungsbescheid und an den Berufungen gegen die Grundlagenbescheide unter inhaltlicher Wiederholung der Beschwerde (samt Berufungen) samt Nachtrag, beide eingebracht am , Präszisierungen und Ergänzungen wie folgt vorzunehmen:

I Beschwerde gegen den Haftungsbescheid:

1. Die vollumfängliche und vollinhaltliche Anfechtungserklärung wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung stützt sich auf mangelndes Verschulden der BF an der Nichtentrichtung der Abgaben bzw. an der Ungleichbehandlung der Abgabenbehörde.

Da die Behörde sowohl im Auftrag zur Stellungnahme als auch im Haftungsbescheid die Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer lediglich in einem Jahresbetrag bekannt gegeben hat, wurde die BF als zur Haftung Herangezogene nicht in die Lage versetzt, die geforderte, nach Monaten oder vierteljährlich gegliederte Liquiditätsaufstellung zu erstellen und dabei die auf die Abgabengläubigerin entfallende monatliche bzw. vierteljährliche Quote zu berechnen. Den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung kann sie aber erst erbringen, wenn ihr die Abgabenbehörde die monatlichen oder vierteljährlichen Beträge bekannt gegeben hat, die den Jahresbeträgen zugrunde gelegt wurden.

Das die monatlich fällige USt (/Vorauszahlung in Fragen der Geschäftsführerhaftung gleich wie die monatlich fällige Kommunalsteuer behandelt wird, also mit der Verpflichtung zur monatlichen Aufschlüsselung, steht außer Frage (UVSW , RV/3686-W11). Der angefochtene Bescheid ist daher insbesondere in diesem Punkte rechtswidrig (VwGH GZ 2011/16/0188 mit Verweis auf GZ 2009/16/0181).

Werden die Abgaben "Umsatzsteuer" aus der Haftung genommen, muss dies auch für die anderen Abgaben gelten, weil deren Bestehen ohne Haftung für die Umsatzsteuerforderungen nicht denkbar ist.

2. Wesentlich ist aber der Umstand, dass die Primärschuldnerin die Selbstberechnungsabgaben nach bestem Wissen und Gewissen sehr wohl gemeldet und bezahlt hat. Zu den Abgabenbescheiden kam es aufgrund von Steuerprüfungen und anderen Rechtsansichten der Abgabenbehörde, die nur deshalb nicht im Instanzenweg überprüft wurden, weil die Zustimmung zum Sanierungsvorschlag von der Zurücknahme der Rechtsmittel und Rechtsbehelfe abhängig gemacht wurde.

Im Ergebnis "generiert" die Abgabenbehörde zurückliegende Abgabenfälligkeiten, mit denen die BF, soweit sie Abgaben in vertretbarer Weise berechnet und abgeführt hat, nicht rechnen musste. Für nicht absehbare Abgabenforderungen sind keine Rückstellungen zu schaffen.

Die "Beliebigkeit" der Rechtsansichten zeigt sich ja schon in den in den Berufungsvorentscheidungen vorgenommenen Änderungen der Abgabenfestsetzungen zugunsten der Abgabenschuldner. So bleibt vom Steuerbetrag an USt 2009 laut Umsatzsteuerbescheid vom ein reduzierter Steuerbetrag laut Bescheid vom übrig, der nach wie vor seit der gesetzlichen Fälligkeit der USt 2009, demnach am fällig ist. Wenn der Schuldner nun mit seiner Rechtsansicht durchgedrungen ist, stellt sich hinsichtlich des bestätigten Teiles der Abgabenforderung schon die Frage, worin das durch Fahrlässigkeit begründete Verschulden an der Nichtzahlung zu erblicken ist. Dem Haftenden muss dann förmlich unterstellt werden, dass sein Verschulden in einer unvertretbaren Rechtsansicht gegründet ist; das kann aber nur anhand einer Einzelfallprüfung erfolgen, was den Rahmen des Haftungsverfahrens sprengen dürfte. An einem solcherart gerichtlich überprüften und festgestellten Verschulden am Ausfall/Totalausfall einer Abgabenforderung wird aber nicht zu rütteln sein.

Im vorliegenden Fall mangelt es der BF aber mangels rechtlich einwandfreier Erkennbarkeit der Abgabenlasten im Voranmeldungszeitraum bzw. zur Fälligkeit am Verschulden."

Punkt II des Schriftsatzes betrifft die Berufungen gegen die an die Primärschuldnerin ergangenen Abgabenbescheide.

Die Bf. beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Im Vorhalt vom forderte das Bundesfinanzgericht die Bf. auf, hinsichtlich der am und somit während der Geschäftsführertätigkeit der Bf. fälligen Umsatzsteuervorauszahlungen 2014 in der Höhe von 3.070,20 Euro und der Umsatzsteuer 2014 in der Höhe von 5.123,26 Euro einen Gleichbehandlungsnachweis entsprechend den ausführlichen Darlegungen im bis dato unbeantwortet gebliebenen Vorhalt des Finanzamtes vom  vorzulegen. Der Umsatzsteuerbescheid 2014 vom  sei auf Grundlage der von der Bf. eingereichten Umsatzsteuererklärung für 2014 vom ergangen, weshalb eine monatliche Aufgliederung der von der Bf. erklärten Restschuld in der Höhe von 5.123,26 nicht durch die Abgabebehörde erfolgen könne.

Die übrigen im Haftungsbescheid angeführten Abgaben seien bereits vor Beginn der Geschäftsführertätigkeit der Bf. fällig gewesen. Dass die Bf. von diesen Rückständen Kenntnis hatte, gehe aus den Feststellungen der Prüfer in den Berichten über die Außenprüfung vom , ABNr. AB2, und vom , ABNr. AB, - wonach die Bf. vor der Bestellung zur handelsrechtlichen Geschäftsführerin die Geschäfte der B.GmbH als faktische Geschäftsführerin geleitet habe -, eindeutig hervor. Der Bf. oblag daher auch die Entrichtung dieser noch nicht abgestatteten Abgabenschuldigkeiten aus den vorhandenen Mitteln der Gesellschaft.

Die Bf. wurde ersucht, für den Zeitraum (Bestellung zur handelsrechtlichen Geschäftsführerin) bis Datum2 (Eröffnung des Konkursverfahrens über die B.GmbH), einen Gleichbehandlungsnachweis entsprechend den ausführlichen Darlegungen im bis dato unbeantworteten Vorhalt des Finanzamtes vom  vorzulegen.

In der Vorhaltsbeantwortung vom führte die Bf. dazu aus:

"Unter Vorlage des historischen Firmenbuchauszuges Beilage ./1 wird darauf hingewiesen:

1. dass die Funktion von G als GF am gelöscht wurde (Antrag auf Löschung beim Firmenbuch eingelangt am ). Da Frau G ihre Anstellung zum I/2014 gekündigt hat, muss sich auch die geltend gemachte Geschäftsführerhaftung an diesem Zeitpunkt orientieren.

2. dass die Gesellschaft bis zur Bestellung von Frau H zum GF keinen Geschäftsführer hatte.

In der geschäftsführerlosen Zeit ließen die Abgabenmeldungen die notwendige Präzision vermissen, weshalb es sodann über Veranlassung der neuen GF zu Berichtigungen der Umsatzsteuer 2014 durch Nachmeldungen als Restschuld im Ausmaß von € 5.123,26 in der Jahreserklärung kam. Die monatliche Aufgliederung dieses Betrages ist aus Beilage ./2 zu ersehen. [Anm.: Beilage 2 wurde nicht vorgelegt].

Für den Gleichbehandlungsnachweis gilt für die Zeit der Geschäftsführung durch Frau G dasselbe wie für die angefragte Zeit von bis Datum2 GF H:

Es wurden immer alle Verbindlichkeiten beglichen und niemand bevorzugt, weshalb bei Insolvenzeröffnung neben dem Gläubiger Abgabenbehörde gerade einmal € 2.852,14 und beim eigenen Anwalt € 5.452,-- offen waren, wobei der Anwalt seine Forderung ohnedies nur wegen des Stimmrechts angemeldet hatte. Solche Verbindlichkeiten wären locker aus dem laufenden Geschäft zu bereinigen gewesen. Demnach war bei realitätsnaher Beurteilung der Verbindlichkeiten die Abgabenbehörde einziger Gläubiger. Dies alles lässt sich leicht im Konkursakt K HG Wien überprüfen.

Die Forderung der Abgabenbehörde entstand deswegen, weil die Primärschuldnerin mangels gesetzlicher Verpflichtung und im Vertrauen auf den Erfolg ihrer Rechtsmittel keine Rücklagen für die angefochtenen Abgabenvorschreibungen gebildet hat; weil die Berufungsvorentscheidungen den Rechtsmitteln nur teilweise Folge gegeben haben und weil die Abgabenbehörde aufgrund der BVE jeweils den Ablauf der Aussetzung der Einbringung verfügt und sodann Konkursantrag gestellt hat.

Ratenzahlung war für die Abgabenbehörde keine Option, sodass nur ein Sanierungsverfahren in Frage kam, zu dessen Gelingen die Primärschuldnerin die offenen Rechtsmittel und Wiederaufnahmeanträge gegen Abgabenbescheide zurückziehen musste, was sich jetzt wiederum als Bumerang erweist.

Fakt ist, dass die Primärschuldnerin den Saldo in Raten abstatten hätte können. schließlich konnte sie auch die Kosten von etwa € 20.000 für das Insolvenz- und Sanierungsverfahren bezahlen. Aber darauf bestand natürlich kein Rechtsanspruch.

Ob und in welchem Umfang wirklich Abgabenschulden bestehen, wird sich erst nach rechtskräftiger Erledigung der von den BF bekämpften Abgabenbescheide herausstellen.

Erst dann kann seriös beurteilt werden, ob Zahlung in angemessener Frist oder in angemessenen Raten möglich gewesen wäre und ob die beiden GF vor dem dargelegten Hintergrund überhaupt ein Verschulden trifft. Die Einwilligung in eine Ratenzahlungsvereinbarung ist Ermessenssache; bei Beurteilung des Verschuldens ist aber schon ins Kalkül zu ziehen, dass man bei der Abgabenbehörde notorisch mit Zahlungserleichterungen gegen entsprechende Zinsen rechnen darf.

Die Beschwerdeführer stellen daher jedes Verschulden in Abrede.

Die BF kommen schließlich nicht umhin, darauf hinzuweisen, dass es ungeachtet der Judikatur unzweckmäßig erscheint, das Haftungsverfahren vor den Beschwerdeverfahren gegen die Abgabenbescheide zu abzuführen, weil das Ergebnis aus Letzteren ja allein für die Höhe des Haftungsbetrages im vorliegenden Verfahren maßgeblich ist. Vorliegend wird das Pferd ja gewissermaßen von hinten aufgezäumt.

Vorsorglich stellt Die BF H betreffend Buchungen im Zeitraum bis einen Datenauszug des Steuerkontos der Primärschuldnerin zur Verfügung Beilage./3."

Im Schriftsatz vom führte das Finanzamt ergänzend aus, für die vor Konkurseröffnung gegenüber der Primärschuldnerin festgesetzten Abgaben (Umsatzsteuer 2009 bis 2011, Körperschaftsteuer 2010 und 2011, Haftung für Kapitalertragsteuer 2010 und 2011) sei die Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO verfügt gewesen.

Die Umsatzsteuer 2013 und 2014 sei hingegen erst nach der Konkurseröffnung festgesetzt worden.

Ob eine Gläubigergleichbehandlung vorliege, sei im vorliegenden Fall danach zu beurteilen, ob im Zeitraum zwischen (Übernahme der Geschäftsführerfunktion der Bf.) und Datum2 (Eröffnung des Konkursverfahrens über die Primärschuldnerin) das Verhältnis der Zahlungen auf die insgesamt fälligen Verbindlichkeiten jenem der Zahlungen auf die insgesamt fälligen Finanzamtsverbindlichkeiten entsprochen habe. Dazu habe die Bf. kein konkretes Vorbringen erstattet und somit den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung nicht angetreten.

Die Bf. führte in einem weiteren Schriftsatz vom aus, die Frage nach der quotenmäßigen Gleichbehandlung stelle sich gar nicht, weil sie an der Insolvenzeröffnung kein Verschulden treffe und infolge der Insolvenz keine Sicherstellung für die ausgesetzten Beträge "bewerkstelligt" werden konnte. Das Finanzamt habe bei Konkurseröffnung am Datum2 keinen Abgabenzahlungsanspruch gegen die Primärschuldnerin gehabt, vielmehr habe am Abgabenkonto ein Guthaben bestanden. Die ausgesetzten Forderungen seien erst aufgrund der Konkurseröffnung fällig und im Insolvenzverfahren angemeldet worden. Ungeachtet eines Wiederaufnahmeantrages hinsichtlich der Haftungsforderung über 77.920,65 Euro habe die Finanzprokuratur den Insolvenzantrag aufrecht erhalten.

"Ich war an der Insolvenzeröffnung und der erst daraus resultierenden Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen nicht schuld und vermag den Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen meinem Handeln und der Uneinbringlichkeit nicht zu erkennen." ….

In den am 10.05. und abgehaltenen mündlichen Verhandlungen brachte die Bf. ergänzend vor, sie habe im Zuge der Erstellung der Jahreserklärungen bemerkt, dass Vorsteuer zu Unrecht abgezogen wurde und die Umsatzsteuerjahreserklärungen daher dahingehend zu berichtigen waren. Die Abgaben seien erst im Zuge der Prüfung entstanden und vorher nicht bekannt gewesen. Im Übrigen seien die Abgaben im Zuge der Beschwerde gegen die Abgabenbescheide gemäß § 212a BAO ausgesetzt worden.

Frau G, die zunächst zur handelsrechtlichen Geschäftsführerin bestellt worden war, habe wegen Krankheit ihre Tätigkeit nicht ausüben können. Letztendlich habe die Bf. die Geschäfte der GmbH geleitet.

Hinsichtlich der Abgaben Umsatzsteuer 2013 und 2014 wandte die Bf. ein, dass diese Abgaben durch Gutschriften abgedeckt wurden. Die Bf. verwies auf ein am Abgabenkonto verbuchtes Guthaben am Tag der Erlassung des Umsatzsteuerbescheides 2014. Es seien immer wieder Gutschriften angefallen, die die offenen Abgaben abgedeckt hätten.

Die Umsatzsteuernachforderungen resultierten aus Vorsteuerabzügen von Kraftfahrzeugen. Dies sei von der Buchhalterin falsch gebucht und erst bei der Erstellung der Jahreserklärungen entdeckt worden.

Die Bf. beantragte, ihrer Beschwerde stattzugeben.

Der Vertreter des Finanzamtes führte zum Vorbringen der Bf. aus, Gutschriften seien zwingend nach der Verrechnungsregel der BAO auf die ältesten Abgabenschuldigkeiten zu verrechnen. Wäre die Verrechnung auf andere, etwa die gegenständlichen Haftungsabgaben erfolgt, so wären andere Abgabenverbindlichkeiten offen geblieben und wären diese Gegenstand der Haftung.

Bis dato sei nicht bekannt, welche liquiden Mittel der Gesellschaft im Haftungszeitraum zur Verfügung standen. Er beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesfinanzgericht hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus ().

Die objektive Uneinbringlichkeit der verfahrensgegenständlichen Abgaben steht zweifelsfrei fest, weil nach der Aktenlage eine (auch nur teilweise) Einbringlichmachung der haftungsgegenständlichen Abgabenverbindlichkeiten nach der rechtskräftigen Bestätigung des Sanierungsplanes am Datum2 bei der Primärschuldnerin ausgeschlossen ist. Bei den im angefochtenen Bescheid geltend gemachten Haftungsbeträgen wurde auch die im Sanierungsplan angeführte Quote von 20% berücksichtigt.

Die Ursache für die Konkurseröffnung über die Primärschuldnerin spielt für die Feststellung der Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben keine Rolle. Das Vorbringen der Bf., es hätte keinen Grund für eine Konkurseröffnung gegeben, die Abgaben wären einbringlich gewesen, hätte der Konkurs nicht stattgefunden, sind spekulativer Natur. Tatsache ist, dass die Primärschuldnerin die Haftungsschuld von 77.920,65 Euro (siehe die zitierte Berufungsentscheidung des ) bis zur Konkurseröffnung am Datum2 nicht einmal teilweise entrichtet hat, weshalb das Finanzamt FA den Konkursantrag einbrachte.

Ob die Bf. ein schuldhaftes Verhalten an der Konkurseröffnung der Gesellschaft trifft, ist für die Heranziehung zur Haftung nicht von Relevanz, weil die Verschuldensprüfung im Sinne des § 9 BAO darauf abstellt, ob der Geschäftsführer seiner Verpflichtung zur Entrichtung der Abgaben am Fälligkeitstag (und nicht Jahre später oder durch Bildung von Rückstellungen) nachgekommen ist (siehe , wonach es bei der Beurteilung des Verschuldens an der Nichtentrichtung der Abgaben nicht darauf ankommt, dass den Geschäftsführer an der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft kein Verschulden trifft).

Dass im Zeitpunkt der Konkurseröffnung am Abgabenkonto der Gesellschaft keine weiteren Abgaben aushafteten, ist richtig, weil die aus den Außenprüfungen resultierenden Nachforderungen zu diesem Zeitpunkt gemäß § 212a BAO ausgesetzt waren und die Verbuchung der Umsatzsteuerbescheide 2013 und 2014 mit den gegenständlichen Nachforderungen erst nach Konkurseröffnung erfolgte. Dies ändert nichts daran, dass der Zeitraum, für den zu beurteilen ist, ob den Vertreter eine Entrichtungspflicht getroffen hat, sich danach bestimmt, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre.

Gemäß § 18 Abs. 1 GmbHG wird die Gesellschaft durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Die Haftung des § 9 trifft die Vertreter gemäß § 80 BAO, somit die Geschäftsführer einer GmbH.

Während § 9 BAO nicht auf eine faktische Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten abzielt, erweitert § 9a BAO den Personenkreis der Haftendenden auf faktische Geschäftsführer, die an Stelle des Vertreters die abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Vertretenen erfüllen bzw. verletzen.

Nach den Feststellungen der Prüfer im Zuge der Außenprüfungen bei der B.GmbH, die von der Bf. in der Vorhaltsbeantwortung vom und in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom nicht in Zweifel gezogen wurden, steht fest, dass die Bf. im Zeitpunkt der Fälligkeit der aus den Außenprüfungen resultierenden Abgabennachforderungen (Umsatzsteuer 2009, Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer 2010 und 2011) faktische Geschäftsführerin der GmbH war.

"Sache" dieses Verfahrens ist die Heranziehung der Bf. als Haftungspflichtige gemäß § 9 BAO. Eine Haftungsinanspruchnahme der Bf. für die im Zeitraum ihrer faktischen Geschäftsführertätigkeit fällig gewordenen Abgabennachforderungen nach § 9a BAO kann daher nicht erfolgen, weil im Beschwerdeverfahren der Haftungstatbestand nicht ausgetauscht werden kann.

Eine Verletzung der Zahlungsverpflichtung hinsichtlich der auf Grund der Außenprüfungen festgesetzten Abgaben kann der Bf. auch während ihrer handelsrechtlichen Geschäftsführertätigkeit nicht zur Last gelegt werden, weil die Einhebung der Abgaben bereits im Jahr 2013 gemäß § 212a BAO antragsgemäß ausgesetzt und der Ablauf der Aussetzung der Einhebung erst nach der Eröffnung des Konkursverfahrens der Primärschuldnerin bescheidmäßig verfügt wurde.

Zur Umsatzsteuer 2013 und 2014 ist auszuführen:

Die Festsetzung dieser Abgaben erfolgte durch die Erlassung von Abgabenbescheiden (Umsatzsteuerbescheid 2013 vom , Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 10-12/2014 vom , Umsatzsteuerbescheid 2014 vom ). Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich hinsichtlich des Grundes und der Höhe der Abgabe an diesen Bescheid zu halten ().

In der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid hat die Bf. auch eine Beschwerde gegen den Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid 10-12/2014 vom erhoben. Da die Umsatzsteuer 10-12/2014 bescheidmäßig festgesetzt wurde, ist über die Frage, ob und in welcher Höhe der Abgabenanspruch objektiv gegeben ist, nicht im Verfahren über die Geltendmachung der Haftung abzusprechen (). Auf die diesbezüglichen Ausführungen im Vorhalt vom , Punkt 1, wird verwiesen.

Die Bf. war von bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens am Datum2 alleinige handelsrechtliche Geschäftsführerin der Primärschuldnerin.

Zu den Pflichten der Bf. als Geschäftsführerin gehörte es, in dieser Zeit die abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft wahrzunehmen und für die Entrichtung der Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe ).

Wie der Bf. bereits im Vorhalt des Finanzamtes vom mitgeteilt wurde, ist ein Geschäftsführer nicht nur verpflichtet, die laufenden Abgaben der Gesellschaft zu entrichten, sondern auch im Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsführungstätigkeit angefallene Abgabenrückstände der Gesellschaft zu begleichen (). Die Pflicht der Gesellschaft zur Abgabenentrichtung endet nämlich erst mit deren Abstattung. Diese bleibt daher verpflichtet, Abgabenschuldigkeiten, mit deren Abfuhr oder Einzahlung sie in Rückstand geraten ist, zu erfüllen (siehe ).

Dass die Bf., die selbst Steuerberaterin ist, sich bei der Übernahme der handelsrechtlichen Geschäftsführung über die bisherige korrekte Abfuhr der Abgaben unterrichtet hat, wurde von ihr nicht vorgebracht. Aufgrund ihrer zuvor ausgeübten faktischen Geschäftsführertätigkeit ist evident, dass die Bf. über die Finanzlage der Primärschuldnerin informiert war.

Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, oblag für die Zeit ihrer handelsrechtlichen Geschäftsführung der Bf. (siehe unter vielen , zuletzt ). Liquiditätsaufstellungen wurden von der Bf. weder nach dem Vorhalt des Finanzamtes vom noch nach dem Vorhalt vom erbracht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat eine Beschwerdevorentscheidung die Wirkung eines Vorhaltes (z.B. ), sodass auch die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung vom als nochmalige Aufforderung zur Vorlage von Gleichbehandlungsnachweisen zu verstehen waren.

Wenn die Bf. vorbringt, eine monatliche bzw. vierteljährliche Quotenberechnung sei ihr nicht möglich gewesen, weil ihr das Finanzamt die Umsatzsteuer und die Körperschaftsteuer lediglich in Jahresbeträgen bekannt gegeben habe, ist darauf hinzuweisen, dass Liquiditätssaufstellungen nur für die Zeit der handelsrechtlichen Geschäftsführertätigkeit der Bf. ( bis Datum2) zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgaben - unter Berücksichtigung der bereits zur Zeit der faktischen Geschäftsführung der Bf. fällig gewesenen Abgaben - zu erbringen gewesen wären (siehe Vorhalt vom , Punkt 2).

Die Umsatzsteuer 2013 war eine zu entrichtende "Altschuld" aus der Zeit vor der Übernahme der handelsrechtlichen Geschäftsführertätigkeit der Bf., sodass sich eine monatliche Aufgliederung der Umsatzsteuer (für Liquiditätsaufstellungen der Vergangenheit) erübrigt.

Die Umsatzsteuer 10-12/2014 in der Höhe von 3.070,20 Euro und die Umsatzsteuer 2014 in der Höhe von 5.123,26 Euro waren jeweils am und somit während der Geschäftsführertätigkeit der Bf. fällig. Eine Liquiditätsaufstellung für diesen Fälligkeitszeitpunkt bzw. den Monat Februar 2015 wurde nicht vorgelegt.

Die Umsatzsteuer 2014 wurde erklärungsgemäß mit dem Bescheid vom festgesetzt. Wieso das Finanzamt die Umsatzsteuerrestschuld - die nach Aussage der Bf. durch die Rückgängigmachung zu Unrecht geltend gemachter Vorsteuer in der Jahreserklärung zu Stande kam - der Bf. monatlich aufgliedern sollte, bleibt unverständlich.

Das Vorbringen im Schriftsatz vom , es seien immer alle Verbindlichkeiten beglichen worden, weshalb bei der Insolvenzeröffnung neben den Verbindlichkeiten der Abgabenbehörde lediglich Beträge von 2.852,14 bzw. 5.452 Euro "offen" waren, ersetzt nicht die von der Bf. vorzulegende Aufstellung über die Höhe der Gesamtverbindlichkeiten und der liquiden Mittel der Gesellschaft zu den Fälligkeitszeitpunkten der nicht entrichteten Abgaben. Im Übrigen erfolgte die Verbuchung der Umsatzsteuerbescheide 2013 und 2014 und damit die zu diesem Zeitpunkt längst fällig gewesenn Nachforderungen an Umsatzsteuer 2013 und 2014 erst nach der Konkurseröffnung über die Primärschuldnerin.  

Zum Vorbringen der Bf., es hätte immer Gutschriften gegeben, die die Nachforderungen abgedeckt hätten, ist auf die Ausführungen des Finanzamtes zu verweisen, wonach Gutschriften gemäß § 214 BAO auf die ältesten Abgabenverbindlichkeiten zu verrechnen sind. Streitigkeiten über die Richtigkeit der Gebarung auf dem Abgabenkonto der GmbH wären in einem Abrechnungsverfahren nach § 216 BAO zu klären.

Die Bf. bestreitet ein Verschulden an der Pflichtverletzung und damit am Abgabenausfall. Die Schuldhaftigkeit im Sinne des § 9 BAO erfasst jede Form des Verschuldens und damit auch leichte Fahrlässigkeit (). Der Vertreter einer juristischen Person darf bei der Erfüllung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft keine geringere Sorgfalt walten lassen als bei der Wahrnehmung seiner sonstigen Obliegenheiten.

Dabei trifft den Vertreter eine qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast, weshalb die bloße Behauptung der Bf., es treffe sie kein Verschulden, nicht genügt. Die Geltendmachung ungerechtfertigter Vorsteuern, die nach den Angaben der Bf. zur nicht entrichteten Umsatzsteuerzahllast 2014 geführt hat, ist ihr, einer Steuerberaterin, zumindest als leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen.

Das Vorbringen der Bf., sämtliche Selbstbemessungsabgaben seien nach bestem Wissen und Gewissen gemeldet und bezahlt worden (Vorlageantrag vom , Punkt 2), steht nicht im Einklang mit der Aktenlage: So wurden die Besteuerungsgrundlagen der Umsatzsteuer 2013 wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen gemäß § 184 BAO im Schätzungsweg ermittelt. Hinsichtlich der Voranmeldungszeiträume 01-03 und 10-12/2014 wurden vom Finanzamt Festsetzungsbescheide erlassen, weil für diese Zeiträume keine Umsatzsteuervoranmeldungen eingereicht worden waren.

Da die Bf. nicht dargetan hat, weshalb sie nicht für die rechtzeitige Entrichtung der bei der Gesellschaft angefallenen Abgaben gesorgt hat, darf die Abgabenbehörde von einer schuldhaften Pflichtverletzung ausgehen ().

Im Fall des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und den Rechtswidrigkeitszusammenhang. Die Pflichtverletzung ist demnach kausal für die Uneinbringlichkeit (siehe dazu , ). 

Fest steht, dass die pflichtwidrige Nichtentrichtung der im Haftungsbescheid angeführten Abgaben kausal für deren Uneinbringlichkeit ist und dieses pflichtwidrige Verhalten der Bf. als verantwortliche Geschäftsführerin der B.GmbH zuzurechnen ist.

Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen.

Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalls. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftung folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Ist eine Einbringlichmachung bei der Primärschuldnerin unzweifelhaft nicht möglich, kann die Frage der Einbringlichkeit der Haftungsschuld beim Haftenden von der Abgabenbehörde bei ihren Zweckmäßigkeitsüberlegungen vernachlässigt werden ().

Es war daher zweckmäßig, die Bf. zur Haftung für jene Abgaben, die aufgrund ihres pflichtwidrigen Verhaltens (Nichtabfuhr) bei der Gesellschaft uneinbringlich geworden sind, heranzuziehen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Erkenntnis gründet sich auf die oben wieder gegebene ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb eine Revision nicht zulässig ist.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Zitiert/besprochen in
Bergmann/Bieber in SWK 8/2020, 462
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7101423.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at