Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.07.2019, RV/1100020/2018

Unterliegen Kursverluste aus Fremdwährungskrediten der Ausgleichsbeschränkung des § 6 Z 2 lit. c EStG?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Peter Bilger in der Beschwerdesache Bf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Feldkirch vom betreffend Feststellung der Einkünfte 2015 gemäß § 188 BAO zu Recht erkannt:  

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgestellten Einkünfte sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gemäß § 101 Abs. 3 BAO sind schriftliche Ausfertigungen, die in einem Feststellungsverfahren an eine Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit gerichtet sind (§ 191 Abs. 1 lit. a und c BAO), einer nach § 81 BAO vertretungsbefugten Person zuzustellen. Mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung an diese Person gilt die Zustellung an alle Mitglieder der Personenvereinigung oder Personengemeinschaft als vollzogen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Mit Steuererklärung 2015 erklärte die Beschwerdeführerin (Bf.) Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von -301.550,00 Euro. In diesen negativen Einkünften waren Kursverluste in Höhe von -549.625,42 enthalten. Dazu erklärte die Steuervertretung der (Bf.), diese Kursverluste seien auf Fremdwährungskredite (CHF-Darlehen, sprunghafter Kursanstieg im Jänner 2015) zurückzuführen. Nach der Rechtsprechung des BFG (, RV/2101137/2015) und laut Ansicht der Finanzverwaltung (EStR Rz 804) seien diese Kursverluste nur zur Hälfte abzugsfähig, Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes und die Ansicht der Finanzverwaltung werde in der Literatur (z.B. Marschner in SWK 16/2016, 769) kritisch gesehen, gegen das Erkenntnis des BFG sei derzeit eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof anhängig. In den Steuererklärungen 2015 seien diese Kursverluste daher zur Gänze und nicht nur zur Hälfte berücksichtigt worden.

Auf die Gesellschafter entfielen folgende Anteile:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
 
A.
B.
C.
D.
E.
Summe
Anteil
-235.222,14
0,00
-78.407,38
-78.407,38
-78.407,38
-470.444.28
SBE Kz. 9915
85.259,32
2.180,19
27.497,57
27.497,57
27.497,57
169.932,22
SBE Kz. 9915
0,00
0,00
-259,61
-403,07
-375,26
-1.037,94
Steuerlicher Anteil
-149.962,82
2.180,19
-51.169,42
-51.312,88
-51.285,07
-301.550,00

2. Das Finanzamt anerkannte mit dem angefochtenen Bescheid die Kursverluste nur zur Hälfte. Zur Begründung führte es in der nach einer Beschwerde der Bf. gegen den angefochtenen Bescheid ergangenen abweisenden Beschwerdevorentscheidung aus,

G emäß § 6 Z 2 lit. c EStG 1988 idF AbgÄG 2012, BGBl. I Nr. 112/2012 (in Kraft seit ), seien Abschreibungen auf den niedrigeren Teilwert (lit. a) und Verluste aus der Veräußerung, Einlösung und sonstigen Abschichtung von Wirtschaftsgütern und Derivaten im Sinne des § 27 Abs. 3 und 4, auf deren Erträge der besondere Steuersatz gemäß § 27a Abs. 1 anwendbar sei, vorrangig mit positiven Einkünften aus realisierten Wertsteigerungen von solchen Wirtschaftsgütern und Derivaten sowie mit Zuschreibungen derartiger Wirtschaftsgüterdesselben Betriebes zu verrechnen. Ein verbleibender negativer Überhang dürfe nur zur Hälfte ausgeglichen werden.

Unter § 27 Abs. 3 EStG 1988 fielen auch realisierte Wertsteigerungen aus der Veräußerung, Einlösung oder sonstigen Abschichtung von Finanzvermögen, deren Erträge als Einkünfte aus der Überlassung von Kapital iSd Abs. 2 zu qualifizieren seien. Entscheidend sei nicht, ob ein Wirtschaftsgut beim konkreten Steuerpflichtigen Einkünfte aus der Überlassung von Kapital erwirtschaftet (hat), sondern lediglich, ob es aufgrund seiner Ausgestaltung darauf ausgerichtet sei, solche Einkünfte zu erwirtschaften [vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, Band III C, § 27 Abs. 3 EStG 1988 neu, Tz 1 (Mühlehner), 56. Lfg (Mai 2014)].

Der Gesetzgeber definiere in § 27 Abs. 3 die Wirtschaftsgüter als Kapitalvermögen, deren Erträge Einkünfte aus Kapitalvermögen seien. Dass der Begriff Wirtschaftsgut nicht nur positive Wirtschaftsgüter, sondern auch Verbindlichkeiten umfasse, sei aus der Judikatur des VwGH (ua. und ) zu Fremdwährungskrediten ableitbar [vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, Band III G, § 27a EStG 1988 neu, Tz 13 (Cserny/Kleemann/Vaishor), 56. Lfg (Mai 2014)].

3. Am stellte die Steuervertretung den Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Da in derselben Rechtsfrage bereits eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof unter der Zahl Ro 2016/15/0026 anhängig war, stellte sie den Antrag, die Entscheidung über die Beschwerde bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes auszusetzen.

4. Am legte das Bundesfinanzgericht die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

5. Mit Erkenntnis vom , Ro 2016/15/0026, hob der Verwaltungsgerichtshof die angefochtene Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/2101137/2015, wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts auf.

6. Am zog die Steuervertretung namens der Bf. den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wieder zurück.

II. Rechtslage und rechtliche Würdigung

7. § 6 Z 2 lit. c EStG 1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 112/2012 bestimmt für die Bewertung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens:

„Abschreibungen auf den niedrigeren Teilwert (lit. a) und Verluste aus der Veräußerung, Einlösung und sonstigen Abschichtung von Wirtschaftsgütern und Derivaten im Sinne des § 27 Abs. 3 und 4, auf deren Erträge der besondere Steuersatz gemäß § 27a Abs. 1 anwendbar ist, sind vorrangig mit positiven Einkünften aus realisierten Wertsteigerungen von solchen Wirtschaftsgütern und Derivaten sowie mit Zuschreibungen derartiger Wirtschaftsgüter desselben Betriebes zu verrechnen. Ein verbleibender negativer Überhang darf nur zur Hälfte ausgeglichen werden."

8. § 27 Abs. 2 und 3 EStG 1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 112/2011 lautet:

„(2) Zu den Einkünften aus der Überlassung von Kapital gehören:

1. a) Gewinnanteile (Dividenden) und sonstige Bezüge aus Aktien oder Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung;

b) Gleichartige Bezüge und Rückvergütungen aus Anteilen an Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften;

c) Gleichartige Bezüge aus Genussrechten und Bezüge aus Partizipationskapital im Sinne des Bankwesengesetzes oder des Versicherungsaufsichtsgesetzes;

d) Bezüge aus Anteilen an körperschaftlich organisierten Personengemeinschaften in den Angelegenheiten der Bodenreform (Agrargemeinschaften) im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Z 3 des Bundes-Verfassungsgesetzes;

2. Zinsen, und andere Erträgnisse aus Kapitalforderungen jeder Art, beispielsweise aus Darlehen, Anleihen, Hypotheken, Einlagen, Guthaben bei Kreditinstituten und aus Ergänzungskapital im Sinne des Bankwesengesetzes oder des Versicherungsaufsichtsgesetzes, ausgenommen Stückzinsen;

3. Diskontbeträge von Wechseln und Anweisungen;

4. Gewinnanteile aus der Beteiligung an einem Unternehmen als stiller Gesellschafter sowie aus der Beteiligung nach Art eines stillen Gesellschafters, soweit sie nicht zur Auffüllung einer durch Verluste herabgeminderten Einlage zu verwenden sind.

(3) Zu den Einkünften aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gehören Einkünfte aus der Veräußerung, Einlösung und sonstigen Abschichtung von Wirtschaftsgütern, deren Erträge Einkünfte aus der Überlassung von Kapital im Sinne von Abs. 2 sind (einschließlich Nullkuponanleihen)."

9. Zur in  Streit stehenden Rechtsfrage, ob auch "negative Wirtschaftsgüter" wie Verbindlichkeiten in den Anwendungsbereich des § 27 Abs. 3 EStG 1988 fallen, hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Ro 2016/15/0026 wie folgt entschieden .

„Der Schuldner erzielt aus dem "negativen Wirtschaftsgut" keine Einkünfte aus der Überlassung von Kapitalvermögen. Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts ist der Verweis auf Einkünfte iSd § 27 Abs. 2 EStG 1988 steuersubjektübergreifend zu sehen und hinsichtlich der aus dem gegenständlichen Wirtschaftsgut "Fremdwährungsverbindlichkeit" fließenden Erträge auf deren Erfassung beim Gläubiger der Fremdwährungsverbindlichkeit abzustellen.

Dem ist entgegenzuhalten, dass der Kreditgeber Einkünfte iSd. § 27 Abs. 2 EStG 1988 nicht aus der "Fremdwährungsverbindlichkeit", sondern aus der mit dieser korrespondierenden "Fremdwährungsforderung" erzielt.

Trotz des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Forderung und Verbindlichkeit unterscheiden sich diese beiden Wirtschaftsgüter insbesondere in Hinblick auf die Besteuerung der aus ihnen erwachsenen - vom Schuldner zu zahlenden und vom Gläubiger zu empfangenden - Zinsen voneinander. Die vom Schuldner zu zahlenden Zinsen stellen aus Sicht des Gläubigers Erträge seiner Kapitalforderung dar, die als Einkünfte aus der Überlassung von Kapitalvermögen zu erfassen sind. Hingegen fallen die Zinsen beim Schuldner nicht als (negative) Erträge aus seiner Verbindlichkeit unter die Einkünfte aus Kapitalvermögen. Vielmehr stellen Schuldzinsen je nach Lage des Falles entweder Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Aufwendungen der privaten Lebensführung dar (vgl. z.B. den auch nach der Neuordnung der Kapitalbesteuerung unverändert gebliebenen § 16 Abs. 1 Z 1 EStG 1988).

Gegen eine Steuerpflicht nach § 27 Abs. 3 EStG 1988 bei demjenigen, dem Kapital überlassen wird, spricht weiters, dass es damit auch zu einer mit dem eingangs angeführten Sinn und Zweck der Neuordnung der Kapitalbesteuerung nicht vereinbaren Steuerpflicht von Schuldnachlässen gegenüber privaten Schuldnern käme (vgl. Stangl/Widhalm, Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen, in Lechner/Mayr/Tumpel, Handbuch der Besteuerung von Kapitalvermögen (2013) 111 (114 f)).

Nach dem Wortlaut und dem Telos des § 27 Abs. 3 EStG 1988 sind nur "Finanzvermögen" und nicht auch "Finanzschulden" von dieser Bestimmung erfasst. Der Schuldner erzielt keine Einkünfte gemäß § 27 Abs. 2 EStG 1988 aus der Verbindlichkeit. Aus diesen Erwägungen erscheint es weder gerechtfertigt noch vom Wortlaut des § 27 Abs. 3 EStG 1988 gedeckt, hinsichtlich der Steuerpflicht einer Fremdwährungsverbindlichkeit auf die aus Sicht des Gläubigers vorliegende Fremdwährungsforderung abzustellen (vgl. in diesem Sinne auch Kirchmayr in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG16, § 27 Tz 149; Marschner, SWK 2016, 769 ff; Peyerl, SWK 2014, 881ff, sowie Mechtler, ÖStZ 19/2015, 564f.).

Da es sich bei der streitgegenständlichen Fremdwährungsverbindlichkeit um kein Wirtschaftsgut handelt, dessen Erträge Einkünfte aus der Überlassung von Kapital iSd § 27 Abs. 2 EStG 1988 begründen und ihre Konvertierung daher nicht den Tatbestand des § 27 Abs. 3 EStG 1988 erfüllt, unterliegt die Verrechnung des dadurch entstandenen Kursverlustes nicht den Beschränkungen des § 6 Z 2 lit. c EStG 1988 in der gegenständlich anzuwendenden Fassung des AbgÄG 2012, BGBl. I Nr. 112/2012.“

10. Damit ist höchstgerichtlich klargestellt, dass Kursverluste aus Fremdwährungskrediten nicht der Ausgleichsbeschränkung des § 6 Z 2 lit. c EStG 1988 unterliegen. Dieser Rechtsprechung hat sich auch das Bundefinanzgericht in seiner ständigen Rechtsprechung angeschlossen (vgl. z.B. ; , RV/7104307/2016; , RV/710499/2016).

11. Der Beschwerde war daher stattzugeben und die Einkünfte waren erklärungsgemäß festzustellen. 

III. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da die in Streit stehende Rechtsfrage durch das zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes geklärt wurde und das Bundesfinanzgericht von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen ist, liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. Eine (ordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.1100020.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at