Haftung des Geschäftsführers für Vergnügungssteuer
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache Bf., AdresseBf., vertreten durch Burka Vitek Moser Rechtsanwälte, Wächtergasse 1/11, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, Rechnungs- und Abgabenwesen, Dezernat Abgaben und Recht, Referat Landes- und Gemeindeabgaben vom , MA 6/ARL-2*** betreffend Haftung gemäß §§ 9 Abs.1 und 80 Abs. 1 iVm §§ 3 und 7 Bundesabgabenordnung (BAO) sowie § 13 Abs. 5 des Vergnügungssteuergesetzes zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und die Haftung auf einen Betrag von € 1.190,00 (statt bisher € 1.209,35) eingeschränkt.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Haftungsbescheid vom wird der nunmehrige Beschwerdeführer Bf. (in der Folge kurz Bf. genannt) gemäß der §§ 9 Abs. 1 und 80 Abs. 1 BAO iVm §§ 3 und 7 BAO und § 13 Abs. 5 des Vergnügungssteuergesetzes 2005‚ in der jeweils geltenden Fassung (VGSG), als Geschäftsführer der Fa. X-GmbH für den entstandenen Rückstand an Vergnügungssteuer im Betrag von € 1.209,35 zur Haftung herangezogen.
Der Haftungsbetrag gliedert sich wie folgt:
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Abgabe | Zeitraum | Betrag in Euro |
Vergnügungssteuer | September-Oktober 2012 | 1.190,00 |
Säumniszuschlag | Oktober 2012 | 19,35 |
Summe: | 1.209,35 |
Zur Begründung wird wie folgt ausgeführt:
„Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Nach § 13 Abs. 5 Vergnügungssteuergesetz haften die im § 80 bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung.
Der Abgabenrückstand ist bei der Primärschuldnerin, der X-GmbH, uneinbringlich.
Herr Bf. ist im Firmenbuch als Geschäftsführer der Abgabepflichtigen eingetragen und daher verantwortlicher Vertreter. Die schuldhafte Verletzung der ihm gemäß § 80 BAO auferlegten Pflichten ist im gegenständlichen Fall dadurch gegeben, dass er es unterlassen hat, für die termingemäße Entrichtung der Steuern zu sorgen. Es ist daher die gesetzliche Voraussetzung für die Haft- und Zahlungspflicht gegeben.
Im Verfahren wurde glaubhaft gemacht, dass zum Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld die faktische Geschäftsführung intern bereits an Herrn ABübergeben gewesen sei. Dies ist jedoch nicht geeignet, die Haftungspflicht von Herrn Bf. abzuwenden.
Gemäß ständiger Rechtsprechung hat der Geschäftsführer, wenn er durch tatsächliche Umstände an der Ausführung seiner Geschäftsführerrechte behindert ist und er trotz dieser Behinderung an der Erfüllung seiner Pflichten weiterhin als bestellter Geschäftsführer tätig bleibt, seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Entrichtung der die GmbH treffenden Abgaben verletzt.
Der Antrag des Berufungswerbers auf Löschung seiner Funktion als Geschäftsführer ist laut Firmenbuch am Datum1, somit nach den Haftungszeiträumen September und Oktober 2012 beim Handelsgericht Wien eingelangt. Ein Nachweis, dass den Gesellschaftern der Rücktritt als Geschäftsführer zu einem früheren Zeitpunkt bekannt gegeben worden ist, wurde nicht erbracht.
Auch wurden keine Beweismittel vorgelegt, aus denen hervor geht, dass der Berufungswerber sofort nach Erkennen der ihn‚ in der Ausübung seiner Pflichten beschränkenden Umstände im Rechtsweg alles ihm rechtlich zu Gebote stehende unternommen hat, um diesen Zustand abzustellen.
Die Abgabepflichtige schuldet den im Spruch zitierten Betrag. Der gegenständliche Abgabenanspruch resultiert aus dem in Kopie beiliegenden Prüfungsbericht.“
Gegen diesen Haftungsbescheid des Magistrats der Stadt Wien, MA6, vom richtet sich die frist- und formgerechte Beschwerde des Bf. vom , mit welcher dieser zur Gänze angefochten und unrichtige rechtliche Beurteilung bzw. Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemacht wird.
Zur Begründung wird ausgeführt, wie bereits im Schreiben vom mitgeteilt, sei der Bf. am Datum2 im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien als Geschäftsführer gelöscht. Bereits zuvor habe er jedoch die faktische Geschäftsführung an Herrn AB übergeben, welcher seit Datum4 (auch dem Firmenbuch folgend) als Alleingeschäftsführer tätig gewesen sei und es habe dieser bereits im September 2012 die faktische Geschäftsführung für dieX-GmbH übernommen.
Der Bf. habe sohin keine faktische Möglichkeit gehabt, auf die pünktliche Bezahlung der Vergnügungssteuer ab August 2012 einzuwirken.
Der Bf. sei im gegenständlichen Zeitraum auf der S als unselbstständiger Kellner gewesen und er sei auch in weiterer Folge nicht mehr selbstständig tätig gewesen.
Diesbezüglich habe der Bf. bereits mit Beschwerde vom eine Kopie der SMS-Nachricht von Herrn AB vom , 09:51 Uhr, vorgelegt, in welcher er mitteilte, dass er sich entschlossen hätte „Wien alleine fertig zu machen".
Weiters habe der Bf. mit Urkundenvorlage vom ein E-Mail der Accurata Steuerberatungs GmbH & Co KG vom vorgelegt, mit welchem der (ehemalige) Steuerberater der X-GmbH bestätigt habe, dass im Zeitraum September 2012 - Dezember 2012 sämtliche (Buchhaltungs- und Lohnverrechnungs-) Unterlagen der X-GmbH seitens der Accurata Steuerberatungs GmbH & Co KG an die E-Mail Adresse aon versandt worden seien.
Hierbei handle es sich um die E-Mail Adresse von Frau BB, der Ex-Gattin von Herrn AB, welche offenbar nach wie vor für AB tätig sei. Ebenso ergebe sich aus der E-Mail-Kette, dass auch die Lohnverrechnungsunterlagen immer an Frau BB übersandt worden seien.
Eine Übermittlung (auch) an den Bf. sei nicht erfolgt.
Der Bf. habe sohin seit September 2012 weder Buchhaltungs- noch Lohnverrechnungsunterlagen der X-GmbH erhalten.
Da ihm keine Unterlagen vorlagen und ihm auch seitens des Steuerberaters der X-GmbH diese nicht übermittelt worden seien, fehlte es dem Bf. auch an der faktischen Möglichkeit, die rückständigen Abgaben rechtzeitig zu leisten bzw. überhaupt zu erfahren, dass ein Rückstand vorliege.
Schließlich habe der Bf. mit Schriftsatz vom bereits die Einvernahme nachfolgender Zeugen beantragt:
-CB, AdresseH
- AB, AdresseCG
- BB, AdresseBG
Der Bf. halte die diesbezüglichen Anträge vollinhaltlich aufrecht.
Ferner sei darauf hinzuweisen, dass der Bf. bereits mit Notariatsakt vom der Y-GmbH mit Sitz in Krems an der Donau, Firmenbuchnummer 3*** und der GeschäftsanschriftAdresseY-GmbH und/oder einer von dieser namhaft gemachten physischen oder juristischen Person und/oder Personengesellschaft des Unternehmensgesetzbuches ein Anbot auf Abtretung der Geschäftsanteile an der X-GmbH um einen Abtretungspreis von € 35.000,00 notariell unterbreitet habe.
Gemäß Punkt 6) des Abtretungsanbots vom seien die mit dem abzutretenden Geschäftsanteil verbundenen Rechte und Verbindlichkeiten mit dem Tag der Annahme des Anbots auf die Anbotnehmerin übergegangen, welche die Eintragung der Abtretung an das Firmenbuch der Gesellschaft durch die Geschäftsführer zu veranlassen habe.
Aufgrund der mit Herrn AB geführten Telefongespräche sowie aufgrund der SMS-Nachricht habe der Bf. davon ausgehen können, dass das Abtretungsanbot seitens der Y-GmbH bzw. einer von dieser namhaft zu machenden physischen oder juristischen Person in den nächsten Tagen angenommen werden würde.
Ferner sei festzuhalten, dass eine derartige Vertrags- bzw. Anbotsannahme keine Unterschrift des Anbotsstellers bzw. sohin des Bf. mehr bedurft hätte, weshalb die Annahme des Anbots auch ohne Beteiligung des Bf. möglich gewesen sei.
Der Bf. habe erst im Nachhinein erfahren, dass entgegen der bereits vorherigen telefonischen Bekanntgabe die notariell beglaubigte Annahmeerklärung hinsichtlich der dem Bf. zuvor gehörenden Geschäftsanteile derX-GmbH erst am Datum2 erfolgt sei.
Erst mit Gesellschafterbeschluss vom Datum4 sei sodann der Bf. als Geschäftsführer abberufen undAB zum neuen Geschäftsführer bestellt worden.
Auch dieser Beschluss sei ohne Mitwirkung und Information des Bf. erfolgt, sondern ausschließlich durch die Y-GmbH.
Einerseits sei das Abtretungsanbot bereits am Datum2 unterfertigt, sohin noch vor Fälligkeit zumindest von Teilen der nunmehr gegenständlichen Vergnügungssteuer worden. Für diese Vergnügungssteuerbeträge hafte sohin der Bf. jedenfalls nicht, da seine Geschäftsanteile bereits vor dem Fälligkeitstermin abgetreten worden sind.
Ebenso hafte der Bf. jedoch auch nicht für die zuvor fälligen Vergnügungssteuerbeträge, da er gutgläubig davon ausgehen habe können, dass die Annahmeerklärung bereits eher erfolgen würde. Aufgrund der eindeutigen Aussagen von Herrn AB sowie aufgrund des Umstands, dass der Bf. selbst keinen Beitrag mehr zur Abtretung leisten habe müssen, habe der Bf. sohin keine diesbezüglichen Haftungsverfehlungen begangen.
Der Bf. halte sohin seine Anträge vollinhaltlich aufrecht und wiederhole seinen Antrag, den Haftungsbescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, vom zur Gänze und ersatzlos zu beheben.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die gegenständliche Beschwerde als unbegründet ab.
Zur Begründung wurde ausgeführt, in der Beschwerde werde vorgebracht, dass die faktische Geschäftsführung nicht mehr dem Bf. oblegen sei und ihn deshalb kein schuldhaftes Verhalten treffe.
Ergänzend zu den Ausführungen der Behörde im bekämpften Bescheid werde festgestellt, dass die vorgelegten Notariatsakte ausschließlich den Übergang der Gesellschaftsanteile, nicht jedoch eine im Fall der Anbotsannahme automatisiert folgende Abberufung des Bf. als Geschäftsführer zum Inhalt gehabt hätten. Einzig den Inhabern dieser Funktion innerhalb einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung obliege gemäß § 80 Abs. 1 BAO die Erfüllung der den von ihnen Vertretenen gesetzlichen Pflichten, insbesondere die Entrichtung von Abgaben. Dem Bf. wäre es also aus zumutbarer kaufmännischer Vorsicht angestanden, sich über die tatsächlichen Eigentums- und Vertretungsverhältnisse der Gesellschaft zu informieren und nicht einzig auf Grundlage von Textnachrichten und telefonischen Mitteilungen davon auszugehen, dass er für die primär Zahlungspflichtige nicht mehr verantwortlich sei. Wie in der Beschwerde ausgeführt, sei seine Abberufung als Geschäftsführer durch die Gesellschafter erst mit Datum1, also nach Fälligkeit der für September und Oktober 2012 angefallenen Vergnügungssteuer erfolgt.
Mit Schriftsatz vom beantragte der Bf. die gegenständliche Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.
Der Bf. bringt zum Sachverhalt vor, in der Beschwerdevorentscheidung stelle die MA 6 fest, dass die vorgelegten Notariatsakte nur den Übergang der Gesellschaftsanteile und nicht auch die automatische Abberufung des Bf. als Geschäftsführer für den Fall der Anbotsannahme zum Inhalt hätten. Der Bf. hätte sich nach den Ausführungen der Behörde über die tatsächlichen Eigentums- und Vertretungsverhältnisse der Gesellschaft genauer informieren müssen; durch die Gesellschafter sei die Abberufung als Geschäftsführer erst mit Datum4 erfolgt.
Der Bf. bringt vor, die Beschwerde werde zu Unrecht als unbegründet abgewiesen und die Begründung sei rechtlich unrichtig.
Die MA 6 schreibe, dass, „[w]ie in der Beschwerde ausgeführt [...] [die] Abberufung [des Beschwerdeführers, Anm.] als Geschäftsführer durch die Gesellschafter erst mit **** 2012”erfolgt sei.
Das sei nicht richtig und sei in der Beschwerde keinesfalls so ausgeführt worden. In dieser sei lediglich festgehalten worden, dass der Bf. am Datum2 im Firmenbuch gelöscht worden sei, er jedoch bereits zuvor die faktische Geschäftsführung an Herrn AB übergeben gehabt habe und dieser (dem Firmenbuch folgend seit Datum4 als Alleingeschäftsführer tätig) bereits im September 2012 die faktische Alleingeschäftsführung übernommen habe.
Da einerseits die Bestellung zum Geschäftsführer durch Gesellschafterbeschluss jederzeit widerrufen werden, andererseits aber auch der Geschäftsführer jederzeit seinen Rücktritt erklären könne, sei sehr wohl ein einvernehmlicher Geschäftsführerwechsel jedenfalls auch möglich.
Mit Übergabe der faktischen Geschäftsführung an AB sei sohin der Bf. aus seiner Position als Geschäftsführer ausgeschieden und habe weder eine Möglichkeit gehabt, auf die Bezahlung der Vergnügungssteuer hinzuwirken, noch sei er die zur „Vertretung der juristischen Person berufene Person“ im Sinne der Bundesabgabenordnung gewesen.
Abgesehen von der tatsächlichen Unmöglichkeit, für die Entrichtung der Vergnügungssteuer zu sorgen, sei der Bf. dazu rechtlich nicht mehr verpflichtet gewesen, sondern sei mit Übergabe der Geschäftsführung die Verpflichtung dazu auf Herrn AB übergegangen. Auch seien dem Bf. seit August 2012 keine Schriftstücke der X-GmbH übergeben bzw. habe auch der Steuerberater der X-GmbH ausschließlich mit Herrn AB korrespondiert.
Der Bf. sei im gegenständlichen Zeitraum auf demS als Kellner tätig und sei auch im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung unselbständig beschäftigt gewesen. Diesbezüglich habe der Bf. mit seiner Beschwerde eine Kopie einer SMS-Nachricht von Herrn AB vom , 9:51 Uhr, vorgelegt, in welcher dieser mitgeteilt habe, er habe sich entschlossen „Wien alleine weiterzumachen“.
Es möge zwar sein, dass der Bf. die firmenbücherliche Durchführung seines Rücktrittes/seiner Abberufung als Geschäftsführer überwachen und allenfalls beschleunigen hätte müssen. Daraus sei jedoch keine aufgrund schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten resultierende Uneinbringlichkeit der Abgaben abzuleiten.
Auf den gegenständlichen Fall sei daher keine Haftung des (ehemaligen) Geschäftsführers anzuwenden, sondern (allenfalls) eine Haftung des faktischen Geschäftsführers nach § 9a BAO, welcher festlege, dass soweit Personen auf die Erfüllung der Pflichten der Abgabepflichtigen und der in den §§ 80ff bezeichneten Vertreter tatsächlich Einfluss nehmen, diese ihren Einfluss dahingehend auszuüben hätten, dass diese Pflichten erfüllt und insoweit für Abgaben haften würden, als die Abgaben infolge ihrer Einflussnahme nicht eingebracht werden könnten.
Mangels vorliegender Voraussetzungen sei sohin keine schuldhafte Verletzung der dem Beschwerdeführer gemäß § 80 BAO auferlegten Pflichten gegeben, weshalb der Bf. zur Haftung eines Beitragsrückstandes für den Zeitraum September bis Oktober 2012 herangezogen werden könnte.
Dass der Wechsel in der Person des Geschäftsführers nicht umgehend, sondern erst einige Monate später beim Firmenbuch angemeldet worden sei, hätte zwar die Möglichkeit der Verhängung von Zwangsstrafen durch das Firmenbuchgericht begründet, aber dennoch nichts am rechtlichen Ausscheiden des Bf. als Geschäftsführer geändert.
Der Bf. stelle den Antrag, der Beschwerde stattzugeben und den Haftungsbescheid ersatzlos zu beheben.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Gemäß § 13 Abs. 5 VGSG haften die in den §§ 80 ff Bundesabgabenordnung – BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Vergnügungssteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Gemäß § 6 Abs. 1 des Wiener Glückspielautomatenabgabegesetzes, LGBl. Nr. 63/2016, ist mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes am das Wiener Vergnügungssteuergesetz 1997 - VGSG, LGBl. für Wien Nr. 43, in der Fassung des Gesetzes LGBl. für Wien Nr. 9/2002, zwar außer Kraft getreten, jedoch sind auf Sachverhalte vor dem gemäß § 6 Abs. 2 des Wiener Glückspielautomatenabgabegesetzes die bisherigen Bestimmungen des Wiener Vergnügungssteuergesetz 1997 in der Fassung LGBl. Nr. 45/2013 weiterhin anzuwenden.
Das Bundesfinanzgericht geht von folgendem Sachverhalt aus:
Laut Eintragungen im Firmenbuch war der Bf. seit Gründung der Fa. X-GmbH im Zeitraum vom Datum3 bis zum Datum4 deren alleinvertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer. Seit der Gründung dieser GmbH war er auch deren 100%iger Gesellschafter.
Mit Notariatsakt vom machte der Bf. als Alleingesellschafter der Fa. X-GmbH der Fa. Y-GmbH mit Sitz in AdresseY-GmbH, Firmenbuchnummer 3***, das Anbot, dieser und/oder einer von dieser namhaft gemachten physischen oder juristischen Person und/oder Personengesellschaft des Unternehmensgesetzbuches auf Abtretung seiner Geschäftsanteile an der Fa. X-GmbH um einen Abtretungspreis von € 35.000,00. Dieses Anbot wurde in der Folge durch (notariell beglaubigte) Annahmeerklärung vom angenommen.
Bereits im September 2012 hat AB, der mit Gesellschafterbeschluss vom Datum4 an Stelle des Bf. zum Geschäftsführer bestellt wurde, die faktische Geschäftsführung der Primärschuldnerin Fa. X-GmbH übernommen.
Zu den hier maßgeblichen Fälligkeitstagen der Vergnügungssteuer September und Oktober 2012 am und war der Bf. auf dem S als Kellner tätig und die steuerlichen Belange der Fa. X-GmbH wurden von Frau BB, der Ex-Gattin des AB, gemeinsam mit der vom Bf. namentlich genannten Steuerberatungskanzlei wahrgenommen.
Dieser Sachverhalt ist aus Sicht des Bundesfinanzgerichtes unstrittig und beruht auf dem Beschwerdevorbringen des Bf. und den vom Bf. vorgelegten Beweismitteln (Notariatsakte und Urkundenvorlage vom ). Die vom Bf. ohne genaues Beweisthema beantragte „allfällige“ Einvernahme des damaligen steuerlichen Vertreters, des AB und der BB konnte deswegen unterbleiben, weil das Sachverhaltsvorbringen des Bf. für richtig erachtet und nicht in Zweifel gezogen wird.
Unstrittig ist auch, dass zu den hier maßgeblichen Beurteilungszeitpunkten (Fälligkeitstagen) die Meldung und Entrichtung der Vergnügungssteuer September 2012 in Höhe von € 223,33 und Oktober 2012 in Höhe von € 966,67 unterblieb. Diese Abgaben wurden wegen unterbliebener Meldung in der Folge im Zuge einer Außenprüfung nach Konkurseröffnung (Datum5) ebenso wie der am fällige Säumniszuschlag 10/2012 festgesetzt. Somit steht jedenfalls fest, dass die Entrichtung dieses Säumniszuschlages in Höhe von € 19,35 in den Verantwortungsbereich des Masseverwalters und nicht in den des Bf. fiel. Insoweit war der Beschwerde daher Folge zu geben.
In rechtlicher Hinsicht bringt der Bf. vor, die Bestellung zum Geschäftsführer könne durch Gesellschafterbeschluss jederzeit widerrufen werden, andererseits könne aber auch der Geschäftsführer jederzeit seinen Rücktritt erklären und es sei wohl ein einvernehmlicher Geschäftsführerwechsel möglich. Mit Übergabe der faktischen Geschäftsführung an AB sei sohin der Bf. aus seiner Position als Geschäftsführer ausgeschieden und habe weder eine Möglichkeit gehabt, auf die Bezahlung der Vergnügungssteuer hinzuwirken, noch sei er die zur „Vertretung der juristischen Person berufene Person“ im Sinne der Bundesabgabenordnung gewesen. Diese Rechtsansicht kann aus folgenden Gründen nicht geteilt werden:
Die Zurücklegung der Geschäftsführerbefugnis erfolgt durch einseitig empfangsbedürftige Erklärung des Geschäftsführers gegenüber der GmbH (den Gesellschaftern). Eine solche Niederlegung wirkt unabhängig von der Eintragung im Firmenbuch; dieser kommt nur deklarative Wirkung zu. Der Rücktritt des Einmann-Gesellschaftergeschäftsführers vollzieht sich durch simple Entschließung, wobei § 18 Abs. 5 GmbHG entsprechend anzuwenden ist.
Gemäß § 18 Abs. 5 GmbHG ist über Rechtsgeschäfte, die der einzige Gesellschafter sowohl im eigenen Namen als auch im Namen der Gesellschaft abschließt, unverzüglich eine Urkunde zu errichten. Dabei ist vorzusorgen, dass nachträgliche Änderungen des Inhaltes und Zweifel über den Zeitpunkt des Abschlusses ausgeschlossen sind; die Bestellung eines Kurators ist nicht erforderlich.
Das Selbstkontrahieren ist somit bei einer Einmann-GmbH durch den einzigen Geschäftsführer zivilrechtlich nur bei Einhaltung bestimmter Formvorschriften wirksam. Dass der Bf. eine solche Urkunde betreffend Übergabe der Geschäftsführung an AB bei dessen faktischer Übernahme der Geschäftsführung im September 2009 errichtet hätte, hat er weder behauptet, noch hat er ein solche vorgelegt.
Aktenkundig ist lediglich der vom Bf. selbst vorgelegte Gesellschafterbeschluss vom Datum4 (Urkunde iSd § 18 Abs. 5 GmbHG), mit welchen der Bf. als Geschäftsführer mit Wirkung vom Datum4 als Geschäftsführer abberufen und an seiner Stelle AB bestellt wurde.
Somit steht rechtlich einwandfrei fest, dass die Geschäftsführerfunktion des Bf. bis Datum4 andauerte.
Daraus folgt, dass die haftungsgegenständlichen Beträge an Vergnügungssteuer September und Oktober 2012 im Zeitraum der Geschäftsführerfunktion des Bf. fällig wurden und es seine Verpflichtung gewesen wäre, für deren Entrichtung Sorge zu tragen.
Unstrittig ist, dass die haftungsgegenständigen Abgabenschuldigkeiten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können. Das mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Datum5, Zl. 38***, eröffnete Konkursverfahren über das Vermögen der Fa. X-GmbH wurde mit Beschluss desselben Gerichtes vom Datum6 mangels Kostendeckung wieder aufgehoben. Am Datum7 erfolgte die amtswegige Löschung der Primärschuldnerin in Firmenbuch gemäß § 40 FBG wegen Vermögenslosigkeit.
Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört es, dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden. Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob den Vertreter diese Pflicht getroffen hat, bestimmt sich danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre. Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung zu entrichten oder abzuführen gewesen wäre (vgl. z.B. ).
Die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch des Bf. besteht darin, dass er die haftungsgegenständlichen Vergügungssteuern zu deren jeweiligen gesetzlichen Fälligkeitstagen nicht entrichtet hat.
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu Sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (vgl. etwa ).
Der Bf. stellt das Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung mit der Begründung in Abrede, er habe bereits im September 2012 die faktische Geschäftsführung an AB auf dessen Verlangen (SMS-Nachricht des AB vom , welcher sich entschlossen habe, „Wien allein fertig zu machen“) übergeben, er sei zu den hier maßgeblichen Fälligkeitstagen der Vergnügungssteuer September und Oktober 2012 am und auf dem S als Kellner tätig gewesen und habe auf die steuerlichen Belange der Fa. X-GmbH keinen Einfluss mehr gehabt.
Zu diesem Vorbringen ist auszuführen, dass es zunächst völlig im Dunkeln bleibt und das Beschwerdevorbringen offen lässt, warum der Bf. als Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer der Fa. X-GmbH auf Aufforderung bzw. Anweisung des AB, der zu den hier maßgeblichen Fälligkeitstagen weder Gesellschafter dieser GmbH war, noch eine Funktion in dieser inne hatte, diesem die faktische Geschäftsführung überließ, sich beruflich nach Deutschland begab und sich um die steuerlichen (und auch sonstigen) Belange der Primärschuldnerin überhaupt nicht mehr kümmerte.
Es wäre wohl die Pflicht eines ordnungsgemäß handelnden Geschäftsführers gewesen, sich an geeigneter Stelle (z.B. bei dem Notar, der den Notariatsakt vom - Anbot des Bf. auf Abtretung der Gesellschaftsanteile - erstellte) zu erkundigen, auf welche Art und Weise rechtswirksam die Geschäftsführung an AB übertragen werden kann und bis wann seine Geschäftsführerpflichten aufrecht bleiben. Dass er derartige Erkundigungen eingezogen hätte und aus welchen Gründen er gutgläubig davon ausgehen hätten können, dass er bereits zu den hier maßgeblichen Beurteilungszeitpunkten von seinen Geschäftsführerpflichten und somit auch von der Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der GmbH rechtswirksam entbunden gewesen sei, hat der Bf. nicht dargelegt. Somit kann gemäß ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes davon ausgegangen werden, dass dem Bf. eine schuldhafte Pflichtverletzung an der Nichtentrichtung der Vergnügungssteuer für September und Oktober 2012 iHv. insgesamt € 1.190,00 anzulasten ist, zumal er die faktische Geschäftsführung und somit auch die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Primärschuldnerin, AB bzw. seiner (ehemaligen) Gattin und auch dem genannten Steuerberater übertragen hat, ohne diese entsprechend zu überwachen.
Die Betrauung Dritter, insbesondere auch eines Steuerberaters, mit der Wahrnehmung der Abgabenangelegenheiten befreit den Geschäftsführer nicht davon, den Dritten zumindest in solchen Abständen zu überwachen, die es ausschließen, dass dem Geschäftsführer Steuerrückstände verborgen bleiben. Unterbleibt die Überwachung, liegt eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers vor (; ).
Mit der gegenständlichen Beschwerde hat der Bf. nicht einmal behauptet, entsprechende Erkundigungs- und Überwachungsmaßnahmen gesetzt zu haben, weswegen die belangte Behörde zu Recht vom Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung in Bezug auf die Nichtentrichtung der Vergnügungssteuer für September und Oktober 2012 ausging.
Bei Vorliegen einer derartigen schuldhaften Pflichtverletzung darf die Abgabenbehörde mangels dagegen sprechender Umstände auch annehmen, dass die Pflichtverletzung Ursache der Uneinbringlichkeit ist (vgl. z.B. , 0178).
Die Geltendmachung einer Haftung ist in das Ermessen (§ 20 BAO) der Abgabenbehörde gestellt. Dieses Ermessen umfasst auch das Ausmaß der Heranziehung der Haftung innerhalb des vom Gesetz vorgegebenen Rahmens. Dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Norm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe bei der Primärschuldnerin uneinbringlich ist.
Zur Ermessensübung der Abgabenbehörde bei Erlassung des gegenständlichen Haftungsbescheides hat der Bf. keine Einwendungen vorgebracht und auch das BFG konnte keine Mängel der Ermessensübung feststellen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn das Erkenntnis von vorhandener Rechtsprechung des VwGH abweicht, diese uneinheitlich ist oder fehlt.
Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind (siehe die in der Begründung zitierten Entscheidungen), ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Landesabgaben Wien |
betroffene Normen | § 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 13 Abs. 5 VGSG, Wiener Vergnügungssteuergesetz 2005, LGBl. Nr. 56/2005 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.7400068.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at