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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.04.2019, RV/5100442/2016

Haftung gemäß §§ 9, 80 BAO. Kein Nachweis der Gleichbehandlung, kein Nachweis fehlenden Verschuldens

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. R in der Beschwerdesache AB, Adresse, vertreten durch C, Rechtsanwälte GmbH, Adresse1, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt FA vom , mit dem der Beschwerdeführer gemäß §§ 9, 80 BAO zur Haftung für Abgaben der Fa. D GmbH, St.Nr. 000/0000, herangezogen wurde, zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert und die Haftungsinanspruchnahme auf folgende Abgabenschulden eingeschränkt:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeit
Betrag
Umsatzsteuer
12/10
41.920,21
Einfuhrumsatzsteuer
04/12
1.650,34
Aussetzungszinsen*
2012
858,80
Einfuhrumsatzsteuer
05/12
2.262,54
Körperschaftsteuer*
07-09/12
420,77
Dienstgeberbeitrag
07/12
1.673,80
Zuschlag zum DB
07/12
173,66
Umsatzsteuer
06/12
60.165,15
Dienstgeberbeitrag
08/12
1.350,26
Zuschlag zum DB
08/12
177,32
Umsatzsteuer*
2011
190.339,28
Körperschaftsteuer*
2010
2.681,57
Anspruchszinsen*
2010
51,06
Einfuhrumsatzsteuer
06/12
1.108,81
Einfuhrumsatzsteuer
07/12
3.422,81
Summe
 
 
308.256,38

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Über das Vermögen der D GmbH, die mit Gesellschaftsvertrag vom gegründet worden war, wurde mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom das Insolvenzverfahren eröffnet.

Mir Beschluss vom wurde die Schließung des Unternehmens angeordnet.

Die Bezeichnung der Gesellschaft wurde mehrfach geändert; erst am erhielt sie die aktuelle Firmenbezeichnung (vgl. 4. Bericht des Masseverwalters).  

Mit Beschluss vom wurde der Konkurs nach Schlussverteilung aufgehoben, die Insolvenzgläubiger erhielten eine Quote von 3,713875 %.

Der Beschwerdeführer (Bf) war laut Firmenbuch von bis zur Löschung dieser Funktion am im Firmenbuch alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin.

Nach der Löschung des Bf im Firmenbuch war EF Geschäftsführerin und in der Folge Liquidatorin der Gesellschaft. 

Mit Ergänzungsersuchen vom wies das Finanzamt den Bf darauf hin, dass die Gesellschaft die dort angeführten Abgaben in Höhe von 347.617,75 €, die vor Eröffnung des Konkursverfahrens fällig gewesen seien, nicht entrichtet habe. Diese Abgabenschulden seien, soweit sie nicht durch die Quote im Insolvenzverfahren entrichtet würden, bei der Primärschuldnerin uneinbringlich. Der Bf sei als Geschäftsführer dieser Gesellschaft für die Entrichtung der Abgaben aus deren Mitteln verantwortlich gewesen. Er möge darlegen, weshalb er nicht dafür Sorge habe tragen können, dass die angeführten Abgaben entrichtet würden (z.B. Fehlen ausreichender Mittel, Zessionsvereinbarung, Einstellung der Überweisungen durch die Hausbank, Weisungen der Gesellschafter, usw.). Die entsprechenden Unterlagen zum Beweis seiner Rechtfertigung seien vorzulegen. Falls vorhandene Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet worden seien, sei dies durch geeignete Unterlagen zu belegen.

Darüber hinaus wurde der Bf aufgefordert, seine derzeitigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse darzulegen.

Der Bf beantwortete dieses Ersuchen nicht.

Mit Bescheid vom nahm ihn das Finanzamt als Haftungspflichtigen gemäß §§ 9, 80 ff BAO für die aushaftenden Abgabenschulden der Fa. D GmbH im Ausmaß von 334.707,66 € in Anspruch und forderte ihn auf, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung zu entrichten:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeit
Betrag
davon 96,286125 %
Umsatzsteuer
12/10
45.821,98
44.120,21
Einfuhrumsatzsteuer
04/12
1.714,00
1.650,34
Aussetzungszinsen*
2012
891,93
858,80
Einfuhrumsatzsteuer
05/12
2.349,81
2.262,54
Körperschaftsteuer*
07-09/12
437,00
420,77
Dienstgeberbeitrag
07/12
1.738,36
1.673,80
Zuschlag zum DB
07/12
180,36
173,66
Umsatzsteuer
06/12
62.485,79
60.165,15
Dienstgeberbeitrag
08/12
1.402,34
1.350,26
Zuschlag zum DB
08/12
184,16
177,32
Umsatzsteuer*
2011
197.680,90
190.339,28
Körperschaftsteuer*
2010
2.785,00
2.681,57
Anspruchszinsen*
2010
53,03
51,06
Einfuhrumsatzsteuer
06/12
1.151,58
1.108,81
Einfuhrumsatzsteuer
07/12
3.554,83
3.422,81
Verspätungszuschlag
06/12
1.467,62
1.413,11
Einfuhrumsatzsteuer
08/12
3.373,47
3.248,18
Umsatzsteuer
08/12
18.489,06
17.802,40
Säumniszuschlag*
2012
1.467,62
1.413,11
Stundungszinsen*
2012
388,91
374,47
Summe
 
 
347.617,75
334.707,66

Nach Darstellung der allgemeinen Haftungsvoraussetzungen der §§ 9, 80 BAO verwies das Finanzamt begründend auf das Insolvenzverfahren sowie darauf, dass die Abgaben, soweit sie nicht durch die Verteilungsquote entrichtet worden seien, bei der Primärschuldnerin uneinbringlich seien. Auf Grund der Aktenlage sei davon auszugehen, dass zwar Gesellschaftsmittel vorhanden gewesen seien, diese aber nicht zur (zumindest anteiligen) Entrichtung der Abgabenschulden verwendet worden seien. Da bei Tilgung der Schulden der Gesellschaft die Abgabenschulden offenbar schlechter als die übrigen Verbindlichkeiten behandelt worden seien, sei von der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes auszugehen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe der Vertreter darzulegen, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei. Einen diesbezüglichen, nachweislich zugestellten Fragenvorhalt habe der Bf nicht beantwortet.

Die Geltendmachung der Haftung stelle die einzige Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruchs dar. Der Haftungspflichtige sei Jahrgang xxxx und werde voraussichtlich noch etliche Jahre im Erwerbsleben stehen, weshalb nicht von vornherein ausgeschlossen werden könne, dass zumindest ein Teil der Abgaben bei ihm einbringlich sei.

Abschließend verwies das Finanzamt darauf, dass zu den mit *) gekennzeichneten Abgaben in der Anlage die an die Primärschuldnerin ergangenen Abgabenbescheide übermittelt würden.

Die gegen den Haftungsbescheid eingebrachte, fälschlich als Berufung bezeichnete Beschwerde focht den Bescheid seinem gesamten Inhalt nach an. Der durch Rechtsanwalt Mag. Dr. CD vertretene Bf machte unrichtige bzw. unvollständige Sachverhaltsermittlung, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend.

Die Gesellschaft habe ab Juli 2012 praktisch keinen Geschäftsbetrieb mehr geführt. Die Dienstverhältnisse seien beendet gewesen, und es seien auch keine Zahlungen mehr geleistet worden. Eine Bezahlung der ab diesem Zeitpunkt fällig werdenden Forderungen des Finanzamtes sei dem Geschäftsführer nicht mehr möglich gewesen, da die Kreditrahmen ausgeschöpft und anderweitig keine liquiden Mittel mehr vorhanden gewesen seien. Die Gesellschaft habe keine Mittel mehr zur Verfügung gehabt, um allfällige Forderungen zu begleichen.

Insoweit im bekämpften Bescheid eine Haftung für Säumniszuschläge und Zinsen erfolgt sei, sei der Bescheid rechtswidrig, da eine Haftung des Geschäftsführers für derartige Forderungen nicht bestehe.

Der Bf habe als Geschäftsführer der Gesellschaft nach Juli 2012 alle Gläubiger gleich behandelt, indem er keine Zahlungen mehr geleistet habe. Das Finanzamt sei damit gleich wie alle anderen Gläubiger behandelt worden. In eventu werde vorgetragen, dass sich selbst bei einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes die Vertreterhaftung nur auf jenen Betrag beschränke, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger das Finanzamt mehr bekommen hätte, als es infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen habe (vgl. ).

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

Könnten Abgaben bei der Gesellschaft nicht eingebracht werden, sei es Sache des Geschäftsführers darzulegen, weshalb er nicht für die rechtzeitige Entrichtung der Abgaben der Gesellschaft gesorgt habe, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen dürfe.

Den Vertreter treffe eine qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast. Nicht die Abgabenbehörde habe das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung Herangezogene das Fehlen ausreichender Mittel ().

Mit der bloßen Behauptung, die Gesellschaft habe keine Mittel mehr zur Verfügung gehabt und alle Gläubiger gleich behandelt, indem keine Zahlungen mehr an Gläubiger geleistet worden seien, ohne dies durch geeignete Unterlagen entsprechend darzustellen und nachzuweisen, werde der gebotenen Behauptungs- und Konkretisierungspflicht nicht entsprochen.

Bereits im Ergänzungsersuchen vom sei darauf hingewiesen worden, dass entsprechende Unterlagen zum Beweis der Rechtfertigung vorzulegen seien. Da auch in der Beschwerde keine diesbezüglichen Beweise erbracht worden seien, sei diese als unbegründet abzuweisen gewesen.

Für das völlige Fehlen von Mitteln ergäben sich nach der Aktenlage keine Anhaltspunkte, zumal von der Gesellschaft bis September 2012 Umsatzsteuervoranmeldungen eingereicht und Umsätze erklärt worden seien. Zudem seien, wie aus dem Bericht des Masseverwalters vom hervorgehe, zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch elf Dienstnehmer beschäftigt gewesen. Laut ho. Feststellungen seien bis August 2012 Bezüge ausbezahlt worden.

Im Vorlageantrag  fasste der Bf, nunmehr vertreten durch C, Rechtsanwälte GmbH, das bisherige Verfahren zusammen; ein neues Sachvorbringen wurde nicht erstattet.

Rechtslage

§§ 9 Abs. 1 und 80 Abs. 1 BAO lauten: "Die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben in Folge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden."

Im Rahmen dieser Verpflichtung hat der Vertreter insbesondere für die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen.

Für das tatbestandsmäßige Verschulden im Sinne des § 9 BAO ist keine bestimmte Schuldform gefordert; leicht fahrlässiges Handeln oder Unterlassen des Vertreters reichen aus.

Voraussetzung für die Haftung ist, dass rückständige Abgaben uneinbringlich geworden sind und dies auf eine schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters zurückzuführen ist. Die Heranziehung des Vertreters zur Haftung hat weiter zur Voraussetzung, dass die schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters kausal für den Abgabenausfall ist ().

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung. Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden. Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären.

Nach Abschluss des Konkurses ist mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen, dass der in der Konkursquote nicht mehr Deckung findende Teil der Abgabenforderungen bei der Gesellschaft uneinbringlich ist ().

Nach § 7 Abs. 2 BAO erstrecken sich persönliche Haftungen auch auf Nebenansprüche, weshalb Säumnis- und Verspätungszuschläge sowie Stundungs- und Anspruchszinsen das Schicksal der jeweiligen Haftungsschuld teilen (Ritz, BAO6, § 9 Tz 25, mit Verweis auf , zu Stundungs- und Aussetzungszinsen sowie Säumniszuschlägen).

Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden sind, nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten.

Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter. Vermag der Vertreter nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden ( mwN).

Eine unzulässige Privilegierung einzelner Gläubiger besteht z.B. auch in der Bezahlung laufender Betriebsaufwendungen selbst dann, wenn diese für die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes notwendig sind. So verletzt der Geschäftsführer einer GmbH schuldhaft abgabenrechtliche Pflichten, wenn er zur Vermeidung der Einstellung des Geschäftsbetriebes der Primärschuldnerin und der Anmeldung der Insolvenz zwar Löhne und Materiallieferungen zur Gänze bezahlt, nicht aber auch Abgaben (Ritz, BAO6, § 9 Tz 11a).

Die pauschale Behauptung einer Gleichbehandlung aller Gläubiger reicht nicht ().

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzulegen, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war, widrigenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden darf. Nur der Vertreter wird in der Regel jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der von ihm vertretenen Gesellschaft haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht ().

Es liegt daher am Vertreter, aufzuzeigen, dass und aus welchen allfälligen Gründen ihm ein Verschulden an der Nichterfüllung der ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen nicht anzulasten ist.

Bei Selbstbemessungsabgaben (z.B. Umsatzsteuer) ist entscheidend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären; maßgebend ist daher der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit, unabhängig davon, ob bzw. wann die Abgaben bescheidmäßig festgesetzt werden (Ritz, BAO6, § 9 Tz 10).

Führt ein Geschäftsführer als Vertreter der Gesellschaft daher geschuldete Abgaben nicht spätestens zum Fälligkeitstag ab, liegt eine objektive Verletzung der den Geschäftsführer treffenden abgabenrechtlichen Pflichten vor. Haftungsbegründend kann sich diese Pflichtverletzung (unter der Voraussetzung der erschwerten Einbringlichkeit beim Abgabenschuldner) allerdings nur dann auswirken, wenn dem Geschäftsführer an der Pflichtverletzung auch ein Verschulden in Form eines vorsätzlichen oder fahrlässigen Handelns oder Unterlassens anzulasten ist. Eine schuldhafte Verletzung der Vertreterpflichten ist anzunehmen, wenn der Vertreter keine Gründe darlegen kann, auf Grund derer ihm die Erfüllung seiner Pflichten unmöglich gewesen ist.

Die Geltendmachung der Haftung liegt im Ermessen, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten hat.

Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalls. Aus dem auf die Einbringlichkeit der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel selbst dann ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Haftungsschuldner aktuell uneinbringlich ist.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes schließt eine allfällige derzeitige Uneinbringlichkeit der Haftungsschuld beim Vertreter nicht aus, dass künftig neu hervorkommendes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können ().

Es trifft daher keineswegs zu, dass die Haftung nur bis zur Höhe der aktuellen Einkünfte bzw. des aktuellen Vermögens des Haftungspflichtigen geltend gemacht werden dürfte (, mit Hinweis auf ).

Erwägungen

Die Abgabenforderungen gegenüber der Primärschuldnerin waren ebenso unbestritten wie die Vertreterstellung des Bf und die Uneinbringlichkeit der nicht durch die Insolvenzquote abgedeckten Abgaben.

Der Vorhalt des Finanzamtes vom zur Klärung der Frage, ob dem Bf ein haftungsrelevantes Verschulden anzulasten war, blieb unbeantwortet.

Erst in der Beschwerde brachte er vor, dass die Primärschuldnerin ab Juli 2012 praktisch keinen Geschäftsbetrieb mehr geführt und mangels vorhandener Mittel keine Zahlungen mehr geleistet und damit alle Gläubiger gleich behandelt habe.

Obwohl das Finanzamt den Bf in der Beschwerdevorentscheidung, der nach der Judikatur die Bedeutung eines Vorhaltes beizumessen ist, darauf hinwies, dass zum Beweis seiner Rechtfertigung entsprechende Unterlagen vorzulegen wären und sich aus der Aktenlage für das völlige Fehlen von Mitteln keine Anhaltspunkte ergäben, weil die Gesellschaft in den Umsatzsteuervoranmeldungen bis September 2012 Umsätze erklärt und laut Bericht des Masseverwalters vom zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch elf Dienstnehmer beschäftigt gehabt habe, bot der Bf auch im Vorlageantrag keine entsprechenden Beweise an.

Die Verantwortung des Bf erschöpfte sich vielmehr in bloßen Behauptungen. Da er damit der ihn treffenden Konkretisierungspflicht in keiner Weise entsprach, waren die Behörde bzw. das Gericht zu keinen weiteren Ermittlungen verpflichtet.

Es wäre am Bf gelegen gewesen, den Feststellungen des Finanzamtes mit konkreten Argumenten und unter Vorlage entsprechender Beweismittel entgegen zu treten.

Das Finanzamt stellte bereits im Haftungsbescheid zutreffend fest, dass der Bf keinen Nachweis für die Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes erbracht habe.

Auch aus der Aktenlage ergaben sich keine Anhaltspunkte für eine Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes, sodass von einer schuldhaften Pflichtverletzung ausgegangen werden durfte.

Bei schuldhafter Pflichtverletzung spricht die Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben (Ritz, BAO6, § 9 Tz 24).

Da der Bf auch zu den im Zuge von Außenprüfungen nachgeforderten Umsatzsteuern 12/2010 und 2011 nicht vorbrachte, aus welchen Gründen er an der zeitgerechten Entrichtung der nachgeforderten Umsatzsteuer gehindert gewesen wäre, war auch diesbezüglich von einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen.

Die Heranziehung zur Haftung für die im bekämpften Bescheid angeführten Abgaben war daher grundsätzlich rechtmäßig.

Die in den Umsatzsteuervoranmeldungen bis September 2012 offen gelegten Umsätze ließen – entgegen dem Vorbringen des Bf, der Gesellschaft seien ab Juli 2012 keine Mittel mehr zur Verfügung gestanden – auf das Vorhandensein liquider Mittel für eine zumindest teilweise Entrichtung der Haftungsschulden bis September 2012 schließen.

Auch der Umstand, dass nach den Feststellungen der Lohnsteuerprüfung die Bezüge bis einschließlich 08/2012 bezahlt wurden und laut 4. Bericht des Masseverwalters im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch elf Dienstnehmer beschäftigt waren, sprach gegen das Vorbringen des Bf.

Aus dem Akteninhalt ergaben sich allerdings deutliche Anhaltspunkte für das Fehlen von Mitteln zur Abgabenentrichtung ab Oktober 2012.

So war Punkt 2 der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom  zu entnehmen, dass laut vorgelegtem Belegwesen in den Monaten Oktober und November 2012 keine Umsätze mehr erwirtschaftet worden seien.

Zwei geringfügige Zahlungen vom auf das Abgabenkonto stammten von der Bauarbeiterurlaubskasse und nicht von der Gesellschaft.

Zwar waren laut 4. Bericht des Masseverwalters vom im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung im schuldnerischen Unternehmen noch elf Dienstnehmer beschäftigt, doch wurde im Zuge einer GPLA (Mitteilung vom ) festgestellt, dass die Bezüge nur bis einschließlich August 2012 ausbezahlt worden waren.

Die Anzahl der Dienstnehmer ergab sich offenbar aus einer Anfrage bei der OÖGKK (1. Bericht des Masseverwalters vom ).

Dass diese Dienstnehmer in den Monaten Oktober und November 2012 tatsächlich keine Tätigkeit mehr entfalteten, war ebenfalls aus dem 4. Bericht des Masseverwalters erschließbar, wonach das schuldnerische Unternehmen im Jahr 2012 immer größere Schwierigkeiten gehabt habe, Materialien beizuschaffen und wonach es ab ca. September 2012 de facto zu einem Stillstand gekommen sei.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände war davon auszugehen, dass die Gesellschaft ab Oktober 2012 keine Geschäftstätigkeit mehr entfaltete und keine Mittel mehr erwirtschaftete, die zur Abdeckung der ab Oktober fällig gewordenen Abgaben hätten herangezogen werden können.

Aus diesem Grund wurden sämtliche ab Oktober 2012 fälligen Abgabenschulden ausgeschieden (Verspätungszuschlag 06/2012 in Höhe von 1.413,11 €, Einfuhrumsatzsteuer 08/2012 in Höhe von 3.248,18 €, Umsatzsteuer 08/2012 in Höhe von 17.802,40 €, Säumniszuschlag 2012 in Höhe von 1.413,11 € und Stundungszinsen 2012 in Höhe von 374,47 €; in Summe daher 24.251,27 €) und der Beschwerde insoweit stattgegeben. 

Darüber hinaus führten Gutschriften aus den Körperschaftsteuerveranlagungen 2013 und 2014 in Höhe von 750,00 € zur teilweisen Tilgung der Umsatzsteuer 12/2010.

Ein weiterer Teil der Umsatzsteuer 12/2010 konnte durch Überrechnung eines Betrages von 1.450,00 € vom persönlichen Abgabenkonto der zweiten Haftungsschuldnerin, EF, sowie durch Umbuchung eines Betrages von 137,00 € vom persönlichen Abgabenkonto des Bf auf das Abgabenkonto der Primärschuldnerin abgedeckt werden.

Die beiden Geschäftsführer wurden durch die Heranziehung zur Haftung zu Gesamtschuldnern (§ 7 Abs. 1 BAO). Dem Abgabengläubiger steht aber auch bei Gesamtschuldverhältnissen die Befriedigung seiner Abgabenansprüche nur einmal zu, weshalb durch die erwähnte Überrechnung ein weiterer Teil der haftungsgegenständlichen Abgabenschuld bereits getilgt wurde und der Beschwerde auch insoweit stattzugeben war (vgl. ).

Die Umsatzsteuer 12/2010 in Höhe von 44.120,21 € laut Haftungsbescheid war daher um 750,00 € und 1.450,00 € auf 41.920,21 € zu reduzieren, wodurch sich der gesamte Haftungsbetrag auf 308.256,38 € verminderte.

Die Tilgung durch den Bf änderte aber nichts an der Berechtigung zur Heranziehung zur Haftung. Die Haftungsinanspruchnahme war insofern nicht um den entrichteten Betrag von 137,00 einzuschränken, da diesfalls der Tilgung nachträglich die Rechtsgrundlage entzogen würde.

Zahlungen des Haftungsschuldners vermindern zwar den von ihm zu entrichtenden Haftungsbetrag, ändern aber nichts an dem im Haftungsbescheid aufzuerlegenden Umfang der Haftungspflicht (z.B. ).

Zu bezahlen ist jedoch nur noch der im Spruch des Haftungsbescheides ausgewiesene Betrag abzüglich des umgebuchten Betrages von 137,00 €, konkret daher 308.119,39 €. 

Im Rahmen des Ermessens war insbesondere zu berücksichtigen, dass die Haftungsschulden nur noch im Haftungswege eingebracht werden können. Gegenständlich war daher dem Interesse der Allgemeinheit an der Abgabeneinbringung (Zweckmäßigkeitserwägung) der Vorzug zu geben gegenüber dem Interesse des Bf, nicht zur Haftung herangezogen zu werden (Billigkeitserwägung).

Die Geltendmachung der Haftung stellt in der Regel die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruchs dar.

Die Frage nach seinen derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnissen beantwortete der Bf nicht.

Nach der Judikatur konnte aber die Frage der Einbringlichkeit der Haftungsschuld beim Bf, wenn er zu seiner persönlichen finanziellen Lage keine Angaben machte, von der Abgabenbehörde bzw. dem Gericht bei ihren bzw. seinen Zweckmäßigkeitsüberlegungen vernachlässigt werden.

Darüber hinaus schließt, wie o.a., selbst eine allfällige derzeitige Uneinbringlichkeit der Haftungsschulden nicht aus, dass künftig neu hervorkommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können, weshalb eine Berücksichtigung der aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse des Bf im Rahmen des Ermessens nicht erforderlich war.

Der Bf. brachte keine Gründe vor, die bei Abwägung von Zweckmäßigkeit und Billigkeit eine andere Einschätzung bewirken hätten können.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG abhängt. Die im vorliegenden Fall relevanten Rechtsfragen sind bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von der die gegenständliche Entscheidung nicht abweicht, geklärt.

Linz, am

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