Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.02.2019, RV/4100578/2015

Voraussetzungen für die Befreiung von der Immobilienertragsteuer

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/4100578/2015-RS1
Das im Befreiungstatbestand des § 30 Abs. 2 Z. 1 lit. b EStG 1988 normierte Mindesterfordernis eines durchgehenden Hauptwohnsitzes von fünf Jahren, innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung, muss zum Zeitpunkt der Veräußerung, das ist das schuldrechtliche auf die Eigentumsübertragung ausgerichtete Rechtsgeschäft, erfüllt sein.
RV/4100578/2015-RS2
Auch umfangreiche Sanierungsmaßnahmen an einem bestehenden Gebäude begründen nicht die Anwendung der Befreiungsbestimmung der "Veräußerung von selbst hergestellten Gebäuden" gemäß § 30 Abs. 2 Z. 2 EStG 1988.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache BF, vertreten durch Vertreter, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes XY vom , betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2013, zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit dem angefochtenen Bescheid schrieb das Finanzamt der Beschwerdeführerin (im Folgenden als BF bezeichnet) Steuer für Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen (besonderer Steuersatz von 25 %) in Höhe von Euro 4.725,00 vor. Begründend wurde ausgeführt, dass der zweite Tatbestand der Hauptwohnsitzbefreiung zutreffe, wenn der Hauptwohnsitz innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung für mindestens fünf Jahre durchgehend vorgelegen habe. Aufgrund der vorgelegten Unterlagen sei nachgewiesen, dass der Hauptwohnsitz seit bestanden habe, die Veräußerung sei am erfolgt, daher werde die fünf Jahresfrist nicht erfüllt. Die Hauptwohnsitzbefreiung könne nicht in Anspruch genommen werden.

In der dagegen erhobenen Beschwerde verwies die BF auf den unentgeltlichen Erwerb des Objektes anlässlich des Ablebens ihres Vaters am tt.mm.2008, aufgrund des Schenkungsvertrages auf den Todesfall vom . Im Kaufvertrag vom sei die Aufgabe ihres Hauptwohnsitzes bis schriftlich bedungen und die Nutzung bis dahin in Kaufpreis berücksichtigt worden. Tatsächlich sei dieser am aufgegeben worden, erst zu diesem Zeitpunkt habe der Käufer die wirtschaftliche Verfügungsmacht über das Kaufobjekt erlangt. Im Vorfeld der Bescheiderlassung habe die Bf. nachgewiesen, dass sie am Kaufobjekt, einem Eigenheim in Form eines Reihenhauses, per ihren Hauptwohnsitz begründet habe. Zwischen dem Tag des Erwerbes = tt.mm.2008 und der Aufgabe des Hauptwohnsitzes = seien daher jedenfalls die gesetzlich für die Befreiung gemäß § 30 Abs. 2 Z. 1 lit. b Einkommensteuergesetz (EStG) 1988 geforderten fünf Jahre binnen zehn Jahren verstrichen. Unter Verweis auf eingeholte Expertenmeinungen aus dem Finanzministerium und aus dem Kreis der einschlägig befassten lehrenden Wirtschaftstreuhänder führte die BF aus, dass die Analogie zu den Ausführungen in RZ 6629, 6640 und 6642 der Einkommensteuerrichtlinien, welche unter Berücksichtigung von Toleranzfristen vor und nach Vertragsdatum die geforderte Zeit als tatsächliche Hauptwohnsitz-Zeiten gegenüber dem starren Festhalten am Vertragsdatum (z.B. bei Neubauten durch Bauträger) vorziehen würden, zu einer Befreiung von der Immobilienertragsteuer im Rahmen der Vorgaben führe. Diese sei im konkreten Fall bis zu dem bis 1000 m² Grund befreiten Ausmaß gegeben, lediglich der überschießende Grundwert für 65 m² von Euro 5.050,50 laut Preisspiegel 2013 unterliege der Besteuerung als sogenannter Altfall. Die anfallende Immobilienertragsteuer betrage daher Euro 176,77. Die BF beantragte die Herabsetzung der Steuerschuld.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung ab und führte aus, dass als Zeitpunkt der Veräußerung der Abschluss des Verpflichtungsgeschäftes und nicht jener der sachenrechtlichen Übergabe maßgebend sei. Somit sei der Tatbestand der Veräußerung aus der Sicht des Finanzamtes mit Vertragsschluss am erfüllt. Die von der BF eingewendete Toleranzfrist für die Aufgabe des Hauptwohnsitzes innerhalb eines Jahres würde im vorliegenden Fall für die Anwendbarkeit der Hauptwohnsitzbefreiung dann nicht schädlich sein, hätte der Hauptwohnsitz zum Zeitpunkt des Verpflichtungsgeschäftes bereits fünf Jahre lang bestanden. Die Nutzung als Hauptwohnsitz nach der Veräußerung sei für die Erfüllung der Mindestfrist von fünf Jahren unbeachtlich. Die dem Beschwerdeschreiben angehängte Expertenmeinung seitens des Finanzministeriums beziehe sich nicht auf die sich in diesem Fall ergebene Frage zum Vorhandensein einer Hauptwohnsitzbefreiung gemäß § 30 Abs. 2 Z. 1 lit. b EStG 1988.

In dem gegen die abweisende Beschwerdevorentscheidung erhobenen Vorlageantrag verwies die BF ergänzend zum bisherigen Vorbringen darauf, dass sie mit dem Erwerb der Immobilie am tt.mm.2008 sofort mit der Instandsetzung und Renovierung begonnen habe, weil damals schon die Absicht bestanden habe, dort ihren familiären Hauptwohnsitz zu begründen. Die Veräußerung ihres Anteiles mit Vertrag vom hingegen sollte ihr ermöglichen, ersatzweise einen neuen Hauptwohnsitz zu schaffen, da sie auf die Geldmittel aus dem Verkauf angewiesen gewesen sei. Es sei nicht einzusehen, dass einerseits faktische Anhaltspunkte (faktische Hauptwohnsitzname) für den Beginn der fünfjährigen Frist, andererseits ein sachenrechtlicher Zeitpunkt (Datum der Vertragsunterfertigung des Verkaufes) für die Gewährung der Befreiungsbestimmungen herangezogen werde. Faktisch habe sie den fünfjährigen Hauptwohnsitz an der veräußerten Immobilie, sachenrechtlich ebenfalls (Sterbetag ihres Vaters und damit Erwerb am tt.mm.2008).

Das Finanzamt legte die Beschwerde an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte im Vorlagebericht noch aus, dass nach Durchführung erforderlicher Renovierungsarbeiten die tatsächliche Begründung des Hauptwohnsitzes am Streitobjekt unbestritten am erfolgt sei. Nach dem Gesetzeswortlaut sei dieses Datum als Beginn des Beobachtungszeitraumes von fünf Jahren innerhalb der letzten zehn Jahre vor Veräußerung heranzuziehen. Die Nutzung als Hauptwohnsitz nach der Veräußerung (Verpflichtungsgeschäft) am dürfe für die maßgebliche Frist nicht mehr berücksichtigt werden. Das Finanzamt beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht wandte die BF, unter Bezugnahme auf eine seinerzeitige Anführung in der Abgabenerklärung, ein, dass aller Voraussicht nach doch ein Fall von Herstellung des Wohnhauses vorliege. Die Bauarbeiten seien dermaßen umfangreich gewesen, dass die Aufwendungen mehr als die Hälfte des nachmaligen erzielten Kaufpreises ausgemacht hätten. Die Verkäuferin habe dafür das Bauherrenrisiko getragen, es hätten ein Fundament betoniert werden, Zwischenmauern errichtet, alle Leitungen für Wasser, Kanal und Strom erneuert werden müssen. Der Aufwand habe ca. € 90.000 betragen, der Verkaufserlös € 135.000. Die BF beantrage die Errichterbefreiung gemäß § 30 Abs. 2 Z. 2 EStG. Die BF legte Farbfotografien als Dokumentation der durchgeführten Arbeiten zum Akt vor. Rechnungen und Aufzeichnungen habe die BF leider keine mehr.

Das Finanzamt nahm zu den vorgelegten Unterlagen dahingehend Stellung, dass ein selbst hergestelltes Gebäude im Sinne des § 30 Abs. 2 Z. 2 EStG 1988 nur dann vorliege, wenn Baumaßnahmen nach der Verkehrsauffassung als Errichtung eines Gebäudes, somit als „Hausbau“ und nicht etwa als Haussanierung oder Hausrenovierung anzusehen sei. Die Befreiungsbestimmung erfasse damit nur die erstmalige Errichtung eines Objektes. Eine erstmalige Errichtung liege dann vor, wenn ein bestehendes Gebäude zuvor vollständig abgerissen worden sei und an dessen Stelle ein neues Gebäude errichtet werde. Keine erstmalige Errichtung liege aber vor, wenn ein bereits bestehendes Gebäude lediglich einer grundlegenden Sanierung oder einem grundlegenden Umbau unterzogen werde, z.B. das Gebäude werde bis auf die Außenmauer und die tragenden Mauern entkernt und umgebaut. Dabei sei es unerheblich, ob die vom Steuerpflichtigen in der Folge aufgewendeten Herstellungskosten die Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen würden. Da es sich im Beschwerdefall um keine erstmalige Errichtung des Gebäudes handle, die Außenmauern seien erhalten geblieben, liege nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kein selbst hergestelltes Gebäude vor und stehe die Herstellerbefreiung gemäß § 30 Abs. 2 Z. 2 EStG 1988 somit nicht zu.

Die BF replizierte, dass im gegenständlichen Fall wohl neben allen anderen Arbeiten fundamental die Errichtung eines Fundamentes samt Bodenplatte zum konkreten Bau sei. Auch die Fertigstellung eines Rohbaues unterliege nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung auch einer Steuerbefreiung, soweit die Fertigstellungskosten die Anschaffungskosten übersteigen würden. Die Befreiung sei auch auf selbst hergestellte Gebäudeteile (anteilig) und auf Rohbauten anwendbar. Die realistische Betrachtung ergebe, dass ohne die vorgenommenen Arbeiten das Haus später nicht verkaufbar gewesen wäre bzw. die Arbeiten maßgeblich zur Kaufpreisbildung beigetragen hätten. So sei im Wesentlichen der Wert dieser Maßnahmen abgegolten werden. Mit der Regelung solle die Besteuerung der eigenen Arbeitskraft des Steuerpflichtigen verhindert werden. In Teleologie sei die steuerliche Freistellung des streitgegenständlichen Errichtungsgegenstandes gegeben.

Das Finanzamt erwiderte abschließend, dass der Hinweis der BF, wonach für einen Rohbau, dessen Fertigstellungskosten die Anschaffungskosten übersteigen würden, die Herstellerbefreiung zustehe, auf den Beschwerdefall nicht anwendbar sei. Während es sich bei der Fertigstellung eines Rohbaues um die erstmalige Errichtung eines Gebäudes handle, sei dies bei der Sanierung eines bereits bestehenden Gebäudes nicht der Fall. Das Finanzamt bleibe daher bei seiner bereits mitgeteilten Rechtsansicht, dass es sich um kein selbst hergestelltes Gebäude der BF handle und die Herstellerbefreiung somit nicht zustehe.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Nachstehender entscheidungsrelevanter Sachverhalt wurde festgestellt:

Mit Vertrag vom verkaufte die BF ihren Hälfteanteil an der Liegenschaft A., im Gesamtausmaß von 1125 m², mit dem darauf befindlichen Reihenhaus B., um einen pauschalen Kaufpreis von Euro 135.000 an ihren Cousin. Die Übergabe und Übernahme des Kaufobjektes in den tatsächlichen Besitz und Genuss des Käufers erfolgte mit Unterfertigung dieses Vertrages. Weiters wurde vereinbart, dass Nutzen und Vorteile sowie Last und Gefahr am Vertragsgegenstand ab diesem Zeitpunkt auf den Käufer übergehen würden. Die mit dem Besitz des Kaufobjektes verbundenen Kosten und Abgaben habe die Verkäuferin bis zur tatsächlichen Räumung anteilig zu tragen, der Käufer ab Räumung durch die Verkäuferin. Die Verkäuferin verpflichtete sich, bis längstens das Kaufobjekt geräumt von ihren Fahrnissen übergeben und bis spätestens zu diesem Zeitpunkt ihren Hauptwohnsitz am Kaufobjekt aufzugeben.

Die veräußerte Liegenschaft hatte die BF mit dem Ablebens des Vaters am tt.mm.2008, auf der Grundlage eines mit dem Vater abgeschlossenen Schenkungsvertrages auf den Todesfall, unentgeltlich erworben.

Mit begründete die BF ihren Hauptwohnsitz an der streitgegenständlichen Liegenschaft. Die Eintragung des Hauptwohnsitzes im Zentralen Melderegister erfolgte am .

Die tatsächliche Aufgabe des Hauptwohnsitzes auf der veräußerten Liegenschaft erfolgte am .

Von der BF wurde nach dem unentgeltlichen Erwerb der Liegenschaft ein umfangreicher Sanierungsbedarf an dem - eine Wohnfläche von 108m2 aufweisenden - Gebäude festgestellt.

In der Folge wurde der Bodenaufbau im nicht unterkellerten Erdgeschoss durch Abgraben entfernt und sodann erneuert. Weiters wurden Installationsleitungen für die bereits bestehende Zentralheizung in den Böden neu verlegt, ebenso Sanitärleitungen. Für den Neuaufbau des Bodens im Erdgeschoss wurde teilweise Abbruchmaterial, welches im Gebäude anfiel, verwendet. Teile des Verputzes der Innenw ände wurden abgeschlagen und erneuert. Elektrische Installationen wurden neu verlegt. Zumindest eine Türauslassung wurde zugemauert sowie der Verputz eines Kamines abgeschlagen und die Schornsteine des Hauses saniert. Weiters wurden Fußböden und Türen erneuert.

Ein Austausch der bereits bestandenen (Kunststoff-)Fenster ist aus den im Beschwerdeverfahren vorgelegten Fotografien nicht ersichtlich und wurde von der BF auch nicht behauptet.

Rechnungen und Aufzeichnungen, welche über die vorgelegten Fotografien hinausgehen, besitzt die BF keine mehr.

Beweiswürdigung:

Dieser Sachverhalt gründet sich auf den Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten, an deren Richtigkeit kein Zweifel bestand. Die für die Berechnung der Fünf-Jahresfrist maßgeblichen Zeitpunkte ergaben sich schlüssig aus dem beigelegten Kaufvertrag bzw. den Eingaben der BF. Der Zeitpunkt der Hauptwohnsitzbegründung wurde bereits im Verwaltungsverfahren durch Vorlage diverser Stromabrechnungsbelege sowie des Bestätigungsschreibens der früheren Unterkunftsgeberin der BF unstrittig festgestellt.

Das Ausmaß der durchgeführten Instandsetzungsarbeiten am Streitobjekt konnte durch die im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht vorgelegte Bilddokumentation, in Verbindung mit der Schilderung der Maßnahmen im Mail vom , gesendet vom Gatten der BF an den Rechtsvertreter im Beschwerdeverfahren, in seinem wesentlichen Gehalt nachgewiesen werden.

Für das Vorbringen der BF, wonach auch die Fundamente des Hauses erneuert bzw. eine Bodenplatte hätten betoniert werden müssen, ergaben sich aus der vorgelegten Bilddokumentation keine Anhaltspunkte. Nach den vorgelegten Fotos wurde der Bodenaufbau neu durchgeführt, die Fundamente unter den tragenden Mauern blieben jedoch unberührt, weshalb eine diesbezügliche Sachverhaltsfeststellung zu unterbleiben hatte.

Für die von der BF ins Treffen geführten Aufwendungen von € 90.000, standen über die vorgelegten Bilder hinaus weder Rechnungen noch Aufzeichnungen als Nachweis zur Verfügung. Aus den vorliegenden Fotos ließ sich die Höhe des Sanierungsaufwandes am Gebäude nicht mit der erforderlichen Sicherheit belegen. Aus der Sicht des Bundesfinanzgerichtes konnte eine diesbezügliche ziffernmäßige Sachverhaltsfeststellung daher nicht getroffen werden.

Rechtliche Würdigung:

Während private Grundstücksveräußerungen vor dem nur in Ausnahmefällen (Spekulationsgeschäfte) der Einkommensteuer unterlagen, schuf der Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 30 EStG 1988 eine generelle Steuerpflicht der Veräußerungserlöse aus privaten Grundstücksverkäufen (Immobilienertragsteuer) und sah dabei in bestimmten Fällen eine Steuerbefreiung vor.

Die in Rede stehenden gesetzlichen Bestimmungen des § 30 Abs. 2 Z. 1 u. 2 EStG 1988, in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung BGBl I Nr. 112/2012, lauten:

„(2) von der Besteuerung ausgenommen sind die Einkünfte:

 1. Aus der Veräußerung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen samt Grund und Boden (§ 18 Abs. 1 Z. 3 lit. b), wenn sie dem Veräußerer

a) ab der Anschaffung bis zur Veräußerung für mindestens zwei Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird oder

b) innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung mindestens fünf Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird.

2. Aus der Veräußerung von selbst hergestellten Gebäuden, soweit sie innerhalb der letzten zehn Jahre nicht zur Erzielung von Einkünften gedient haben.“

Zur Anwendbarkeit des § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988

Beim Erwerb der streitgegenständlichen Liegenschaft, aufgrund eines mit dem Vater abgeschlossenen Schenkungsvertrages auf den Todesfall, handelt es sich um keine Anschaffung im Sinne des § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988.

Der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 94/15/0134, zum Begriff der Anschaffung nachfolgend Stellung genommen:

„Nach Lehre und Rechtsprechung ist unter dem im § 30 EStG 1972 gebrauchten Begriff "Anschaffung" nur der entgeltliche Erwerb, nicht aber der Erwerb etwa durch Schenkung, Erbschaft oder Vermächtnis zu verstehen (Hinweis Schubert/Pokorny/Schuch/Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch, § 30 Rz 9). Diesen Begriff fand der Gesetzgeber des EStG 1988 vor. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß der Begriff "Anschaffung" im § 30 EStG 1988 in einem anderen Sinn gebraucht würde. Auch für den Geltungsbereich des EStG 1988 ist somit davon auszugehen, daß unter "Anschaffung" der entgeltliche Erwerb zu verstehen ist (ebenso Doralt-Ruppe, Steuerrecht I/5, 53 und Schuch/Quantschnigg, § 30 Rz 6). […]“.

Die Befreiungsbestimmung des § 30 Abs. 2 Z. 1 lit. a EStG 1988 ist daher im gegenständlichen Fall nicht anwendbar.

Zur Anwendbarkeit des § 30 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988

Zu prüfen ist nun, ob die Bestimmung des § 30 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 zur Anwendung gelangen kann.

Diese Bestimmung normiert, dass die Liegenschaft innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren vor der Veräußerung zumindest fünf Jahre lang durchgehend als Hauptwohnsitz gedient hat und dieser im Zuge der Veräußerung aufgegeben wird. Ende dieses Beobachtungszeitraums bildet ex lege die Veräußerung. Die „Anschaffung“ nennt der Tatbestand der lit. b hingegen nicht als Voraussetzung bzw. Anknüpfungspunkt, wodurch die Unentgeltlichkeit des Erwerbs vom Vater in diesem Zusammenhang kein Hindernis für die Anwendung der Befreiungsbestimmung darstellen würde.

Um im vorliegenden Fall den Beginn bzw. das Ende des Zeitraums von zehn Jahren zu definieren, ist auf die schuldrechtliche Veräußerung abzustellen. Dies ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. , 96/15/0256; , 88/13/0049, 0050), welcher unter der Anschaffung und Veräußerung iSd § 30 EStG 1988die schuldrechtlichen, auf die Eigentumsübertragung ausgerichteten Rechtsgeschäfte“ versteht.

Im Streitfall bedeutet dies, dass der Beobachtungszeitraum mit dem Tag des Abschlusses des Kaufvertrages, sohin am , endete. Das Mindesterfordernis eines Hauptwohnsitzes von „durchgehend fünf Jahren“ musste sohin am erfüllt sein. Der unmissverständliche Gesetzeswortlaut lässt keine andere Interpretation zu. Die Beibehaltung des Hauptwohnsitzes über diesen Stichtag hinaus ist für diese Fristberechnung unerheblich.

Da die Hauptwohnsitzbegründung am veräußerten Objekt unbestritten mit erfolgte, erhellt unzweifelhaft, dass der Tatbestand des § 30 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG durch die BF nicht erfüllt wird.

Aus der vorgelegten Expertenmeinung aus dem Kreis der Wirtschaftstreuhänder, wonach im gegenständlichen Fall die Fünf-Jahresfrist erfüllt sei, konnte für den Standpunkt der Bf. nichts gewonnen werden. Die konkreten Ausführungen erwiesen sich als widersprüchlich und fanden keine Deckung im Wortlaut der hier anzuwendenden einschlägigen Norm. Festzuhalten ist, dass auch der Experte den Beginn des Beobachtungszeitraums von zehn Jahren mit dem festlegte. Daraus konnte aber geschlossen werden, dass er, um auf diesen Stichtag zu kommen, eine Rückrechnung vom Tag des Abschlusses des Kaufvertrages vorgenommen hatte. Der Widerspruch in seiner Argumentation zeigte sich, als er die Innehabung des Hauptwohnsitzes durch die BF vom bis , somit über den von ihm definierten Beobachtungszeitraum von zehn Jahren ab dem hinaus, für fristwahrend befand. Aus der in sich widersprüchlichen Expertenmeinung konnte für den Rechtsstandpunkt der BF nichts gewonnen werden.

Der Verweis auf den Schriftverkehr mit einem Experten aus dem Bundesministerium für Finanzen konnte der Rechtsmeinung der BF ebenso wenig zum Durchdringen verhelfen. Der zu Rate gezogene Experte des Bundesministeriums führte im Zusammenhang mit der Hauptwohnsitzbefreiung lediglich aus, dass diese bei Erfüllung der notwendigen Voraussetzungen möglich wäre. Das Vorliegen eben dieser Voraussetzungen galt es im streitgegenständlichen Fall zu prüfen.

In ihrer Beschwerde führte die BF auch aus, dass die Analogie zu den Ausführungen in den Rz. 6629, 6640 und 6642 der Einkommensteuerrichtlinien, welche „unter Berücksichtigung von Toleranzfristen vor und nach dem Vertragsdatum die geforderte Zeit als tatsächliche Hauptwohnsitz-Zeiten gegenüber dem starren Festhalten am Vertragsdatum (z.B. bei Neubauten durch Bauträger) vorziehen“ würden, zu einer Befreiung von der ImmoESt „im Rahmen der Vorgaben“ führen würde.

Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass allen drei genannten Randziffern Sachverhalte zugrunde liegen, welche sich von dem im gegenständlichen Verfahren zu beurteilenden wesentlich unterscheiden. Keiner der drei Randziffern kann entnommen werden, dass das Bundesministerium für Finanzen ein Abgehen vom gesetzlich eindeutig festgelegten Zeitpunkt der Veräußerung als entscheidendem Kriterium für die Berechnung des Zehn- bzw. Fünfjahres-Zeitraumes für zulässig hält.

Die in der Rz. 6629 behandelte Thematik eines Vorvertrages vor dem Eigentumserwerb rüttelt ebenso wenig am Stichtag des Zeitpunktes der Veräußerung wie die Ausführungen in Rz. 6640 zum Beginn der zweijährigen Frist ab Anschaffung des Eigenheims. Auch Rz. 6642 behandelt lediglich die Hauptwohnsitzbegründung vor dem Eigentumserwerb an der Liegenschaft und zeigt ebenso wenig eine Fachmeinung auf, aus welcher geschlossen werden könnte, dass der Zeitpunkt der Veräußerung, entgegen dem unmissverständlichen Gesetzestext, bei der Fristenberechnung übergangen werden könnte.

Auch die Bezugnahme auf die aus der Rechtsprechung und Fachliteratur ableitbaren Toleranzfristen vor und nach dem Kaufvertragsabschluss kann der Beschwerde nicht zum Durchdringen verhelfen, da diese Toleranzfristen sich ausschließlich auf die Tatbestandsvoraussetzung der Hauptwohnsitzaufgabe beziehen. Im hier zu beurteilenden Sachverhalt fehlt es jedoch an der Voraussetzung des durchgängigen Hauptwohnsitzes von mindestens fünf Jahren vor der Veräußerung.

Zur Anwendbarkeit des § 30 Abs. 2 Z 2 EStG 1988

Zu prüfen ist in diesem Zusammenhang, ob die von der BF durchgeführten Sanierungsmaßnahmen zur „Veräußerung eines selbst hergestellten Gebäudes“ im Sinne der Bestimmung des §§ 30 Abs. 2 Z. 2 EStG 88 geführt haben.

Zum Begriff eines „selbst hergestellten Gebäudes“ besteht eine langjährige durchgehende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, welche auch auf die in Streit stehende Fassung des § 30 EStG 1988 anzuwenden ist.

Demnach liegt ein selbst hergestelltes Gebäude im Sinne des § 30 Abs. 2 Z. 2 EStG 1988 nur dann vor, wenn Baumaßnahmen nach der Verkehrsauffassung als Errichtung eines Gebäudes, somit als „Hausbau“ und nicht etwa als Haussanierung oder Hausrenovierung angesehen werden. Befreit ist nur die erstmalige Errichtung eines Objektes.

Es kommt hierbei nicht darauf an, ob das Gebäude bei seiner Anschaffung „schon verwendbar“ war, wenn also z.B. ein „Abbruchobjekt“ erworben wurde. Auch eine erhebliche Erhöhung des Ausmaßes der zu Wohnzwecken nutzbaren Flächen eines Gebäudes begründet nach dieser Rechtsprechung eine (neue) Herstellung im Sinne des § 30 Abs. 2 Z. 2 EStG 1988 noch nicht. Ebenso stellen ein Dachbodenausbau bzw. die Herstellung von Dachgeschosswohnungen noch keinen „Hausbau“ im Sinne der erstmaligen Errichtung eines Gebäudeobjektes dar, selbst wenn die gesamte Dachhaut unter Dachstuhl des bisherigen Gebäudes entfernt werden mussten. Selbst Arbeiten und Aufwendungen auf einen „rudimentären Altbestand“ erfüllen nicht die Qualifikation des Herstellungsaufwandes als erstmalige Errichtung eines Objektes selbst (vergleiche hierzu und do. Zitate).

Im Streitfall konnte durch das Bundesfinanzgericht die Herstellung eines Gebäudes, im Sinne der zitierten Rechtsprechung, nicht festgestellt werden. Es wurde zwar ein in verschiedenen Teilen reparaturbedürftiges Gebäude saniert. Die Maßnahmen stellten jedoch nicht die Herstellung bzw. die Neuerrichtung eines Gebäudes dar.

Nach dem vorgelegten Bildmaterial konnte auch nicht festgestellt werden, dass das Vorbringen im Beschwerdeverfahren, wonach das Fundament des Gebäudes samt Bodenplatte zu errichten gewesen wäre, zutreffend ist. Offenkundig wurden auch die bereits zum Bestand zählenden (Kunststoff-) Fenster nicht ausgetauscht. Eine Reparatur bzw. eine neue Errichtung des Daches wurde weder vorgebracht noch wäre eine solche aus den vorgelegten Bildmaterial abzuleiten. In der Wesensart des Gebäudes trat durch die Sanierungsmaßnahmen keine Änderung ein.

Durch die Schilderung des Gatten der BF im Mail vom an den Rechtsvertreter konnten, im Zusammenwirken mit dem vorgelegten Bildmaterial, die getätigten Sanierungsmaßnahmen in ihrem wesentlichen Gehalt nachvollzogen werden, was in den Sachverhaltsfeststellungen Niederschlag fand. Da es sich bei den durchgeführten Maßnahmen ohne Zweifel um keine Neuherstellung eines Gebäudes handelte, konnte die Entscheidung über die Beschwerde auch ohne den Nachweis der genauen Höhe der Aufwendungen getroffen werden.

Der vorgebrachte Vergleich mit einem Rohbau kann bei der gegebenen Sachlage nicht als zutreffend bezeichnet werden. Einerseits kommt aus der Sicht des Bundesfinanzgerichtes einem Gebäude, in welchem u.a. die Kunststofffenster erhalten bleiben sowie offenkundig auch Teile der Zentralheizungs-Installation, nicht die Eigenschaft eines Rohbaues zu. Andererseits ist dem Vorbringen des Finanzamtes zuzustimmen, wonach ein Rohbau im Sinne der Verkehrsauffassung nur die erstmalige Errichtung eines Gebäudes umfasst.

Aus der Sicht obiger Erwägungen liegt somit im Streitfall keine Veräußerung eines „selbst hergestellten Gebäudes“ vor. Die Befreiungsbestimmung des § 30 Abs. 2 Z. 2 konnte nicht zur Anwendung kommen.

Die Beschwerde erwies sich insgesamt als unbegründet.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im Streitfall erschien keiner der angeführten Tatbestände erfüllt, weshalb eine Revision nicht zuzulassen war.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Immobilienertragsteuer
Hauptwohnsitzbefreiung
Herstellerbefreiung
Anschaffung
Veräußerung
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.4100578.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at